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Schuldenberg, Stillstand und die Krise der politischen Vernunft | Von Janine Beicht

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Ein Haushalt als Notbremse: 502,5 Milliarden Euro für drei Monate

Ein Kommentar von Janine Beicht.

Der Bundestag hat sich auf einen Haushalt für 2025 geeinigt, der mit 502,5 Milliarden [1] Euro Ausgaben und 81,8 Milliarden Euro neuen Schulden [2] im Kernhaushalt die finanzielle Misere der schwarz-roten Koalition offenlegt. Dazu kommen weitere 60 Milliarden Euro Kredite aus Sondervermögen [3] für Infrastruktur und Bundeswehr, wodurch die Gesamtverschuldung 140 Milliarden Euro [4] übersteigt. Bis 2029 wird der Betrag auf etwa 185 Milliarden Euro anwachsen. Dieser Etat, beschlossen in einer rekordverdächtig kurzen Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, gilt nur für wenige Monate und ist ein Provisorium, das die Dringlichkeit der Probleme kaschiert. Die endgültige Abstimmung im Bundestag ist für den 16. bis 19. September 2025 geplant, doch die wahren Herausforderungen liegen in den kommenden Jahren. 

Sozialstaat als schwarzes Loch: 190 Milliarden für Arbeit und Soziales

Der größte Posten des Haushalts fließt mit 190 Milliarden [5] Euro in das Arbeitsministerium, das Bürgergeld und Rentenversicherungszuschüsse stemmen muss. Während die Koalition von CDU/CSU und SPD diesen Etat als unverzichtbare Stütze des Sozialstaats verteidigt, offenbart er eine bittere Wahrheit: Deutschland finanziert ein Sozialsystem, das auf Wachstum ausgelegt ist, das es nicht mehr gibt. Ökonom Dr. Thorsten Polleit zeigt, dass die Industrieproduktion 21 Prozent unter dem erwarteten Potenzial liegt, während die Sozialkassen auf 1,5 bis 2 Prozent jährliches Wachstum angewiesen sind. 

„Deutschlands wirtschaftlicher Niedergang ist viel schwerwiegender, als die meisten Menschen denken. Das Land befindet sich tatsächlich im freien Fall.“ [6] 

Die Antwort der Regierung auf diesen Missstand besteht darin, weiter Geld in das System zu pumpen und zusätzliche Schulden aufzunehmen. Arbeitsministerin Bärbel Bas träumt von 100.000 neuen Jobs [7], übersieht dabei jedoch, dass die Wirtschaft bereits Arbeitsplätze abbaut. Bereits im Wahlkampf hatte Merz darauf hingewiesen, dass die öffentlichen Kassen um drei Milliarden Euro entlastet würden, wenn 100.000 Menschen weniger arbeitslos wären.

„Wenn wir 100.000 Arbeitslose mehr im Arbeitsmarkt hätten, würden die öffentlichen Kassen drei Milliarden einsparen. Das heißt, es gäbe einen enormen Hebel, wenn die Beschäftigungsquote in Deutschland erhöht würde. Aber bei Sprachkursen und Qualifizierungen wird gekürzt.“ [8] 

Der öffentliche Dienst hat bereits knapp 100.000 neue Stellen [9] geschaffen, ein bürokratischer Moloch, der die Finanzen weiter belastet. Dabei könnte der Staat laut einer Studie mit 60.000 Beschäftigten weniger [10] auskommen. 

Verteidigung und Infrastruktur: Prioritäten oder Schuldenfalle?

Das Verteidigungsministerium erhält einen kräftigen Schub: Mit einem Plus von zehn Milliarden Euro [11] verfügt es über 62 Milliarden Euro, ein enormer Betrag, der erneut in Aufrüstung statt in dringend benötigte soziale und wirtschaftliche Reformen fließt und damit eine Politik fortschreibt, die Kriegstauglichkeit über das Wohl der Bevölkerung stellt. Auch die Infrastruktur soll mit 37,2 Milliarden Euro [12] Krediten gestärkt werden, während 62,7 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen sind – versehen mit dem Etikett „klimaneutral“. Angesichts der jahrzehntelangen Ignoranz gegenüber realistischem Ausbau, Sanierung und effizienter Nutzung stellt sich jedoch die Frage, ob dieses Versprechen mehr ist als eine bloße Floskel zur Rechtfertigung neuer Schulden.

„Aus dem Sondervermögen ‚Infrastruktur und Klimaneutralität‘ sollen […] 37,2 Milliarden Euro verausgabt werden. Weitere 84,8 Milliarden Euro sollen als Verpflichtungsermächtigungen […] gebunden werden können.“
(Pressemitteilung / Deutscher Bundestag) [12] 

Doch diese Summen täuschen. Grünen-Haushälter Sebastian Schäfer bemängelt [13], dass Sondervermögen missbraucht werden, um Haushaltslöcher zu stopfen und Klientelpolitik zu betreiben. Der Haushälter der Linken, Dietmar Bartsch, kritisierte den ersten Haushalt von Kanzler Friedrich Merz und Finanzminister Lars Klingbeil scharf und warnte vor schmerzhaften Einschnitten im Sozialen.

„Ein Werk auf ungedeckten Schecks, kein Zukunftshaushalt!“ [13]


Die „Sportmilliarde“ für kommunale Sportstätten, von SPD und Union als „kraftvolles Zeichen“ gefeiert, wirkt wie ein Tropfen auf den heißen Stein, während die wirtschaftlichen Grundprobleme ungelöst bleiben. Egal, wie viel Geld der Bürger in die Staatskassen einzahlt , am Ende hinterlässt der stets hungrige Staat ein noch größeres Loch. Das ist Ausdruck eines politischen Scheiterns von bislang unbekanntem Ausmaß.

Wirtschaft im freien Fall: Politik ohne Plan

Die deutsche Wirtschaft steckt derweil in einer tiefen Krise. Der Verband der Chemieindustrie meldet [14] eine Kapazitätsauslastung von nur 71,7 Prozent, den niedrigsten Wert seit 1991. Die Produktion sank im zweiten Quartal 2025 um 3,8 Prozent, der Umsatz brach um 5,2 Prozent ein. Mercedes-Benz verlagert die Sprinter-Produktion [15] aus Brandenburg nach Polen. 2.000 Arbeitsplätze sind bedroht. Die Politik reagiert mit Vogel-Strauß-Taktik: Statt den Green Deal mit seinem regulatorischen Würgegriff zu überdenken, die Energiekrise durch Atomkraft oder Gasimporte zu entschärfen oder die CO2-Besteuerung zu beenden, setzt sie auf weitere Subventionen und Steuererhöhungen. VCI-Präsident Wolfgang Große Entrup fordert weniger Bürokratie [16], doch die Wirtschaftsverbände scheuen sich, die wahren Ursachen der Krise, etwa die grüne Transformation oder die Ukraine-Politik – offen anzusprechen.

„Nehmt gemeinsam die Schaufel in die Hand und baut das riesige Bürokratiegebäude sowie die strukturellen Defizite am Standort ab.“ [16]

Steuererhöhungen und Bürgergeld: Die Koalition der Kompromisslosigkeit 

Dabei stolpert die schwarz-rote Koalition von einem Konflikt in den nächsten. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) polterte im Wahlkampf [17] und auch in den letzten Wochen gegen das Bürgergeld und einen „nicht mehr finanzierbaren“ Sozialstaat, nur um beim Koalitionsausschuss kleinlaut zu erklären, es werde keine Kürzungen geben. 

„Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar. […] Nach wie vor bin ich davon fest überzeugt, dass sich zehn Prozent in diesem System einsparen lassen müssen.“ [18] 

SPD-Sozialministerin Bärbel Bas setzte sich durch: Reformen ja, Einsparungen nein. Merz knickt damit immer wieder vor der SPD ein. Die Harmonie, die beide nach außen präsentieren, ist allerdings brüchig. Merz’ Forderung beim Bürgergeld wurde von Bas im Vorfeld als „Bullshit “ [19] abgetan. Nun einigt man sich auf härtere Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger, die Termine versäumen oder Jobs ablehnen, eine Maßnahme, die 86 Prozent der Bürger unterstützen [20], aber kaum die strukturellen Probleme löst. Offenbar haben das Abendessen mit Sozialministerin Bas am Dienstagabend und die Koalitionsrunde am Mittwoch den Reformdrang von Merz ausgebremst. Wer nicht kürzen will, kann wie angekündigt auch beim Bürgergeld nicht die vorgesehenen fünf Milliarden Euro einsparen. Nun lautet der O-Ton von Merz:

„Wir wollen ihn nicht schleifen, wir wollen ihn nicht abschaffen, wir wollen ihn nicht kürzen, wir wollen ihn in seinen wichtigsten Funktionen erhalten.“ [21]

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) bringt Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und hohe Erbschaften ins Spiel, was laut einer ARD-Umfrage 65 Prozent der Bevölkerung befürworten, erstaunlicherweise auch zwei Drittel der Unionsanhänger, allerdings nur für hohe Einkommen. 

„Da wird keine Option vom Tisch genommen. […] Wir werden den Menschen etwas abverlangen müssen. […] Ich glaube, es hat noch nie eine Bundesregierung gegeben, die eine so große Lücke im Haushalt schließen musste – und ich rate, dass sich alle so lange alle Optionen offen halten, bis wir Vollzug melden können, dass die 30 Milliarden getilgt sind und dass die Lücke weg ist." [22]

Merz lehnt dies jedoch ab, beruft sich auf den Koalitionsvertrag und offenbart die Zerrissenheit der Koalition. Die Wahrheit wird wie immer ausgeblendet: Deutschlands Politik hat vor allem ein Ausgabeproblem. Trotz wiederholter Warnungen klafft im Haushalt 2027 eine Lücke von 30 Milliarden Euro, die Finanzminister Klingbeil nun als Chefsache der Parteivorsitzenden behandeln will. Die Bürger erkennen längst, wer die Kosten am Ende tragen wird: Die hart arbeitende Bevölkerungsschicht, die erneut für das Versagen einer Regierung geradesteht, die das Geld mit vollen Händen in alle Welt verteilt.

Politisches Versagen: Der Koalitionsausschuss als Symbol

Der Koalitionsausschuss war ein Trauerspiel. Union und SPD inszenierten Einigkeit, während sie über Kernfragen wie Sozialreformen und Haushaltslücken stritten. Merz’ Kapitulation vor Bas zeigt, wie die Koalition lieber Kompromisse schließt, als Probleme tatsächlich anzugehen. Die Bürger sind frustriert: 77 Prozent sind unzufrieden [23] mit dem Umgang der Koalitionsparteien, die Zustimmung zur Regierung liegt nach vier Monaten bei mageren 22 Prozent. Der ARD-DeutschlandTrend zeigt, dass die Union (27 Prozent) nur knapp vor der AfD (25 Prozent) liegt, während die SPD bei 14 Prozent dümpelt. Die Ampel-Koalition zerbrach 2024 bei 14 Prozent Zustimmung – Schwarz-Rot steuert auf ein ähnliches Desaster zu. Der Haushalt wirkt groß auf dem Papier, ändert aber wenig am Alltag.

Ausgerechnet die Linke formuliert es richtig:



„Dieser Rekordhaushalt geht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei. Die Bundesregierung schreibt sich Rekordsummen in den diesjährigen Haushalt, doch unten bei den Menschen und in den Kommunen kommt davon fast nichts an. Der Bundeshaushalt ist nicht daran zu messen, wie groß er auf dem Papier wirkt, sondern daran, was er im Alltag verändert.“ [24]

Ausblick: Ein Land am Abgrund 

Der Haushalt 2025 ist ein Flickwerk, das die Illusion von Stabilität erzeugen soll. Mit 421 Milliarden Euro Einnahmen (davon 387 Milliarden aus Steuern) und einer Rekordverschuldung von über 140 Milliarden Euro wird die Last auf zukünftige Generationen abgewälzt. Die Koalition ignoriert die wirtschaftliche Realität, klammert sich weiterhin an ideologische Projekte wie den Green Deal und die Ukraine-Unterstützung und verliert das Vertrauen der Bürger. 76 Prozent sorgen sich um den Wirtschaftsstandort, 49 Prozent um ihren Lebensstandard, 51 Prozent um ihre Altersvorsorge. [23] Die Politik feilt an Kommunikation, während einst erfolgreiche Unternehmen das Land verlassen. Ohne radikale Reformen, einen Abschied von überregulierter Klimapolitik, Wiederbelebung der Energieversorgung und echter Sozialreformen, steuert Deutschland auf einen Kollaps zu. Der Haushalt 2025 ist kein Zukunftsentwurf, sondern ein Mahnmal politischen Versagens.

Quellen und Anmerkungen

[1] https://www.tagesschau.de/inland/haushalt-bundestag-bereinigungssitzung-100.html

[2] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw28-de-allgemeine-finanzdebatte-1094200

[3] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/haushalt-milliarden-schulden-und-hoehere-verteidigungsausgaben,UoxLOz1

[4] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/bundeshaushalt-massive-investitionen-und-schulden-geplant,Up2mmfM 

[5] https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1107322 

[6] https://x.com/ThorstenPolleit/status/1955717450881732623 

[7] https://www.deutschlandfunk.de/merz-und-bas-einig-ueber-fahrplan-fuer-buergergeld-reform-gruene-fordern-mehr-tempo-100.html

[8] https://de.linkedin.com/posts/friedrich-merz_wenn-wir-100000-arbeitslose-mehr-im-arbeitsmarkt-activity-7136737336666525696-03D_

[9] https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Oeffentlicher-Dienst/_inhalt.html#:~:text=Rund%205%2C4%20Millionen%20Menschen,mehr%20als%20ein%20Jahr%20zuvor 

[10] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/arbeit-staat-koennte-laut-studie-mit-60000-beschaeftigten-weniger-auskommen/100149765.htm

[11] https://www.bmvg.de/de/themen/verteidigungshaushalt#:~:text=Gegen%C3%... (Link aufgrund der Länge gekürzt)

[12] https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-1098154 

[13] https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/Politik__Inland_/article68b9f7e272019652f128acc9/Ein-Haushalt-fuer-drei-Monate-Bundesetat-fuer-2025-steht.html 

[14] https://www.boerse-global.de/basf-aktie-chemie-riese-unter-druck/626704

[15] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/arbeit-staat-koennte-laut-studie-mit-60000-beschaeftigten-weniger-auskommen/100149765.html

[16] https://www.idowa.de/wirtschaft/chemie-verbandschef-wir-muessen-die-schaufel-in-die-hand-nehmen-art-337941

[17] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-12/friedrich-merz-kritik-finanzierung-wahlprogramm?utm_source=chatgpt.com 

[18] https://www.zdfheute.de/politik/koalitionsausschuss-schwarz-rot-sozialstaat-steuern-100.html?utm_source=chatgpt.com

[19] https://www.merkur.de/politik/bas-kontert-merz-aussage-zum-sozialstaat-bullshit-arbeitsministerin-zr-93909810.html

[20] https://www.br.de/nachrichten/meldung/deutsche-befuerworten-strengere-regeln-beim-buergergeld,30075f3d3



[21] https://www.focus.de/politik/deutschland/merz-macht-mit-einem-satz-spd-chefin-bas-ein-mega-geschenk-die-greift-gerne-zu_9403442e-74bb-49fb-9b47-5503a4e2d57e.html

[22] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/klingbeil-bericht-aus-berlin-102.html 

[23] https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-3488.html

[24] https://www.die-linke.de/detail/news/dieser-rekordhaushalt-geht-an-den-beduerfnissen-der-menschen-vorbei/

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Deutscher Adler eingebettet in Euro-Banknoten
Bildquelle: DesignRage / shutterstock


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