Krebs im Wirtschaftsleben

Leistungslose Einkommen machen uns krank

Von Christian Kreiß.

Die Grundidee der folgenden Ausführungen ist einfach: Leistungslose Einkommen, also Einnahmen, für die man nicht arbeiten muss, sind nicht nur asozial und unethisch, sondern machen unsere Wirtschaft krank. Wir haben riesige Ströme von Renteneinkommen in Form von Dividenden, Mieten, Pachten und Zinsen in unserem Wirtschaftssystem: beinahe ein Drittel des Volkseinkommens. Diese Geldströme zahlt jeder von uns jeden Tag, jedes Mal, wenn er einkaufen geht. Dieses leistungslose Geld müsste eigentlich zu den leistungslosen Menschen fließen, also denjenigen, die nicht arbeiten können: zu unseren Kindern, Senioren und Kranken. Dann wäre unser Wirtschaftsleben gesund, das Geld würde im sozialen Organismus wie das Blut im natürlichen Organismus zirkulieren.

Dorthin fließt es aber nicht. Sondern es fließt – weitestgehend willkürlich, weil leistungslos – auf die Girokonten privater Vermögensbesitzer. Diese wissen ab einer bestimmten Menge  nicht mehr wohin damit, kumulieren es immer weiter, in immer neue Anlagen, die zuletzt kein Mensch mehr braucht. Geld und Vermögen vermehren sich selbst immer weiter wie Krebs. Und der endet oft tödlich.

Übertragen auf unsere Gesellschaft: Unser Wirtschaftsleben ist schwer krebskrank und steht vor einer tragischen Bereinigung, sei es durch Depression, Bürgerkrieg oder Krieg – wenn wir nichts ändern. Die ersten Symptome dieser schweren Krankheit sind 2007/ 2008 in Form der Finanz- und Eurokrise aufgeflackert. Sie ist jedoch alles andere als vorbei. Sie hat noch nicht einmal wirklich angefangen.

Den kommenden Crash zu vermeiden wäre extrem einfach: Die krebsartig gewucherten Vermögen auf ein gesundes Maß beschneiden und das Geld den einkommensschwachen Menschen zurückgeben, von denen es stammt. Die leistungslosen Einkommen dahin kanalisieren wo sie hingehören: zu den leistungslosen Menschen. Dann brauchen wir keine über uns hereinbrechende blinde, tragische Bereinigung mehr, sondern dann lösen wir das Problem mit gesundem Menschenverstand.

Unsichtbare Zahlungsströme: Wer zahlt an wen?

Unser gegenwärtiges Geldsystem kaschiert, verbirgt verschiedene Zahlungsströme, die unterirdisch, gewissermaßen unbewusst in unserem täglichen Wirtschaftsleben stattfinden. Ein bestimmter Teil dieser Zahlungsströme soll daher nun dargestellt werden.

Unser täglich Brot

Der Preis eines jeden Produktes, das wir kaufen, enthält Kapital- und Arbeitsanteile. Man kann sich das am Beispiel eines Brotkaufs klar machen. Um das Korn für Brot zu ernten, braucht der Landwirt Boden, Kapital und seine Arbeitskraft. Für den Boden muss der Landwirt Pacht oder Zinsen zahlen, oder, wenn er ihm selbst gehört, entsprechende Eigenkapitalkosten dafür ansetzen, denn er könnte sein Land ja verpachten oder verkaufen. Für sein Betriebskapital, also die eingesetzten Maschinen oder das Saatgut, muss der Landwirt entweder Zinsen zahlen oder entsprechende Eigenkapitalkosten dafür ansetzen. Diese Kosten werden auf das geerntete Getreide umgelegt. So ruht auf jedem geernteten Korn eine bestimmte Summe von Kapitalkosten für Pachten, Zinsen und Eigenkapital.

Das Korn wandert zur Mühle, dort gilt das Gleiche. Die Mühle steht auf Grund und Boden, für den Kosten anfallen. Die Getreidemühle selbst stellt ein Kapitalgut dar, für das auch Kapitalkosten anfallen.

Beim Bäcker passiert das Gleiche. Die Bäckerei steht auf Grund und Boden, benötigt Kapital in Form von Backöfen, Inneneinrichtung, Vorräten usw., wofür wiederum Pacht und Kapitaldienst anfallen.

In der Summe enthält also der Brotpreis einen bestimmten Anteil von Kapitalvergütung. Für jeden Laib Brot, für jedes Brötchen, die wir kaufen, zahlen wir, ob wir wollen oder nicht, ob wir es wissen oder nicht, einen bestimmen Betrag an Geld an die Eigentümer von Boden und Kapital, ohne dass diese Menschen an dem Arbeitsprozess beteiligt sind. Diese Einkünfte bezeichnen die Ökonomen als „Renten“, das sind Einnahmen, denen keine Arbeitsleistung gegenübersteht, leistungslose Einkommen, die man erhält, wenn man Vermögen besitzt.

Da stellen sich zwei Fragen. Erstens: Wie hoch sind diese Geldströme? Und zweitens: An wen fließen sie?

Der Sachverständigenrat der deutschen Wirtschaft (die „5 Weisen“) beziffert die Höhe dieser „Nicht-Arbeits-Einkommenszuflüsse“ oder Rentiereinkommen an die Rentiers für die Jahre 2006 bis 2008 auf durchschnittlich € 518 Mrd. pro Jahr. Das ist sehr viel Geld. Zum Vergleich: Herr Schäuble, unser Bundesfinanzminister, hat jedes Jahr ungefähr 300 Mrd. Euro zur Verfügung, also deutlich weniger. Bezogen auf die Konsumausgaben der privaten Haushalte von durchschnittlich 1.361 Mrd. Euro in diesen drei Jahren beträgt die Abgabenquote der privaten Haushalte an die Rentiers 38%. Auch heute, 2015, gelten ähnliche Relationen.

Im Durchschnitt beträgt also der Kapitalanteil, den wir mit jedem Produkt- oder Dienstleistungskauf zahlen, gut ein Drittel des Kaufpreises. Jeder von uns zahlt also täglich Zinsen, Dividenden und Pachten an die Bezieher dieser leistungslosen Einkommen, auch wenn wir keinen Kredit bei der Bank aufgenommen haben und in den eigenen vier Wänden wohnen.

An wen fließt dieser riesige Geldstrom von über 500 Mrd. Euro pro Jahr? Der größte Teil, nämlich 80%, fließt an die wohlhabendsten 20% der Bundesbürger, denn diese besitzen etwa 80% des deutschen Nettovermögens – das ist Vermögen abzüglich Schulden –, während die unteren 50% der Bundesbürger zusammen so gut wie kein Nettovermögen haben (siehe Abb. 1: Individuelles Nettovermögen nach Dezilen in Deutschland 2002, 2007 und 2012). Das sind auch die offiziell von der deutschen Bundesregierung verwendeten Zahlen. Frau van der Leyen sagte 2013, die untere Hälfte der Bundesbürger besitze ein Prozent des Gesamtvermögens. Es findet also im täglichen Leben eine Umverteilung statt durch leistungslose Zahlungsströme, die von allen zu vergleichsweise wenigen Menschen fließen, gewissermaßen ein Umverteilung „von fleißig nach reich“.

Reichensteuer

Wir haben also in Deutschland (ebenso wie in praktisch allen anderen Ländern) eine perfekt, geräuschlos und höchst effizient arbeitende Reichensteuer. Jedes Mal, wenn wir einen Cappuccino oder etwas anderes für einen Euro kaufen, fließen etwa 20 Cent davon an die oberen 20 Prozent, 10 Cent an das obere ein Prozent. Ob wir es wollen oder nicht, ob wir es wissen oder nicht spielt dabei keine Rolle.

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Abb. 1: Individuelles Nettovermögen nach Dezilen in Deutschland 2002, 2007 und 2012 (Quelle DIW)

Ein zweites Beispiel: Grund und Boden

Nehmen wir an, fünf Familien wohnen in fünf Häusern. Die Familien 3 bis 5 sind nicht Eigentümer ihrer Häuser, sondern bewohnen sie zur Miete. Die Häuser befinden sich im Eigentum der Familien 1 und 2, wobei Familie 1 vier Häuser besitzt und Familie 2 eines, dasjenige, das sie selbst bewohnt. Diese Eigentumsverteilung an Häusern gibt in etwa die tatsächliche Eigentümerstruktur in Deutschland wieder: Bei uns wohnen 56–62% (je nach Zählung) der Menschen zur Miete, die Eigenheimquote liegt entsprechend bei etwa 38–44 %.

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Umverteilung durch Immobilieneigentum

In obiger Tabelle wird stark vereinfacht angenommen, dass alle fünf Familien ein Arbeitseinkommen von 1.000 Einheiten pro Jahr erzielen. Die Miete soll 30 % des Einkommens betragen. Dadurch, dass die Familien 3 bis 5 in Wohnungen leben, die Familie 1 gehören, fließen die Mietzahlungen von diesen drei Familien an Familie 1. Familien 3 bis 5 haben dadurch nur noch ein Nettoeinkommen von 700, Familie 1 dagegen ein Nettoeinkommen von 1.900.

Geht man davon aus, dass wohlhabendere Haushalte eine höhere Sparquote haben, wofür es zahlreiche empirische Belege gibt, so zeigt sich, dass Familie 1 aufgrund der Mietzahlungen etwa 600 Geldeinheiten sparen kann. Familie 2, die weder vermietet noch selbst mietet, könnte demnach etwa 200 Geldeinheiten pro Jahr sparen, die Familien 3 bis 5 hingegen deutlich weniger, vielleicht zwischen 10 und 70 Geldeinheiten pro Jahr, obwohl sie schon wesentlich weniger konsumieren als die oberen Familien. Durch diese Zahlungsströme wird im Laufe der Zeit das Vermögen von Familie 1 praktisch von alleine immer höher, die Ungleichverteilung nimmt automatisch immer mehr zu.

Ein drittes Beispiel: Zinseszins und die Geschichte vom „Josephspfennig“

Wenn im Jahre 0, bei der Flucht nach Ägypten, Maria und Joseph einen Pfennig bzw. einen Cent zu einem Zinssatz von 4 % angelegt hätten, so wäre daraus bis zum Jahre 1750 über Zins und Zinseszins ein Geldbetrag im Wert unserer Erdkugel aus Gold geworden. Eine solche Kapitalvermehrung wäre natürlich nur zu Lasten aller anderen Menschen möglich. Alle Arten von Zinseszins führen im Verlauf langer Zeiträume über die Exponentialfunktion zu explosionsartigem Wachstum, das durch die reale Wirtschaft nicht gedeckt werden kann. Allen Naturwissenschaftlern und Ingenieuren ist das immer unmittelbar einleuchtend, nur den Ökonomen nicht immer.

Exponentiell wachsende Vermögen funktionieren so ähnlich wie eine Bakterien- oder Vireninfektion. Diese unsympathischen kleinen Lebewesen wachsen in unserem Körper häufig eine Weile lang exponentiell. Wenn ihre Menge eine bestimmte Schwelle überschritten hat, bricht das, was vorher kaum wahrnehmbar in uns gewuchert hat, plötzlich als Krankheit offen aus und wird offensichtlich. Ähnlich ist es bei Krebsgeschwüren. Auch bei Krebs vermehren sich einzelne Zellgruppen eine Weile lang weitgehend unbemerkt, im Stillen, exponentiell, bevor die Krankheit offen ausbricht und sichtbar wird. In dem Moment, wo die Krankheit offen ausbricht, ist es oft zu spät. Wir stehen seit 2007 vor solch einer Situation. Die weitgehend unbemerkte, im Stillen vor sich gehende ungehemmte Geld- und Vermögensvermehrung seit 1948 hat durch den Zinseszinseffekt, mit über 500 Mrd. Euro pro Jahr, eine solche Wucht erreicht, dass sie nun als offene Krankheit ausbricht. Und wir stellen plötzlich bestürzt fest: Unser sozialer Organismus ist krank, schwer krank, ist durchwuchert von krebsartigen Gebilden.

Machtkonzentration und soziale Krebsbildung

Durch die soeben geschilderten Umverteilungsflüsse muss die Ungleichverteilung ab einem bestimmten Zeitpunkt also immer stärker zunehmen. Und in der Tat kann man das für fast alle Länder der Welt und in fast allen Regionen der Welt feststellen: Fast überall nahm seit etwa 1980 die Ungleichverteilung sowohl der Einkommen wie der Vermögen zu. Das hat bestimmte ökonomische Auswirkungen.

Steigt die Ungleichverteilung, so steigt normalerweise auch die Sparquote in dem betreffenden Land und damit das Angebot an anzulegendem Kapital. Durch die steigende Fülle an Kapital entsteht tendenziell Druck auf die Zinsen. Genau dies trat in den letzten Jahrzehnten in fast allen Ländern der Erde ein. Kapital war in großer Fülle vorhanden, die Kreditstandards seitens der Banken wurden teilweise dramatisch gelockert, wie zahlreiche Beispiele zeigen und wie ich selbst in meiner Zeit als Investment Banker von 1995 bis 2002 erlebt habe.

Weltweite Blasenbildungen

Weltweit betrachtet hat das in den letzten etwa 35 Jahren exponentiell wachsende Kapitalangebot zu Druck nach unten auf die Zinsen geführt. Die verstärkt wachsenden Kapitalmassen suchten international nach rentierlichen Anlage­möglichkeiten. Diese (über)reichlich zur Verfügung stehenden „vagabundierenden“ Geld- bzw. Kapitalmittel führten zu hohen Investitionen in Sachanlagen aller Art weltweit.

Wo ist das Problem? Sind Investitionen nicht gut und segensreich, weil sie uns einen höheren Lebensstandard in der Zukunft ermöglichen? Nehmen wir den Hausbau: solange die Menschen kein Dach über dem Kopf haben ist der Bau neuer Häuser ein Segen. Wenn jedoch schon alle eine Wohnung oder ein Haus haben und wir bauen immer noch mehr neue Häuser, dann wird das zum Fluch. Das sieht man zum Beispiel an Spanien seit 2007. Die Spanier bauten über viele Jahre viel mehr Häuser als sie brauchten und stecken daher seit 2007 in einer tiefen Depression, weil die ganze Baubranche kollabierte. Der spanische Ökonom Montalvo sprach daher 2008 von einem Immobilientumor in Spanien, eine sehr zutreffende Bezeichnung.

Man kann also des Guten zu viel tun und dann wird es schädlich. Und genau hier liegt die Hauptursache der derzeitigen globalen finanziellen und wirtschaftlichen Verwerfungen. Die wachsenden Kapitalmassen führten über niedrige Zinsen zu weltweiten Überinvestitionen, zu krebsartigen Investitionen in praktisch alle Arten von Anlageobjekten: nicht nur in Immobilien, sondern auch in Unternehmensanteile, Rohstoffe, Nahrungsmittel, Gold, und vor allem: In reale Produktions­anlagen wie Maschinen, Produktionsgebäude und Infrastrukturanlagen.

Die Weltwirtschaftslage 2016: Ähnlich wie 1929 ist eine tiefe Bereinigung überfällig

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Tatsächlicher vs. nachhaltiger Wachstumspfad (eigene Darstellung)

Die Abbildung „Tatsächlicher vs. nachhaltiger Wachstumspfad“ zeigt den stilisierten Verlauf des weltweiten Wirtschaftswachstums von etwa 1980 bis heute Die untere Linie zeigt das Wachstum der Masseneinkommen und damit den nachhaltigen Wachstumspfad der Nachfrage durch die privaten Haushalte, der aus eigener Kraft, aus nachhaltigem Einkommen möglich gewesen wäre. Die steiler ansteigende, obere, durchgezogene Linie beschreibt den stilisierten tatsächlichen Wachstumspfad der letzten etwa 35 Jahre. Die Lücke dazwischen, der Keil, der sich innerhalb der letzten 35 Jahre bildete, zeigt das durch die gestiegene Ungleichverteilung bewirkte oben geschilderte Zurückbleiben der Masseneinkommen und damit der Massenkaufkraft hinter dem Wachstum des Sozialproduktes.

Ein paar Zahlen dazu aus den USA: Das reale BIP pro Kopf der USA wuchs in den 33 Jahren von 1978 bis 2011 laut Regierungsangaben von 100 auf 173, also real um 73%. Die Medianeinkommen stiegen im gleichen Zeitraum real laut offiziellen Regierungsangaben dagegen nur von 100 auf 105. Das stellt sich die Frage: Wer hat eigentlich die ganzen Burger gegessen? Wer hat die vielen Autos, Bildschirme, Kühlschränke, die produziert wurden, eigentlich gekauft, wenn doch die Massennachfrage nur um 5% gestiegen ist, das Angebot aber um 73%?

Die Antwort ist einfach: Das wurde über Kredite gekauft. Die Leute sind shoppen gegangen ohne eigentlich das Geld dafür zu haben. In den Industrienationen erhöhte sich die reale, inflationsbereinigte Verschuldung der privaten Haushalte von 1980 bis 2010 auf das Sechsfache. Vermutlich weit über 100 Millionen Familien weltweit sowie einige Länder lebten in den letzten 30 Jahren deutlich über ihre Verhältnisse, gaben mehr aus als sie einnahmen und finanzierten diese künstliche Nachfrage durch höhere Verschuldung.

Eigentlich wäre langfristig aber nur die untere Linie des Wirtschaftswachstums möglich gewesen. Denn Massenproduktion setzt Massennachfrage und damit Massenkaufkraft und Masseneinkommen voraus. Auf Dauer können Produktion und Wirtschaft nur wachsen, wenn die Massenproduktion auch abgenommen wird. Dass dennoch die obere Wachstumslinie erreicht wurde, lag an der künstlich überhöhten Nachfrage seitens vieler Millionen von Privathaushalten durch Kredite.

So entstand ein auf Pump und damit auf Sand gebautes Wirtschaftswachstum in Höhe des Keils zwischen den beiden durchgezogenen Linien. Dieser Keil steht nun vor einer Bereinigung. Wie groß dieser Keil in etwa ist zeigen die Zahlen aus den USA: Der Massennachfrage von 105 stehen Produktionskapazitäten von 173 zur Verfügung. Teilt man 105 durch 173 ergibt sich etwa 0,6. Das heißt: zur Befriedigung der Massennachfrage würde eine Kapazität von 60% ausreichen. Es ist also viel zu viel Kapazität vorhanden. Oder anders ausgedrückt: Da ist eine gewaltige Nachfragelücke aufgebaut worden, die nun vor einer Bereinigung steht. Wenn man ähnliche Zahlen wie für die USA auch für die übrigen Industrieländer unterstellt, heißt das: Etwa drei von fünf Produktionsanlagen, Hotels, Restaurants usw. usw. brauchen wir nicht und dürften in den kommenden Jahren stillgelegt werden! Was das für Arbeitslosigkeit und soziale Entwicklungen bedeutet, kann man nur erahnen.

Was tun?

Die Antwort ist eigentlich verblüffend einfach: Wir brauchen nur die falschen und schädlichen Trends der letzten ein bis zwei Generationen rückabwickeln und das Geld dorthin zurückgeben, von wo es auch kommt: zu den Normal- und Kleinverdienern.

  1. Entweder auf einmal durch eine einmalige Vermögensabgabe von etwa 30 Prozent auf alle Vermögen nach Abzug von Freibeträgen von vielleicht einer Million Euro pro Kopf.
  2. Oder durch eine spürbare Erbschaftssteuer von beispielsweise 50% auf vererbte Vermögen nach Freibeträgen von vielleicht ein oder zwei Millionen Euro pro Empfänger. Erbschaften sind ja der Inbegriff von leistungslosen Einkommen. Pro Jahr werden derzeit in Deutschland etwa 300 Milliarden Euro vererbt, davon 100 Milliarden durch das wohlhabendste ein Prozent der Bevölkerung. Die real bezahlte Erbschaftssteuer beträgt zur Zeit etwa 5 Milliarden Euro pro Jahr. Das heißt unser Erbschaftssteuersatz liegt momentan bei ungefähr 1,7%. Das verfestigt die Ungleichheit und die ungleichen Startchancen in unserem Land.
  3. Oder durch eine allmähliche Rückabwicklung in den nächsten 35 Jahren. Anstatt dass immer mehr Geld „von fleißig nach reich“, von den Normal- und Kleinverdienern zu den Vermögenden wandert wie in der Vergangenheit, also einfach das Gegenteil tun: Das Geld „von reich nach fleißig“ fließen lassen. Die Mittel dazu sind im Prinzip auch ziemlich einfach: Die drei Hauptvermögensarten sind zu belasten. Also beispielsweise:
  • a) Eine Vermögenssteuer von 3% des tatsächlichen Marktwertes auf nicht selbst genutzten bzw. bearbeiteten Grund und Boden inklusive Immobilien. Von dieser Steuer wären also nicht betroffen beispielsweise Familien, die im eigenen Haus oder der eigenen Wohnung wohnen, oder der Landwirt, der seinen eigenen Grund und Boden bearbeitet. Dagegen würde Großgrundbesitz besteuert. De facto wären von dieser Steuer lediglich 10 bis 18% der deutschen Bevölkerung betroffen. Das Argument der Steuerflucht zieht hier nicht, denn Grundbesitz kann sich nicht in die Schweiz absetzen, er ist notorisch immobil.
  • b) Eine Vermögenssteuer auf Unternehmenseigentum in Höhe von 3% des tatsächlichen Markt- bzw. Verkehrswertes pro Jahr nach Berücksichtigung eines Freibetrages von vielleicht 2 Mio. Euro. Diese Steuer müssten maximal 10% aller Bundesbürger entrichten.
  • c) Einführung von umlaufgesichertem Geld, wie z.B. in der kleinen Gemeinde Wörgl in Österreich 1932/33.

Mit den hierdurch eingenommenen erheblichen Mitteln von deutlich über 100 Mrd. Euro pro Jahr könnte man im Gegenzug die Sozialversicherungsbeiträge für die arbeitende Bevölkerung oder die Einkommensteuersätze für Niedrigverdiener senken. Dadurch wäre das oben beschriebene Problem der Unterkonsumtion bzw. der Überkapazitäten gemildert oder gelöst, und wir stünden nicht vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch, sondern hätten das Problem mit Vernunft statt mit Unvernunft, wie es heute geschieht, gelöst.

Das gilt auch für Griechenland oder Spanien. Deren derzeitigen massiven Konjunkturprobleme wären durch die obigen drei Maßnahmen problemlos lösbar. Onassis war bekanntermaßen ein Grieche. Es gibt sehr viele sehr wohlhabende Griechen und Spanier. Wenn man diese stärker zur Finanzierung der Staatsfinanzen heranziehen würde anstatt die kleinen Leute, wie man es heute macht, wären die Konjunkturprobleme in Griechenland und Spanien erledigt. Diese Maßnahmen würden also einen Geldstrom von reich zu fleißig auslösen, anstatt den derzeitigen riesigen Geldstrom von fleißig nach reich weiter zu perpetuieren.

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.


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