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Wie die Parlamentswahlen in Moldawien manipuliert werden sollen | Von Thomas Röper

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Ende September stehen in Moldawien Parlamentswahlen an. Die pro-westliche Regierung, die die Wahlen nach allen Umfragen verlieren wird, unterdrückt die Opposition, schüchtert Gegner ein und bereitet zusammen mit der EU Wahlmanipulationen vor.

Ein Standpunkt von Thomas Röper.

Die pro-westliche Sandu-Regierung in Moldawien hat das ohnehin bettelarme Land seit ihrer Machtübernahme 2021 heruntergewirtschaftet, indem sie die traditionell engen Wirtschaftsbeziehungen zu Russland faktisch gekappt und vor allem, indem sie billige russische Energieträger abgelehnt hat. Zwischenzeitlich stieg die Inflation deswegen auf über 30 Prozent, die Wohnnebenkosten sind um das Siebenfache gestiegen und im Land gab es Proteste, gegen die die Regierung lange Zeit den Notstand ausgerufen hat, was sie damit begründete, Russland stehe hinter den Protesten gegen die Wirtschaftspolitik der moldawischen Regierung.

Ende September stehen in Moldawien Parlamentswahlen an, die die pro-westliche Regierungspartei allen Umfragen zufolge verlieren wird, weshalb die moldawische Regierung gegen die Opposition vorgeht und Manipulationen der Wahl vorbereitet.

Damit hat die Sandu-Regierung Erfahrung. Bei den Kommunalwahlen im Herbst 2023 hat die Regierung zwei Tage vor der Wahl 8.605 Kandidaten der Opposition von den Wahllistengestrichen streichen lassen, die Wahlen aber trotzdem verloren.

Bei der Präsidentschaftswahl im Herbst 2024 hat Präsidentin Sandu die Wahl im Inland verloren und konnte nur im Amt bleiben, weil sie dank der Stimmen der Exilmoldawier in Europa doch noch mit einigen Zehntelprozent Vorsprung einen knappen Sieg einfahren konnte. Das war jedoch nur möglich, weil sie für die etwa 400.000 Exilmoldawier in Europa über 230 Wahllokale öffnen ließ, für die ebenfalls etwa 400.000 Exilmoldawier in Russland, die gegen die Regierung gestimmt hätten, jedoch nur zwei Wahllokale öffnen ließ.

Da Moldawien eine parlamentarische Republik ist und die Präsidentin nur wenig Macht hat, sind die Parlamentswahlen Ende September entscheidend. Daher hat die Regierung den Druck auf die Opposition noch einmal erhöht, nachdem sie schon vor Jahren viele Oppositionsparteien und oppositionelle Medien verboten hat.

Druck auf die Opposition

Schon im März begann die Regierung, bei der Opposition Hausdurchsuchungen durchzuführen, Oppositionelle zu verhaften und Kandidaten der Opposition immer wieder die Ausreise aus Moldawien zu verbieten. Die meisten Oppositionsparteien haben sich zum Block „Sieg“ zusammengeschlossen, dessen Vertreter auch in den folgenden Monaten immer wieder an der Ausreise gehindert wurden.

Auch der Rechtsstaat wurde in Moldawien ausgehebelt, denn die Regierung hat im Juni erklärt, 21 führende Oppositionspolitiker mit Sanktionen belegt zu haben. Sanktionen bedeuten, dass diesen Oppositionellen keine Gesetzesverstöße vorgeworfen werden und dass sie auch nicht von einem Gericht verurteilt wurden. Die Sanktionen wurden einfach per Dekret der Regierung verhängt.

Letzte Woche hat die moldawische Wahlkommission dem Oppositionsbündnis „Sieg“ die Teilnahme an den Wahlen untersagt. Die darin vereinten Parteien denken nun darüber nach, ob sie als einzelne Parteien zur Wahl antreten sollen.

Gagausien

In Moldawien gibt es ein Gebiet namens Gagausien, das einen besonderen Autonomiestatus besitzt. Die Gagausen sind ein kleines Turkvolk, das aber der russisch-orthodoxen Kirche angehört. Die Gagausen sind die wohl heftigsten Kritiker der moldawischen Regierung, im Herbst haben sie bei den Präsidentschaftswahlen zu fast hundert Prozent für die Opposition und damit gegen Sandu gestimmt.

Dafür wird die Region von Sandu bestraft. So wurde die Regierungschefin von Gagausien, Ewgenia Gutsul, bereits im März verhaftet, weil ihr Unregelmäßigkeiten bei ihrer Wahlkampffinanzierung vorgeworfen werden, und obwohl die Staatsanwaltschaft bisher keine Beweise für ihre Vorwürfe präsentieren konnte, ist Gutsul immer noch in Gewahrsam.

Der Bischof der orthodoxen Kirche wurde von der Sandu-Regierung zu Ostern daran gehindert, eine traditionelle Reise nach Jerusalem anzutreten, um das heilige Feuer zu holen. Die Repression der Sandu-Regierung gegen ihre Gegner wird immer umfassender.

Außerdem hat das von der Sandu-Regierung kontrollierte moldawische Verfassungsgericht im April beschlossen, dass das autonome Gagausien seinen Generalstaatsanwalt nicht mehr selbst ernennen darf. Offenbar will die Regierung in Gagausien noch mehr Strafverfahren gegen Oppositionelle eröffnen, wozu sie die Kontrolle über die gagausische Staatsanwaltschaft braucht.

In Gagausien finden seit der Verhaftung von Gutsul immer wieder Proteste gegen Sandu statt. Die letzte derartige Demonstration fand am 3. August statt, wobei die Polizei versuchte, die Demonstranten an der Teilnahme zu hindern und die Zufahrten zur Demo blockierte.

Moldawien war Teil der Sowjetunion und als die Sowjetunion zerfallen ist, gab es in Moldawien einen Bürgerkrieg, weil das mehrheitlich von Russen und Ukrainern bewohnte Transnistrien den radikalen Nationalismus der nach Unabhängigkeit in Moldawien herrschenden Kreise ablehnte. Bekanntlich ist Transnistrien bis heute eine von Moldawien abtrünnige Republik.

Auch Gagausien stand damals wegen des Nationalismus unmittelbar vor einem Bürgerkrieg, der durch die Erteilung weitreichender Autonomie verhindert werden konnte. Sollte Sandu, wie beispielsweise bei der Ernennung der gagausischen Staatsanwälte, die Autonomie von Gagausien beschneiden, ist ein neues Aufflammen von Gewalt bis hin zu einem Bürgerkrieg nicht ausgeschlossen.

Wahleinmischung der EU

Das kleine Moldawien ist für den Westen in seinem Kampf gegen Russland sehr wichtig, weshalb die EU Sandu massiv unterstützt. Im Juli hat die EU die Überweisung einer ersten Tranche eines „Hilfspaketes“ verkündet. Insgesamt will die EU Moldawien 1,9 Milliarden Euro geben, die erste Tranche soll 270 Millionen umfassen.

Für das kleine Moldawien mit seinen etwas mehr als 2,5 Millionen Einwohnern ist das sehr viel Geld. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl wäre das so, als wenn Deutschland etwa 70 Milliarden bekommen würde. Und natürlich sind das keine Geschenke der EU, sondern Kredite. Die EU macht Moldawien mit diesen „Hilfen“ also von sich abhängig.

Während die Sandu-Regierung der Opposition vorwirft, aus dem Ausland finanziert zu werden und Oppositionelle unter diesem Vorwand sogar verhaften lässt, lässt sich die Regierungspartei offen aus der EU finanzieren. Das hat Angelica Karaman, die Vorsitzende der moldawischen Wahlkommission, kürzlich offen gesagt. Sie sagte im Fernsehsender Jurnal TV, die EU habe jedes Recht, sich in die Wahlen einzumischen, denn Moldawien strebe den EU-Beitritt an:

„Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Europäischen Union und anderen Ländern. Moldawien ist nur einen Schritt von einer Mitgliedschaft in der EU entfernt. Daher wird die Einmischung von Ländern wie beispielsweise Frankreich in die Wahlen nicht als ausländische Einmischung gewertet.“

Auch die direkte Finanzierung von Parteien durch die EU werde nicht als Korruption, sondern als Demokratieförderung durch befreundete Nachbarländer betrachtet, fügte sie hinzu. Ich habe darüber vor einigen Tagen schon berichtet.

Und die EU-Länder sind dabei großzügig. Es ist nicht nur die EU selbst oder Frankreich, das Karaman genannt hat, auch die Niederlande haben im Juni 1,5 Millionen Euro für „die Stärkung der Demokratie“ in Moldawien bereitgestellt. Auch das ist für Moldawien mit seinen nur etwa 2,5 Millionen Einwohnern viel Geld, erst recht im Wahlkampf.

Ein Hinweis auf die Stimmung in Moldawien war übrigens das Referendum über den EU-Beitritt, das Sandu im Herbst parallel zur ersten Runde der Präsidentschaftswahl abhalten ließ. Dabei haben sich fast 54 Prozent der Moldawier gegen den Beitritt ihres Landes zur EU ausgesprochen.

Der Trick mit den Wahllokalen wird wiederholt

Die moldawische Regierung setzt bei der Parlamentswahl, wie schon bei der Präsidentschaftswahl letzten Herbst, auf die etwa 400.000 Exilmoldawier in der EU, die mehrheitlich für Sandu stimmen. Im Land selbst dürfte Sandu die Wahl deutlich verlieren und auch die ebenfalls etwa 400.000 Exilmoldawier in Russland stimmen mehrheitlich gegen Sandu.

Wenn die Wahl fair abgehalten würde, hätte Sandu also keine Chance, die Wahl zu gewinnen. Also greift sie zu den bewährten Tricks.

Am 22. Juli hat die Zentrale Wahlkommission mitgeteilt, sie plane zur Parlamentswahlen die Eröffnung von 293 Wahllokalen in 40 Ländern. Die meisten sollen in Italien (73 Wahllokale), Deutschland (36 Wahllokale), Frankreich (26 Wahllokale), Großbritannien und Rumänien (je 23 Wahllokale) geöffnet werden. Auch in der Ukraine und Israel sollen jeweils zwei Wahllokale öffnen.

In Russland hingegen sollen, wie schon bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst, für die etwa 400.000 Exilmoldawier wieder nur zwei Wahllokale geöffnet werden. Beide Wahllokale sollen sich in der moldawischen Botschaft in Moskau befinden.

Am 31. Juli wandte Präsidentin Sandu sich die Hunderttausenden Moldawier im Ausland und rief sie auf, sich bis zum 14. August für die Parlamentswahlen am 28. September zu registrieren. Sie schrieb auf Facebook:

„Wir haben am 28. September eine wichtige Mission: Wir wählen das zukünftige Parlament der Republik Moldawien. Damit jeder Bürger unabhängig von seinem Wohnort sein Wahlrecht ausüben kann, fordere ich Sie dringend auf, sich bis zum 14. August auf der Website der Zentralen Wahlkommission zu registrieren.“

Sie wandte sich dabei an Moldawier in Italien, Deutschland, Frankreich, Irland, Großbritannien und anderen Ländern und rief sie dazu auf, den EU-Integrationskurs ihrer Regierungspartei zu unterstützen. In ihrem Post erinnerte Sandu daran, dass für Einwohner der USA, Kanadas, Norwegens, Schwedens, Finnlands, Japans, Südkoreas, Australiens, Islands und Neuseelands die Registrierung für die Briefwahl obligatorisch ist.

Russland, wo etwa 400.000 Moldawier leben, also fast so viele, wie in allen anderen Ländern zusammen, stand hingegen nicht auf der Liste der von ihr genannten Länder.

Weitere Zensurmaßnahmen zu erwarten

Am 29. Juli hat Sandu den Sicherheitsrat des Landes wegen ausländischer Wahleinmischung (wobei sie damit natürlich nicht die vollkommen offene und unbestrittene Wahleinmischung der EU meinte) einberufen und nach der Sitzung erklärt:

„Russland versucht, bereits diesen Herbst die Kontrolle über die Republik Moldawien zu erlangen und bereitet eine beispiellose Einmischung in die Wahlen vor. Dabei werden die „Schor-Gruppe“, die „souveränistische“ Bewegung, einige unabhängige Kandidaten mit proeuropäischen Ansichten sowie kriminelle Gruppen eingesetzt.“

Sie behauptete weiter, Russland bereite angeblich die Organisation „bezahlter Proteste“ im Land vor und habe eine Kampagne zur „Verunglimpfung von Politikern, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Journalisten, die sich für die Integration in die EU einsetzen“, gestartet. Darüber hinaus seien ihrer Aussage nach auch einige Priester der moldawisch-orthodoxen Kirche daran beteiligt.

Dass unter dem Vorwand einer angeblichen russischen Wahleinmischung die Zensur noch einmal verstärkt werden dürfte, sagte sie auch recht offen:

„Auf der Sitzung des Obersten Sicherheitsrats haben wir Maßnahmen zur Bekämpfung von Informationsmanipulation und ausländischer Einmischung in den Wahlprozess erörtert. Es geht um Informationen, die für die nationale Sicherheit und die Demokratie von größter Bedeutung sind. Die Bedrohung der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit ist groß, und alle staatlichen Institutionen sowie die gesamte Gesellschaft müssen diese Gefahr erkennen und sich zu ihrem Schutz zusammenschließen.“

Schon vor Jahren hat Sandu eine Behörde namens „Patriot“ gegründet, die angebliche “Vaterlandsverräter” bekämpfen soll, die sich gegen den Weg zur europäischen Integration stellen. „Patriot“ befasst sich mit der Zensur abweichender Meinungen und es entstand auch ein Pendant zur ukrainischen Todesliste Mirotvorets, wo persönliche Daten von Oppositionsführern, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und regierungskritischen Journalisten veröffentlicht werden.

Es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen gegen die Opposition Sandu in den bis zur Wahl verbleibenden knapp zwei Monaten noch einleitet.

Anmerkungen

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 04. August 2025 bei anti-spiegel.ru

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Bild: Chisinau, Moldau - 31. Mai 2023: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, nimmt an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der moldauischen Präsidentin Maia Sandu teil

Bildquelle: Ducu Rodionoff / shutterstock


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