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Amerikas Sonnenkönig

Amerikas Sonnenkönig

Der französische König Ludwig der Vierzehnte behauptete, er selbst sei der Staat. Auch für Trump scheinen Gesetze nur geringe Bedeutung zu haben. Er stellt sich dar als zupackender Macher, der nach eigenen Gesetzen handelt, wozu er sich durch seine Außergewöhnlichkeit ermächtigt glaubt.

Ein Meinungsbeitrag von Rüdiger Rauls. 

Wenig Erfolg 

Für Trumps Pläne, die er zu Beginn seiner Amtszeit mit großem Getöse angekündigt hatte, wird es allmählich eng. Die Ergebnisse sind dürftig und seine Zustimmung in der Bevölkerung geht zurück. Einzig die Defizite und Schulden steigen weiter, und an den Finanzmärkten wachsen die Zweifel, ob es ihm gelingt, die Schulden abzubauen und das Missverhältnis zwischen den Staatseinnahmen und den Ausgaben in den Griff zu bekommen. Allein in diesem Jahr müssen die USA „mehr als neun Billionen [9.000 Milliarden] Dollar am Anleihemarkt aufnehmen, um fällig werdende Staatsanleihen und das laufende Haushaltsjahresdefizit von rund zwei Billionen Dollar zu decken.“ (1)

Wenn auch die Zolleinnahmen steigen, so konnten sie bei weitem nicht zu einer Entspannung an der Schuldenfront beitragen. Finanzminister Scott Bessent rechnet mit mehr als 300 Milliarden in diesem Jahr. Allein für den Juli meldeten die USA 21 Milliarden Dollar Mehreinnahmen aus Zöllen, „das Haushaltsdefizit der Regierung wuchs im selben Monat jedoch um fast 20 Prozent auf 291 Milliarden Dollar“ (2). Ob sich die Zollpolitik gegenüber China auszahlen wird, muss sich noch zeigen. Fürs Erste hat Trump Erhöhungen auf Einfuhren aus China bis zum November aufgeschoben.

Auch Indien scheint keine Eile zu haben, eine Vereinbarung mit den USA zu treffen. Trump hat angeblich in den vergangenen Wochen „vier Versuche unternommen, den indischen Ministerpräsidenten ans Telefon zu bekommen. Doch der verweigert das Gespräch“ (3). Trumps Pläne gehen nicht auf. Die Welt sieht anders aus, als er sich eingebildet hat, und die USA scheinen in dieser Welt immer mehr an Bedeutung zu verlieren. Aber die amerikanische Bevölkerung wartet auf die Erfolge, die ihr neuer Präsident in Aussicht gestellt hatte.

Wachsender Druck

Im Bereich der Wirtschaft ist davon noch nicht viel zu erkennen und schon gar nicht in den Geldbeuteln der Verbraucher. Trotz weiterhin niedrigen Inflationszahlen steigen die Preise. Besonders bei einmaligen Ereignissen wie dem alljährlichen Schulbeginn wird der Unterschied zum Vorjahr für viele Verbraucher deutlicher. „Eine Analyse von Groundwork Collaborative und der Century Foundation ergab, dass die Kosten für ein typisches Schulanfangsset in diesem Jahr um 7,3 Prozent gestiegen sind – fast dreimal so viel wie die allgemeine Inflationsrate.“ (4)

Weitere Preisanstiege in der Breite sind zu erwarten. Allein im Juli ist der Erzeugerpreisindex deutlich um 3,3 Prozent gestiegen, noch einmal kräftiger als im Vormonat, wo er auch schon um 2,3 Prozent angezogen hatte. Irgendwann werden diese Zuwächse auch beim Endverbraucher ankommen, denn jede dritte Firma in den USA plant im nächsten Jahr Preiserhöhungen. „Einem Bericht der US-Regierung zufolge beträgt der aktuelle Zollsatz für Verbraucher 18,3 Prozent – ​​der höchste seit 1934 … [und] dass die Zölle im Jahr 2025 zu einem Preisanstieg von 1,8 Prozent führen werden, was einer zusätzlichen Belastung von 2.400 Dollar pro amerikanischer Familie entspricht“ (5).

All das dürfte Trump bekannt sein, auch dass seine Drohungen in der Welt immer weniger ernst genommen werden. Aber auch wenn Trump es nicht wahrhaben will, sein Plan, durch Zölle die Defizite mit anderen Ländern und im US-Haushalt abzubauen, geht bisher nicht auf. Er selbst und die USA verfügen nicht über die Macht, andere Staaten für die Gesundung der Staatsfinanzen und die Aufwertung der amerikanischen Wirtschaft zahlen zu lassen.

Da sich der US-Präsident bei den Großen der Welt wie Russland, China und zuletzt auch Indien mit seinen Vorstellungen und Drohungen nicht durchsetzen kann, scheint er verstärkt im Inland Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen zu wollen. Die Erwartungen der eigenen Bürger setzen ihn unter Druck, und denen ist es weitgehend egal, durch welche Maßnahmen sich ihre Lebenslage verbessert. Die Hauptsache ist, sie verbessert sich. Wirtschaftspolitisch aber hängen Trumps Pläne weitgehend von den Entscheidungen anderer Staatsführer ab, auf die er weniger Einfluss hat, als er zu glauben scheint und wahrhaben will. 

Innenpolitisch punkten

Will er also aus eigener Kraft Erfolge erzielen, so geht das eigentlich nur in der Innenpolitik. Hier kann er Handlungsfähigkeit beweisen, indem er seine Wahlankündigungen zu verwirklichen versucht. Unter anderem hatte er versprochen, „in seinem ersten Jahr als Präsident bis zu eine Million Menschen ohne Aufenthaltspapiere aus den USA abzuschieben“ (6). Das hatte viel Zustimmung bei Wählern gefunden, stößt aber in einigen Wirtschaftszweigen auf wenig Gegenliebe.

Selbstherrlich und unter Missachtung herrschender Gesetze hatte er Jagd auf Migranten machen und kurzerhand viele aus dem Land schaffen lassen. Bald aber musste er erkennen, dass auch Donald Trump sich nicht so einfach im Stile des Sonnenkönigs über die Gesetze hinwegsetzen kann. Gerichtsurteile zwangen ihn nicht nur, diese Praxis einzustellen, sondern auch bereits Ausgewiesene wieder zurückzuholen.

Seine Migrationspolitik hat nicht nur Freunde in den USA gefunden, denn gerade in einem Einwanderungsland wie den USA sind viele von Migrationspolitik in irgendeiner Weise betroffen. Sein selbstgefälliges Vorgehen hat nicht nur zu einer Polarisierung der Gesellschaft geführt, sondern auch zu heftigen Protesten und Niederlagen vor Gerichten. Seitdem betrieb er seine Migrationspolitik weniger lautstark und wandte sich stattdessen stärker der Kriminalitätsbekämpfung zu.

Auch hier nahm er es mit den Gesetzen nicht so genau, glaubte er doch die Bevölkerungsmehrheit hinter sich, die sich in ihren Städten wieder sicherer fühlen will. Gegen den Willen des Gouverneurs von Kalifornien ließ er in Los Angeles die Nationalgarde aufmarschieren, wozu er nach geltendem Recht nicht berechtigt war. Er ermächtigte sich einfach selbst. Letztlich müssen dann Gerichte entscheiden. Das aber scheint ihn nicht zu beeindrucken und deren Urteile auch nicht.

Die objektive Sicherheitslage in amerikanischen Städten und das Sicherheitsempfinden ihrer Bürger liegen mitunter weit auseinander. Dementsprechend werden die Statistiken der Tötungsdelikte je nach politischem Interesse unterschiedlich gedeutet, abhängig von den Parteien, denen diese Deutungen nützen oder schaden sollen. So ließ Trump die Nationalgarde in Washington mobilisieren, wozu er berechtigt war, kündigte ähnliche Maßnahmen auch für andere US-Städte an, wozu er wiederum nicht berechtigt ist. Die Rechtslage aber scheint ihn wenig zu interessieren. Er handelt einfach.

Dass sich die Bürger nach Trumps Deutung wieder sicherer fühlen, wenn das Sicherheitsempfinden durch die Präsenz von Soldaten im Stadtbild gestärkt wurde, ändert wenig an den wirtschaftlichen Unsicherheiten. Ob dieses Gefühl der Sicherheit an der tatsächlichen Lage gemessen lange Bestand haben wird, wird sich zeigen, wenn die Soldaten irgend wann wieder abgezogen sind.

Neue Geldquellen

Das gewachsene Sicherheitsgefühl in einigen amerikanischen Städten ändert wenig an den wirtschaftlichen Verhältnissen im gesamten Land. Hohe Zinsen und steigende Preise schränken Wirtschaftstätigkeit und Konsum ein, auch die Arbeitsmarktzahlen bleiben unter den Erwartungen der Amerikaner. Jobs und Wirtschaftswachstum müssen her. Dazu müssen Unternehmen oder der Staat investieren. Aber dem Staat fehlt das Geld.

Die Husarenritte von Elon Musks Sturmabteilung DOGE haben zu mehr Unruhe in den staatlichen Verwaltungen und Gerichtsverfahren geführt, die finanzielle Entlastungen für die Staatskassen liegen aber weit unter den Erwartungen. Auch Trumps Zollpolitik scheint mehr Probleme zu bereiten, als dass sie wirklich zählbare Erfolge vorweisen könnte, zudem ist vieles noch in der Schwebe.

Um die Einnahmen der Staatskasse zu steigern, scheint Trump zu immer neuen, teils verzweifelten, teils auch rechtlich fragwürdigen Maßnahmen greifen zu müssen. Nun will er direkt auf die Erträge großer Unternehmen zugreifen. So müssen die führenden US-Chip-Hersteller Nvidia und AMD 15 Prozent ihrer Einnahmen aus bestimmten Verkäufen nach China an den amerikanischen Staat abtreten, um Exportgenehmigungen für ihre KI-Chips (Nvidia H20, AMD MI308) zu erhalten.

Den in Schwierigkeiten geratenen Chip-Hersteller Intel hat Trump unter Druck gesetzt, dem amerikanischen Staat zehn Prozent seiner Anteile zu überlassen. Unter der Regierung Biden waren Intel nach dem Chips-Act Zuschüsse in Höhe von etwa elf Milliarden Dollar zugesagt worden, die nicht zurückgezahlt werden mussten. Da diese Beträge noch nicht vollständig ausgezahlt waren, hatte Trump die Auszahlung dieser Mittel von der Abtretung eines Aktienpakets an die USA abhängig gemacht. Mit diesem Schritt wurde der Staat über Nacht zum größten Einzelaktionär bei Intel.

Ob diese Maßnahmen rechtmäßig sind, scheint Trump nicht zu interessieren. Die Unternehmen halten vermutlich in der Hoffnung still, den unberechenbaren Präsidenten mit solchen Zugeständnissen zu besänftigen. Denn für AMD und Nvidia steht viel auf dem Spiel. Schon jetzt machen ihnen chinesische Chip-Hersteller immer mehr Konkurrenz. Durch weitere Behinderungen ihres Chinageschäfts dürfte dieser einträgliche Markt für die US-Unternehmen bald ganz verloren gehen.

Neues Feindbild

Solche Willkürakte eines Präsidenten dürften Investoren eher abschrecken als dazu einladen, in den USA zu investieren. Noch größeren Schaden an den Finanzmärkten bringt den USA jedoch der Streit zwischen Trump und dem Präsidenten der amerikanischen Notenbank. Die Federal Reserve Bank (FED) und ihr Vorsitzender Jerome Powell sind nach seiner Sicht Schuld daran, dass die Wirtschaft nicht voran kommt. So wie Europäer und Chinesen nach Trumps Sicht die USA betrügen wollen, so will auch der FED-Vorsitzende mit seinen hohen Zinsen ihm und dem Land schaden.

Weil Powell sich weigert, die Zinsen zu senken, bleiben Trumps Meinung nach Investitionen aus und damit auch die Arbeitsplätze, die er vollmundig als Ergebnis seiner großartigen Deals in Aussicht gestellt hatte. Mittlerweile zahlen die USA tausend Milliarden Dollar Zinsen auf ihre 37.000 Milliarden Dollar Schulden. Der Schuldendienst belastet den Haushalt inzwischen stärker als der Rüstungsetat. Dieses Geld fehlt für Investitionen und die Erfüllung staatlicher Aufgaben und Leistungen. Druck auf die FED soll deren Einschwenken auf Trumps Zinspolitik erzwingen.

Nun ist aber gerade die Unabhängigkeit der Notenbanken ein hohes Gut im Kapitalismus. Damit soll gerade das verhindert werden, was Trump nun durchsetzen will, die Geldpolitik zum Spielball kurzfristiger politischer Interessen zu machen zum Schaden langfristiger Investoreninteressen. Um seinen Willen durchzusetzen, macht er Druck auf einzelne Mitglieder der FED wie die zurückgetretene Adriana Kugler oder die von ihm unter fadenscheinigem Vorwand entlassene Lisa Cook. Deren Plätze in der FED will er mit seinen Gefolgsleuten besetzen. Auch Powell hatte er schon mit Entlassung gedroht. Ob er sich rechtlich durchsetzen kann, scheint ihn nicht zu interessieren, die Finanzmärkte aber schon. Trump scheint zu vergessen, dass er bald neun Billionen Dollar braucht.

Noch versucht der Präsident, seine Entscheidungen juristisch zu unterlegen. Er findet Urteile und Gesetze, die den legalen Anstrich seiner Entscheidungen aufrecht erhalten sollen, auch wenn diese in anderen Zusammenhängen stehen oder in Trumps Auslegung fragwürdig sind. Es wird sich zeigen, ob ausbleibende Erfolge bei ihm zu mehr Respekt vor dem Recht führen oder ob sie eher seinen Druck auf Gesetze und Richter verstärken. Die italienische Zeitung La Stampa bezeichnete seinen Umgang mit dem Recht als „Präsidialdiktatur in Amerika“. (7) Man könnte sich auch an Frankreichs Sonnenkönig erinnert fühlen.

Quellen und Anmerkungen

(1) Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 21.8.2025: „Die USA steuern auf eine Schuldenkrise zu“

(2) FAZ vom 20.8.2025: Zölle stützen die US-Finanzen

(3) FAZ vom 26.8.2025: Trump ruft an, Modi hebt nicht ab

(4) China Global Television Networt (CGTN) vom 25.8.2025: Von Buntstiften bis Laptops: Zölle treiben die Schulkosten in den USA in die Höhe

(5) CGTN vom 23.8.2025: FED-Firma in Jackson Hole, als die Zölle Amerika treffen

(6) FAZ vom 28.8.2025: Wieder droht die Abschiebung

(7) FAZ vom 27.8.2025 aus La Stampa (Turin): Wenn eine Diktatur präsidial sein kann

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Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: KI-generiertes Bild: US-Präsident Donald Trump als König
Bildquelle: Shutterstock AI / shutterstock


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Rüdiger Rauls Ludwig IV. Donald Trump Staatsschulden Preissteigerung Kriminalitätsbekämpfung Federal Reserve