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Deutschlands Beihilfe zum „plausiblen“ Völkermord? | Von Jochen Mitschka

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Ein Standpunkt von Jochen Mitschka.

Möglicherweise hat die Klage Nicaraguas gegen Deutschlands Unterstützung von Israels Angriffen auf die Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) keinen Erfolg. Schließlich gibt es viele formale Fallstricke und außerdem wurde diese Gerichtsbarkeit unter der Führung von Kolonialstaaten gegründet, welche sich natürlich zahlreiche Schlupflöcher offen gelassen hatten, falls überhaupt jemals jemand es wagen sollte, Klage zu erheben. Aber als am 8. und 9. April vor dem IGH die Anhörung der Anwälte Nicaraguas stattfand, verlieh dies trotzdem der Politik Deutschlands und dem Einsatz von Gerichten ein neues Gewicht, mit denen westliche Politiker vor wenigen Monaten noch nicht gerechnet hatten. Nicaragua argumentiert nicht nur, dass Deutschland durch die immer noch stattfindenden Waffenlieferungen an Israel gegen die Völkermordkonvention verstößt, sondern auch, dass sie Hilfslieferungen verhindern, durch Zurückhaltung von Zahlungen an UNWRA. Nicaragua erklärt, dass in der UN-Konvention ausdrücklich auch die Verhinderung eines möglichen Völkermordes beschrieben wird. Aber schauen wir uns die Argumentation im Detail an.

Interessanterweise übertrugen internationale Medien den Prozess live, während er von deutschen Medien weitgehend ignoriert, oder als weniger wichtig dargestellt wurde, obwohl der Prozess für Deutschland einer Imagekatastrophe gleich kommt.

Nicaragua

Der vor dem Gericht als Vertreter Nicaraguas auftretende Anwalt Carlos J.A. Gómez war vor ca. 40 Jahren in einem ähnlichen Verfahren gegen die Vereinigten Staaten von Amerika erfolgreich gewesen (1). Er war damals Teil der Vertretergruppe Nicaraguas vor dem Gericht, der es dazu bewegt hatte, die USA zu verurteilen. Damals ging es auch um Verletzungen des Völkerrechts aber auch der Verletzung der Souveränität Nicaraguas, weil die USA die Contra-Rebellen unterstützt hatten, und u.a. auch für die Verminung von Gewässern verantwortlich waren. Das Gericht verurteilte die USA zu 2,4 Milliarden US-Dollar Schadenersatzzahlungen, welche natürlich nie gezahlt wurden, weil die USA das Gericht kurzerhand nicht anerkannten, und ihre frühere Unterwerfungserklärung zurückzogen. Übrigens wird es noch als Präzedenzfall herangezogen werden, wenn Syrien Deutschland verklagt, wegen Unterstützung der so genannten Rebellen, als sich die deutsche Politik noch brüstete, dass „Assad“ in ein paar Wochen „gehen“ würde. Aber das wird noch ein anderes Thema für Deutschlands Politik „wir sind wieder wer“.

In den vergangenen Jahrzehnten hatte Nicaragua 13 Mal den Gerichtshof angerufen. Nicaragua sieht offensichtlich eine Klage vor dem IGH als Teil der Außenpolitik an, um Probleme zu lösen, wenn Diplomatie nicht zum Erfolg führt. Während andere Länder in dieser Situation eher zu Krieg bzw. Gewalt greifen. Wobei interessant ist, dass Nicaragua auch im Falle von nicht erfolgreichen Klagen, das Ergebnis des Urteils akzeptierte.

Im Fall der Klage gegen Deutschland kann man daher eigentlich die Klage als Ersatz für einen militärischen Eingriff auf Seite Palästinas sehen. Was in gewisser Hinsicht einen Ausblick auf die Beilegung von Konflikten gibt, wenn sich Multipolarität durchsetzen sollte.

Der Jemen hatte sinngemäß erklärt, dass die Blockade im Namen Palästinas erfolgt, und daher mit Palästina bzw. der Hamas über deren Aufhebung gesprochen werden müsse, falls die Bombardierung und Blockade des Gazastreifens durch Israel nicht aufgegeben wird. Ähnlich hierzu erklärte Nicaragua, nicht nur im eigenen Namen zu handeln, sondern im Namen Palästinas. Nicaragua sagt also, auch im Namen des palästinensischen Volkes zu handeln, das einer der

„zerstörerischsten Militäraktionen der modernen Geschichte ausgesetzt ist".

Der neue Fall wurde ausdrücklich parallel und im Zusammenhang mit Südafrikas Völkermordklage vor dem IGH gegen Israel eingereicht, die bereits zu zwei Dringlichkeitsentscheidungen geführt hat, in denen Israel aufgefordert wurde, die humanitäre Hilfe für die 2,5 Millionen Zivilisten im Gazastreifen zu erhöhen. Der Großteil von Nicaraguas Präsentation konzentrierte sich jedoch nicht auf die Details des, laut IGH „plausiblen Völkermordes“ und das Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen nach Israels Invasion im Oktober 2023, sondern auf deutsche Waffenexporte. Die Anwälte beriefen sich immer wieder auf die Völkermordkonvention, welche besagt, dass alle Staaten die Pflicht haben, Völkermord zu verhindern. Außerdem forderten sie die Einhaltung allgemeiner Normen des internationalen Rechts,

"um die Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu gewährleisten". Dies sei "eine andere Art der Auseinandersetzung mit dem Gericht, weil Nicaragua, sagen wir mal, als Hüter von 'erga omnes'-Verpflichtungen auftritt, die angeblich von Deutschland und Israel verletzt werden. Dieser Begriff wird im internationalen Recht verwendet, um auf die Verpflichtungen hinzuweisen, die Staaten der internationalen Gemeinschaft als Ganzes schulden. Nicaragua sagt nicht nur, dass es seine Streitigkeiten mit einem Gericht lösen werde, sondern dass es rechtliche Verpflichtungen und die internationale Rechtsstaatlichkeit schützen werde, indem es andere Staaten verklagt, was konzeptionell etwas anders ist." (2)

Um es noch einmal deutlicher zu machen: Nicaragua weist darauf hin, dass es nicht nur um Palästina geht, sondern dass die Basis des Völkerrechtes in Gefahr ist, sollte sich eines der wichtigsten Pfeiler, das Verbot eines Völkermordes, als leere Hülle herausstellen.

Argumentum ad hominem

Natürlich wurde schon vor dem Vortrag der Anwälte kräftig gegen Nicaragua Stimmung gemacht und versucht, wegen des Berichtes einer Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates, welche sich sehr negativ über eine „Diktatur der Familie Ortega“ geäußert hatte, die Klage als unangemessen darzustellen. Aber zurück zur Klage.

Daniel Müller, ein Mitglied des nicaraguanischen Anwaltsteams, schilderte vor Gericht, wie Berlin im vergangenen Jahr für mehr als 326 Millionen Euro Exporte von Rüstungsgütern und Kriegswaffen nach Israel genehmigt hat. Dabei waren die meisten dieser Genehmigungen in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 erteilt, also nach der israelischen Invasion in Gaza. Natürlich gingen die Anwälte Nicaraguas auch auf die deutschen Feigenblätter in Form von Lebensmittelabwürfen ein, die in keiner Weise etwas daran änderten, dass Deutschland Israel für den „plausiblen“ Völkermord bewaffnete. Dabei konnten sich die Anwälte nicht verkneifen, unsere Außenministerin mit ihren Worten von der „Hölle von Gaza“ zu zitieren.

Im Grunde sei es eine erbärmliche Ausrede gegenüber den palästinensischen Kinder, Frauen und Männern in Gaza, einerseits humanitäre Hilfe zu leisten, auch durch Luftabwürfe, und andererseits die Waffen und die militärische Ausrüstung zu liefern, die verwendet werden, um sie zu töten und zu vernichten - und vor allen Dingen auch humanitäre Helfer zu töten, wie zuletzt mit dem Raketenangriff auf Fahrzeuge und Mitarbeiter der World Central Kitchen.

Gómez verschärfte den Ton noch und erklärte, dass es, sinngemäß noch eine andere Realität gebe: Deutsche Unternehmen, die in der Rüstungsindustrie tätig sind, profitierten direkt von der Situation, da deren Aktienkurse seit dem 7. Oktober 2023 kräftig anstiegen und sie die gemeinsamen Entwicklungsverträge für Waffen mit ihren israelischen Geschäftspartnern erheblich ausgeweitet hätten. Außerdem würden israelische Unternehmen stolz damit werben, dass ihre Produkte „kampferprobt“ sind. Wobei der Hinweis auf „im Krieg getestet“ sich auf das Testlabor Palästina und seine insbesondere zivile Bevölkerung beziehe, insbesondere auf die Palästinenser im Gazastreifen.

Alain Pellet, auch ein altgedienter französischer Anwalt für Nicaragua, befasste sich mit den von Deutschland erwarteten Argumenten, dass der Fall abgewiesen werden sollte, da es um das Verhalten Israels gehe, das aber nicht zu den Parteien gehöre.

"Es geht nicht darum, ob Israel gegen seine internationalen Verpflichtungen verstoßen hat, sondern ob Deutschland gegen seine eigenen Verpflichtungen verstoßen hat. Deutschland war und ist sich des Risikos bewusst, dass die Waffen, die es an Israel geliefert hat und weiterhin liefert, zum Völkermord am palästinensischen Volk eingesetzt werden. Und es versteht sich von selbst, dass dieser Völkermord völkerrechtswidrig wäre, wenn er von Deutschland selbst begangen würde. Es ist dringend geboten, dass Deutschland seine Hilfe und Unterstützung für diesen Zweck endlich einstellt, denn diese Hilfe und Unterstützung fällt voll und ganz unter die Definition der Mittäterschaft, die als solche von Artikel III der [Völkermord-]Konvention erfasst wird". (2)

Justiceinfo.net (2) berichtet dagegen, dass Tania von Uslar-Gleichen, Justiziarin und Leiterin der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, versuchte zu erklären,

dass "die Sicherheit Israels im Mittelpunkt der deutschen Außenpolitik steht".

Sie wiederholte viele der Zitate, die Nicaragua von deutschen Beamten in Bezug auf Israels Verhalten im Krieg vorgebracht hatte, erklärte aber:

"Sie sind kein Beweis dafür, wie Nicaragua behauptet, dass Deutschland seiner Verantwortung nicht gerecht wird. Im Gegenteil: Die Forderung nach Einhaltung des Völkerrechts ist kein Beweis für dessen Verletzung. Für uns sind diese Zitate der Beweis, dass Deutschland seinen Verpflichtungen zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts nachkommt".

Tatsächlich sei Deutschland der größte Einzelgeber humanitärer Hilfe, betonte sie und arbeite nicht nur über das UNRWA, sondern auch über Organisationen wie OCHA [Büro der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten], das Welternährungsprogramm, das IKRK [Internationales Komitee vom Roten Kreuz] und das Deutsche Rote Kreuz. Die gesamte internationale Gemeinschaft, womit sie allerdings in erster Linie die Kolonialländer beschrieb, sei mit dem politischen, moralischen und rechtlichen Dilemma konfrontiert, das die Situation in Gaza darstelle. Die Prinzipien Schutz der israelischen Sicherheit einerseits und Unterstützung der Rechte der Palästinenser andererseits hätten Deutschland zu „schwierigen Entscheidungen“ gezwungen.

Schwierige Entscheidungen? Also einerseits Waffen und Munition für einen „plausiblen“ Völkermord liefern, und andererseits das wieder gut machen, indem ein paar Brotkrumen über Gaza abgeworfen werden, während ein paar hundert Meter weiter die Bomben Zivilisten zerfetzen? Waren das die schwierigen Entscheidungen?

Formalien

Deutschland erklärt in Bezug auf Waffenexporte, dass das von Nicaragua gezeichnete Bild falsch sei. Bei jeder Lizenzerteilung prüfe die Bundesregierung sorgfältig, ob ein eindeutiges Risiko besteht, dass das betreffende Gut zur Begehung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schweren Verstößen gegen die Genfer Konventionen von 1949 verwendet wird. Diese Anforderung ergebe sich aus verbindlichen Regeln des deutschen und europäischen Rechts, die über die internationalen Anforderungen hinausgehen. Allerdings scheinen sich die Bedingungen dieser Prüfung von Land zu Land deutlich zu unterscheiden, anders kann man die Lieferungen an Israel kaum erklären. Mehr über die Justiz in Deutschland etwas später.

Ein weiterer Berater Deutschlands wies dann auf etwas hin, was vielleicht dem Gericht die Möglichkeit gibt, sich auf Formalien zurück zu ziehen, und die Klage abzuweisen. Er erklärte, dass Nicaragua Deutschland nicht ausreichend Zeit gegeben hätte, auf eine Demarche zu reagieren. Es wären nur 17 Tage vergangen, nachdem Deutschland die Verbalnote Nicaraguas erhalten hatte, als das laufende Verfahren ohne Vorwarnung eingeleitet wurde. Für das angebliche Bestehen eines Rechtsstreits sich auf ein paar Worte eines Regierungsvertreters in einer allgemeinen Pressekonferenz zu stützen, sei nicht ausreichend. Der Vertreter Nicaraguas räumte zeitliche Enge ein, begründete aber die Eile mit dem andauernden Völkermord. Er erklärte:

"Es wäre ein blinder Rückzug in den Formalismus, Runde um Runde des diplomatischen Austauschs zu verlangen."

Offenbar hat Nicaragua die gleiche E-Mail, mit der der Streit im Februar begann, an drei andere Staaten - Kanada, die Niederlande und das Vereinigte Königreich - an deren öffentliche Informations-E-Mails und nicht direkt an die Botschafter in Managua geschickt. Deutschland erklärt, dass es gerade dabei gewesen wäre, seine Antwort zu prüfen und sich mit den drei Staaten abzustimmen, die ähnliche E-Mails erhalten hatten, als Nicaragua am 1. März ohne Vorwarnung das laufende Verfahren eingeleitet habe.

Forderungen Nicaraguas

Zwei der von Nicaragua beantragten Sofortmaßnahmen gegen Deutschland betreffen Waffenexporte, die gestoppt werden sollen. Mit der dritten Maßnahme wird gefordert, die Finanzierung der UNWRA vollständig wiederherzustellen. Verschiedene Analysten können sich nicht vorstellen, dass das Gericht den Mut haben wird, Deutschland Waffenlieferungen zu verbieten. Denn das wäre ein Präzedenzfall, und danach wären mit Sicherheit Klagen gegen die anderen Kolonialländer und die USA fällig. Und hinsichtlich der Finanzierung der UNWRA könnte es auch zu der Auffassung kommen, dass humanitäre Leistungen eines Landes freiwillig sind, und daher nicht „befohlen“ werden können.

Vor ein paar Tagen wurde beim Verwaltungsgericht Berlin eine Klage eingereicht (3) (die im Grunde auf der gleichen Linie liegt wie eine kürzlich in den Niederlanden eingereichte Klage) in der argumentiert wird, dass Deutschland angesichts der Verletzungen des humanitären Völkerrechts und des wahrscheinlichen Völkermords, keine Waffen an Israel liefern darf. Nun könnte man auf den Gedanken kommen, dass es in Deutschland keine unabhängige Justiz gibt. Staatsanwälte müssen Weisungen der Justizminister folgen, weshalb sie z.B. keine europäischen Haftbefehle ausstellen dürfen. Und Richter hängen von politischen Ernennungen durch Parteien ab, welche die Karrieren bestimmen und die Gehälter verwalten. Und wenn Richter gegen Regierungsanweisungen ernsthaft Urteile fällen, werden sie anschließend selbst verfolgt, wie im Fall von Corona beobachtet.

Experten“, deren „Marktwert“ bekannterweise von Auftritten in Medien und Aufträgen durch Politiker abhängen, sehen die Möglichkeit einer Verurteilung ebenfalls kritisch.

„…‘Denn es steht weiterhin nur die Plausibilität des Genozidvorwurfs im Raum‘, sagt der Göttinger Professor für Straf- und Völkerrecht Kai Ambos auf LTO-Anfrage. Der Umstand, dass Richter des IGH einen Völkermord für plausibel halten, müsse der Bundesregierung aber Anlass geben, ‚genauer hinzusehen‘. Ähnlich sieht es Stefan Oeter, Professor für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Uni Hamburg. Der Maßstab, den der IGH in dem Eilverfahren angelegt habe, sei zu niedrig, um einen ‚Grund zur Annahme‘ einer Beihilfe zum Völkermord zu begründen. Strafrechtsprofessor Bernd Heinrich, der an der Uni Tübingen auch zum Kriegswaffenrecht forscht, weist gegenüber LTO darauf hin, dass die Ausführungen der IGH-Richter ‚von äußerster Vorsicht geprägt zu sein scheinen‘“. (3)

Wie schon im Fall von Corona, in dem Richter unisono auf Beweiserhebung verzichteten, wenn eine Regierung in Deutschland verklagt wurde, und stattdessen die Aussage eines vom Beklagten abhängigen Institutes (RKI), also indirekt vom Beklagten selbst, als Tatsache, als Wahrheit akzeptierten, wird auch hier kaum zu erwarten sein, dass Richter mutiger sind. Niemand wird es wagen, die Israel-Politik der Bundesregierung zu hinterfragen.

Niederlande

Die Justiz in den Niederlanden ist unabhängiger als in Deutschland, wenn auch Teil des Establishments. Dort gab es die erwähnte Gerichtsentscheidung (4) gegen die Regierung. Letzterer wurde untersagt, für den Kampfjet F35 Ersatzteile zu liefern. Was wenig Auswirkungen auf die Lage vor Ort hat, weil natürlich die USA einspringen werden. Aber die Entscheidung hat Bedeutung für andere EU-Länder. Die Gerichte dort werden nun im Klagefall entscheiden müssen, ob Israel ständige Völkerrechtsverstöße zu verantworten hat.

Interessant ist, dass deutsche „Experten“ erklären, dass Kriegsverbrechen alleine noch kein Grund für Deutschland seien, Waffenlieferungen zu beenden. Nun wird hoffentlich dem letzten Medienkonsumenten klar, warum die staatstragenden politischen Parteien Deutschlands den §80StGB gestrichen haben (5). Dieser hatte das Angriffskriegsverbot des Grundgesetzes in Strafrecht abgebildet. §80 StGB war ein Gesetz, dass die höchste in Deutschland mögliche Strafe vorsah, … und wurde stillschweigend gelöscht. Man erzählte uns, dass nunmehr wegen „EU-Harmonisierung“ das Völkerstrafrecht einsetzen würde. Was natürlich Humbug ist. Das Völkerstrafrecht kennt das deutsche Grundgesetz nicht, ebenso wenig wie seinen Geist und seine Absicht, sondern es wurde von kolonialen Mächten maßgeblich in einer Art definiert, die ihnen jederzeit Schlupflöcher offen lassen. Was nun in diesem Fall eines „plausiblen Völkermordes“ auch wieder sehr offensichtlich wird.

Und wenn Israel noch tausend Luftangriffe gegen andere Länder fliegt, und dabei sogar Botschaftsgebäude zerstört, eine seit Jahrhunderten als Verbrechen angesehene Tat, reicht das für Deutschlands Politiker immer noch nicht, zu erkennen, dass sie in einer in Zeitlupe platzenden Blase leben. Was dank medialer Unterstützung innerhalb Deutschlands vermutlich noch nicht einmal nach dem Platzen wahrgenommen werden wird. Was aber umso genauer außerhalb der westlichen „Wertegemeinschaft“ beobachtet wird.

Verteidigung der UN-Charta

Schon 2021 hat sich ein Block von Nationen zusammengeschlossen, der sich "Gruppe der Freunde zur Verteidigung der Charta der Vereinten Nationen" nennt (6). Die Länder wollen versuchen, den Antikriegscharakter der UN-Charta wiederzubeleben. Aber aufgepasst: Kein einziges westliches Land, keine Kolonialmacht, und insbesondere nicht die USA gehören dazu. Zwar repräsentiert die Gruppe einen großen Teil der Weltbevölkerung, jedoch sind es aus Sicht des Westens, oft so genannte Schurkenstaaten, wie Russland, China, Iran, Nordkorea, Algerien, Angola, Belarus, Bolivien, Kambodscha, Kuba, Eritrea, Laos, Nicaragua, St. Vincent und die Grenadinen, Syrien, Venezuela und die Palästinenser.

Noch hat diese Gruppe nicht besonders viel erreicht. Westliche Länder lachen darüber. Sie akzeptieren internationale Gerichte einfach nicht, wenn diese gegen ihre Interessen entscheiden, oder drohen notfalls mit Invasion, wie die USA im Fall des IStGH in Den Haag. Sie verhängen nach Belieben Sanktionen und führen Krieg, wie es ihnen gerade dünkt, wie gerade zu erleben im Fall Jemen, in dem sie verhindern wollen, dass der „plausible Völkermord“ Israels durch wirtschaftliche Gründe gestört wird. Der Fall „Gaza“ ist nun ein weiterer Sargnagel für das internationale Recht, was einst von den Kolonialmächten zur Aufrechterhaltung ihres Einflusses in der Welt vereinbart worden war. Zu oft haben sie sich selbst nicht an dieses Recht gehalten, und die Lücken, die sie ausnutzten, sind allzu offensichtlich.

So wie BRICS einst eine eigene Entwicklungsbank gründete, um eine Alternative zu den postkolonialen Krediten durch IWF und Weltbank zu erschaffen, dürfen wir in einigen Jahren sicher auch Zeuge werden, wie die große Mehrheit der Weltbevölkerung sich ein eigenes Völkerrecht erschaffen wird.

Fazit

Die schlechten Aussichten, auf dem Rechtsweg ein Massaker an der Zivilbevölkerung in Gaza, Hungertote und Seuchen zu verhindern, ist entlarvend für die Krise des so genannten Rechtsstaates und des so genannten Völkerrechts.

Aber auch das Grundgesetz steht plötzlich ohne „des Kaisers Kleider“ da. All das, was einmal den Glanz des Grundgesetzes ausgemacht hatte, wurde von hunderten Grundrechte beschneidenden Gesetzen beseitigt. Die Entwicklung begann im Jahr 1968 mit den Notstandsgesetzen und wurde im Laufe der Jahrzehnte, ohne dass die Wähler ein einziges Mal gefragt wurden, immer weiter getrieben. Deutschland ist längst nicht mehr, was einmal bei der Gründung postuliert wurde. Und das Grundgesetz ist nur noch eine leere Hülle. Die Kommunisten hatten das Grundgesetz bei seiner Inkraftsetzung abgelehnt, da es den Schutz von großen Privatvermögens enthielt. Aber sie hatten auch gesagt, dass der Tag kommen werde, da sie die einzigen sein werden, die das Grundgesetz verteidigen. Nun wurden sie ja inzwischen verboten, wie man weiß, aber es gibt Nachfolgeorganisationen, die tatsächlich diese Voraussage erfüllen.

Für Menschen, die in den 1960er Jahren sozialisiert wurden, steht die Welt auf dem Kopf. Krieg ist Frieden (Ukraine, Gaza), Unwissenheit ist Stärke, was logischerweise zu immer mehr Zensur führt! Schließlich will man nicht, dass sich zu viel Wissen verbreitet, was „schwächen“ würde. Aber genau betrachtet ist der Zustand „1984“ inzwischen durch den Zustand „Matrix“ abgelöst worden. Denn eigentlich könnte sich jeder informieren und die Fakten selbst zusammen stellen. Aber die Menschen leben lieber in der vorgefertigen falschen Realität von Politik und Medien. Und wenn man sieht, wie unaufhaltsam die Geschichte sich entwickelt, vollkommen unbeeindruckt von Warnern und Mahnern, muss man fast Verständnis dafür haben. Denn die rote Pille schlucken bedeutet Frustration, Enttäuschungen und manchmal sogar Depression. Nur zu verhindern durch die Erkenntnisse, die ich schon einmal versuchte zu definieren. Der Weg ist das Ziel, und das Endziel von selbstbestimmten Gemeinschaften scheint Generationen entfernt zu sein.

Anmerkungen und Quellen

  Der Autor twittert zu tagesaktuellen Themen unter https://twitter.com/jochen_mitschka

(1) https://zeitschrift-vereinte-nationen.de/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_1986/Heft_4_1986/06_d_Bericht_Wolfrum_VN_4-86.pdf

(2) https://www.justiceinfo.net/en/130712-nicaragua-extends-legal-battle-palestine.html

(3) https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/waffen-export-lieferung-krieg-gaza-israel-bundesregierung-waffenexport-igh-berlin/

(4) https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/den-haag-gericht-niederlande-waffen-krieg-gaza-kriegswaffen-export-ruestungsexport-israel/

(5) https://www.hintergrund.de/politik/inland/verbot-der-vorbereitung-eines-angriffskrieges/

(6) https://www.rt.com/op-ed/518414-united-nations-charter-us-aggression/

+++ Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags. +++ Bildquelle: Anas-Mohammed / shutterstock


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