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Die offizielle Erklärung des russischen Außenministeriums | Von Thomas Röper

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Die Rede an die Nation von Präsident Macron, die wie eine Kriegserklärung an Russland klang, hat in Russland für viele Reaktionen, darunter auch eine offizielle Entgegnung des russischen Außenministeriums, gesorgt.

Ein Kommentar von Thomas Röper.

Der französische Präsident Macron hat am Mittwoch eine Rede an die Nation gehalten, die über lange Strecken wie eine Kriegserklärung gegen Russland klang. Hier übersetze ich die offizielle Erklärung, die das russische Außenministerium dazu abgegeben hat.

Beginn der Übersetzung:

Vor dem EU-Gipfel zur Krise in der Ukraine und zur Konfrontation mit Russland hat der französische Präsident Macron in einem offensichtlichen Versuch, den Ton für das bevorstehende Treffen anzugeben, eine äußerst aggressive antirussische Rede gehalten. Zum x-ten Mal bezeichnete er unser Land als „Bedrohung für Frankreich und Europa“ und beschuldigte es wie üblich aller Todsünden – von Cyberangriffen über die Einmischung in Wahlen bis hin zu dem Wunsch, andere europäische Länder regelrecht anzugreifen.

Derartige Erfindungen und provokative Thesen hat er schon früher geäußert. Aber er hat sie zum wohl ersten Mal in so einer konzentrierten und unversöhnlichen Form präsentiert. Es war eine Art Katechismus für ein russophobes Aktionsprogramm.

Man muss sagen, dass der französische Staatschef wiederholt seine Absicht erklärt hat, den russischen Präsidenten Putin anzurufen, um über Möglichkeiten einer friedlichen Lösung in der Ukraine und der Gewährleistung der Sicherheit in Europa zu sprechen. Die russische Seite hat sich stets offen für so ein Gespräch gezeigt. Macron hat jedoch erneut die Taktik der lauten öffentlichen Rhetorik vorgezogen.

Der französische Präsident überzeugt seine eigenen Bürger von der Existenz einer imaginären „existenziellen Bedrohung“ durch Russland. Tatsächlich hat Russland Frankreich nie bedroht, sondern dem Land im Gegenteil in zwei Weltkriegen geholfen, seine Unabhängigkeit und Souveränität zu verteidigen. Allerdings sind Macrons Äußerungen de facto eine Drohung an die Adresse Russlands.

Der französische Staatschef beruft sich auf die außenpolitischen Traditionen seines Landes, aber seine Thesen stehen im Widerspruch zu diesen Traditionen und zum ideologischen Erbe des Gaullismus. Er muss wissen, dass die Autorität Frankreichs auf der internationalen Bühne seit Jahrzehnten auf dem Wunsch seiner Vorgänger beruht, eine ausgleichende Rolle im Weltgeschehen zu spielen und zum Abbau der Spannungen zwischen Russland und dem Westen beizutragen. Seinerzeit war es de Gaulle, der das Konzept der unteilbaren Sicherheit vom Atlantik bis zum Ural vorgestellt und dabei auf Konsensbildung gesetzt hat, indem er die Meinungen und Interessen aller Staaten des Kontinents berücksichtigte. Heute erleben wir jedoch einen Bruch zwischen dem offiziellen Paris und diesen Grundprinzipien der französischen Außenpolitik.

Macrons Rede war durchdrungen von dem Thema der Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Aber kein Wort über Sicherheitsgarantien für Russland. Schließlich hat gerade das Fehlen solcher Garantien, die ständige Schaffung von Bedrohungen für unser Land durch den Westen, vor allem durch die ungehemmte Erweiterung der NATO – entgegen den gemachten Versprechungen – und der Wunsch, die Ukraine in einen antirussischen Brückenkopf zu verwandeln, zu der aktuellen Krise geführt. Wir haben die westlichen Staats- und Regierungschefs, einschließlich Herrn Macron selbst, wiederholt und über viele Jahre hinweg davor gewarnt. Wir werden einmal mehr davon überzeugt, dass man in Paris nach wie vor nicht die Absicht hat, die vitalen Interessen unseres Landes zu berücksichtigen, und darauf abzielt, es zu Entscheidungen zu „zwingen“, die der Westen will. Natürlich wird das nicht klappen.

Als Reaktion auf die Argumente von Herrn Macron müssen wir noch einmal daran erinnern, dass die Tragödie der Ukraine 2014 begann, als infolge des Staatsstreichs mit Duldung und Unterstützung des Westens offen neonazistische Kräfte die Macht im Land übernahmen und sich daran machten, die russische und russischsprachige Bevölkerung zu diskriminieren, die russische Sprache, Kultur und die kanonische Orthodoxie auszurotten und einen blutigen Bürgerkrieg im Donbass zu provozieren.

Die Behauptungen, Russland habe gegen das Minsker Abkommen verstoßen, was nichts anderes ist als eine Verdrehung der Tatsachen, halten keiner Kritik stand. Unser Land hat sich um die strikte Umsetzung dieses Abkommens bemüht, während Kiew mit stillschweigendem Einverständnis und auf Betreiben seiner westlichen Kuratoren seine Verpflichtungen auf jede erdenkliche Weise sabotiert hat. Die ehemaligen Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Deutschlands und der Ukraine haben mehr als einmal öffentlich zugegeben, dass sie dieses Abkommen lediglich zur Vorbereitung eines Krieges benutzt haben.

Welchen „Weg zum Frieden“ schlägt der französische Staatschef vor? Die Rezepte sind die gleichen: weitere westliche Waffenlieferungen an die Ukraine und die Fortsetzung der Kampfhandlungen sowie eine beispiellose Erhöhung der Militärausgaben der europäischen Mitglieder von NATO und EU. In diesem Zusammenhang erscheinen die Vorwürfe an Russland, die Militärausgaben und die Größe seiner Streitkräfte zu erhöhen, absurd. Schließlich ist der Militärhaushalt der NATO-Länder zusammengenommen doppelt so hoch wie die Verteidigungsausgaben aller anderen Länder der Welt, und der Militärhaushalt der EU-Länder ist um ein Vielfaches höher als die Verteidigungsausgaben Russlands. Man muss auch betonen, dass Russlands militärisches Aufbauprogramm eine erzwungene Antwort auf die aggressive Politik der NATO ist, einschließlich des erzwungenen Beitritts von Schweden und Finnland zum Bündnis.

Was die von Herrn Macron propagierte Idee betrifft, westliche Militärkontingente unter dem Deckmantel von Friedenstruppen auf ukrainischem Gebiet zu stationieren, so haben wir wiederholt erklärt, dass das inakzeptabel ist. So eine Besetzung der Ukraine würde unweigerlich zu einer äußerst gefährlichen Eskalation führen.

In Macrons Erklärung sind die Noten der nuklearen Erpressung deutlich zu hören. Die Ambitionen von Paris, zum nuklearen „Schirmherrn“ von ganz Europa zu werden, indem es Europa mit einem eigenen „nuklearen Schirm“ ausstattet, der den amerikanischen fast ersetzt, sind an die Oberfläche getreten. Natürlich wird dies weder die Sicherheit Frankreichs selbst noch die seiner Verbündeten stärken. Außerdem ist das Potenzial der französischen Atomstreitkräfte nicht mit dem der USA vergleichbar. Frankreich verfügt nur über 56 Träger von Atomsprengköpfen, während die USA 898 besitzen. Die Gesamtkapazität der nuklearen Komponente der französischen Streitkräfte beträgt 67,2 Megatonnen, während die der USA bei 1.814 Megatonnen liegt. Aber natürlich wird Russland die Erklärung des französischen Präsidenten in seiner Verteidigungsplanung berücksichtigen.

Die Rede hinterlässt für Macron selbst, der sich als eine Art neuer Führer der „freien Welt“ präsentieren will, ein Gefühl der Verlegenheit. Sie ist bezeichnend dafür, wie verbittert die derzeitigen europäischen Eliten geworden sind. Die sich gerade erst abzeichnenden Kon turen einer Normalisierung zwischen Russland und den USA und die Bewegung hin zu einer friedlichen Lösung der Ukraine-Krise versetzen sie in echte Panik. Es scheint, dass die Europäer, die während des Kalten Krieges im Zentrum der Konfrontation zwischen den Supermächten standen, mehr als alle anderen daran interessiert sein sollten, den Vektor der amerikanisch-russischen Beziehungen zu verändern, die Spannungen abzubauen und einen konstruktiven Dialog zwischen Moskau und Washington zu fördern.

Natürlich wird der demonstrative Militarismus des französischen Präsidenten auch von der innenpolitischen Agenda diktiert. Dahinter steht der Wunsch, die eigene Bevölkerung von den sich in Frankreich und der gesamten EU verschärfenden sozialen und wirtschaftlichen Problemen abzulenken, ihre Aufmerksamkeit auf Pseudobedrohungen von außen zu lenken und die im letzten Jahr erschütterte politische Position irgendwie zu stärken.

Macrons Rede wirft endlich die Masken ab und zeigt, wer jetzt die „Partei des Krieges“ anführt und wer tatsächlich gegen einen Waffenstillstand ist und auf die Fortsetzung des Ukraine-Konflikts und seine weitere Eskalation setzt.

Ende der Übersetzung

Anmerkungen

Thomas Röper, geboren 1971, hat als Experte für Osteuropa in Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet. Heute lebt er in seiner Wahlheimat St. Petersburg. Er lebt über 15 Jahre in Russland und spricht fließend Russisch. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 7. März 2025 auf anti-spiegel.ru.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Joshua Sukoff/ shutterstock


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