Tagesdosis

Das Begräbnis der deutschen Wirtschaft ist in vollem Gange | Von Thomas Röper

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Die Krise bei VW macht in Russland Schlagzeilen, dabei ist sie nur eines der Symptome für den Zustand der deutschen Wirtschaft unter der aktuellen Regierung und ihrer grünen Politik. Das russische Fernsehen fand für die Lage deutliche Worte.

Ein Kommentar von Thomas Röper.

Auch diese Woche war der Bericht, den der Deutschland-Korrespondent für den wöchentlichen Nachrichtenrückblick des russischen Fernsehens gemacht hat, für mich wieder ein Höhepunkt der Sendung, weil er die Lage in Deutschland realistisch aufzeigt, während die deutschen Medien und Politiker angesichts der Wirtschaftskrise und der Deindustrialisierung in Deutschland immer noch die Märchen erzählen, die grüne Energiewende würde bald die Rettung bringen. In Wahrheit ist die grüne Energiewende zusammen mit den Russland-Sanktionen der Grund für die Misere in Deutschland.

Um zu zeigen, wie man außerhalb der westlichen Medienblase auf die Lage in Deutschland blickt, habe ich seinen Bericht auch diese Woche wieder übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Volkswagen schließt Fabriken, Siemens will nicht in Deutschland investieren

Währenddessen ist das Begräbnis der deutschen Wirtschaft in vollem Gange. Volkswagen, der Stolz der deutschen Autoindustrie, beschloss auf einer Vorstandssitzung, gleich drei Werke zu schließen, Tausende von Mitarbeitern zu entlassen und die Gehälter der verbleibenden Beschäftigten zu kürzen. Am Mittwoch, dem 30. Oktober, gab der Tabakriese Philip Morris bekannt, dass er im nächsten Jahr seine Werke in Berlin und Dresden schließen wird. Und kürzlich sagte ein Siemens-Sprecher bei einer Bundestagsanhörung, es sei sinnlos, in die deutsche Wirtschaft zu investieren.

Aus Deutschland berichtet unser Korrespondent.

„Wenn Volkswagen hustet, kriegt Niedersachsen die Grippe“, scherzt man im Ersten Deutschen Fernsehen in Anspielung auf die Tatsache, dass viele Unternehmen des Konzerns gerade in diesem Bundesland angesiedelt sind. Aber irgendjemand anstatt von Niedersachsen von ganz Deutschland, und wenn man den einzelnen Fachleuten zuhört, geht es nicht um eine Grippe, sondern um etwas absolut Unheilbares.

„Wir haben zu hohe Energiekosten. Unsere Bürokratiekosten sind zu hoch. Wir haben zu hohe Lohnkosten. Wir haben Energiepreise, die dreimal so hoch sind wie in den USA“, sagte Hildegard Müller, Chefin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie, in einer deutschen Talkshow.

Zum ersten Mal in seiner 87-jährigen Geschichte plant Volkswagen, Werke zu schließen, anstatt sie zu eröffnen. Die Entscheidung, drei Produktionsstätten in Deutschland und ein Audi-Werk in Belgien, die Marke gehört ebenfalls zu VW, zu schließen, verbindet die Konzernleitung mit der Notwendigkeit, die Kosten um 4 Milliarden Euro pro Jahr zu senken. Aber dieser Betrag ist höchstwahrscheinlich nicht endgültig, denn die Lage wird schlechter. Am Ende des dritten Quartals ist der Gewinn des Konzerns um katastrophale 64 Prozent gesunken, so dass neben der Schließung von Werken, die Tausende von Menschen in die Arbeitslosigkeit zu treiben droht, zu den Anti-Krisen-Maßnahmen eine 10-prozentige Kürzung der Löhne für diejenigen, die nicht entlassen werden, hinzukommt.

Daniela Cavallo, Vorsitzende der Gewerkschaft bei Volkswagen, sagte auf einer Versammlung: „Die Unternehmensleitung verteilt Flugblätter in der Fabrik und im Internet. Zitat: ‚Wir müssen unsere Produktivität steigern, die Kosten senken und die wirtschaftliche Last gleichmäßig verteilen.‘ Für solche Appelle an die eigene Belegschaft finden wir nur zwei Worte: beschämend und unverschämt.“

Die Löhne sollen nicht gesenkt, sondern erhöht werden. In der derzeitigen Situation werden die Arbeitgeber nicht in der Lage sein, diese Forderung der Industriegewerkschaft zu erfüllen, so dass eine Reihe von Warnstreiks bevorsteht. Diese Leute sind es gewohnt, gut zu leben, sie haben hohe Löhne, Gesundheitsfürsorge, ein Sozialpaket und einen Rahmenvertrag, der ihnen bis zu seinem Ablauf 2029 Schutz vor Entlassungen garantierte. Und sie haben es verdient, denn sie haben die wohl besten Autos der Welt hergestellt. Und sie haben ihre Arbeit nicht schlechter gemacht. Was ist also passiert?

„Die Position des Kanzlers in dieser Frage ist klar: Fehlentscheidungen der Unternehmensführung in der Vergangenheit dürfen nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen“, betonte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner.

Fehlentscheidungen der Unternehmensführung. Dem Management deutscher Autokonzerne wird häufig vorgeworfen, den Markteintritt chinesischer Konkurrenten verschlafen zu haben und nicht darauf vorbereitet gewesen zu sein, den Käufern günstige Elektroautos anzubieten. Jetzt wird aktiv Robert Habeck zitiert, der, wie sich herausstellt, die VW-Bosse schon 2019 gewarnt hat, also als er noch nicht deutscher Wirtschaftsminister war. Oder der ihnen gedroht hat: „Wenn ihr bis 2025 kein Elektroauto für unter 20.000 Euro anbietet, werdet ihr am Markt scheitern.“

Das hat nicht geklappt. Das Angebot an Elektroautos von Volkswagen beginnt bei 30.000 Euro, das von BMW bei 40.000 Euro. Das Werk in Brüssel, in dem der Audi Q8 e-tron montiert wurde, wird wegen der hohen Preise des Modells geschlossen. Und es ist unwahrscheinlich, dass die neuen Exportzölle auf chinesische Elektroautos von bis zu 45 Prozent, die demnächst in der EU in Kraft treten werden, irgendetwas ändern werden.

Europa tritt in einen Handelskrieg mit China ein, obwohl es keinerlei Wettbewerbsvorteile hat und stark von chinesischen Rohstoffen und Komponenten abhängig ist. Mit anderen Worten: Das bedeutet, dass die europäischen Elektroautos nicht erschwinglicher werden.

Außerdem stellte der Autoexperte Stefan Bratzel klar: „Durch den Übergang zu Elektroautos wird die Branche langfristig etwa 20 Prozent der Arbeitsplätze verlieren. Das ist jetzt schon klar.“

Der Unternehmensführung kollektiv die Schuld zu geben, ist für die Politik sehr bequem, aber jetzt ist eine Zeit, in der die Politik die wirtschaftlichen Bedingungen besonders deutlich gestaltet. Die Abkehr von der Atomkraft und erst recht von der billigen Energie aus Russland hat die Produktion komplexer Maschinen in Deutschland zu teuer gemacht. Da hilft auch Qualität nicht mehr weiter. Gleichzeitig hat die wahnsinnige Umsetzung der grünen Agenda – 2021 haben Habeck und Co. die Macht an sich gerissen – die Preise für Autos mit Verbrennungsmotoren durch neue Abgaben, Steuern und CO-Emissionsnormen in die Höhe getrieben.

Bundesfinanzminister Lindner machte diese Woche das Problem deutlich: „Wir gehen einen eigenen Klima- und Energie-Sonderweg, der unser wirtschaftliches Potenzial zu schnell einschränkt.“

Der Vorstoß des FDP-Chefs in Richtung des grünen Koalitionspartners markiert eine weitere Stufe der Krise: Nicht nur zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern, Arbeitgebern und Regierung, sondern auch innerhalb der Koalition selbst gibt es keine Einigkeit. Bei der Ampel blinken alle Lichter gleichzeitig, aber keiner fährt irgendwo hin.

Die Welt schreibt: „Olaf Scholz hat seine eigene Regierung demontiert. Erst lud er seine wichtigsten Minister – Wirtschaft und Finanzen – nicht zum sogenannten Wirtschaftsgipfel ein, und am nächsten Tag unternahm er keinen einzigen Versuch, dieses zersplitterte Gebilde zusammenzuführen.“

Am Dienstag traf sich der Bundeskanzler mit dem Management der Autokonzerne. Das Ergebnis ist Schweigen, aber sie haben abgemacht, sich am 15. November wieder zu treffen. Auch zu dieser Veranstaltung hat Scholz seine zuständigen Minister nicht eingeladen. Die Medien schreiben, dass der Kanzler die Wirtschafts- und Finanzminister so in die Schranken weisen wollte, die es wagten, ihre Anti-Krisen-Programme – im Grunde Parteiprogramme, und irgendwie sogar Wahlprogramme – zu veröffentlichen, ohne ihn zu konsultieren. Vielleicht will der Kanzler aber auch keinen öffentlichen Streit zwischen Lindner und Habeck. Und Grund zum Streiten gibt es.

So sagte Lindner beispielsweise: „Ich habe es als einen Schlag bezeichnet, dass der Wirtschaftsminister ein Papier veröffentlicht hat, wonach er eine ganz andere Wirtschafts- und Finanzpolitik verfolgt. Ein Papier, das mir nicht bekannt war. Ich weine nicht in mein Kopfkissen, wenn der Wirtschaftsminister seine Ideen öffentlich präsentiert, aber eines hat er betont: Es gibt in den großen Wirtschaftsfragen derzeit keine klare Linie der Regierung.“

Die Grünen schlagen vor, Schulden zu machen, die Wirtschaft mit Geld zu überschwemmen und Investoren mit Steuererleichterungen zu locken, während die FDP das Gegenteil vorschlägt: Sparen, die Klima-Agenda zurückdrehen und die Hilfe für Flüchtlinge auf Null setzen. Das sind zwei sich absolut ausschließende Ansätze, und die Sozialdemokraten, vertreten durch den Kanzler, müssen sich entscheiden. Offensichtlich wollen sie etwas in der Mitte formulieren, obwohl halbe Sachen keine Ergebnisse bringen können.

Carsten Linnemann, der Generalsekretär der CDU, beschrieb es so: „Das alles erinnert mich jetzt an ein Fußballspiel: Die Mannschaft liegt zurück, sie hat keine Chancen mehr, aber sie muss es bis zum Ende des Spiels schaffen. Chaos. In Deutschland herrscht ein regelrechtes politisches Chaos, aber wir brauchen Stabilität.“

Die Regierung Scholz existiert zwar irgendwie noch, aber sie ist nicht mehr da, genauso wie es offenbar keine Lösung für die Probleme der deutschen Autoindustrie und der Industrie insgesamt gibt. Die ist nach allen Indikatoren nicht wettbewerbsfähig.

Siemens hat sich in Deutschland aufgegeben, ohne sich dessen zu schämen. Es sei hoffnungslos, wie Christian Kaeser, Leiter der Steuerabteilung von Siemens, bei einer Anhörung im Bundestag sagte: „Es gibt wirklich nichts, was für eine Investition in Deutschland spricht. Deshalb haben wir in letzter Zeit vor allem im Ausland investiert.“

Im Jahr 2011 war Opel, damals im Besitz des amerikanischen Konzerns General Motors, in etwa der gleichen Situation wie VW heute. Es gab eine Absatzkrise und sinkende Rentabilität. Aber damals hatte Deutschland das Geld, um dem heimischen Autobauer zu helfen, es gab Investoren, die bereit waren, Opel zurückzukaufen, und vor allem ging es mit dem Markt schnell bergauf, was sich günstig auf das Schicksal des Unternehmens auswirkte. Offensichtlich können sich die Unternehmensleitung und die Beschäftigten von Volkswagen jetzt nicht auf ein solches Glück verlassen.

Bislang verlief die Deindustrialisierung Deutschlands eher im Verborgenen. Ja, Fabriken werden geschlossen und ausländische Unternehmen wandern ab, aber für das nationale Kapital zeigt sie sich eher in der Weigerung, neue Investitionen in das eigene Geschäft im Land zu tätigen. Aber wenn für den größten deutschen Automobilkonzern alles nach dem schlimmsten Szenario läuft, also Optimierung der Produktion durch Massenentlassungen, kann der gesamte Prozess der Deindustrialisierung offensichtlichere und dramatischere Formen annehmen.

Ende der Übersetzung

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Dieser Beitrag erschien zuerst am 4. November 2024 bei anti-spiegel.ru

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Bildquelle: Frederico Barone / shutterstock


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