Tagesdosis

Krankenkassen sollen Homöopathie canceln | Von Paul Clemente

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Grüne fordern

Ein Kommentar von Paul Clemente.

Spätestens seit Corona ist klar: Wenn Forscher ihr Wissen zum Dogma erheben, verwandelt es sich in Ideologie. Für wahre Wissenschaft gilt nämlich: Jegliche Erkenntnis ist Provisorium, ein Arbeitsmodell, das regelmäßig auf den Prüfstand gehört. Das ständiger Korrektur bedarf. Wer sich dem entzieht, ist kein Wissenschaftler mehr.

Die Stunde solcher Ideologen schlug in der Covid-Ära. Ihr Merkmal: Sie mieden jede Diskussion mit kritischen Kollegen. Während Propaganda-Medien die totale Unterwerfung verlangten, den Mythos der unfehlbaren Autorität reanimierten. Jeder Zweifel daran wurde als „unwissenschaftlich“ gebrandmarkt. Mit an vorderster Front: Grünen-Politiker wie Janosch Dahmen. Deren Forderungen: Masken, Iso-Haft und Impfzwang, das ganze Paket. Wer darüber am meisten lachte? Big Pharma natürlich. Und jetzt, drei Jahre später, haben Pharma-Riesen neuen Grund zum Jubeln:

Denn am vergangenen Freitag, auf dem Parteitag in Hannover, haben die Grünen beschlossen: Nie wieder Homöopathie als Kassenleistung. Nieder mit den weißen Kügelchen. Globuli-Verbot für alle Krankenkassen. - Das mag ältere Bürger irritieren: Besaßen die Grünen doch in ihrer Gründungszeit, vor 45 Jahren, ein Monopol auf alles, was irgendwie „alternativ“ klang: Bio-Nahrung beispielsweise, inzwischen zum oralen Hipster-Fetisch avanciert. Sogar die Taz startete 1978 als alternative Tageszeitung. Lang ist’s her. Ja, die Grünen waren eine Friedenspartei, die sogar Exzentriker wie Josef Beuys anzog. Von diesem Wählerstamm samt seiner Themen hat die Partei sich restlos befreit. Eines der letzten Fossilien fand man in der grünen Gesundheitspolitik: Die Homöopathie. Nun kam es zur endgültigen Liquidierung: Nie wieder Homöopathie als Kassenleistung. 

Zur Begründung wurde einmal mehr der „wissenschaftliche Konsens“ bemüht: Abgesehen vom Placebo-Effekt sei keine Wirkung homöopathischer Medikamente nachzuweisen. Ganz neu ist dieser Vorstoß allerdings nicht. Bereits 2020 forderte der grüne Bundesvorstand: Gesetzliche Krankenkassen sollten Homöopathie nur gegen Extratarife anbieten. Mit anderen Worten: Wer sich Privatversicherung oder Extratarife leisten kann, hat das Privileg der Wahl. Der Rest muss Big Pharma-Produkte konsumieren. Aber selbst der Privilegien-Tarif ging manchem Grünen nicht weit genug: Laut Antrag soll die Solidargemeinschaft

„nicht für Therapien aufkommen, deren Wirksamkeit über den Placebo-Effekt hinaus wissenschaftlich nicht belegt ist."

Dass die vollständige Streichung der Homöopathie ausgerechnet jetzt vollzogen wurde, ist kaum Zufall: Erst vor zwei Wochen hatte der Virologe Hendrik Streeck vorgeschlagen: Man solle hochbetagte Patienten nicht länger mit teuren Medikamenten quälen. Da könnten Kassen die Erstattung gern mal weglassen… Genau da zeigt sich eine Parallele: Ob Erstattungs-Stopp für Homöopathie oder Behandlungs-Aus für alte Menschen – in beiden Fällen gilt: Weg mit dem mündigen Patienten. Wir wissen doch besser, was für Dich gut ist.

Ohnehin sei die Erstattung homöopathischer Therapie für manche Kassen bloß ein Trick, eine Marketing-Aktion, während für „evidenzbasierte“ Leistungen der Zaster oft fehle. Schlimmer noch: Unwirksame Behandlungen schädigten die Patienten. Aber: Wenn die Kassen sie erstatten, könnten Ahnungslose das als offizielle Anerkennung missdeuten. Eine unnötige Verwirrung.

Auch der Einwand, dass Homöopathie durch Erfahrungswissen gedeckt sei, stieß am Grünen Parteitag auf wenig Gegenliebe. Ein Berliner Delegierter konterte: „Erfahrungswissen war auch die Basis für Aderlass oder von Quecksilber gegen Syphilis." Selbst das ökonomische Argument, wonach Homöopathie die Kassen nur geringfügig belaste, verpuffte wirkungslos.

Die Bundestagsabgeordnete und Ärztin Paula Piechotta inszenierte sich gar als Märtyrerin der Schulmedizin: „Ich habe keine Kraft mehr, dieses Thema Jahr um Jahr zu vertagen", klagte sie. Aber ihr Horror könne ein Ende finden: In dem „wir“ die Globuli-Debatte „endlich abschließen.“ Uff. Vielleicht haben Kollege aus purem Mitleid mit Frau Piechotta den Antrag unterstützt. Konträr dazu forderte Nina Freund vom Kreisverband Tempelhof/Schöneberg ein Bekenntnis zu dem Schlachtruf: „Wissenschaft statt Wünschelrute“.

Und reagierten die Medien? Nun, die gaben sich überrascht. Spiegel-Online bezeichnete die grüne Verbotsforderung als „historische Kehrtwende“ während die Berliner Zeitung spöttisch anmerkte:

„Ausgerechnet die Partei des ökologisch-esoterischen Milieus will nun die Alternativmedizin abschaffen. Ein Treppenwitz der Geschichte.“

Fassen wir zusammen: Der grüne Kampf gegen weiße Kügelchen ist vor allem strategisch. Die Grünen möchten sich vom einstiegen „Irrationalismus“ distanzieren, sich als moderne Wissenschafts-, Kriegs-  und Verbotspartei profilieren. Nach Klima- und Energiefragen auch in der Gesundheitspolitik. Und wie immer spielen Wünsche und Bedürfnisse der Bürger keine Rolle. Keiner der grünen Anti-Homöopathen fragt, warum Bürger zunehmend Heilpraktiker aufsuchen? Wieso die Zahl der Homöopathie-Konsumenten zunimmt? Weshalb Menschen sich zunehmend von der „evidenzbasierten“ Schulmedizin abwenden?  2022 kam eine Allensbach-Studie zu dem Ergebnis: 60 Prozent der Bevölkerung hat ab dem 16. Lebensjahr bereits homöopathische Arzneimittel verwendet.

Im gegenwärtigen Horror der Wissenschaftsvergötzung lohnt die Erinnerung an einen Erkenntnistheoretiker, der zeitlebens gegen solchen Dogmatismus gekämpft hat: Die Rede ist von Paul Feyerabend. In Werken wie „Erkenntnis für freie Menschen“ zeigte er, dass die Realität „biegsam“ sei, dass sie zahlreiche Interpretationen zulässt, die durchaus koexistieren können. Denn bei jedem Forschen kommt es auf Fragestellung und Methodik an. Es gibt nämlich keinen objektiven, neutralen Beobachter. Alles Experimentieren ist zugleich Eingriff ins Geschehen. Ebenso bestritt Feyerabend die Existenz einer universellen wissenschaftlichen Methode, die für alle Bereiche gilt.

Sein Ansatz erlaubt eine kritische, souveräne Distanz zu den Wissenschaften, ohne sie zu verwerfen. In der pointierten Sprache des Philosophen:

„Man entscheidet sich also für oder gegen die Wissenschaften genauso, wie man sich für oder gegen Punkrock entscheidet, mit dem Unterschied allerdings, dass die gegenwärtige soziale Einbettung der Wissenschaften die Entscheidung im ersten Fall mit viel mehr Gerede und auch sonst mit viel größerem Lärm umgibt.“ 

- Künftige Demokraten werden lernen müssen, diesen Lärm zu ignorieren. 

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Weiße homöopathische Pillen oder Kügelchen in zwei transparenten Glasflaschen mit rosa getrockneten Blumen und Kräutern

Bildquelle: Madeleine Steinbach / shutterstock  


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