Hoffnungsvoller Handschlag von Torgau – leider ein Trugbild | Von Wolfgang Effenberger

Ein Kommentar von Wolfgang Effenberger.

Mit dem Slogan “Macht es nochmal!” erinnerte am 22. April 2023 die Bürgerinitiative “Torgau für Frieden” zusammen mit Initiativen aus Mitteldeutschland am Denkmal in Torgau an die „historische Begegnung von russischen und amerikanischen Truppen vom 25. April 1945″ (das Bild vom Handschlag wurde einen Tag später nachgestellt).

“Sie reichten sich auf den Trümmern der Elbebrücke von Torgau die Hände und rückten damit das Ende der Kämpfe des 2. Weltkrieges in greifbare Nähe.“(1) Einer der beteiligten GIs, Joe Polowsky, setzte sich später für die Anerkennung des 25. April als Weltfriedenstag ein – leider erfolglos (Die UN legte den Weltfriedenstag bezugslos auf den 21. September fest). Gemäß seinem letzten Willen wurde er 1983 auf dem evangelischen Friedhof in Torgau begraben. Am 25. April 2023 jährt sich die historische Begegnung von amerikanischen und sowjetischen Soldaten in Torgau zum 77. Mal. Das Bild vom “Handschlag von Torgau” auf der zerstörten Elbbrücke ging um die Welt und befindet sich in zahlreichen Geschichts- und Schulbüchern.

Quelle: Aus der Informationsschrift “Torgau für Frieden”(2)

Es war ein Symbol für das bevorstehende Kriegsende und die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft und hatte auch den Verfasser des Artikels als Schüler sehr bewegt. Das Denkmal der Begegnung ist für die Torgauer ein Symbol dafür, was Krieg bedeutet:

„Wir sehen uns in der geschichtlichen Verantwortung zu erinnern und zu mahnen. Wir möchten mit einer Friedenskundgebung ein Zeichen setzen, dass die Menschen in Torgau, Mitteldeutschland und der ganzen Republik sich nicht in die Kriege von Mächtigen hineinziehen lassen und nicht als Menschen gegen Menschen in Feindschaft gehen. Den geschichtlichen Kontext nutzen wir, um überparteilich Frieden durch Waffenruhe und Verhandlungen zu fordern.“(3)

Es wurde im September 1945 nach einem Entwurf des Hauptmanns der Roten Armee und sowjetischen Architekten Abraham Milezkij errichtet, der seine Idee wie folgt erläuterte: „Möge das Denkmal an die unbesiegbare Kraft der Völker erinnern, die sie im Kampf gegen die Barbarei vereint hat.“(4) Gekrönt wird das aus Granit und Sandstein bestehende Denkmal von Fahnen der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie sind gesenkt und verdeutlichen damit das Ende der Kampfhandlungen, so ebenfalls die aufgestellten, von einem Kranz umgebenen Gewehre.

Kundgebung

Unweit des Denkmals wurde um 14 Uhr die Veranstaltung eröffnet, durch die die Moderatorin Julia Szarvasy charmant und kenntnisreich führte. Von Owe Schattauer,(5) Bauunternehmer, Musiker, Friedensaktivist und Gesicht der Druschba-Fahrten durch Russland (neuerdings auch durch Belarus) wurde sein geschichtsträchtiger Videoclip „wir müssen miteinander reden“ eingespielt, in dem er stimmgewaltig seinen Zorn angesichts des Kriegswahnsinns zum Ausdruck brachte. Anschließend betrat er die Bühne und schilderte eindrucksvoll die Erlebnisse seiner Friedens- und Versöhnungsfahrt durch Belarus. Hier hatten die deutschen Truppen ab 1942 mit ihrer Ausrottungspolitik begonnen. Schattauer geißelte den Krieg und beendete seinen Friedensappell mit dem Aufruf:

„Menschen weigert Euch, Feinde zu sein“ (Römer 12/7-21).

Hans-Joachim Maaz (Videobotschaft)

Anschließend wurde die Video-Botschaft von Psychiater, Psychoanalytiker und Autor Hans-Joachim Maaz eingespielt. Er ist bekannt für seine brillanten, zukunftsweisenden Analysen kollektiver Befindlichkeiten und gesellschaftlicher Zustände. Für ihn ist die narzisstische Normapathie (überkonformes Verhalten, Unterwerfung und Führen eines unechten Lebens) an ihr kritisches Ende gekommen. Die seit Corona angstschürende Politik nennt er “erstaunlich”; er findet, dass eine Regierung gegen Ängste auftreten und den Menschen helfen müsste – es geschieht jedoch das Gegenteil: Angst, Abhängigkeit und Dummheit. So suchen die Menschen, die allen Grund haben, vor der Zukunft Angst zu haben, nach Rettung und Erlösung. Für ihn ist die Voraussetzung für Friedensfähigkeit die Liebesfähigkeit. Die Entfremdung von eigenen Bedürfnissen und Wünschen führt zur Unzufriedenheit und erweckt leichter die Gefahr einer Kriegslust statt der Suche nach Verhandlungslösungen. Maaz fordert die Menschen auf, sich umfassend zu informieren, um nicht auf Propaganda und Fake-News hereinzufallen. Eine auf Ängsten beruhende Spaltung hindert uns daran, mit uns selbst und den Nächsten in Frieden zu leben.

Wladyslaw Below (Videobotschaft)

Die Rede des wissenschaftlichen Direktors des Europa-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, Wladyslaw Below, war eine zeitgemäße Warnung an die Adresse des politischen Establishments der Bundesrepublik. Below wies darauf hin, dass der deutsche Staat heute tief in geopolitische Konflikte verwickelt ist, und unterstrich, dass Berlin mit der Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine und der Finanzierung Kiews Benzin ins Feuer des bewaffneten Konflikts gieße. Mit der Fortsetzung dieses Kurses nähere sich Deutschland einer überaus gefährlichen Grenze, hinter der ein Nuklearkrieg in Europa nicht auszuschließen sei. Ein Nuklearkrieg dürfe nicht zugelassen werden.

Below sieht jedoch Zeichen in der deutschen Gesellschaft, die darauf hinweisen, dass immer mehr Bürger mit weiteren Waffenlieferungen, die auch zivile Bürger töten, nicht einverstanden sind. Trotzdem gießt Berlin weiter Benzin in das Feuer. Below leitet das Zentrum für Deutschlandforschungen und ist Teilnehmer des Petersburger Dialogs; er erinnerte daran, dass Deutschland die Schuld an zwei Weltkriegen trage. „Eine Wiederholung dieser Geschichten dürfen wir nicht zulassen“, sagte Below.

Diese Sichtweise hat auch der US-Neokonservative Robert Kagan in seinem Foreign-Affairs-Artikel „Eine freie Welt – wenn man sie behalten kann“(6) vom Januar 2023. Zweifelsfrei steht fest, dass Deutschland am 22. Juni 1941 die Sowjetunion überfiel. Für den Weg in den Ersten Weltkrieg ist eine derartig vereinfachende Aussage jedoch keineswegs zutreffend, auch wenn im Versailler Friedensdiktat von 1919 im Artikel 231 die „Alleinige deutsche Kriegsschuld“ festgeschrieben wurde.

Am 30. Juli 1914 befahl Zar Nikolaus II. die Generalmobilmachung der russischen Armee. Daraufhin verkündete das Deutsche Reich am 31. Juli 1914 den „Zustand der drohenden Kriegsgefahr“ und forderte Russland auf, die Mobilmachung seiner Armee innerhalb von 12 Stunden zu stoppen. Da Petersburg der Forderung nicht nachkam, verkündete Deutschland am 1. August 1914 gegen 17 Uhr die deutsche Mobilmachung und erklärte dann in den Abendstunden Russland den Krieg.(7)

Bereits am 1. August 1914 näherte sich im Osten von Preußen die russische „Njemen“-Armee unter Paul von Rennenkampff mit dem Ziel, Königsberg zu erobern. Von Süden her marschierte die „Narew“-Armee unter Alexander Samsonow auf die Weichsel zu, um Ostpreußen vom übrigen Reich abzuschneiden. Von den acht deutschen Armeen standen gemäß Schlieffen-Plan sieben an der Westfront, nur die 8. Armee sollte mit 190.000 Mann Ostpreußen gegen 485.000 russische Angreifer verteidigen.

Bereits am 2. August 1914 überschritten russische Verbände die deutsche Grenze, was zu ersten erbitterten Gefechten zwischen deutschen und russischen Truppen führte. Fast 200.000 Menschen in Ostpreußen traten panikartig die Flucht Richtung Westen an. Da die „Njemen“-Armee unter Rennenkampff weitgehend untätig blieb, konnte die „Narew“-Armee unter Samsonow zwischen dem 26. und 31. August 1914 im Raum Allenstein/Tannenberg weitgehend aufgerieben werden. Fast 80.000 russische Soldaten waren gefallen und insgesamt 92.000 gingen in die Gefangenschaft. Der Sieg bei Tannenberg stoppte die russische Offensive und befreite den größten Teil Ostpreußens von russischen Truppen.

Der Oberkommandierende der „Narew“-Armee, General Samsonow, beging Selbstmord, nachdem er noch eine Woche vorher siegessicher seinen Truppen den Tagesbefehl erteilte: „Ich bin überzeugt, dass die mir anvertrauten Korps sich mit Deutschland, mit dem Feind unseres Mütterchen Russland und des gesamten Slaventums heldenhaft schlagen werden.“(8) Was für ein tragischer Irrtum!

Zum Abschluss seiner Rede forderte Below die Menschen in Deutschland auf, nicht zuzulassen, dass Deutschland eine Wiederholung der Geschichte duldet. Deutschland darf nicht länger zögern, auf den Trümmern der Brücken wieder die Hände zu schütteln.

Eugen Drewermann (Videobotschaft)

(die geschichtsträchtige Rede wird im Wortlaut wiedergegeben)

„Wir denken des Tages 1945, als die russische Rote Armee und die Alliierten bei Torgau sich die Hände reichten. Das Hitler-Regime war besiegt. Man hätte denken können, es sei die Überwindung von Krieg, Gewalt, Diktatur und Unrecht gewesen. Das war es nicht. Schon damals trug Churchill den Plan, dass man nach Hitler Stalin angreifen müsste, und die Deutschen das verstehen würden. Die Bundesrepublik wurde 1949 als Aufmarschglacis im Kalten Krieg von den Amerikanern parallel zum NATO-Aufbau gegen Russland organisiert.

Und wir erleben jetzt im Jahr 2023 dieses alte Programm

„Russland bedroht uns. Wir müssen Gesamt-Europa verteidigen, Russland gehört nicht zu Europa“ mit voller Auflage wieder.

Es verdient unseren Protest. Es ist das Gegenteil der Freundschaft, die möglich gewesen wäre 1945 ohne die Machtallüren der Alliierten. Es wäre unbedingt notwendig gewesen nach 1989, als die Russen uns durch Gorbatschow den Frieden auf den Tisch legten, ein entmilitarisiertes Europa vom Ural bis zum Atlantik zu schaffen. Gefürchtet haben das einzig die Vereinigten Staaten von Amerika. Es hätte einen Wirtschaftsraum eröffnet von Lissabon bis nach Wladiwostok. Es wäre das Ende der Träumerei der Amerikaner gewesen, die Gewinne des Kalten Krieges bei der Ernte aller ihrer Erträge einfahren zu sehen. Wir müssen uns dagegen wehren, dass wir lediglich die Befehlsempfänger amerikanischer Großmachtträume sein sollten, denn sie dienen nicht dem Frieden.

Mahatma Gandhi hatte 1945 bereits recht, als er sagte, man habe Hitler mit Hitler besiegt. Er meinte damit den 6. August 1945, die Zündung der Atombombe. Wie kann man ein Militär fördern, vorantreiben, das mit der Atombombe und mit dem Töten von hunderttausend Menschen in wenigen Sekunden nicht zufrieden ist.

Man braucht die Wasserstoffbombe. Bei den Atomversuchen 1942, 1950 und 1954, BRAVO nannten die USA das, wurden 40.000 Wirbeltiere angefahren, um zu sehen, wie die Sprengwirkung die Trommelfelle zerfetzt, die Strahlenwirkung die Haut verbrennt, wie die nukleare Energie Missgeburten in Generationen erzeugt – nicht um es zu verhindern, sondern es einzusetzen. Nicht genug, wir haben die Neutronenbombe.

Wir haben jetzt eine deutsche Politik in der Herr Scholz erklärt hat, dass man nach Bestellung von 35 F35 Tarnkappenbombern von Lockheed Martin fähig sei, an der atomaren Teilhabe mitzuwirken. Allen Ernstes ist das das Programm der Zeitenwende. Atomare Teilhabe war bei der Gründung der Bundeswehr in der Republik West 1955 die Traum-Idee von Franz-Josef Strauss, und wir waren froh, dass wir es nicht bekommen haben.

Dass wir jetzt jedem Wahn im Abstand von mehr als 70 Jahren hinterdreinlaufen und das eine Zeitenwende nennen, die nichts weiter ist, als ein Rückfall in die vergangene und vergangen geglaubte Barbarei, muss uns empören. Und deshalb bin ich froh, dass Sie hier sind.

Ich wünsche Ihnen Erfolg bei Ihren Bemühungen um den Frieden. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement“

Wolfgang Effenberger

(aufgrund ähnlicher, geschichtsrelevanter Bezüge auch diese Rede im Wortlaut)

„Heute wird mit dem Bild das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verbunden; es vereint Erinnerung und Gedenken mit der Mahnung, den Frieden zu bewahren. Leider war die vor 78 Jahren mit dem Bild verbundene Hoffnung nur ein Trugbild. Denn während sich hier in Torgau amerikanische wie russische Soldaten an dem aufziehenden Frieden begeisterten, arbeiteten britische Generalstabsoffiziere bereits an dem von Winston Churchill in Auftrag gegebenen Kriegsplan “Operation Unthinkable”, der die damalige Sowjetunion zurückwerfen und ein unabhängiges Polen wiederherstellen sollte.

Angriffstermin mit über 100 Divisionen, darunter auch Wehrmachtsverbände, die man nicht in die Kriegsgefangenschaft überführt hatte, war der 1. Juli 1945: Keine 10 Wochen nach dem Handschlag. Zu diesem Angriff kam es nicht, da Stalin rechtzeitig ultimativ forderte, die neben dem britischen Hauptquartier in Flensburg-Mürwik einquartierte deutsche Nachfolgeregierung unter Dönitz zu verhaften und die deutschen Soldaten in die Gefangenschaft zu überführen. Das geschah dann auch am 23. Mai 1945.(9)

Anfang September 1945 beauftragte US-Präsident Harry S. Truman General Eisenhower mit der “Operation TOTALITY”. Mit 20 bis 30 Atombomben sollten 20 sowjetische Industriestädte auf einen Schlag vernichtet werden. Derartige Pläne wurden ständig verfeinert.

Am 15. Mai 1947 verkündete Truman seine Doktrin zur Eindämmung der weiteren Ausdehnung der Sowjetunion.

Am 6. Juni 1947 folgte der Marshallplan. Er hatte das Ziel, Westeuropa gegen den Ostblock zu stärken und der noch vom Krieg überhitzten amerikanischen Wirtschaft Absatzmärkte zu öffnen. Mit der Annahme der Hilfe mussten die Länder ihre finanzpolitische Souveränität an Washington abtreten – der Beginn der ökonomischen Kolonisierung Europas, die übrigens gar nicht viel kostete (zwischen 1948 und 1952 flossen nur ca. 15 Mrd. US-Dollar).

Am 26. Juli 1947 wurde der »National Security Act« für die militärische Durchdringung der Welt verabschiedet, eines der wichtigsten Gesetze in der US-amerikanischen Nachkriegsgeschichte. Er ist bis heute die Grundlage weltweiter amerikanischer Militärmacht. Es ging darum, Europa für den Krieg gegen die Sowjetunion tauglich zu machen.

Am 4. April 1949 wurde die NATO gegründet – offiziell als Verteidigungsbündnis gegen die Sowjetunion. Der erste Generalsekretär der NATO und Chefplaner von Unthinkable, Lord Ismay, formulierte salopp die wirkliche Aufgabe der NATO, nämlich

„die Russen draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten“(10).

Im Bündnisvertrag wurde festgehalten, dass wirtschaftlicher Wiederaufbau und wirtschaftliche Stabilität wichtige Elemente der Sicherheit seien – daher der Marshallplan.

Ab 1991 trat dann ein osteuropäisches Land nach dem anderen der NATO bei; in der Erwartung finanzieller und wirtschaftlicher Hilfe. Und als Ende 2013 der gewählte Staatschef der Ukraine, Janukowitsch, die militärisch-politische Zusammenarbeit mit der EU (und damit der NATO) nicht unterschrieb, wurde er kurzerhand weggeputscht.

Am 4. April 2023, auf den Tag genau 74 Jahre nach der Gründung der NATO und mitten in dem Konflikt, den Janukowitsch vorausgesehen hatte, wurde Finnland mit großem Pomp in die NATO aufgenommen. Am gleichen Tag titelte die US-Militärzeitschrift Stars and Stripes

„Mit dem Beitritt Finnlands zur US-geführten Allianz verdoppelt die NATO ihre Landgrenze zu Russland und erhöht damit seine militärische Schlagkraft in der arktischen Region. Finnland, das über eines der größten Artilleriearsenale in Europa und eine wehrpflichtige Bodentruppe verfügt, die im Krisenfall bis zu einer Million Reservisten aufbieten kann, beendet die militärische Blockfreiheit des nordischen Staates“(11), so die Stars & Stripes.

Im Zweiten Weltkrieg starben annähernd ca. 1 Million US-Soldaten, während die Sowjetunion weit über 20 Millionen Kriegstote zu beklagen hatte.(12) Die USA blieben von Zerstörungen verschont, die Fabrikschornsteine rauchten, unvorstellbare Gewinne wurden eingefahren. Große Teile der Sowjetunion hatte der Krieg dagegen zerstört und die Industrie nachhaltig beschädigt.

Am 19. Dezember 1949 verabschiedeten die USA den Kriegsplan “Dropshot”, mit dem 1957 die Sowjetunion angegriffen werden sollte, um die neue Supermacht samt ihrer aggressiven Agenda und ihren Weltmachtambitionen in Schach zu halten. In der “Grundannahme” von “Dropshot” heißt es wörtlich: „Am oder um den 1. Januar 1957 ist den Vereinigten Staaten durch einen Aggressionsakt der UdSSR und/oder ihrer Satelliten ein Krieg aufgezwungen worden.“(13)

Daraufhin sollten 300 Atombomben und 29.000 hochexplosive Bomben auf 200 Ziele in einhundert Städten abgeworfen werden, um 85 Prozent der industriellen Kapazität der Sowjetunion mit einem Schlag zu vernichten. Der Zeitpunkt war auf den geplanten Abschlusstermin der Remilitarisierung Westdeutschlands abgestimmt. Als dann jedoch 1957 der Sputnik seine Kreise um die Erde zog, mussten die Kriegsplanungen überarbeitet werden.

Bei der Kuba-Krise 1962 haben Kennedy und Chruschtschow im letzten Moment den Krieg verhindert.

Mit der “National Security Decision Directive 54” (NSDD-54) wurde 1982 ein Instrument geschaffen, mit dem der gesamte Sowjetblock subversiv untergraben werden konnte. Ein Staat nach dem anderen wurde mit dem Versprechen amerikanischer Unterstützung zur Ablösung von der Sowjetunion veranlasst.

Neben destruktiven Operationen (“Unterminierung der Militärkapazitäten des Warschauer Pakts”) wurden ökonomische Anreize geschaffen, vor allem die Aussicht auf Kredite und kulturell-wissenschaftlichen Austausch.(14) Als Weiterentwicklung und Ergänzung dienten die Langzeitstrategiepapiere TRADOC 525-5 von 1994 und 525-3-1 (“Win in a Complex World 2020-2040”) von 2014.

Gezielt wurden Russland und China als bedrohliche Feinde aufgebaut, um die militärische Schutzmacht USA durch die NATO und durch verschiedene asiatische Verteidigungsbündnisse zu etablieren.(15)

Schon 1945 orakelte der US-Philosoph James Burnham, die USA seien dazu berufen, „in der Auseinandersetzung mit den anderen Supermächten die Weltmacht zu erringen“.(16)
Wie kann einer derart heuchlerischen imperialen Politik Einhalt geboten werden? Die UN ist dazu anscheinend nicht in der Lage.

So muss die Welt – Völkerbund 1919 und UN 1945 waren aus dem Denken des Krieges entstanden – endlich zu einer Gemeinschaft finden, die im Geist des Friedens entsteht(17) und in der Lage ist, jede friedensfeindliche Politik zu sanktionieren. In den Handreichungen des US-Kongresses vom 15. November 2022 wird aus der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie vom 27. Oktober 2022 zitiert:

“Die Vereinigten Staaten sind eine globale Macht mit globalen Interessen. Wir sind in jeder Region stärker, weil wir uns auch in den anderen Regionen engagieren.“

Weiter heißt es im Kongresspapier: „…die politischen Entscheidungsträger der USA verfolgen das Ziel, das Entstehen regionaler Hegemonen in Eurasien zu verhindern… die militärischen Operationen der USA im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie zahlreiche militärische Operationen der USA und alltägliche Operationen seit dem Zweiten Weltkrieg …haben offenbar zu einem nicht geringen Teil zur Unterstützung dieses Ziels beigetragen.“(18)

Seit über einem Jahrhundert geht es vor allem darum, den Reichtum einer Gruppe von Tycoons in der Londoner City und an der Wall Street zu mehren. Ein Blick auf die aktuellen Finanzströme bestätigt das. So scheinen die Finanzeliten in den USA und in Großbritannien wenig Interesse an einer Beilegung des Ukraine-Konflikts zu haben.

Heute möchten uns die gleichen Kreise in einen Dritten Weltkrieg führen. Schon 2017 zeigte sich der Publizist und ehemalige stellvertretende Finanzminister unter Reagan, Paul Craig Roberts, bestürzt über die Kriegsgefahr:

„Zwei Jahrzehnte lang haben die Regime von Clinton, George W. Bush und Obama den russischen Bären mit Stöcken, Steinen und bösen Worten beworfen. Die USA haben ein Sicherheitsabkommen nach dem anderen gebrochen und aufgekündigt und die Bedrohung Russlands durch Manöver an Russlands Grenzen, die Inszenierung eines Staatstreichs in der Ukraine und durch einen kontinuierlichen Strom falscher Anschuldigungen noch verstärkt“.(19) Jetzt, so Roberts, „hat Russland keine andere Wahl, als sich auf den Erstschlag vorzubereiten“.(20)

Nach dem US-amerikanischen Völkerrechtler und ehemaligen UN-Beamten Alfred de Zayas – er war von Mai 2012 bis April 2018 unabhängiger Experte des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen für die Förderung einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung – braucht es eine starke Botschaft aus der Zivilbevölkerung und/oder der BRICS-Staaten, sonst dauert der Krieg endlos oder mündet im Armageddon. (21)

Angesichts dessen müssen wir auf einen neuen, wahrhaftigen Handschlag – und zwar auf allen Ebenen – hinarbeiten.“

Umzug

Nach der Kundgebung formierten sich die engagierten Friedens- und Versöhnungsfreunde zu einem beeindruckenden Umzug durch Torgau, an dessen Spitze jeweils ein russischer und ein amerikanischer Jeep fuhr.

Abschlussfoto nach dem Umzug durch Torgau

Friedensfest

Musikalische Verstärkung gab es vom Liedermacher Esteban Cortez und dem bayerischen Mädel-Quartett „Corona Bavaria“(22), die in der Corona-Krise begonnen haben, mit ihren kritisch-humorigen Liedern die Themen Frieden und Freiheit den Menschen nahe zu bringen. Ebenso wie das bayerische Quartett errang der Gitarrist und Liedermacher Yann Song King während der Corona-Krise einen Kultstatus.

Die russischen Medien, die die Veranstaltung begleiteten, verbreiteten noch am selben Tag die Hoffnung machenden Bilder aus Torgau bis hin nach Wladiwostok.(23)

Die Kundgebung endete mit einem Auftritt des Torgauer Bürgerchors und dem Freilassen von weißen Tauben als Symbol der Hoffnung auf Frieden.

Diese großartige Veranstaltung wurde von der Bürgerinitiative “Torgau für Frieden” mit Unterstützung der Bautzener Friedensfreunde auf die Beine gestellt. Dafür kann man nicht genug danken. Im Interview mit kla.tv brachte Organisator Steffen Hache, ein Torgauer Unternehmer, die Ziele seines Teams auf den Punkt:

“Wir wollen eine Brücke schlagen zur jetzigen Zeit. Die aktuelle geopolitische Lage zwischen Russland und Deutschland kann man so nicht akzeptieren. Wir sind für Frieden hier und wollen manifestieren, dass die Menschen, die hier sind, Frieden wollen und dass man mit Waffenlieferungen keinen Frieden machen kann.”

Quellen und Anmerkungen

Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete „atomare Gefechtsfeld“ in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm

„Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie “Die unterschätzte Macht” (2022)

1) http://www.tofff.de/presse.html

2) http://www.tofff.de/info.html; http://www.tofff.de/toff-video.mp4

3) http://www.tofff.de/info.html

4) Aus der Gedenktafel vor dem Denkmal

5) https://www.youtube.com/c/OweSchattauer

6) https://www.foreignaffairs.com/united-states/robert-kagan-free-world-if-you-can-keep-it-ukraine-america

7) Wolfgang Effenberger: Ein neokonservativer Paukenschlag in “Foreign Affairs” und etwas Kryptisches im “Economist” http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=28449&css=print

8) Ebda.

9) Antony Beevor: Der Zweite Weltkrieg. 1. Auflage. München 2014, S. 866 f.

10) https://internationalepolitik.de/de/nordatlantische-allianz

11) https://www.stripes.com/theaters/europe/2023-04-04/nato-finland-blinken-9700526.html

12) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1184660/umfrage/amerikanische-verluste-waehrend-des-zweiten-weltkrieges/

13) Diese Dokumente wurden später freigegeben und unter dem Namen Dropshot: The American Plan for World War III Against Russia in 1957 (ISBN 0-8037-2148-X) veröffentlicht

14) https://irp.fas.org/offdocs/nsdd/nsdd-54.pdf

15) Bereits im Herbst 1945 sah der Plan mit Namen TOTALITY (JIC 329/1) einen Atomangriff auf die Sowjetunion mit 20 bis 30 Atombomben vor. Details in Kaku/ Axelrod 1987, S. 30–31.

16) Zitiert wie www.dradio.de/dkultur/sendungen/kalenderblatt/439652/

17) Wolfgang Effenberger: Reformvorschlag der G4-Staaten (Brasilien, Deutschland, Indien und Japan) in Bezug auf eine Erweiterung des Sicherheitsrats vor dem Hintergrund der geopolitischen Interessen der USA

18) https://sgp.fas.org/crs/natsec/IF10485.pdf

19) Trump’s Choices. Russian Military has Concluded that Washington is preparing a surprise Nuclear Attack on Russia https://www.globalresearch.ca/trumps-choices-russian-military-has-concluded-that-washington-is-preparing-a-surprise-nuclear-attack-on-russia/5602202

20) Ebda.

21) https://www.counterpunch.org/2023/02/15/hersh-the-us-and-the-sabotage-of-the-nordstream-pipelines/

22) https://coronabavaria.de/

23)

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Vadym Lavra / shutterstock 

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Kommentare (5)

5 Kommentare zu: “Hoffnungsvoller Handschlag von Torgau – leider ein Trugbild | Von Wolfgang Effenberger

  1. Pippononlosa sagt:

    wer ist der Sprecher des Podcasts? Man sollte die Beiträge lesen, nicht proklamieren! Mann ist es anstrengend!

  2. Zara Trusta sagt:

    Wir brauchen dringend eine BREIT angelegte Anti – WW3 -Initiative.

    • Nevyn sagt:

      Es gibt inzwischen private Firmen, die solche Astroturfing-Unternehmungen verkaufen.
      Egal ob FFF oder Demos gegen die Hühnereierverordnung, was Sie wollen, solange die Bezahlung stimmt.
      Aber wahrscheinlich fehlt Ihnen das notwendige Kleingeld dafür.

  3. G.Nau sagt:

    Kein Wunder, dass Sarah Wagenknecht so viele Fans hat – bei ihr scheint der Weg zum Frieden so einfach zu sein…

  4. Ursprung sagt:

    Ehrenwert, der Verfasser.
    Tragisch die Spezie, denn irgendwann passierte der Webfehler der Januskoepfigkeit. Ich als Laie vermute so ca. vor 10 T Jahren. Manifestiert um Goebelik Tepe herum, eine Art fruehes Stonehenge.
    Vorher scheint es 350 T Jahre lang stabile Altsteinzeit mit praehistorischem Nachweis nichtexistenter Hierarchien gewesen zu sein. Mit prosperierender Urdemokratie (Nebeneinander etwa gleichgewichtig agierender Individuen), stabil trotz ner Menge Naturkatastrophen.
    Doch ab dann kommen laufend Kulturkatastrophen auf. Ursache Hybris.
    Da sind wir immer noch.
    Ob wir nochmal oder wieder die Kurve kriegen: da muss ich mit Nichtwissen passen.
    Und hoffe wie DU wohl auch einzig auf kreatives Probieren.

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