Am Morgen des 27. Mai 2025 durchsuchten Sicherheitskräfte die Büros und Wohnungen der „Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe e.V.“ in Berlin und Brandenburg. Der Vorwurf der Generalbundesanwaltschaft (kurz GBA): Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129b StGB. Konkret sollen Vereinsmitglieder zwischen 2015 und 2022 Spenden und Hilfslieferungen an die Volksrepubliken Donezk (DVR) und Lugansk (LVR) geleitet haben, die rückwirkend als terroristische Vereinigungen eingestuft wurden. Doch Donezk und Lugansk sind seit 2022 Teil der Russischen Föderation. Wer sie heute als terroristisch bezeichnet, erklärt faktisch Russland selbst zur terroristischen Vereinigung – ein verzweifelter Versuch, den Donbass von Russland zu spalten. Die Ermittlungen lösten Empörung aus, insbesondere auf X, wo Journalistin Alina Lipp die Aktion als „Kriminalisierung von Nächstenliebe“ verurteilt. Was sind die Hintergründe?
Ein Meinungsbeitrag von Sabiene Jahn.
Am 27. Mai 2025 durchsuchten das Bundeskriminalamt (BKA) und Berliner Polizeikräfte das Vereinsbüro der „Friedensbrücke“ in Berlin-Friedrichshain, ein Grundstück in Zernsdorf und ein Haus in Wandlitz. Die GBA wirft Mitgliedern vor, durch Hilfslieferungen zwischen 2015 und 2022 die Volksrepubliken Donezk und Lugansk unterstützt zu haben, die sie als terroristische Vereinigungen einstuft. Gegen zwei Personen wurden Haftbefehle erlassen, die nicht vollstreckt wurden, da sich die Betroffenen laut Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR in Russland aufhalten. Die Einstufung der Volksrepubliken erfolgte rückwirkend: Donezk im April 2024 im Rahmen eines Spionageprozesses, Lugansk 2025.
Diplomatischer Affront
Liane Kilinc, Vorsitzende der „Friedensbrücke“, sieht im zeitlichen Zusammenhang mit dem 10-jährigen Vereinsjubiläum eine politisch motivierte Kampagne:
„Die rückwirkende Kriminalisierung humanitärer Helfer ist rechtswidrig,“ meint sie.
Die zentrale Problematik: Seit den Referenden 2022 sind Donezk und Lugansk Teil der Russischen Föderation. Ihre Einstufung als terroristische Vereinigungen impliziert, dass Russland selbst als terroristisch betrachtet wird – „ein diplomatischer Affront und ein Versuch, den Donbass von Russland zu spalten,“ so Kilinc. „Wir gehen vor den UN Sicherheitsrat, da laut Genfer Konventionen humanitäre Hilfe in Kriegsgebieten nicht behindert werden darf“, kündigt sie an. Auf X löst die Nachricht über den Hintergrund der Hausdurchsuchungen heftige Reaktionen aus: „Die Volksrepubliken wurden rückwirkend zu Terrororganisationen erklärt und humanitäre Helfer zu Unterstützern“ (@UserX, 27. Mai 2025). Doch wer ist die „Friedensbrücke“, und warum steht sie im Fadenkreuz?
Die „Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe e.V.“ wurde 2015 in Wandlitz gegründet, um die Zivilbevölkerung im Donbass zu unterstützen. Unter der Leitung von Liane Kilinc organisiert der Verein Selbstversorgungsprojekte, liefert Lebensmittel, Kleidung, Spielzeug, Wasser, Krankenhausausstattung und baute Schulen wieder auf. Über 80 LKWs mit jeweils 20 Tonnen Transportgut wurden akribisch dokumentiert (Vereinswebsite: https://fbko.org/). Der 84. Transport mit 6 Tonnen nach Donezk startete vor zwei Tagen, am 26. Mai. Der Verein half vor Ort in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk, im russischsprachigen Donbass, wo Strom, Wasser und Apotheken oft ausfielen. Durch ihr Projekt „Friedenscamps“ in den Jahren 2016 bis 2018 konnten sich mit ihrer Unterstützung über 4.300 Kinder mit Müttern aus den Frontgebieten in Russland erholen, davon 150 chronisch Erkrankte auf der Krim.
Doppelmoral von Behörden
Liane Kilinc, ehemalige Leistungssportlerin und Betriebswirtin, beschreibt sich als Antifaschistin und war bis 2019 Mitglied der Linkspartei. Nach einer geplanten Donbass-Reise, Hilfe vor Ort und der Teilnahme als Beobachterin beim Referendum im September 2022, erschien auf dem Onlineportal von t-online ein Artikel, der auf ein Ermittlungsverfahren gegen den Verein deutete. Der Verein wurde beschuldigt, durch Lebensmitteltransporte in russisch besetzte Gebiete und die Zusammenarbeit mit der „Volksrepublik Donezk“ Russlands Krieg zu unterstützen. Verwiesen wurde u.a. auf ein Foto: Darauf war ein „Z“-Symbol zu sehen, das auf einem Lkw angebracht war, an dem sich der russische Partnerverein der „Friedensbrücke“ lediglich für die gute Zusammenarbeit bedankt hatte. „Die prorussische Haltung von Kilinc und die Finanzierung der Transporte“, führten schließlich zu Ermittlungen wegen Belohnung von Straftaten (§ 140 StGB) und zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit. Die Brandenburger Polizei und das Finanzministerium Brandenburg prüften die Aktivitäten, da diese als politische Unterstützung Russlands interpretiert wurden.
Für Liane Kilinc war unter diesen Umständen klar, dass sie nicht nach Deutschland zurückkehren könne.
Im Vorfeld der Reise fand, so schildert sie ihre Beobachtungen, eine monatelange beständige Überwachung durch ukrainische Fahrzeuge statt. Sie vermutete den ukrainischen Geheimdienst (SBU) vor ihrem Haus in Wandlitz. Auslöser war offenbar das Tragen einer Donezker Fahne am 9. Mai im Treptower Park. Sie wurde damals von Polizeibeamten festgenommen. In Russland erhielt sie politisches Asyl und im April 2025 wurde ihr durch ein Dekret des Präsidenten die russische Staatsbürgerschaft verliehen. In Moskau setzt sie unbeirrt die Hilfe für den Donbass fort, finanziert durch Spenden, die trotz der Negativpresse von bz und n-tv weiterhin eingingen. Friederike Schlegel, Gründungsmitglied, sprach noch am 9. Mai 2025 mit der Autorin im Treptower Park über die Doppelmoral der Behörden:
„Die Menschen im Donbass brauchen Hilfe, wie in Jemen oder Gaza, deshalb machen wir weiter."
Ohne gerichtliche Kontrolle
Vorwürfe, wie die Lieferung von Dual-Use-Gütern (z. B. Maschinenöl) weist Kilinc zurück: „Das ist konstruiert, um uns zu kriminalisieren“. Und sie fügt noch weitere Argumente hinzu: Zum einen waren das Güter des russischen Partnervereins „Moskau-Donbass“ – also nicht die Lieferung der „Friedensbrücke“ –, und zum anderen ist Maschinenöl ein Standardprodukt mit breitem zivilen Nutzen, und seine Lieferung in ein Kriegsgebiet wie den Donbass primär für die Aufrechterhaltung humanitärer Infrastruktur – essentiell und plausibel. „Die Kriminalisierung solcher Lieferungen, ignoriert den humanitären Kontext, in dem solche Güter lebensnotwendig sind,“ erklärt Kilinc. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit 2022 erfolgte schließlich, Liane Kilinc verweist auf die juristischen Unterlagen, aufgrund ihrer vorgetragenen Reden, unter anderem zum Gedenken an das Massaker vom 2.Mai in Odessa, einer Veranstaltung zu „Stopp Ramstein“ oder die für „Stopp den Krieg gegen den Donbass“. Unter Abwesenheit wurde sie schließlich nach Paragraph 140 verurteilt und ein Haftbefehl erlassen. Eine Verteidigung war nicht möglich, sie war immer noch in Moskau. Warum wird diese humanitäre Arbeit verfolgt, während andere Akteure toleriert werden?
Die Ermittlungen basieren auf Paragraph 129b Strafgesetzbuch (StGB), der die Unterstützung terroristischer Vereinigungen ahndet. Das Bundesministerium der Justiz (BMJV) prüft, ob die Aktivitäten der „Friedensbrücke“ „gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung“ verstoßen. Die Ermächtigung erfolgt exekutiv, ohne gerichtliche Kontrolle, und ist intransparent, da Verwaltungsakten nicht einsehbar sind. Die GBA nutzt die 10-Jahresfrist der Verfolgungsverjährung (Paragraph 78 StGB), um Hilfslieferungen seit 2015 zu untersuchen. Die Schriftsätze behaupten, die „Volksrepubliken“ erfüllten durch bewaffnete Aktionen und russische Unterstützung den Terrorismus-Tatbestand, wobei Hilfslieferungen indirekt Kämpfer motivieren könnten (GBA, 2025).
Humanitäre Lieferungen gefährden Sicherheit?
Diese Logik ist aus mehreren Gründen fragwürdig: Erstens sind Donezk und Lugansk seit 2022 Teil Russlands. Ihre Einstufung als terroristische Vereinigungen ist ein Angriff auf die Souveränität der Russischen Föderation – also ein politischer Akt. Zweitens widerspricht die Kriminalisierung völkerrechtlichen Normen: Das Minsker Abkommen II (2015) erkannte die „Volksrepubliken“ als Kombattanten an, was mit einer Terrorismus-Einstufung unvereinbar ist. Drittens verpflichtet die IV. Genfer Konvention (Art. 23) zur Erleichterung humanitärer Hilfe. Wie kann ein Drittstaat wie Deutschland dann diese als Straftat werten? Viertens ist die Begründung, dass Rollstühle oder Lebensmittel Kämpfer motivieren, „ein Hohn auf humanitäre Prinzipien,“ wie Liane Kilinc am Dienstagabend kommentiert. Die Einstufung ist ein politischer Verwaltungsakt, bei dem „außenpolitischer Schaden“ und „innere Sicherheit“ bewertet werden. Doch wie gefährden humanitäre Lieferungen die Sicherheit? Ist dies ein Zugeständnis an Kiew, vielleicht gar ein „Geschenk“ für Selenskyjs Staatsbesuch? Die russische Sicht sieht darin einen Versuch, die Selbstbestimmung des Donbass zu unterdrücken. Wie aber entstand diese einseitige Perspektive?
Seit 2014 prägt ein einseitiges Narrativ die deutsche Wahrnehmung des Ukraine-Konflikts. Medien und Politik fokussieren Kiew, während der Donbass – der eigentliche Kriegsschauplatz bis 2022 – ignoriert wird. Zwischen 2014 und 2022 starben über 3.000 Zivilisten entlang der Kontaktlinie, doch West- und Zentralukraine blieben unversehrt, mit florierendem Tourismus und Investitionen. Dennoch flossen Spenden – über eine Milliarde Euro allein im Jahr 2022 – ausschließlich in Kiew-kontrollierte Gebiete. „Aktion Deutschland Hilft“ und andere Bündnisse schlossen den Donbass aus, mit der Begründung fehlender „verlässlicher Strukturen“ – eine Falschbehauptung. Donezk hatte funktionierende Verwaltungen, Kliniken und Schulen, so zeigten 2018 meine eigenen Recherchen vor Ort.
Spaltung innerhalb der Ukraine
Zahlreiche deutsch-ukrainische Vereine, u.a. durch die Stiftung Moderne Liberale der Grünen gefördert, organisierten Veranstaltungen für Flüchtlinge, während Donbass-Hilfe kriminalisiert wurde. Diese Selektion spiegelt die mediale Darstellung der Ukraine als Opferstaat wider, die neutrale Hilfe untergräbt. Die Bundesregierung unterstützte Kiew mit Waffen und Sanktionen gegen Russland, während die Verhandlungsbasis des Minsker Abkommens – Neutralität und Sonderstatus für den Donbass – verworfen wurde.
Die Flüchtlingssituation verdeutlicht die Doppelmoral. Rund 6,3 Millionen Ukrainer leben in der EU, viele in Deutschland. Doch russischsprachige Binnenflüchtlinge aus dem Donbass berichten von Diskriminierung in der Westukraine. Das Sprachengesetz von 2019 zwingt zum Ukrainisch-Sprechen, russische Kultur wird unterdrückt. In Gesprächen mit Flüchtlingen und Beobachtern verdichtet sich das Bild einer innerukrainischen Hierarchie. Wer aus Mariupol, Donezk oder Lugansk kommt, wird oft misstrauisch beäugt. Manche berichten sogar von Übernahmen von Geschäften durch Asow-Mitglieder oder Korruption in lokalen Verwaltungen. Während sie im Westen als Heldensymbole der ukrainischen Abwehr gelten, stehen sie im Landesinneren vielfach für Korruption, Einschüchterung und aggressive Nationalisierung. Dass dieser Umstand in westlichen Medien kaum Erwähnung findet, passt ins Bild: Auch die Spaltung innerhalb der Ukraine wird der Einheit geopfert. In Russland und Belarus hingegen sind über 6 Millionen ukrainische Flüchtlinge integriert, mit 98 Prozent Beschäftigungsquote und geringem gesellschaftlichen Konflikt. Diese Kontraste finden in Deutschland kaum Beachtung. Warum aber werden rechtsextreme Gruppen toleriert?
Für Rollstühle kriminalisiert
Mitte Mai 2025 sorgte die Teilnahme von „Asow“-Brigadenmitgliedern an einer Bundestagsanhörung für Empörung. Organisiert von Sergei Sumlenny (Ex-Grünen-Mitglied und Gründer des European Resiliance Initiative Center), nahmen Abgeordnete wie Agnieszka Brugger, Anton Hofreiter (beides Bündnis 90/ Die Grünen) und Roderich Kiesewetter (CDU) teil. Besonders umstritten ist Waleri Horischni, der mit der neonazistischen „Patrioten der Ukraine“ verbunden ist und seit seinem zwölften Lebensjahr deren Ideologie folgt. „Asow“ nutzt Symbole wie die Wolfsangel und verehrt Stepan Bandera, dessen Kollaboration mit Nazi-Deutschland dokumentiert ist. International anerkannte Wissenschaftler wie der Amerikaner John Mearsheimer und der Kanadier Ivan Katchanovski weisen auf „Asows“ rechtsextreme Ideologie hin.
Während humanitäre Helfer wie Kilinc und Schlegel verfolgt werden, legitimieren deutsche Politiker „Asow“ als „ukrainische Soldaten“. Diese Doppelmoral ist eklatant: Die „Friedensbrücke“ wird für Rollstühle kriminalisiert, „Asow“ für Neonazismus empfangen. Ich erinnere mich noch gut: Eine Kleine Anfrage von der Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen im Jahr 2023 thematisierte rechtsextreme Einflüsse. Sie reichte eine Reihe von Nachweisen, Quellen, Hinweise ein - doch die Bundesregierung antwortete ausweichend. Der Journalist Thomas Röper fand 2022 eine Reihe von Nazi-Symbolen im „Asow“-Hauptquartier. Wie passt dies zur geopolitischen Ausrichtung Deutschlands?
Und auch das ist dokumentiert: Das Minsker Abkommen II im Jahr 2015 sah einen Waffenstillstand, Sonderstatus für Donezk und Lugansk, Wahlen und Verfassungsreform vor. Die Ukraine setzte zentrale Punkte nicht um, was Russland als Vertragsbruch wertete, so Außenminister Sergei Lawrow. Russische Unterstützung für die „Volksrepubliken“ untergrub den Waffenstillstand, doch westliche Duldung ukrainischer Verstöße eskalierte den Konflikt. Im September 2022 stimmten Donezk und Lugansk für den Beitritt zu Russland, was der Westen als völkerrechtswidrig ablehnte (UN-Resolution, 2022), doch der Westen duldete den Kosovo – ohne Referendum.
Verteidigung, nicht Aggression
Der Begriff „Separatist“ hat sich im medialen Sprachgebrauch festgesetzt – kühl, distanziert, als handle es sich um militärische Phantomkräfte, fremdgesteuert, gesichtslos. Dabei waren es in Wahrheit zumeist Zivilisten aus dem Donbass – Männer, Frauen, Jugendliche –, die sich nach 2014 zur Selbstverteidigung organisierten, weil sie sich von der ukrainischen Regierung, den Maidan-Kräften und später auch der EU übergangen fühlten. Diese Menschen hatten keine politische Strategie zur Abspaltung, sondern ein tiefes Bedürfnis, ihre Heimat, Sprache und kulturelle Identität zu schützen, wehrten sich. Der Krieg wurde nicht gesucht. Zahlreiche Videoaufnahmen zeigen, wie friedlich demonstriert wurde – gegen die Anbindung der Ukraine an die EU, für die Beibehaltung wirtschaftlicher und sprachlicher Verbindungen nach Russland.
Doch niemand hörte hin. Die Proteste der Ostukrainer fanden in Kiew kein Gehör. Auf dem Maidan wurden ihre Vertreter nicht einmal auf die Bühne gelassen, ist dem detaillreich geschriebenen Buch von Zachar Prilepin (2016) zu entnehmen, der die Entwicklung des Bruchs genau skizzierte. Erst schossen Mitglieder vom „Rechten Sektor“ – der erste Schockzustand für die Kundgebungsteilnehmer. Der Wendepunkt kam mit dem Massaker von Odessa am 2. Mai 2014. Dort starben über 40 Menschen, als ein autonomes Gebäude von nationalistischen Gruppen und ausländischen Paramilitärs in Brand gesetzt wurde – die Opfer, fast ausschließlich westlich abgewandte eingestellte Zivilisten, wurden lebendig verbrannt oder erschlagen. Dieses Ereignis markierte für viele im Donbass das Ende der Hoffnung auf eine politische Lösung. Plötzlich war klar: Die Auseinandersetzung wird nicht mehr demokratisch geführt, nicht mehr durch Wahlen, Verfassungsgerichte oder Verhandlungen. Die eigene Existenz, Sprache, Herkunft, Lebensweise stand zur Disposition – und mit ihr die Sicherheit von Familien, Nachbarn, ganzen Dörfern.
Ideologischer Radiergummi
Die Reaktion war Verteidigung, nicht Aggression, erzählt Alexander Sachartschenko in Prilepins Buch. Der Bergbauingenieur Sachartschenko organisiert die losen Bürgerwehren und steht später als Ministerpräsident von Donezk selbst an der Front, jeder Mann wird gebraucht. Die Region war voller Waffen – aus alten Lagerbeständen, manchmal sogar lokal produziert. Alle im Ostblock hatten eine vormilitärische Ausbildung oder hatten ihren Dienst in der Armee geleistet. Ukrainische Panzer, die in die Region rollten, wurden zu Beginn von Frauen mit bloßen Händen gestoppt. Es gibt dokumentierte Fälle, in denen ukrainische Soldaten freiwillig abstiegen, ihre Waffen abgaben und zu Fuß nach Hause gingen – weil sie nicht gegen ihre eigenen Leute kämpfen wollten. Doch kurz darauf kamen andere: fremde Bataillone, Freiwillige aus dem Westen der Ukraine, mit politischem Auftrag, nicht mit Dialog.
Die Männer im Donbass – oft jung, gebildet, sportlich – hatten keine Wahl mehr. Sie verteidigten ihre Häuser, ihre Mütter, ihre Sprache. Und der Westen nannte sie „Separatisten“. Zwei ihrer bekanntesten Anführer, Motorola (Arsen Pawlow) und Givi (Michail Tolstych), wurden vom Westen nie interviewt, nie eingeladen, nie als Menschen dargestellt – obwohl ihre Geschichten tragisch, ihr Mut greifbar und ihre Methoden teilweise sogar kreativ waren. Motorola organisierte Verteidigungsmaßnahmen in der Stadt, Givi spielte mit Lautsprechern muslimische Gebetsrufe ab, um mit tschetschenischen Stimmen die ukrainische Seite psychologisch zu verunsichern. Ihre Verteidigung war improvisiert – später erst organisiert, menschlich, loyal und von einem tiefen Gemeinschaftsgefühl getragen – nicht von geostrategischer Ambition. All dies wurde im Westen systematisch ausgeblendet. Kein Artikel in den Leitmedien gab diesen Männern ein Gesicht. Keine Hilfsorganisation fragte nach ihrer Lage. Kein europäisches Parlament gedachte ihrer Toten. Der Begriff „Separatist“ wirkte wie ein ideologischer Radiergummi: Er löschte Empathie, entmenschlichte, relativierte Gewalt.
Debatte zeigt die Spaltung
Die russische Sicht betont die Selbstbestimmung des Donbass. Deutschland, einst Vermittler im Normandie-Format, hat seine Neutralität aufgegeben. Waffenlieferungen und die Einstufung der Volksrepubliken zeigen Parteinahme für NATO-Interessen. Die russische Perspektive sieht den Donbass als Verteidiger seiner Kultur, nicht als „Separatisten“. Gibt es Ansätze für eine Lösung? „Trump lobte Putins Anerkennung der ‚Volksrepubliken‘ 2022 als ‚genial‘ und schlug (Kiew) 2024 Gebietsabtretungen vor.“ „Russland fordert die Anerkennung der Volksrepubliken, Entmilitarisierung der Ukraine und ein NATO-Verbot.“ Und „die EU und Ukraine lehnen Verhandlungen unter russischen Bedingungen ab; ein 30-tägiger Waffenstillstand würde als kurzfristiges ‚Minsk 3‘ gesehen“. Alina Lipp (@AlinaLipp) verurteilte die Ermittlungen (X, 27. Mai 2025). Die Pro-Reaktionen: „Russophobic Merz rekindles German #Fascism!“ (@Dr_LCorredor); „Wann wird die Antifa zur Terrororganisation erklärt?“ (@ParsProToto) und die Contra-Akteure kontern aggressiv bis bedrohlich mit: „Wir finden dich“ (@Komm452425); „Halts Maul!“ (@vodi2021). Die Debatte zeigt die Spaltung, Aggression und Rohheit.
Die Ermittlungen gegen die „Friedensbrücke“ und die Einstufung der „Volksrepubliken“ sind ein Angriff auf humanitäre Hilfe und die Souveränität Russlands. In Kiew empfängt der Bundestag Asow-Kämpfer mit Wolfsangelsymbolen, während man in Berlin Helfer kriminalisiert. Die mediale Spaltung der Welt in „gute Ukrainer“ und „böse Russen“ ist nicht nur naiv – sie ist kolonial. Wer so denkt, braucht keine Wahrheit, sondern Lager. Wer so urteilt, ersetzt Humanität durch Ideologie. Die „Asow“-Kontroverse zeigt die Doppelmoral, während das Scheitern des Minsker Abkommens die westliche Parteinahme verdeutlicht. Deutschland hat seine Neutralität verloren, und die einseitige Unterstützung Kiews ignoriert das Leid im Donbass. Echte Humanität erfordert Hilfe ohne politische Schemata. Und nur Verhandlungen jenseits von Maximalforderungen können Frieden bringen. Dann auch kann sich die „Friedensbrücke“ anderen Aufgaben widmen.
Quellen und Anmerkungen:
3.) https://overton-magazin.de/dialog/gestrandet-in-moskau/
4.) https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/durchsuchung-dual-use-101.html
8.) https://www.buzer.de/78_StGB.htm
11.) https://dserver.bundestag.de/btd/20/078/2007869.pdf
12.) https://www.osce.org/special-monitoring-mission-to-ukraine/379768?download=true
13.) https://www.bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Embargos/Russland/russland_node.html
14.) https://www.osce.org/odihr/522616
15.) https://dejure.org/gesetze/StGB/86a.html
16.) https://dejure.org/gesetze/StGB/129b.html
18.) https://www.osce.org/special-monitoring-mission-to-ukraine-closed
19.) https://www.amnesty.org/en/documents/eur50/0001/2015/en/
20.) https://www.osce.org/cio/140156
21.) https://www.icrc.org/sites/default/files/external/doc/en/assets/files/publications/icrc-002-0173.pdf
23.) https://www.washingtonpost.com/politics/2025/05/22/trump-russia-ukraine-24-hours-fact-checker/
24.) https://www.washingtonpost.com/politics/2024/04/05/trump-ukraine-secret-plan/
25.) https://www.zeit.de/politik/ausland/ukraine-krieg-news-liveblog
27.) https://www.washingtonpost.com/politics/2024/11/27/trump-administration-transition-trade-nih/
32.) https://unser-mitteleuropa.com/160155
35.) https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/russland-2024
38.) https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/regierungspressekonferenz-2673024
39.) https://www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/putin-reagiert-560/
40.) https://tass.com/defense/1655085; https://tass.com/politics/1923277;
https://tass.com/politics/1916069;
https://tass.com/world/1915413; https://tass.com/politics/1917017;
https://tass.com/world/1830463
41.) https://x.com/i/broadcasts/1jMJgBqkmlbGL
42.) https://www.washingtonpost.com/politics/2025/05/22/trump-russia-ukraine-24-hours-fact-checker
43.) https://de.m.wikipedia.org/wiki/Russischer_%C3%9Cberfall_auf_die_Ukraine_seit_2022
44.) https://www.dw.com/de/russland-spionage-volksrepublik-donezk-eine-terrorvereinigung/a-68901437
45.) https://www.lpb-bw.de/chronik-ukrainekonflikt
47) https://www.buzer.de/gesetz/122/a1563.htm
48.) https://www.t-online.de/region/berlin/id_100054070/spenden-aus-brandenburg-fuer-putins-krieg-.html
49.) https://www.bz-berlin.de/archiv-artikel/dubioser-pro-putin-verein-nicht-mehr-gemeinnuetzig
51.) https://www.osce.org/ukraine-smm/reports
52.) https://www.osce.org/files/f/documents/3/f/379768.pdf
54.) https://www.bz-berlin.de/brandenburg/brandenburger-verein-unterstuetzt-putins-krieg
55.) https://jungle.world/artikel/2023/16/mit-nazis-russland
56.) https://de.rt.com/inland/246102-bundesanwaltschaft-ermittelt-gegen-humanitaere-helfer/
https://www.sueddeutsche.de/politik/friedensbruecke-kriegsopferhilfe-razzia-russland-li.3259965
57.) https://www.bz-berlin.de/brandenburg/bka-staatsschutz-zernsdorf
58.) https://fbko.org/index-mobil.php?S=Aktuelles_Was-tut-sich&lang=DE
59.) https://okv-ev.de/2022/09/16/dank-an-friedensbruecke-kriegsopferhilfe-e-v/
61.) https://de.rt.com/inland/246102-bundesanwaltschaft-ermittelt-gegen-humanitaere-helfer/
63.) https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-10-2025-0006_DE.html
64.) https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/regierungspressekonferenz-2719264
65.) https://nrw.dfg-vk.de/hintergruende-und-meinungen/
66.) https://zms.bundeswehr.de/de/mediathek/ukraine-medien-meinung-5728592
68.) https://www.lpb-bw.de/nahostkonflikt
71.) https://www.klonovsky.de/2025/05/21-mai-2025/
74.) https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-ukraine-freitag-524.html
76.) https://x.com/WolfgangSchuett/status/1927431774663045283
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Wir danken der Autorin für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bild: Lager für humanitäre Hilfsgüter
Bildquelle: monticello / shutterstock
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