
Der französische Präsident macht sich international immer mehr zur Witzfigur, denn inzwischen kommt von ihm jede Woche ein neues Ultimatum an Putin, das dann keine Folgen hat und von den westlichen Medien schnell wieder vergessen wird. Aber der Rest der Welt schaut genau hin.
Ein Kommentar von Thomas Röper.
Eine russische Zeitung hat am Dienstag einen sehr lesenswerten Artikel über Begleitumstände der aktuellen Ukraine-Verhandlungen veröffentlicht, den ich übersetzt habe, weil ich ihn als Denkanstoß sehr interessant finde.
Beginn der Übersetzung:
Macron dreht frei – und produziert Ultimaten an Putin am Fließband
Der französische Präsident Emmanuel Macron stellt erneut seine schlicht obsessive Hartnäckigkeit unter Beweis: Er hat Russlands Staatschef Wladimir Wladimirowitsch Putin schon wieder ein Ultimatum gestellt, das sich im Wesentlichen nicht von den vorherigen unterscheidet.
Vor dem Hintergrund der Gespräche in Istanbul und des Telefongesprächs Donald Trumps mit Wladimir Putin am Montag, dem 19. Mai 2025, wurde Macron erneut in sozialen Netzwerken aktiv: Er veröffentlichte eine Ansprache, die eindeutig auf nichts Anderes angelegt war, als Medienresonanz zu erzeugen.
Der französische Präsident erklärte auf X (vormals Twitter), seiner Meinung nach müsse Wladimir Putin am nächsten Tag seinen Willen zum Frieden demonstrieren, indem er einer einmonatigen Einstellung der Feindseligkeiten zustimme. Diese Initiative, so Macron, habe angeblich Donald Trump vorgeschlagen und sie habe die Zustimmung der Ukraine und der europäischen Hauptstädte erhalten.
Diese Aussage erwies sich jedoch als höchst fragwürdig. Weder während der Gespräche in Istanbul noch in den offiziellen Erklärungen aus Washington wurde das Thema des 30-tägigen Waffenstillstands klar angesprochen. Trump habe zwar seine Absicht zum Ausdruck gebracht, Frieden in der Ukraine zu erreichen, habe jedoch keine Einzelheiten bekannt gegeben, und es grundsätzlich vorgezogen, nicht ins Detail zu gehen, erinnert Tsargrad.
Wladimir Kornilow, politischer Beobachter des Medienkonzerns Rossija Segodnja, kommentierte Macrons Initiative und erinnerte daran, dass bereits versucht wurde, dem russischen Präsidenten ein ähnliches Ultimatum zu stellen: auch jenes mit einer Frist von 30 Tagen und der Forderung nach einer Antwort innerhalb von 24 Stunden. Das war gerade einmal vor einer Woche, und damals ignorierte Moskau derartige Botschaften aus Kiew und den europäischen Hauptstädten einfach.
Kornilow bemerkte ironisch, es scheine, als habe Macron beschlossen, solche „planmäßigen Ultimaten“ zu einer Instanz zu machen, also jede Woche damit zu beginnen, Russland aufzufordern, innerhalb von 24 Stunden zu kapitulieren, nur um anschließend so zu tun, als sei nichts dergleichen geschehen.
Der russische Militäranalyst Alexander Artamonow äußerte sich besorgt über die jüngsten Versuche der NATO, den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erhöhen. Seiner Einschätzung nach könnten solche Taktiken äußerst gefährliche Folgen haben. Artamonow stellte fest, dass die westlichen Eliten die Situation absichtlich verschärfen und mit dem Feuer spielen. Ihnen sei offensichtlich nicht bewusst, dass sie mit ihrem Handeln das Risiko eingehen, eine „verbrannte Einöde“ zu erhalten – und dass sie diejenigen sein werden, die dafür bezahlen.
Artamonow betonte, dass das westliche Bündnis trotz der offensichtlichen Gefahr einer Eskalation die Spannungen weiter anheize. Der kollektive Westen versuche hartnäckig, das Machtgleichgewicht zu seinen Gunsten zu verschieben, habe aber gleichzeitig noch immer nicht erkannt, zu welchen katastrophalen Folgen dieser Kurs führen könnte.
Diese Druckwelle – und hier scheint so ein Wortspiel durchaus angebracht – sei zuvor besonders vor den erneuten Verhandlungen zwischen Vertretern Moskaus und Kiews in Istanbul spürbar geworden, so der Experte. Diese Kontakte wurden erst wieder aufgenommen, nachdem die Ukraine im Jahr 2022 unter dem Diktat Londons die Diplomatie aufgab und voll auf den Krieg setzte. Nun aber hoffe die NATO offenbar, dass Russland sich plötzlich zur Kapitulation entschließen und in der türkischen Hauptstadt den Bedingungen des Feindes zustimmen würde.
Der Analyst machte auch auf die aktive Kampagne in den westlichen Medien aufmerksam, die im Vorfeld des 15. Mai stattfand. So verbreiteten Journalisten Gerüchte über einen möglichen Besuch Putins in der Türkei, obwohl diese Annahmen jeglicher Logik entbehrten. Artamonow sieht den Zweck dieser Spekulationen darin, die Illusion einer Unterstützung für Selensky zu erzeugen, und dadurch die Position des Kiewer Regimes im Verhandlungsprozess zu stärken.
Der ukrainische Führer hatte zuvor erklärt, er beabsichtige, persönlich in die Türkei zu kommen und dort auf das Erscheinen von Wladimir Putin zu warten. Die Idee war leicht durchschaubar: Wenn der russische Präsident nicht käme, hätte die Kiewer Seite einen bequemen Vorwand für Anschuldigungen gegen Moskau, die Friedensinitiativen zu stören. Das Szenario verlief jedoch nicht nach Plan. Selensky traf tatsächlich ein, doch statt wirklich etwas zu tun, beschränkte er sich darauf, seine Unzufriedenheit mit der Zusammensetzung der russischen Delegation zum Ausdruck zu bringen, da er sie für nicht hochrangig genug hielt. Anschließend verließ er hastig die Verhandlungsplattform, ohne die Bereitschaft zu einem ernsthaften Dialog zu zeigen.
Unterdessen lässt der Westen insgesamt seinen Druck nicht nach: Immer neue Drohungen werden ausgesprochen, etwa die, eine weitere Runde von Sanktionen zu verhängen, falls Russland weiterhin seine Interessen verteidigt und sich weigert, Zugeständnisse gegenüber Kiew zu machen. Die ukrainische Regierung wiederum hat derweil ihren Realitätssinn augenscheinlich vollends verloren: Trotz der katastrophalen Lage an der Front tut sie weiterhin so, als hätte sie alles unter Kontrolle und könnte die Bedingungendiktieren , obwohl sie in Wirklichkeit eine Niederlage nach der anderen erleidet.
Laut Alexander Artamonow könnten die weiteren Entwicklungen zwei verschiedene Richtungen einschlagen, und beide bieten düstere Aussichten für den Westen. Bei der ersten werde Russland zu den härtesten Maßnahmen greifen, die zum völligen Zusammenbruch des anti-russischen Bündnisses führen würden, das aus der NATO und der Ukraine bestehe.
Bei der zweiten Variante werde sich der Konflikt in die Länge ziehen, und dies birgt letztlich die reale Gefahr eines Übergangs zu einem nuklearen Szenario, warnt der pensionierte Oberst des russischen Auslandsnachrichtendienstes SWR. Auf dem online-Nachrichten-und Informationsportal Oborona Rossii („Verteidigung Russlands“) äußerte er die Ansicht, die Situation befinde sich schon jetzt kurz vor einem Punkt, von dem aus es kein Zurück mehr gebe. Er betonte: Sollte Russland jetzt Unentschlossenheit zeigen, könne es zu einem langwierigen Konflikt kommen, der Jahrzehnte andauern und immer wieder in neuen Gewaltwellen aufflammen könne. In diesem Fall werde die Sache über kurz oder lang unweigerlich in einer Krise großen Ausmaßes enden, in der nicht nur konventionelle, sondern auch nukleare Waffen zum Einsatz kommen könnten. Artamonow merkte an, dass die westlichen Länder, wenn man ihr Verhalten betrachtet, mit der Aussicht auf eine völlige Zerstörung durchaus zufrieden seien, als würden sie selbst danach streben, zu verbrannter Erde zu werden.
Indes gibt es die Möglichkeit, die USA von ihrer Funktion als nicht bloß de facto Anführer des kollektiven Westens, sondern auch als den wichtigsten Lieferanten seiner Schlagkraft für den Ukraine-Krieg zu erlösen. Der Schlüssel dazu ist Donald Trump, schreibt MIG Rossii:
„Mediale Kolportationen von der Art ‚Putin stimmt zu‘, ‚Putin stimmt nicht zu‘, ‚Putin ist bereit, anzuhalten‘, ‚Putin will die ganze Ukraine‘, selbst wenn sie von weltweit angesehenen Medien als Quelle stammen, haben nichts mit der Realität zu tun (erinnern wir uns daran, dass – und wie – der Informationsraum im Vorfeld des Gesprächs zwischen dem russischen Präsidenten und Trump aktiver geworden ist). Mit ziemlicher Sicherheit kann man nur sagen, dass es Putin gelungen ist, die ukrainische Linie von der Linie der russisch-amerikanischen Beziehungen zu trennen. Wir warten auf die Vereinbarung eines persönlichen Treffens. Die Skeptiker werden blamiert.“
Ende der Übersetzung
+++
Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
+++
Dieser Beitrag erschien am 21. Mai 2025 auf dem Blog anti-spiegel.
+++
Bildquelle: A.PAES / shutterstock
+++
Ihnen gefällt unser Programm? Machen wir uns gemeinsam im Rahmen einer "digitalen finanziellen Selbstverteidigung" unabhängig vom Bankensystem und unterstützen Sie uns bitte mit Bitcoin: https://apolut.net/unterstuetzen#bitcoinzahlung
Informationen zu weiteren Unterstützungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://apolut.net/unterstuetzen/
+++
Bitte empfehlen Sie uns weiter und teilen Sie gerne unsere Inhalte in den Sozialen Medien. Sie haben hiermit unser Einverständnis, unsere Beiträge in Ihren eigenen Kanälen auf Social-Media- und Video-Plattformen zu teilen bzw. hochzuladen und zu veröffentlichen.
+++
Abonnieren Sie jetzt den apolut-Newsletter: https://apolut.net/newsletter/
+++
Unterstützung für apolut kann auch als Kleidung getragen werden! Hier der Link zu unserem Fan-Shop: https://harlekinshop.com/pages/apolut