Standpunkte

Afghanisierung – Syrianisierung | Von Jochen Mitschka

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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Wie immer an dieser Stelle will ich aus der Sicht der durch Kolonialismus und Imperialismus geplagten Regionen berichten. Dazu gehört auch der Bereich der westlichen Länder der ehemaligen Sowjetunion, derzeit insbesondere die Ukraine, aber auch der Nahe Osten. Ich will mit der Ukraine beginnen, dann aufzeigen, was im Nahen Osten passiert. Wähler, die „Grün“ wählen, müssen jetzt ganz stark sein, besonders wenn sie den zweiten Teil des Artikels lesen. Unter den Quellen will ich dann noch auf einige Argumente zu BRICS in den Kommentaren zu vorherigen PodCasts eingehen.

Pepe Escobar, den ich an dieser Stelle wohl nicht mehr vorstellen muss, schreibt in einem Artikel vom 20. August (1), dass sich die Ukraine irgendwo zwischen Afghanisisierung und Syrianisierung befinde. Also im Zustand zweier Länder, denen unendliches Leid durch die Kriege der westlichen Länder mit ihren Verbündeten zugefügt werden. Im Falls Syriens waren es die Golfdiktaturen, aber auch Israel mit permanenten Bombardierungen. Im Fall Serbiens die NATO. Wobei uns die Rechnungen für Reparationsleistungen diesmal vielleicht schneller erreichen, als die aus Polen.

Escobar schreibt, dass sich die USA für ihre Demütigung in Afghanistan an Russland rächen könnten, indem sie versuchten, die Ukraine zu „Afghanisieren“. Ein Ende des westlichen Waffen- und Finanzflusses nach Kiew sei nicht in Sicht, weshalb man sich im Klaren sein müsse, dass der ukrainische Kampf möglicherweise in einen weiteren endlosen Krieg ausarten könnte. Wie beim afghanischen Dschihad in den 1980er Jahren, bei dem von den USA bewaffnete und finanzierte Guerillas eingesetzt wurden, um Russland in den Abgrund zu reißen, werden die Hintermänner der Ukraine diese kriegserprobten Methoden wieder anwenden, um einen langwierigen Kampf zu führen, der sich bis in die angrenzenden russischen Gebiete ausweiten kann, meint der Autor.

Dieser US-Versuch einer „Krypto-Afghanisierung“ werde jedoch bestenfalls den Abschluss dessen beschleunigen, was Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu als die "Aufgaben" seiner militärischen Sonderoperation (SMO) in der Ukraine bezeichnet. Für Moskau führe dieser Weg derzeit bis nach Odessa.

Das hätte nicht so sein müssen, schreibt Escobar. Bis zur jüngsten Ermordung von Darya Dugina vor den Toren Moskaus habe sich das Schlachtfeld in der Ukraine in der Tat in einem Prozess der "Syrianisierung" befunden.

„Wie der Stellvertreterkrieg in Syrien im vergangenen Jahrzehnt hatten sich die Fronten um wichtige ukrainische Städte weitgehend stabilisiert. Auf den größeren Schlachtfeldern hatte Kiew verloren und war zunehmend dazu übergegangen, terroristische Taktiken anzuwenden. Keine der beiden Seiten konnte den riesigen Kriegsschauplatz vollständig beherrschen. Daher entschied sich das russische Militär dafür, nur minimale Kräfte im Kampf zu halten - im Gegensatz zu der Strategie, die es im Afghanistan der 1980er Jahre verfolgte.“ (1)

Was Escobars Aussage über die zurückhaltende Taktik Russlands bedeutet, sah man in den jüngsten Tagen, als eine Offensive mit tausenden ausländischer Kämpfer unter großen Verlusten durch die dünnen russischen Linien drangen. Was nun zu Forderungen in Russland führen wird, die SMO als Krieg zu führen, und die „Samthandschuhe“ auszuziehen.

Escobar erinnert dann an ein paar syrische Fakten: Palmyra wurde im März 2016 befreit, dann verloren und 2017 zurückerobert. Aleppo wurde erst im Dezember 2016 befreit. Deir Ezzor im September 2017. Ein Teil von Nord-Hama im Dezember und Januar 2018. Die Außenbezirke von Damaskus im Frühjahr 2018. Idlib - und bezeichnenderweise über 25 Prozent des syrischen Territoriums - sind immer noch nicht befreit. Das sage viel über den Rhythmus in einem Kriegsgebiet aus. Man sollte hinzufügen, in einem Krieg, der noch nicht wie einer der USA ist, welche durch Bombardierungen immense Zerstörungen, weitgehend ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, anrichten, bevor Landstreitkräfte mit vielfacher Überlegenheit vorrücken.

Das russische Militär habe bisher nie eine bewusste Entscheidung getroffen, den mehrkanaligen Fluss westlicher Waffen nach Kiew zu unterbrechen. Die systematische Zerstörung dieser Waffen, sobald sie sich auf ukrainischem Territorium befinden, sei eine andere Sache - und das mit großem Erfolg. Dasselbe gelte für die Zerschlagung von Söldnernetzwerken.

Moskau wisse sehr wohl, dass jede Verhandlung mit denjenigen, die in Washington die Fäden ziehen - und den Marionetten in Brüssel und Kiew alle Bedingungen diktieren -, aussichtslos sei. Beim Kampf im Donbass und darüber hinaus gehe es um Leben und Tod. Der Kampf werde also weitergehen und das zerstören, was von der Ukraine übrig geblieben sei, so wie er einen Großteil Syriens zerstört habe. Der Unterschied bestehe aber darin, dass das, was von der Ukraine übrig geblieben ist, wirtschaftlich viel mehr als in Syrien in ein schwarzes Loch fallen werde. Nur das Gebiet, das unter russischer Kontrolle stehe, werde wieder aufgebaut werden, und dazu gehöre auch der Großteil der industriellen Infrastruktur der Ukraine. Und, so sei hinzugefügt, ob der europäische Steuerzahler bereit ist, den Westen der Ukraine aufzubauen, sollte es zu einem vollumfänglichen Krieg durch die permanenten Waffenlieferungen und Söldner kommen, muss abgewartet werden.

Bis zum nächsten Jahr, so der Autor, werden die Russen alles daran setzen, Kiew von den Waffenlieferungen der NATO abzuschneiden. Im Zuge dieser Entwicklung werden die Anglo-Amerikaner schließlich das verbliebene Marionettenregime nach Lemberg verlegen. Und, wie der Autor meint, der Kiewer Terrorismus - ausgeführt von Bandera-Anhängern - werde weiterhin die neue Normalität in der Hauptstadt sein.

Er erklärt, dass es sich nicht nur um einen Krieg zur Eroberungen von Territorien handele. Der Krieg sei mit Sicherheit Teil eines Krieges der Wirtschaftskorridore - denn die USA scheuten keine Mühen, die vielfältigen Konnektivitätskanäle der eurasischen Integrationsprojekte zu sabotieren und zu zerschlagen, seien sie nun unter chinesischer (Belt and Road Initiative, BRI) oder unter russischer Führung (Eurasische Wirtschaftsunion, EAEU).

So wie der Stellvertreterkrieg in Syrien weite Teile Westasiens umgestaltet habe (siehe z. B. das bevorstehende Treffen zwischen Erdogan und Assad), ist der Kampf in der Ukraine in einem Mikrokosmos ein Krieg um die Neugestaltung der derzeitigen Weltordnung, in dem Europa nur ein selbstverschuldetes Opfer in einer Nebenhandlung ist. Das große Bild sei das Entstehen der Multipolarität.

Der Stellvertreterkrieg in Syrien, so stellt Erdogan fest, dauerte ein Jahrzehnt, und er ist noch nicht vorbei. Das Gleiche könnte mit dem Stellvertreterkrieg in der Ukraine geschehen. Derzeit hat Russland ein Gebiet eingenommen, das in etwa der Fläche von Ungarn und der Slowakei zusammen entspricht. Damit sei die "Aufgabe" aber noch lange nicht erfüllt - und es wird wohl so weitergehen, bis Russland das gesamte Land bis zum Dnjepr sowie Odessa eingenommen hat und es mit der abtrünnigen Republik Transnistrien verbindet.

Es sei erhellend zu sehen, wie wichtige eurasische Akteure auf solche geopolitischen Turbulenzen reagieren. Und damit kommt Escobar zu den Fällen Kasachstan und Türkei.

Kasachstan

Als Folge eines durch eine Hackergruppe aufgedeckten Skandals, von Waffenlieferung aus Kasachstan in die Ukraine, so berichtet der Autor, sah sich Kasachstan gezwungen, offiziell die Aussetzung aller Waffenexporte bis Ende 2023 anzukündigen. Die Geschichte werde noch pikanter. Alle Vertragsdokumente seien schließlich in den Computern des ukrainischen Geheimdienstes gefunden worden.

Außerdem hätten die Hacker über einen bulgarischen Käufer ein weiteres Geschäft herausgefunden, an dem Kazspetsexport beteiligt war und das den Verkauf von kasachischen Su-27, Flugzeugturbinen und Mi-24-Hubschraubern vorsah. Diese hätten in die USA geliefert werden sollen, ihr endgültiger Bestimmungsort sei jedoch die Ukraine gewesen. Das Sahnehäubchen auf diesem zentralasiatischen Kuchen sei, dass Kasachstan auch erhebliche Mengen an russischem - nicht kasachischem - Öl an Kiew verkaufe.

Es scheine also, dass Kasachstan irgendwie zur "Afghanisierung" des Krieges in der Ukraine beiträgt. Natürlich gebe es keine diplomatischen Lecks, die dies bestätigen, aber Escobar würde Wetten darauf abschließen, dass Putin bei dem jüngsten - herzlichen - Treffen mit Präsident Kassym-Jomart Tokajew ein paar Dinge dazu gesagt hat.

Die Türkei

Die Türkei sei ein weitaus komplexerer Fall. Ankara ist kein Mitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) (Anmerkung: wohl aber seit Jahren mit Beobachterstatus), der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) oder der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAEU). Es sei immer noch vorsichtig und kalkuliere, unter welchen Bedingungen es sich dem Hochgeschwindigkeitszug der eurasischen Integration anschließen werde. Und doch ermögliche Ankara Moskau durch verschiedene Maßnahmen, der Lawine westlicher Sanktionen und Embargos zu entgehen, erklärt Escobar.

Türkische Unternehmen - buchstäblich alle mit engen Verbindungen zu Präsident Recep Tayyip Erdogan und seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) - machen dem Autor zufolge ein Heidengeld und genießen ihre neue Rolle als Drehscheibe zwischen Russland und dem Westen. In Istanbul werde offen damit geprahlt, dass Russland das, was es nicht von Deutschland oder Frankreich kaufen kann, "bei uns kauft“. Und in der Tat seien mehrere EU-Unternehmen daran beteiligt.

Mitten im endlosen, sehr ernsten türkischen Wirtschaftsdebakel hole sich Ankara wirtschaftliche Unterstützung von einem sehr wichtigen Partner. Beide Länder seien sich über fast alles einig: russisches Gas, S-400-Raketensysteme, den Bau des russischen Atomkraftwerks, Tourismus - Istanbul ist voll von Russen -, türkisches Obst und Gemüse. Und sie betrieben Geopolitik wie aus dem Lehrbuch. Das bedeute nicht, dass sie Verbündete sind. Es sei einfach ein pragmatisches Geschäft zwischen Staaten. So könne beispielsweise eine wirtschaftliche Reaktion ein geopolitisches Problem lindern und umgekehrt.

Offensichtlich habe der kollektive Westen völlig vergessen, wie dieses normale Verhalten von Staat zu Staat funktioniert. Und so werde die Türkei vom Westen als verräterisch "denunziert" - genauso wie China.

Natürlich müsse Erdogan auch für sich werben, also sagt er hin und wieder, dass die Krim von Kiew zurückerobert werden sollte. Schließlich machen seine Unternehmen auch Geschäfte mit der Ukraine – verkaufen Bayraktar-Drohnen und anderes.

Ob Moskau beunruhigt über den Pan-Türkismus sei? Escobar meint, was die an Kiew verkauften Bayraktar TB2 angehe, so werden sie auch weiterhin unerbittlich zu Asche verarbeitet werden. Es sei nichts Persönliches, sondern „rein geschäftlich“.

Saudi-Arabien

Kommen wir auf Saudi-Arabien zu sprechen. Bereits letzte Woche hatte ich angedeutet, dass eine BRICS-Mitgliedschaft Saudi-Arabiens eine Befriedung der Region in Aussicht stellen würde, und gleichzeitig den Todesstoß für die US-Hegemonie im Nahen Osten. Und nun besuchte Chinas Präsident Xi Jinping Saudi-Arabien am 1. September und die ersten Vorbeben einer tektonischen politischen Verschiebung sind zu spüren.

In einem Artikel in Strategic-Culture.org (2) stellt Matt Ehret fest, dass Xi Jinpings Besuch in Saudi-Arabien weitere große Veränderungen in den Spielregeln des "Great Game" ankündigt, und zwar auf eine Art und Weise, die bisher nur wenige erkannt haben.

Er schreibt, dass während viele Menschen China dafür kritisieren, dass es weggeschaut hat, während die grausame saudische Offensive im Jemen seit 2015 weiterhin hunderttausende von Zivilisten getötet habe, dieselben Leute die Tatsache übersahen, dass eine höhere geopolitische Realität entstehe, die sowohl für die Menschen im Jemen als auch für die Menschheit im Allgemeinen einen viel größeren Nutzen haben wird, wenn sie realisiert wird.

Natürlich habe Saudi-Arabien viel Blut an den Händen. Allerdings sei die Monarchie auch nicht der eindimensionale Akteur, von dem viele oft ausgehen, dessen Ziel es sei, sich einfach für immer in den Ölgewinnen zu sonnen, während er den wahhabitischen Radikalismus in der gesamten arabischen Welt verbreitet und jede Nation unterwirft, die sich ihm in den Weg stellt.

Außerdem gebe es in Saudi-Arabien eine junge, robuste Generation (die Hälfte der 31 Millionen Saudis ist unter 25 Jahre alt) und eine neue Begeisterung für den technologischen Fortschritt als Motor für ein Zeitalter nach dem Kohlenwasserstoff. Diese gesündere Dynamik innerhalb der saudischen Bevölkerung und der Führungsschicht wurde dem Autor zufolge im saudischen Programm "Vision 2030" vom April 2016 und zuvor in der gemeinsamen Erklärung der Volksrepublik China und des Königreichs Saudi-Arabien vom Januar 2016 deutlich herausgestellt.

Diese positive Ausrichtung zeige sich in einer Reihe von vernünftigen Veränderungen der außenpolitischen Prioritäten Saudi-Arabiens in den letzten Jahren, die durch die reibungslose Diplomatie Chinas und Russlands ermöglicht wurden, eine Diplomatie, die bei der Schaffung einer neuen, tragfähigen Sicherheits- und Finanzarchitektur weit außerhalb der Kontrolle westlicher Unipolaristen führend sei. Zu den wichtigsten dieser neuen Prioritäten gehören die Ausrichtung des Ostens auf eine pro-chinesische Politik und die Verbesserung der diplomatischen Beziehungen zu den historischen Feinden in der Region.

Frieden und Stabilität im Nahen Osten statt „teile und herrsche“

Im November 2020, erklärt der Autor, öffneten Saudi-Arabien und der Irak ihre Grenzen wieder und begannen mit der Wiederherstellung kooperativer Beziehungen, 30 Jahre nachdem Saddams Invasion in Kuwait zu einem fast vollständigen Abbruch der Beziehungen geführt hatte. Auch Saudi-Arabien und die Türkei (die beide unter sich überschneidenden Interessensphären im Nahen Osten zu leiden hatten) seien bei der Wiederherstellung ihrer Beziehungen weit gegangen: Erdogan und Kronprinz Bin Salman kündigten nach dem Besuch des letzteren in Ankara eine "neue Ära der Zusammenarbeit" an.

Keine drei Tage nach diesem Treffen, schreibt Ehret, traf der irakische Premierminister Mustafa al-Kadhimi mit dem Kronprinzen in Dschidda zusammen, wo Fragen der Wirtschaft, der regionalen Stabilität, der bilateralen Beziehungen und der Möglichkeiten für eine gemeinsame Zusammenarbeit erörtert wurden (einen Tag später traf der irakische Premierminister mit seinem iranischen Amtskollegen zusammen). Der Iran und der Irak befänden sich derzeit in der Endphase der Arbeiten an der ersten Eisenbahnverbindung zwischen den beiden Staaten in der Geschichte, der Shalamcheh-Basra-Eisenbahnlinie, die an die bereits bestehende 1500 km lange Eisenbahnstrecke durch den Irak angeschlossen werden könne und dann als Teil des südlichen Korridors der BRI problemlos nach Syrien und in den Libanon führen könnte. Auch der Iran und Saudi-Arabien haben dem Artikel folgend, ihre Bemühungen zur Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen beschleunigt.

Andere Golfstaaten, die ebenfalls ihre Beziehungen zum Iran abgebrochen hatten, wie die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait, liest man dann, haben die Beziehungen bereits wieder aufgenommen. Der Autor vertritt die Auffassung, dass dieser Durchbruch völlig unmöglich gewesen wäre, wenn nicht sowohl China als auch Russland deutlich gemacht hätten, dass der Iran ein integraler Pfeiler der Groß-Eurasischen Partnerschaft ist, der eine potenziell stabilisierende Rolle im Nahen Osten spielt und ein Schlüsselknotenpunkt für das Funktionieren des Internationalen Nord-Süd-Verkehrskorridors und der Südroute der Belt and Road Initiative ist.

Die „westlichen Oberherren des Nahen Ostens“, so Ehret, die Saudi-Arabien und andere Regime als Waffen in ihrem geopolitischen Arsenal der Öl-Geopolitik und der Schaffung/Entfaltung von Terrorismus eingesetzt haben, hätten deutlich gemacht, dass in der auf Regeln basierenden internationalen Ordnung (Anmerkung: die das Völkerrecht ersetzen soll) nach dem "Großen Reset" wenig Platz für Kohlenwasserstoff-Brennstoffe sei, die als "Feind Nr. 1" angesehen werden, der um jeden Preis im Streben nach einem "globalen Netto-Nullpunkt" bis 2050 zerstört werden soll. Selbst auf praktischer Ebene werden Saudi-Arabien oder andere vom Öl abhängige Staaten in dieser utopischen neuen Ordnung also kaum eine Rolle spielen.

China habe keine derartigen „wahnhaften grünen Visionen“ und biete stattdessen eine vernünftigere Energievision mit seinen Partnern an, die in der im August 2022 von der saudischen Aramco und der chinesischen Sinopec unterzeichneten Absichtserklärung über eine weitreichende Ausweitung der Zusammenarbeit dargelegt ist. Es betrifft die Bereiche petrochemische Integration, Engineering, den Bau, vor- und nachgelagerte Technologie und Wasserstoffproduktion. Der Artikel zitiert dann den Chef von Aramco:

"Die kontinuierliche Sicherung des chinesischen Energiebedarfs bleibt unsere höchste Priorität - nicht nur für die nächsten fünf Jahre, sondern für die nächsten 50 Jahre und darüber hinaus."

Seit Saudi-Arabien im März 2022 erstmals die Idee geäußert hat, Öl in Yuan statt in US-Dollar an China zu verkaufen, werde immer deutlicher, dass die Zeit des US-Dollars als alleinige Reservewährung bald zu Ende gehe. Seit 2016 habe sich der chinesisch-saudische Handel massiv ausgeweitet, wobei China zum wichtigsten Handelspartner Saudi-Arabiens geworden ist und der bilaterale Handel im Jahr 2021 ein Volumen von 87 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Inzwischen kaufe China über 25 % des gesamten von Saudi-Arabien produzierten Öls.

Das Zeitalter der von spekulativen Spot- und Futures-Märkten geprägten Öl-Geopolitik, wie sie seit 1973 gespielt wurde, sei in jeder Hinsicht vorbei, und wer weiterhin nach diesen Regeln spielen wolle, werde nicht lange überleben. Die neue Realität, die für den Nahen Osten den Ton angebe, basiere auf realem, messbarem Wachstum mit Schwerpunkt auf Vernetzung, Eisenbahn und Industriekorridoren. Die Preise für Öl und andere Rohstoffe werden zunehmend von den messbaren Bedürfnissen der Nationen und Menschen bestimmt und nicht mehr von den kurzsichtigen Impulsen der Spekulanten, die vom Geldverdienen besessen sind und sich nicht um die reale Welt kümmern.

Daher mache es durchaus Sinn, dass China so hart daran gearbeitet habe, Saudi-Arabien dabei zu helfen, der zweite Golfstaat mit Kernkraftwerken zu werden (nach den Vereinigten Arabischen Emiraten, die vor kurzem den Sprung ins 21. Jahrhundert geschafft haben und derzeit 2,7 GW Energie bauen).

Der Artikel führt dann aus, dass China bereits 2016 eine Absichtserklärung unterzeichnet habe, um Saudi-Arabien beim Bau von gasgekühlten Reaktoren der 4. Generation zu unterstützen, und dass 2020 chinesische Unternehmen eine Vereinbarung unterzeichneten, um Saudi-Arabien nicht nur bei der Nutzung seiner enormen Uranressourcen zu helfen, sondern auch in allen Aspekten des nuklearen Brennstoffkreislaufs. Dies wäre nicht nur für die erfolgreiche Abkehr Saudi-Arabiens von der Abhängigkeit von Kohlenwasserstoffen von entscheidender Bedeutung, sondern würde auch riesige neue Ölreserven für die Weltmärkte schaffen, die jetzt dringend Brennstoff benötigen.

Die enormen Möglichkeiten der Meerwasserentsalzung sind ein weiterer Grund, warum die Kernenergie für jede Nation, die ernsthaft darüber nachdenkt, die Wasserknappheit auf nachhaltige Weise zu überwinden, die naheliegende Wahl sei.

Konnektivitätsprojekte

Neben der 500 Milliarden Dollar teuren NEOM-Megastadt am Roten Meer, die Xi in Kürze besuchen werde, so Ehret weiter, habe die saudische Vision 2030 auch dem Bau mehrerer Megaprojekte hohe Priorität eingeräumt, wie etwa der von der China Railway Construction Corporation fertiggestellten 450 km langen Hochgeschwindigkeitsstrecke Haramain Railway, die Mekka mit Medina verbindet. Dieses Projekt stelle eine solide Erweiterung der 2015 fertiggestellten 2700 km langen Nord-Süd-Eisenbahnlinie dar, die Riad mit Al Haditha an der Grenze zu Jordanien verbindet. Weitere 460 km Eisenbahnstrecken, die verschiedene GCC-Mitglieder (3) miteinander verbinden, seien ebenfalls im Bau.

Darüber hinaus wurde die 200 Mrd. USD teure Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke Persischer Golf-Rotes Meer (auch bekannt als saudische Landbrücke) von allen sechs Mitgliedern des Golf-Kooperationsrats im Jahr 2021 voll unterstützt. Die 2100 km lange Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke werde durch die arabische Wüste verlaufen und könnte sich leicht nach Norden bis nach Ägypten erstrecken, wo ähnliche Projekte bereits im Gange seien, und nach Süden bis in den Jemen und darüber hinaus durch die 26 km lange Bal el-Mandeb-Straße über das Rote Meer bis nach Ostafrika. Wenn der Friedensprozess zwischen Saudi-Arabien und Jemen erfolgreich verlaufe und der Iran als Vermittler gewonnen werden könne, sei es durchaus möglich, dass dieses Projekt, das bei seiner Vorstellung im Jahr 2009 als "Brücke am Horn von Afrika" bezeichnet wurde, endlich das Licht der Welt erblickt.

Als Fazit stellt der Autor fest, dass China und Russland zu wichtigen Vermittlern wurden, um die unterschiedlichen Interessen im Nahen Osten zu befrieden und sogar zu einer Kooperation zu bewegen. Es sei eine potenziell schöne neue Zukunft, die durch die Wiederbelebung des Geistes der Seidenstraße angetrieben werde.

Ausblick

In den nächsten Wochen werden weitere Informationen über die sich immer schneller entwickelnden neuen geopolitischen Realitäten folgen. Informationen, die so leider keinen Eingang in die Massenmedien Deutschlands finden, die damit beschäftigt sind, Deutsche in Nibelungentreue zu einem erodierenden Imperium bis zur Selbstaufgabe zu halten.

Bitte lesen Sie auch meine Bemerkungen zu Kommentaren der letzten Berichte unter den Quellenangaben.

Quellenangaben und Anmerkungen:

(1) https://thecradle.co/Article/columns/14989

(2) https://www.strategic-culture.org/news/2022/09/01/chinas-bri-shapes-a-multipolar-future-for-saudi-arabia/

(3) Mitlieder des GCC sind: Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi Arabien, Vereinigte Arabische Emirate.

Anmerkung zu Kommentaren in vorhergehenden PodCasts.

Vielen Dank für diese Kommentare, die mich zum Nachdenken brachten, und welche die Meinung äußerten, dass BRICS nichts anderes sein könnte, als eine Konkurrenz, identisch in der Zielsetzung, zum bestehenden kapitalistisch- imperialistischen System. Dass sie das Gegenteil seinen von einer gesellschaftlichen Vision, die auf der Selbstbestimmung der Individuen basiert.

Den Bedenken muss man entgegnen, dass vor der Realisierung einer selbstbestimmten Demokratie die Souveränität der Staaten realisiert werden muss. Und dieses ist das Ziel von BRICS, nicht eine komplette Revolution! Aber erst wenn dieses Zwischenziel erreicht wurde, werden die Lebensqualitäten, Bildung und Wohlstand der Menschen den Weg eröffnen, dass sie in der Bedürfnispyramide auf ein höheres Niveau aufsteigen können.

Dann sollte man aus der Geschichte lernen, dass es klug ist, gesellschaftliche Ordnungen in vergleichbaren Szenarien anzuwenden, um die Menschen aus der Armut zu holen, und ihnen einen Aufstieg in der Bedürfnispyramide zu ermöglichen. Und das einzige Land der Welt, welches innerhalb von 10 Jahren in der Lage war, die Armut im Land zu beseitigen ist nun mal China.

Fast alle sich nun langsam zur Demokratie hin entwickelnden ehemaligen Diktaturen der Entwicklungsländer und ehemalige Entwicklungsländer, wie ui, Beispiel Südkorea, zeigen, dass autoritäre Führung in einer bestimmten Entwicklungsstufe von Ländern, diese dazu bringen kann, eine weitere Stufe zu erreichen, in der sich die autoritäre Führung langsam verabschiedet.

Bildung

Nein, ich glaube nicht, dass Bildung alleine zu mehr Demokratie führt. Dazu hat Jacques Ellul das Gegenteil schon in den 1960er Jahren begründet. Und man sieht gerade derzeit in Deutschland, dass Bildung sogar empfindlicher macht auf Propaganda hereinzufallen, wenn diese die Richtung der bisherigen Bildung und Unterwerfung unter Bildungsprotagonisten bestätigt. Aber die Gesamtheit der Entwicklung, einschließlich der Bildung, führt dazu, dass die einzelnen Menschen auf ein anderes Niveau des Bewusstseins gebracht werden.

Sowohl Russland als auch China, aber auch Brasilien, befinden sich in einem gesellschaftlichen Entwicklungszustand, der gerade an einer kritischen Schwelle angekommen ist. Derzeit wird aber durch die Sanktionen des Westens noch die autoritäre Führungsdoktrin gestützt, weil sie wirtschaftliche Erfolge zeigt. Sobald diese Phase überwunden sein wird, vielleicht in ein oder zwei Generationen, kann die Entwicklung der Gesellschaften das nachvollziehen, was BRICS derzeit als Organisation der Staaten plant. Nämlich die Organisation souveräner Einheiten, die sich bemühen, in einer Win-Win-Situation ihre Interessen zu vertreten, ohne den Partner vollkommen dominieren oder unterdrücken zu wollen.

Warum diese Sicht realistisch ist, könnte ein Artikel von Dr. Mustafa Fetouri im Middle East Monitor (https://www.middleeastmonitor.com/20220908-is-africa-witnessing-a-new-cold-war-as-the-ukraine-conflict-drags-on/ ) begründen. Er schreibt z.B. zu Russland:

„Nahezu der gesamte afrikanische Kontinent wurde von westlichen Ländern kolonisiert, darunter Großmächte wie Großbritannien, Frankreich, Italien und andere wie Belgien, die Niederlande, Deutschland und Portugal. Russland hat in keinem afrikanischen Land eine koloniale Vergangenheit, sondern wird von den meisten afrikanischen Nationen als ihr wichtigster Verbündeter im Kampf um die Unabhängigkeit betrachtet.

Während der Sowjetära profitierten die meisten afrikanischen Befreiungsbewegungen von Moskaus politischer und militärischer Unterstützung, während sie gegen die westlichen Kolonialmächte kämpften. Unabhängigkeitsgenerationen und -führer in Ländern wie Angola, Namibia, Uganda, Simbabwe, Sambia und Südafrika fühlen sich noch immer in der Schuld von Russland.  Hinzu kommt, dass das erneute Engagement Moskaus in Afrika einen großen Unterschied macht, da sich viele afrikanische Staaten nun an Russland wenden, um Unterstützung im Kampf gegen den Terrorismus, für die Entwicklung und die Sicherheit zu erhalten.

Es gab eine Zeit, in der die südafrikanische Anti-Apartheid-Führung von den westlichen Ländern gemieden wurde, während Moskau sie mit offenen Armen empfing. Dies erklärt zum Teil, warum Südafrika, eine kontinentale Großmacht, sich im aktuellen Konflikt in der Ukraine neutral verhält. In den sechziger und siebziger Jahren wurde Tausenden von afrikanischen Studenten ein kostenloses Studium an russischen Universitäten angeboten.

Russland hat seine Beziehungen zu dem Kontinent wiederbelebt, indem es zu seinen ehemaligen Kameraden zurückkehrt. Heute sind Mali, Kamerun und die Zentralafrikanische Republik nur einige der afrikanischen Länder, die russische Truppen oder private Militärangehörige der Wagner-Gruppe zu Ausbildungszwecken und sogar zu Kampfeinsätzen gegen Dschihadisten aufnehmen, beispielsweise in Mali, wo sie die französischen Truppen - den ehemaligen Kolonialherrn vieler westafrikanischer Länder - ablösen.

Der russische Präsident Wladimir Putin sprach schon vor dem Einmarsch in die Ukraine wiederholt von der Politik der USA, die Weltordnung zu dominieren - eine Weltsicht, die der russische Staatschef vertritt, seit er die Weltbühne betreten hat. In diesem Kontext sieht er auch den Einmarsch in der Ukraine, und es überrascht nicht, dass viele afrikanische Staats- und Regierungschefs seine Ansicht teilen.

In den westlichen Medien wird Russland als neue "Kolonialmacht" dargestellt, die in der Ukraine ein Marionettenregime errichten will und dieses Modell sicherlich auch in Afrika anwenden würde, wenn sie versucht, ihre Interessensphären, insbesondere in Afrika, abzugrenzen. Das mag stimmen, aber in den Augen vieler Afrikaner verfolgt Moskau seine eigenen Interessen, so wie es die westlichen Mächte taten und auch heute noch tun, aber indem Russland Hilfe anbietet, die an keine Bedingungen geknüpft ist.

Viele Afrikaner haben noch nicht vergessen, dass die westlichen Mächte diese Politik, welche nun Russland vorausgesagt wird, in vielen afrikanischen Ländern angewandt haben. Es ist kein Geheimnis, dass Frankreich zum Beispiel in Ländern wie Mali und der Elfenbeinküste über Nacht Putsche organisiert hat, um seine eigenen Marionetten zu installieren.  Ob Russland jedoch die Absicht hat, dasselbe zu tun, muss erst noch bewiesen werden.

Im Moment sind die Afrikaner deshalb der Meinung, dass der Krieg in der Ukraine nicht ihr Krieg ist und sie besser dran sind, wenn sie sich in einem Konflikt neutral verhalten, der in der Tat einem Großteil der Welt, einschließlich Afrikas, schadet, zumindest im Energie- und Nahrungsmittelsektor.

Der Konflikt in der Ukraine könnte jedoch eine Gelegenheit für Afrika sein, sich auf der Weltbühne zu behaupten, zumal die Frage der Reform der Vereinten Nationen bei der UN-Generalversammlung in diesem Monat zur Sprache kommt.

Im Gegensatz zu vielen westlichen Hauptstädten wird Moskau wahrscheinlich eine gemeinsame afrikanische Position zu diesem Thema, einschließlich der Zuweisung eines ständigen Sitzes im UN-Sicherheitsrat, eher unterstützen.“

Soweit der Artikel.

Während Russland von der Erfahrung unterdrückter Staaten aus der Zeit der Sowjetunion profitieren, hat sich China durch seine jahrzehntelang bewiesene Politik der strikten Nichteinmischung in die Souveränität anderer Staaten Glaubwürdigkeit verschafft. Im Westen, früher leider auch von mir, missverstanden und verleumdet als Unterstützung von Diktaturen, hat China konsequent die Entwicklung der Länder unterstützt, so lange diese nicht im Widerspruch zu eigenen Interessen standen. Und dabei war egal, welche Gesellschaftsform die Staaten gewählt hatten.

Wenn die Idee der BRICS Initiative realisiert wurde, wird die Welt sicherer sein, und die Entwicklung der Lebensbedingungen der Menschen, die an der Initiative teilnehmen, sich verbessern. Erst nach der Souveränität der Staaten und der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen wird die Entwicklung zur Souveränität der Menschen folgen können.

Einwand

Nun wird man einwenden können, dass doch die Tendenz in Russland und China ins Gegenteil der individuellen Souveränität gehe, indem Überwachung und Kontrolle ausgebaut werden. Dieser Einwand ist berechtigt. Er lässt aber die Gründe für diese Entwicklung und die Akzeptanz in der Gesellschaft dafür außer Acht. Die Geschichte zeigt, wie westliche Beeinflussung und Indoktrination aber auch Morde, Terrorismus und Kriege, erreichten, dass Staaten ihre Souveränität verloren. Und auf dem Weg schützen sich Russland durch zunehmende staatliche Eingriffe in die Wirtschaft und Kontrolle der Gesellschaft ebenso wie China. Aber sobald die Gefahr westlicher Zerstörung der staatlichen Souveränität dieser Staaten beseitigt ist, wird der gesellschaftliche Widerstand und damit die Beseitigung von Kontrolle und Dirigismus wachsen. Aber man muss wissen, dass chinesische und russische Führer in Generationen, nicht in Wahlperioden denken. Ebenso müssen solche Entwicklungen gesehen werden.

+++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle:Sean K/ shutterstock


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