
Hochschulprofessoren aus den Vereinigten Staaten wenden sich vom „Trump-Faschismus“ ab. Deutsche Medien greifen das Thema begierig auf — um den Faschismus im eigenen Land vergessen zu machen.
Ein Standpunkt von Roberto de Lapuente.
Maler kennen das: Wenn sie den Hintergrund eines Bildes sehr dunkel gestalten, tritt selbst ein schwaches Leuchten als Kontrast deutlich hervor. Seit vielen Jahren versucht die systemtreue Presse auf diese Weise, „unserer Demokratie“ ein besonders strahlendes Image zu verpassen. Sie zitiert zum Vergleich die Mächte der Finsternis herbei: Putin, Erdoğan, Orbán ... und in letzter Zeit besonders oft Donald Trump. Ob die wirklich so viel schlimmer sind als „unsere demokratischen“ Geistesgrößen wie Karl Lauterbach oder Nancy Faeser, steht auf einem anderen Blatt. Das rhetorische Manöver dient vor allem auch der Ablenkung und der Schuldprojektion. Genügend Indizien gerade auch der jüngsten Zeit weisen darauf hin, dass der Faschismus auch in Deutschland längst nicht mehr nur ein Kapitel in den Geschichtsbüchern ist.
Interview in der Zeit mit Jason Stanley, dem „Philosophiestar“, wie die Zeitung ihn nennt. Der verlasse jetzt mit Sack und Pack die Vereinigten Staaten, weil die Regierung Trump der Columbia University (Hinweis: Yale University, wie im Podcast genannt, ist nicht korrekt) Fördergelder streichen möchte, so sie jüdische Studenten nicht besser vor sogenannten propalästinensischen Demonstranten schützt. Das sei laut Regierung nämlich in der Vergangenheit nicht geschehen — der strikte proisraelische Kurs Donald Trumps ist wenig überraschend, seine Haltung war da immer eindeutig, er war schon sehr früh stark in die jüdische Community New Yorks eingebunden.
Grundsätzlich ist die Empörung des Philosophen, der 2018 das Buch „How Fascism Works“ schrieb, ja nachvollziehbar: Eine Regierung sollte sich nicht in universitäre Angelegenheiten mischen — ganz unabhängig davon, wie man den Gaza-Krieg sieht. Stanleys Empörung ist jedoch auf andere Weise problematisch.
Denn die Politik hat sich auch schon vorher in den Universitätsbetrieb eingemischt. Und zwar auf vielleicht viel eklatantere Art und Weise: Sie gab Diversitätsregeln vor und sorgte dafür, dass Fördermittel auch an der Umsetzung selbiger geknüpft wurden. Hochschulen, die sich Quotenregelungen entzogen, liefen Gefahr, teure Gerichtsprozesse ausfechten zu müssen.
Es war politisch gewollt, dass in den Universitäten nicht mehr die Besten zu finden waren, sondern dass sie eben auch schlechter bewertete Studenten aufnahmen, um die Vorgaben der sogenannten DEI zu erfüllen — der Diversity, Equity und Inclusion.
Daran hat sich Jason Stanley aber nie gestoßen. Und er fand es auch nicht mal präfaschistisch, dass man jeden, der etwas sagte, was nicht in die Befindlichkeitswelt der DEI-Befürworter passte, sozial und oft auch beruflich ächtete.
Professoren, die ihr Paradies verlieren
Was aber nun passiere, so der Professor in der Zeit, das sei Faschismus: „Welche Begriffe sollen wir denn sonst verwenden?“, fragt er rhetorisch gewieft. Selbstredend, dass die deutsche Zeitung ihm aus der Hand frisst. Man spürt, dass Peter Neumann, der das Interview führte, dem Gespräch eine gewisse Richtung geben wollte. Dass nämlich Amerika tief im Trump-Faschismus versinke, weswegen Stanley und andere Professoren — darunter auch der Historiker Timothy Snyder — aus dem Land flüchten müssten.
Prompt wittert man einen Brain Train nach Europa und Deutschland: Weil dort der Faschismus ja nicht um sich greift und die Demokratie weiterhin vorbildliche Resultate zeitigt. Die Forschenden, die sich jetzt außerhalb der USA verdingen wollen, stammen übrigens in großer Mehrzahl nicht aus dem MINT-Bereich, kommen also nicht aus der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft oder Technik. Es sind vor allem Sozialwissenschaftler aus „weichen“ Interpretationsfächern.
Jason Stanley erzählt der Zeitung, dass er nun mit Kindern und seiner Ex-Frau ausreise. Die sei Kardiologin, in Kanada finde sie daher sofort eine Stelle. Er würde aber auch in den USA ins Gefängnis gehen, erklärt er. Wie bei Henry David Thoreau schwingt in seinen Worten mit, dass unter dieser Regierung „der wahre Ort für einen rechten Mann auch ein Gefängnis“ sei. Thoreau ist tiefste amerikanische Romantik — und so klingt es auch beim Philosophiestar. Einen selbstgerechten Anstrich bekommt diese Aussage, wenn man erfährt, wie leicht so ein Hochschulprofessor mit familiärem Anhang einfach mal abreisen und sich ein neues Leben aufbauen kann. Das auch noch als Beitrag zur Faschismusbekämpfung vorzustellen, ohne die bevorzugte gesellschaftliche Stellung seiner Kaste zu thematisieren: Das sagt viel über den elitären Dünkel aus, den man aber hinter der Fassade des Antifaschismus zu verbergen versucht.
Jason Stanleys Faschismus-Analyse von 2018 kommt — sagen wir mal — oberflächlich daher und scheint sich auch deswegen in einer Zeit, da komplexe Erklärungsmodelle geringe Chancen auf breite Beachtung haben, großer Beliebtheit zu erfreuen. Der Zeit erzählt er indes die Geschichte seines verlorenen Paradieses. Offenbar war im Biden-Amerika alles noch geordnet und die Universitäten wurden nicht behelligt. Dass es nicht so war, wurde eingangs thematisiert.
Wahr ist, dass die Professoren, die sich jetzt an der Einmischung der US-Regierung stören, damals kein Problem mit der durch die Politik forcierten ideologischen Vereinnahmung hatten. Jeder wollte ja das Gute bewerkstelligen, dazu braucht es auch eine starke und rigide Hand — das war das Paradies für manchen Hochschullehrer, denn die Administration aus Washington hielt die Hand über eine Agenda, die er ideologisch befürwortete.
Trump, das Ablenkungsmanöver
Und außerdem korrespondierte mancher Professor auch mit der außenpolitischen Stoßrichtung der ehemaligen US-Regierung. Timothy Snyder wurde schon kurz erwähnt: Er war auf Kurs mit der Biden-Administration, plante schon die moderne Ukraine, erzählte fortlaufend in internationalen Medien, dass die Russen stark an der Belastungsgrenze seien und den Krieg vermutlich bald verlieren würden. Snyder übertrat die Neutralität, die der Historiker braucht, um die Vorgänge in der Geschichte der Menschheit verstehbar zu machen. Der taz sagte er im Interview ebenfalls, dass Russland am Limit sei, wir aber nicht. Ein Historiker, der vom Wir spricht? Das ist also die Qualität der „Forschenden“, die sich jetzt aufmachen, ihr verlorenes Paradies andernorts zu finden.
Wo das liegt, scheint hierzulande klar zu sein: In Deutschland. Denn hier kämpfe man noch um die Demokratie und die Politik ist noch weitestgehend mit Leuten bestückt, die ein aufrichtiges Anliegen haben.
Seit Jahrzehnten geht das bereits so: Deutsche Medien blicken auf ausländische Politiker und hübschen damit die deutschen Verhältnisse auf. Sie zeichneten dunkelste Bilder von den polnischen Kaczyński-Zwillingen. Skizzierten Viktor Orbán und Recep Erdoğan als Teufel.
Wladimir Putin ist hierbei selbstverständlich der Dauerbrenner: Er wird seit bald drei Jahrzehnten mehr oder weniger als Ausgeburt der Hölle präsentiert. Und immer wieder wird die deutsche Politik als guter Gegenentwurf zum Wahnsinn positioniert, der angeblich in den Politiken anderer Länder zum Vorschein kommt. Manche der von deutschen Medien verachteten Politiker aus dem Ausland hatten dann auch tatsächlich kein nobles Motiv im Sinn — nur gilt das eben auch für die deutsche Politik, die wurden allerdings durch einen Vergleich mit den Politikern der Anderen verklärt.
Trump und Co. sind Ablenkungsmanöver für eine deutsche Politik, die seit Jahren den Kompass verloren hat. Wären die Manöver nicht so gut, man müsste sie erfinden. Einem wie Donald Trump müssen die politischen Novizen des zeitgenössischen Deutschlands dankbar sein: Er verleiht ihnen durch seine Auftritte einen Hauch von Staatsmännischen, selbst wenn sie gar nichts dazu beitragen.
Die Zeit macht es im Gespräch mit jenem Jason Stanley genau auf diese Weise. Sie bringt Deutschland als Ort ins Spiel, wo aufrechte Demokraten noch Zuflucht finden können. Hier sei noch alles intakt, die Politik würde niemals ins Universitäre eingreifen und man nähme den Souverän, die Bürger dieses Landes, noch aufrichtig ernst. Nur die Vereinigten Staaten seien verloren. Der Rest der westlichen Welt sei weiterhin stramm demokratisch. In Deutschland gehen ja sogar Menschen für eine Demokratie auf die Straße, die sie Unseredemokratie nennen. Gebt uns eure müden, eure armen, eure geknechteten Professoren, die frei zu atmen begehren! Ja, die Freiheitsstatue sollte in der Spree stehen!
Was wir jetzt sehen — das ist Faschismus!
Sie sollte in einem Land installiert werden, in dem gerade darüber debattiert wird, einen Freiheitsdienst für alle Bürger bis zum 65. Lebensjahr einzuführen. Die Rekrutierten sollen dann ein halbes Jahr Dienst für die Allgemeinheit tun. Menschen also, die seit Jahr und Tag Steuern zahlen, die das Land weiterhin mit den finanziellen Ressourcen versorgen, die die politische Kaste dann in Programme und Organisationen steckt, die sie für wichtig und zielführend hält: unter anderem Demokratieförderung und Meldestellen.
Mit diesem Geld wird der Staatsapparat zunehmend ausgebaut, von den 551 Fragen, die die CDU/CSU kurz nach der Bundestagswahl der noch amtierenden Bundesregierung zu den sogenannten Nichtregierungsorganisationen stellten, vernimmt man gar nichts mehr. Bürger bis zum 65. Lebensjahr, die Steuern zahlen, die das Land am Laufen halten und nebenher auch noch ideologische Befindlichkeitspolitik finanzieren, sollen nun was für die Allgemeinheit tun. Man könnte fast lachen!
Wir müssen gar nicht tief graben, um die Demokratieverachtung dieser Politik, die freilich stets bemüht ist, ihre Demokratietreue zu beweisen, sichtbar zu machen. Ein neu gewählter Bundestag nutzt noch die alte Bundestagskonstellation, um die Schuldenbremse per Zweidrittelmehrheit auszuhebeln, um die freigewordenen Ressourcen in ein Rüstungsprogramm kolossalen Ausmaßes zu stecken. Eine Billion Euro sollen in Rüstung und Infrastruktur gesteckt werden. Über die Köpfe der Bürger und ihrer Wahlentscheidung hinweg.
Nebenher will man die Überwachung verstärken, eine Wahrheitspflicht in sozialen Netzwerken einführen und weiterhin jedem, der an der Tausendgeschlechtlichkeit der menschlichen Spezies zweifelt, ein Verfahren an den Hals hängen. Und auch die Hochschulen werden natürlich „politisch betreut“. Man denke nur an jene Affäre der Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die Fördergelder für Universitäten in Frage stellen ließ, die propalästinensische Proteste nicht unterbanden: Im Grunde genau das, was man nun der Trump-Regierung in den USA vorwirft.
Man möchte Jason Stanley zitieren, den man in der Zeit so liest:
„Was wir jetzt sehen — das ist Faschismus!“
Es ist abwegig, diesen Trend zu autoritären „Demokratien“ einzig und alleine in den Vereinigten Staaten sehen zu wollen. Ganz Europa ist davon befallen, die EU zeigt das eindrucksvoll: In ihren Mitgliedsländern werden Wahlen manipuliert, indem man lästige Kandidaten vorher aussortiert und dingfest machen lässt. Die Union ist unter Ursula von der Leyen stark ins Despotische abgerutscht. Wenn das nicht Faschismus ist!
Und wenn dann auch noch so getan wird, als habe in den USA der eintretende Faschismus mit Donald Trump zu tun und nicht mit seinem Amtsvorgänger, dann zeigt sich, dass auch Faschismusforscher offenbar nicht ergebnisoffen analysieren. Für sie scheint Faschismus erst Faschismus zu sein, wenn er ihrem bequemen Leben in die Quere kommt.
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Dieser Beitrag erschien zuerst am 9. April 2025 auf manova.news.
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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.
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Bildquelle: Dragos Asaftei / shutterstock
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