In Deutschland tönt es von der Kanzel des Kriegsministers Boris Pistorius (SPD), Russland sei in ein paar Jahren militärisch in der Lage, uns anzugreifen. Damit argumentiert Pistorius auf einer Ebene mit Hitler, der mit dieser Bedrohung seinen Angriffskrieg gegen die UdSSR rechtfertigte.
Ein Kommentar von Tom J. Wellbrock.
In der allgemeinen Erzählung wird der Krieg, den Hitler gegen die Sowjetunion begonnen hat, mit seinem Ausdehnungswillen begründet. Man muss etwas genauer hinschauen, um festzustellen, dass Hitlers Argumentation etwas weiter gefasst war. Sicher haben sich die maßgeblichen Nationalsozialisten nicht durch die UdSSR bedroht gefühlt, solche Befürchtungen waren damals wie heute hanebüchen und realitätsfern. Doch sie halfen, die Akzeptanz bei der Bevölkerung für den Krieg zu erhöhen.
Damals und heute: Teuflisch ähnlich
Deutschland und Russland waren bis zum Ausbruch des aktuellen Ukraine-Krieges ein Bündnis, ein Wirtschaftsbündnis. Man handelte miteinander, daran ist nichts besonders, wirtschaftlicher Handel führt zwangsweise zu einer Art Bündnis. Doch damit ist bekanntlich inzwischen Schluss. Mit den unsinnigen Sanktionen hat bekanntermaßen der Westen – und insbesondere Deutschland – sich in erheblicher Weise selbst geschadet.
Argumentiert wird über den Angriffskrieg, über den anlasslosen Überfall, über die Verteidigung der Demokratie, ja, des ganzen Westens mit seiner "regelbasierten Ordnung", was auch immer das sein mag. Deeskalation kommt in den deutschen Überlegungen faktisch nicht mehr vor, das letzte Gespräch mit Putin fand 2022 statt, seitdem ist Funkstille. Wie könne man auch mit einem Diktator verhandeln, der Hitler ähnelt und mit seinem Militär Kinderkrankenhäuser beschießt, Zivilisten tötet und ohnehin plant, die NATO anzugreifen?
Die "Putin-will-nicht-verhandeln-Doktrin" ist nicht neu, laut Wikipedia argumentierte Hitler durchaus ähnlich:
"Folglich komme ein Bündnis mit der Sowjetunion nicht in Frage; man könne 'nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben'. Ferner sei die bloße Rückeroberung von durch den Ersten Weltkrieg verlorenen deutschen Gebieten 'politischer Unsinn'. Es müsse vielmehr darum gehen, dem deutschen Volk für alle Zeit 'den ihm gebührenden Grund und Boden auf dieser Erde zu sichern', der ihm wirtschaftliche Unabhängigkeit im kontinentalen Großraum Europa garantiere. Dieser Boden sei vor allem in Russland und dessen unterworfenen Randstaaten zu suchen."
Parallelen gibt es auch bei den zeitlichen Planungen von damals und heute. Während Pistorius davon spricht, in ca. acht Jahren auf einen Angriffskrieg durch Russland vorbereitet sein zu müssen, nannte Hitler den gleichen Zeitraum, um erste Blitzkriege führen zu können. Das war 1934, 90 Jahre später ist die Rede selbstredend nicht von Blitzkriegen, aber ein Kriegsszenario wird abermals angeführt. Und wenn man davon ausgeht, dass Russland keinesfalls vorhat, die NATO oder auch nur ein NATO-Land anzugreifen, liegt die Vorstellung, dass die Vorbereitung einem eigenen Angriffskrieg gegen Russland dient, mehr als nur im Bereich des Möglichen. Denn selbst die schlimmsten deutschen Kriegshetzer wissen sehr genau, dass eine solche Bedrohung von Russland nicht ausgeht.
Damals und heute: Die Gefahr aus dem Osten
Selbst im Nationalsozialismus gab es Stimmen, die – auch direkt an Hitler gerichtet – den Angriffswillen der Sowjetunion bezweifelten. Doch sie hatten, ähnlich wie die Stimmen der Gegenwart, keinen Einfluss. Erneut sei die Wikipedia zitiert:
"Am 9. Januar 1941 bekräftigte Hitler gegenüber dem OKW seinen Kriegsentschluss damit, dass der 'kluge Kopf' Stalin 'nicht offen gegen Deutschland auftreten' werde, aber künftig zunehmend Probleme bereiten werde, da er vom Drang nach Westen beseelt sei, das verarmte Europa beerben wolle und wisse, dass Hitlers voller Sieg in Europa seine Lage erschwere. Als nächste wichtigste feindliche Position müsse gemäß seinem bisherigen Vorgehen die Sowjetunion zerschlagen werden."
Heute ist es Putins Drang nach Westen, der den Menschen von morgens bis abends durch Politik und Medien eingeredet wird. Das durch die UdSSR "verarmte Europa" diente sicherlich in erster Linie dazu, der Bevölkerung Angst zu machen und so die Akzeptanz für einen Angriffskrieg zu erhöhen. Die Ähnlichkeiten von damals und heute sind eklatant, und insbesondere die Vorstellung eines verarmten Europas ist mit Händen zu greifen, fährt doch die herrschende Politik in Deutschland gerade die Wirtschaft auf Jahrzehnte gegen die Wand. Schuld sei aber der Russe, Putin habe das mit seinem grundlosen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verantworten.
Chat-GPT-Propaganda
Chat-GPT ist nur so "gut" wie die Programmierung dahinter. Und die ist, wenn es um politische Themen geht, voll auf Linie. Doch auch Propaganda, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) beruht, ist nicht unfehlbar. Beispielhaft sei das an einem "Gespräch" mit der KI zu genau diesem Thema veranschaulicht. Es liegt nahe, dass in Deutschland Politik und Medien niemals einräumen würden, dass die Kriegsrhetorik der aktuellen Bundesregierung der aus dem Nationalsozialismus ähnelt. Chat-GPT zeigte sich deutlich offener und ließ sich zunächst in die Enge treiben, bis die Reflexe der programmierten Propaganda wieder wirkten.
Schon nach der ersten Frage zeigte Chat-GPT, dass Hitlers Ausdehnungswut nur ein Teil der Begründung des Krieges gegen die Sowjetunion war:
"Mit welcher Begründung hat Hitler die Sowjetunion angegriffen?"
Die Antwort von Chat-GPT folgte unverzüglich:
„Hitler griff die Sowjetunion am 22. Juni 1941 mit dem Unternehmen Barbarossa an, weil er davon überzeugt war, dass die Sowjetunion eine Bedrohung für das Deutsche Reich darstellte und er den Kommunismus bekämpfen wollte. Er glaubte auch, dass ein erfolgreicher Angriff auf die Sowjetunion ihm Zugang zu wichtigen Ressourcen wie Öl und Land verschaffen würde. Außerdem war er der Meinung, dass die slawische Bevölkerung als minderwertig angesehen werden sollte und dass die Sowjetunion eine ideologische Gefahr für das nationalsozialistische Deutschland darstellte."
Die folgende Nachfrage beantwortete die KI ebenfalls klar und deutlich:
"Hat er argumentiert, dass die Sowjetunion Deutschland angreifen würde?"
Wir nähern uns jetzt dem aktuellen und künftigen Problem der deutschen Politik, das da lautet: Was passiert, wenn Russland Deutschland in acht, fünf oder zwei Jahren nicht angreift?
"Ja, Hitler argumentierte, dass die Sowjetunion Deutschland angreifen würde, wenn er nicht zuerst zuschlagen würde. Er behauptete, dass die Sowjetunion eine kommunistische Bedrohung darstellte und dass ein Präventivschlag notwendig sei, um die sowjetische Aggression abzuwehren. Er rechtfertigte den Angriff auf die Sowjetunion auch damit, dass er behauptete, die Sowjetunion plane, Europa zu erobern und den Kommunismus zu verbreiten. Hitler nutzte diese Argumente, um die deutsche Bevölkerung und die Wehrmacht zu mobilisieren und den Angriff auf die Sowjetunion zu rechtfertigen."
Erst kürzlich sagte Victor Orbán, Ministerpräsident Ungarns, auf seiner Friedensmission von Kiew über Moskau nach Peking, dass die Vorstellung, Russland greife ein NATO-Land an, vollkommen abwegig und absurd sei. In der EU ist er damit zwar ein einsamer Rufer in der Wüste, doch national und international sind sich Militärs und andere Experten weitgehend einig, dass Russland einen solchen Angriff nicht plant. Wie schon damals die Sowjetunion will auch das Russland der Gegenwart keinen Krieg gegen die NATO oder auch nur ein Nato-Land führen. Das hat nicht nur militärische Gründe, sondern hängt auch mit der russischen Kultur und Mentalität zusammen.
Dennoch argumentieren Deutschlands Kriegstreiber, von Russland gehe eine Gefahr aus. Damit konfrontiert lautet die Frage an die Künstliche Intelligenz:
"Damit hat er (Hitler) wie die Bundesregierung heute argumentiert, richtig?"
Jetzt hätte die Antwort auch von Kiesewetter, Hofreiter oder Strack-Zimmermann sein können:
"Es gibt gewisse Parallelen zwischen den Argumenten, die Hitler für den Angriff auf die Sowjetunion verwendete, und den heutigen geopolitischen Diskussionen. Die Bundesregierung argumentiert oft für präventive Maßnahmen, um potenzielle Bedrohungen abzuwehren und die Sicherheit Deutschlands und Europas zu gewährleisten. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Motive und Ziele von Hitler und der heutigen Bundesregierung sehr unterschiedlich sind. Hitler verfolgte expansionistische Ziele und eine rassistische Ideologie, während die heutige Bundesregierung sich für die Verteidigung demokratischer Werte und internationaler Zusammenarbeit einsetzt. Es ist daher wichtig, die historischen und politischen Kontexte zu berücksichtigen, um angemessene Vergleiche zu ziehen."
Fazit
Das Wissen dieser Version von Chat-GPT beruhte übrigens auf dem Zeitraum bis Mitte 2021. Die Argumentation heute ist aber nahezu identisch, das heißt, es gibt nicht nur im Westen, sondern auch in dessen Informations- und Medienquellen faktisch keine Anpassung an die tatsächliche Lage. Das ist Realitätsverweigerung auf der einen Seite.
Es ist aber auch schlimmste Propaganda auf der anderen Seite. Die Erzählung des Westens ist in Stein gemeißelt und gestattet keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten der eigenen Bewertung des Konfliktes. Daher sind die Versuche, die herrschende Politik von Verhandlungen und einem Ende des Krieges zu überzeugen, auch vergebliche Liebesmüh'. Auf breiter politischer Ebene wurde schon vor dem 24. Februar 2022 entschieden, die Ukraine in einen langen und blutigen Krieg zu führen.
Dass in letzter Zeit vermehrt Putin-Hitler-Vergleiche in Deutschland und der EU zu vernehmen sind, ist schon ziemlich dreist. Denn die Propaganda des Westens, mit der die Fortführung dieses schrecklichen Krieges begründet wird, ist so perfide und skrupellos, dass Joseph Goebbels seine helle Freude daran gehabt hätte.
Wenn wir schon bei Vergleichen sind, darf dieser auf keinen Fall fehlen.
+++ Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags. +++ Bildquelle: IHERPHOTO2 / shutterstock
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