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August 1914: Der verzerrte Ursprung unserer Gegenwart - Teil 6 | Von Wolfgang Effenberger

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WKI: Debüt für die Warburg- und Dullesbrüder (1919-1959)

Ein Standpunkt von Wolfgang Effenberger.

Bei der Pariser Friedenskonferenz 1919 hatten US-Außenminister Robert Lansing und dessen Neffen, die Dullesbrüder, verschiedene, aber jeweils bedeutsame Rollen gespielt:
Robert Lansing hatte als US-Außenminister bereits 1918 die "Lansing-Note" verfasst. Sie diente als Grundlage der harten Waffenstillstandsbedingungen gegenüber Deutschland und bildete schließlich die Basis für den Versailler Vertrag. Lansing leitete die Kommission für Kriegsverantwortlichkeiten, die die rechtlichen Grundlagen für die Sanktionierung Deutschlands und die Anklage des Kaisers erarbeitete. Wilsons Idee zur Gründung eines Völkerbundes unterstütze Lansing nicht uneingeschränkt und verlor daher schließlich das Vertrauen des Präsidenten.

John Foster Dulles, damals ein junger Jurist, war enger Mitarbeiter der US-Delegation und gehörte zu jenen, die am Entwurf der wirtschaftlichen Bedingungen des Friedensvertrags mitarbeiteten. Er war insbesondere für Reparationen und wirtschaftliche Regelungen zuständig sowie für die Koordination zwischen Delegationsmitgliedern und internationalen Experten.

Allen Dulles wirkte ebenfalls im Stab der US-Delegation, zunächst als junger Diplomat und Nachrichtenmann. Seine Aufgaben lagen vor allem in der Informationsbeschaffung und Hintergrundanalyse politischer Entwicklungen in Mitteleuropa, insbesondere Deutschlands. Robert Lansing gehörte zu den politisch und juristisch zentralen Figuren bei den Verhandlungen, John Foster Dulles spielte im Bereich Wirtschaftsfragen und Reparationsregelungen eine entscheidende Rolle, während Allen Dulles als junger Diplomat in der Nachrichtenarbeit und als "Verbindungsmann" tätig war. Alle drei wurden in dieser Zeit maßgeblich von den Erfahrungen und Netzwerken geprägt, die ihre späteren Karrieren entscheidend beeinflussen sollten. (1)

Nach der Friedenskonferenz machten die Brüder Dulles einen Abstecher in das politisch gärende Berlin. Ihr Vater hatte in Göttingen und Leipzig Theologie studiert und seine Söhne mit Geschichten über die reiche intellektuelle Tradition und die Rolle des Landes in der Reformation begeistert.

Allen Dulles blieb in Deutschland und wurde erster Sekretär der US-amerikanischen Botschaft in Berlin. Sein Bruder ging zurück in die New Yorker Industriekanzlei Sullivan & Cromwell und agierte global, wobei er sich mit größter Sorgfalt Deutschland widmete. Aus seiner Bewunderung für die Leistungsbereitschaft sowie die Strenge der Gesellschaftsordnung erwuchs seine Überzeugung, dass Deutschland eine aufstrebende Nation und ein Bollwerk gegen den Bolschewismus war.

Zwischenkriegszeit

Die Erfahrungen während des Ersten Weltkriegs – John als Pragmatiker im strukturierenden Hintergrund, Allen als Abenteurer im Feld – sollten ihre späteren Haltungen prägen: kompromisslose Realpolitik, Vertrauen in eigene Netzwerke und große Skepsis gegenüber Ideologien. Beide Brüder stehen für eine amerikanische Elite, die aus der Katastrophe des Ersten Weltkriegs gelernt hatte. Allen und John nutzten ihre juristischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Netzwerke aus dieser Zeit zunächst als Partner der renommierten Anwaltskanzlei Sullivan & Cromwell, die sie später als führende Figuren des amerikanischen Staates im Kalten Krieg in ihrem eigenen Sinn weltpolitisch weiter ausbauen konnten.

Unmittelbar nach dem Ende des ersten Weltkriegs war der US-Geheimdienstler Allen Dulles in der Schweiz stationiert. Dort hielt er in einem Bericht vom 10. April 1920 fest: „Als Ergebnis der oft leitenden Mitgliedschaft bayerischer Juden in kommunistischen Gruppen hat sich inzwischen die Toleranz der Vorkriegszeit geändert und eine stark antisemitische Bewegung ist entstanden.“ (2)

Dazu hatte auch der unter dem Motto "Vernichtet die Bourgeoisie" durchgeführte Spartakusumzug Mitte Februar 1919 in München beigetragen. Aus Moskau waren extra angereist: Eugen Leviné, Tobias Axelrod und Max Levien. Sie waren bedeutende Kommunisten russischer Herkunft, und spielten bei den revolutionären Ereignissen in München eine führende Rolle. (3) Leviné und Axelrod waren jüdischer Herkunft, Leviens jüdische Abstammung ist widerlegt. (4)

Die Gewerkschaften und die Mehrheitssozialisten unter Erhard Auer hatten im Vorfeld vor einer Teilnahme an diesem antidemokratischen Umzug gewarnt.

Colonel House gründet 1921 in New York das “Council on Foreign Relations”

Den Anstoß für die Gründung des Council hatte Edward M. House, Verhandlungsführer der US-Delegation bei der Konferenz von Versailles, in enger Zusammenarbeit mit dem Journalisten und Präsidentenberater Walter Lippmann, John Foster Dulles, Allan Dulles und Christian Herter (US-Außenminister 1959–61) gegeben; außerdem waren Bankiers wie Bernard Baruch, J. P. Morgan, Jacob Schiff, Frank Vanderlip (Präsident der National City Bank), Paul Warburg (Partner des Bankhauses Kuhn, Loeb, and Company) und John D. Rockefeller dabei sowie hochrangige Politiker wie der Geschäftsmann und Diplomat Averell Harriman. Die meisten kannten sich ja aus der Gründungsphase des "Federal Reserve System".

Als Gründungspräsident fungierte John W. Davis, der persönliche Anwalt von J.P. Morgan. Damit man auch wirklich unter sich war, wurde Paul Cravath, ein Repräsentant von J.P. Morgan, als Vizepräsident eingesetzt. Professor Carroll Quigley (5) charakterisierte das CFR als "ein Werkzeug" für J.P. Morgan and Company in Verbindung mit einer sehr kleinen amerikanischen "Runden-Tisch-Gruppe". Mit der Zeit verlor Morgan seinen Einfluss zugunsten der Rockefeller, die ein "one world government" für ihre Geschäftsphilosophie geeigneter fanden. Das sah James Paul Warburg, der Sohn von Paul Moritz Warburg, der als einer der „Väter“ des Federal Reserve Systems in den USA gilt, ebenso. Bekanntheit erlangte sein Zitat vom 17. Februar 1950 vor dem US-Senat:

„Wir werden eine Weltregierung haben, ob wir wollen oder nicht. Die Frage ist nur, ob sie durch Zustimmung oder durch Eroberung entsteht.“ (6)

James Paul Warburg war ab 1933 als Finanzberater für Präsident Roosevelt tätig, insbesondere auf der Londoner Wirtschaftskonferenz. 1934 trat er zurück, als er bestimmte New-Deal-Maßnahmen nicht mittragen konnte. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete James Warburg im US-Informationsministerium und setzte sich nach dem Krieg für die atomare Abrüstung und die Umsetzung des Morgenthau-Plans ein (Verwandlung Deutschlands in ein Agrarland). (7)

Hjalmar Schacht und die Dulles-Brüder

Intensive Deutschlandgeschäfte führten John Foster Dulles (1888–1959) nach Berlin, wo ihm Bruder Allen Hjalmar Schacht vorstellte, der fließend Englisch sprach und mit der Denk- und Arbeitsweise in den Vereinigten Staaten vertraut war. Beide wurden sofort voneinander angezogen. Am 20. März 1922 machte Schacht Dulles einen Vorschlag für eine künftige Lösung der Reparationsprobleme. Mit dem Leiter der Bank of England, Montagu Norman, hatten Experten von J. P. Morgan & Co. Ideen zum Eindringen des amerikanischen Kapitals in Europa entwickelt. Der europäische Repräsentant dieser Ideen sollte der Vertreter der Dresdner Bank, Hjalmar Schacht, werden. (8) Dulles leitete Schachts Vorschläge weiter an Thomas W. Lamont, einen Partner von J. P. Morgan. In dem konstruktiven Dreieck Dulles-Schacht-Morgan nahmen die Ideen Gestalt an in internationalen Kartellen mit Sitz in Deutschland:

Nachdem Schacht die Inflation in Deutschland im Herbst 1923 beenden konnte; wurde er zunächst Reichswährungskommissar und im Dezember 1923 Reichsbankpräsident – ideale Voraussetzungen, um die anglo- amerikanischen und die deutschen Finanzkreise zusammenzubringen. Mit der neuen und stabilen Währung wurde Deutschland für die USA wieder attraktiv.

John Foster Dulles hatte den Dawes-Plan mitentwickelt, durch den sich riesige neue Märkte eröffneten. Später arrangierte er für fünf große US-Banken einen Kredit über 100 Millionen Dollar an deutsche Kreditnehmer. In den folgenden sieben Jahren vermittelten er und seine Partner weitere 900 Millionen Dollar nach Deutschland – das entspricht mehr als 15 Milliarden Dollar zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Er stieg zum wohl weltweit führenden Verkäufer deutscher Anleihen auf. Er wies Kritik, dass die Banken mehr in den Vereinigten Staaten investieren sollten, scharf zurück, und das Außenministerium versuchte, Kredite an Deutschland auf Reparationszahlungen zu beschränken oder Kartelle zu unterstützen. Die jahrelange Arbeit für deutsche Auftraggeber gab seiner Verbundenheit auch eine beachtliche wirtschaftliche Grundlage.

Gründung der IG Farben 1925 im Rahmen der deutschen Reparationszahlungen

Die IG Farben wurde am 2. Dezember 1925 durch die Fusion von sechs führenden deutschen Chemieunternehmen gegründet: BASF, Bayer, Hoechst, Agfa, Chemische Fabrik Griesheim-Elektron und Chemische Fabriken vorm. Weiler-ter Meer. Wichtige Initiatoren und Gründungsfiguren waren Carl Duisberg (Bayer) und Carl Bosch (BASF).

Auf Anregung aus den USA schlossen sich diese Großunternehmen zusammen, um durch eine effizientere Organisation und Produktion ihre Ertragskraft zu steigern und dadurch den gestiegenen finanziellen Belastungen des Versailler Vertrags – insbesondere den Reparationsforderungen – besser begegnen zu können. Die Fusion war eine strategische Antwort auf die wirtschaftliche Notlage und die internationale Konkurrenzsituation, insbesondere um die deutsche Chemieindustrie international wettbewerbsfähiger zu machen und Devisen für Reparationszahlungen zu erwirtschaften. (9)

American IG und Joint Ventures

1929 wurde die „American IG“ als US-Holding für amerikanische Tochtergesellschaften der IG Farben gegründet. Damit wurden Geschäftsinteressen und Patente auf dem US-Markt rechtlich und wirtschaftlich abgesichert.

Die Beziehungen festigten sich in den 1930er Jahren durch wechselseitige Beteiligungen und Technologietransfers.

Die US-Industrie sah durch die IG Farben-Gründung die deutsche Chemie als verlässlichen, konzentrierten und technisch innovativen Partner – sowohl zur Kostensenkung als auch zum globalen Konkurrenzschutz, was die Kooperation auf dem internationalen Markt massiv vereinfachte und vorantrieb. (10)

Allen Dulles wurde nach seiner Tätigkeit als erster Botschaftssekretär in Berlin an die US-Botschaft in Konstantinopel versetzt. Dort lehnte er 1926 (33-jährig!) einen Posten als Botschafter in Peking ab – angeblich wegen zu geringer Bezahlung – und schied aus dem diplomatischen Dienst aus. Er folgte seinem Bruder John Foster Dulles, der bereits zum Executive Director bei der auf das Auslandsgeschäft spezialisierten Wirtschaftskanzlei Sullivan & Cromwell, der Kanzlei aller Kartelle, die sich hervorragend auf Lobbyarbeit und clevere Öffentlichkeitsarbeit verstand. So wurde zur Verkaufsförderung von Anleihen für den deutschen Wiederaufbau – sogenannte »Heidelberg-Bonds« – eine deutschfreundliche Stimmung durch Platzierung deutscher Operetten in den USA erzeugt. Sullivan & Cromwell förderte neben den isolationistischen Pressure Groups »America First«, als deren Aushängeschild der deutschfreundliche Charles Lindbergh fungierte.

Zu den Kunden von Sullivan & Cromwell zählten Großunternehmen wie die Chase Bank, J. P. Morgan, Ford – und eben I.G. Farben. Sullivan & Cromwell vertrat die Unternehmen aber nicht nur rechtlich, sondern auch als Vertreter von Anteilseignern und als politische Lobbyisten. (11)

Der eloquente John Foster Dulles, inzwischen Mitglied der Rockefeller Foundation, gestaltete 1929 den Young-Plan mit, der den Dawes-Plan ablöste und mit dem die deutschen Reparationszahlungen im Sinne der Wall Street über die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich abgewickelt werden sollten, was mit der Weltwirtschaftskrise 1932 wieder aufgehoben wurde. In den 30er-Jahren fungierte Dulles als amerikanischer Generalrepräsentant der I.G. Farben. Unter John Foster Dulles renovierten Sullivan & Cromwell die Finanzen Norwegens, Dänemarks, Polens, Frankreichs, Argentiniens, Uruguays und Kolumbiens.

Dulles sah Kartelle als Garanten für Stabilität, die Gewinne sicherten und gleichzeitig die Volkswirtschaften vor unvorhersehbaren Schwankungen schützten. Zu seinen wichtigsten Kunden gehörte die in New Jersey ansässige Internationale Nickelgesellschaft, für die er nicht nur als Berater, sondern auch als Direktor und Mitglied des Vorstands tätig war. In den frühen 1930er Jahren führte er sie zusammen mit ihrer kanadischen Tochtergesellschaft in ein Kartell mit zwei großen französischen Nickelproduzenten. (12)

Bereits unter Andrew Mellon, dem US-Schatzsekretär von 1921 bis 1932, wurden zwischen Harriman, Sam Pryor und Prescott Bush, Großvater von George W. Bush, genehmigte Transaktionen mit den Warburgs und den Nationalsozialisten abgewickelt. Die Enkeltochter Mellons war mit David K.E. Bruce verheiratet, der zu Beginn der 30iger Jahre in Prescott Bush's Büro arbeitete. (13)

Prescott Bush (Großvater von George W. Bush) war dann mit seinem Stiefvater, George Herbert Walker, geschäftsführender Direktor in den Wall Street Büros der Firma Brown Brothers&Harriman und machte ein Vermögen mit dem Waschen von Geldern und dem Schleusen von kriegswichtigen Gütern in das Nazi-Deutschland. Im Juli 1942 berichtete die New York Herald Tribune auf der Frontseite in einem Leitartikel über Prescott Bush als Finanzier Hitlers "Hitler's Angel Has 3 Million in US Bank". Das musste Bush und seine Partner von Brown Brothers Harriman sehr beunruhigt haben. Die Situation wurde bedrohlich, als die beteiligten Bank- und Schifffahrtsgesellschaften 1942 vom US-Kongress als Nazi-Front-Organistionen deklariert wurden und die Einlagen bei der Union Banking Corp aufgrund des „Trading with the Enemy Act“ beschlagnahmt werden konnten. Damit schienen die politischen Träume von Prescott Bush beendet, bevor sie überhaupt angefangen hatten. Doch sein „Engagement“ wurde weder von der Presse noch von der Opposition verfolgt. (14)

Der geschmeidige Prescott Bush tat Abbuße. Freiwillig übernahm er den Vorsitz der „United Service Organization“, reiste durch das Land und sammelte Millionen von Dollars, um damit den kämpfenden US-Truppen moralischen Beistand zu leisten. Diese Tätigkeit verhalf ihm dann letztlich auch zur Wahl zum US-Senator. Die Verteidiger von George H. W. Bush entgegneten auf die Vorwürfe wahrheitsgemäß, dass die Bush-Familie nicht allein in ihrer Unterstützung für Hitler war. Unter den legendären amerikanischen Gesellschaften und Persönlichkeiten, die auf Hitler setzten, wären zu finden Henry Ford, J.P. Morgan, die du Ponts, Allen und John Foster Dulles, Charles Lindbergh, William Randolph Hearst, Alcoa Aluminum, Rockefeller's Standard Oil (Exxon), General Motors, ITT and Chase Bank. Wie wahr.

Hitler und das US-Kapital

Am 30. Januar 1933 wurde Hitler Reichskanzler und Hjalmar Schacht Wirtschaftsminister. In Zusammenarbeit mit Schacht half Dulles dem Dritten Reich, in den Vereinigten Staaten Finanzierungsquellen für öffentliche Einrichtungen, Banken und Industrien zu finden. Gemeinsam entwickelten sie hierfür neue Formeln, die es den Deutschen erleichterten, Geld von amerikanischen Banken zu leihen, und gestalteten komplexe Umstrukturierungen der deutschen Verpflichtungen auf mehreren »Schuldenkonferenzen«, die offiziell zwar unter Bankiers stattfanden, in Wirklichkeit aber in enger Zusammenarbeit von der deutschen und der amerikanischen Regierung geleitet wurden.

Sullivan & Cromwell gaben die ersten amerikanischen Anleihen des Stahl- und Rüstungskonzerns Krupp AG heraus und kämpften erfolgreich gegen Kanadas Bemühungen, den Stahlexport an deutsche Waffenhersteller zu unterbinden. Laut John Foster Dulles vertrat die Firma »mehrere Provinzregierungen, einige große US-Konzerne, eine Reihe großer amerikanischer Unternehmen mit Geschäftsinteressen im deutschen Reich und einige reiche Einzelpersonen«, einem anderen Bericht zufolge »gedieh sie durch Kartelle und Absprachen mit dem neuen Nazi- Regime«. (15)

Nach der großen Depression in der Folge der Bankenkrise von 1929 hatte John Foster Dulles Frankreich und Großbritannien als »statische Gesellschaften« beschrieben, die nur daran interessiert seien, zu verteidigen, was sie hatten. Die Zukunft aber werde von drei kreativen und dynamischen Mächten gestaltet: Deutschland, Italien und Japan. »Diese dynamischen Völker«, schrieb Dulles in einem Artikel, »sind entschlossen, ihre Staaten so zu gestalten, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und jenen erweiterten Status erreichen können, der ihnen unter einer liberalen und friedlichen Regierungsform verwehrt wurde« (16)  Hier muss allerdings die Rolle großer US-Kartelle, Firmen und Banken gesehen werden, die sich in vielen Wirtschaftsbereichen – hier vor allem in der Rüstungsindustrie – engagierten, während die Nationalsozialisten begannen, ihre Macht zu konsolidieren.

Vom gesamten I.G.-Farben-Komplex hielt Rockefeller ungefähr 50 Prozent, als nächstgrößte »Stockholder« folgten die Dulles-Brüder.

Der US-Star-Kolumnist Drew Pearson listete fröhlich die deutschen Kunden von Sullivan & Cromwell auf, die den Nationalsozialisten Geld gespendet hatten, und beschrieb John Foster Dulles als Chefagenten

»der Bankkreise, die Adolf Hitler aus den finanziellen Tiefen retteten und seine Nazi-Partei als ein laufendes Unternehmen gründeten«. (17)

Bei all seinen Tätigkeiten konnte Dulles aus den während des Ersten Weltkriegs geknüpften Geschäftskontakten Nutzen ziehen. Dazu hielt der spätere britische Außenminister Austen Chamberlain in seinen Erinnerungen fest:

»Das ›Versailles-Prestige‹ von John Foster Dulles verursachte unter den amerikanischen Bankhäusern ein Wettrennen um seinen Beistand als Rechtsberater.« (18)

Den Nationalsozialisten gegenüber verhielten sich die Dulles-Brüder janusköpfig.

»Allen Dulles kritisierte Hitler öffentlich und empfahl sich auf diese Weise bei jüdischen Bankiers, für die er mit Gründung von allerhand Scheinfirmen Kapital aus Deutschland abzog. (19) «

John hingegen unterstützte führende US-Industrielle bei ihren lukrativen Geschäften mit dem Deutschen Reich, so auch Prescott Bush (1895–1972), den Vater von George H. W. Bush. Oberflächlich betrachtet, kann man die Aktivitäten von Sullivan & Cromwell wohl als widersprüchlich ansehen, im Endeffekt sind sie als höchst clever zu bezeichnen: im Sinne der Losung »Getrennt marschieren – vereint schlagen«.

Curtis B. Dull, Schwiegersohn von F.D. Roosevelt, begegnet Bernhard Baruch und den Warburgs

Curtis Dull beschreibt, wie Anfang 1933 Bernhard Baruch spontan Franklin Delano Roosevelt aufsuchte. Da Roosevelt telefonierte, kam Dull ins Gespräch mit Baruch. Dieser empfahl ihm, Vertrauen zu Silber zu haben und eröffnete ihm, dass er 5/16 der gesamten sichtbaren Silbervorräte der Welt besitze. Dull erinnerte sich erst wieder an das Gespräch, als einige Monate später die Presse vollkommen überraschend Berichte über Silber, aber in einer ziemlich nebensächlichen Art und Weise brachte, und zwar am Wochenende, als die Finanzbörse schon geschlossen war. Um sozusagen den westlichen Staaten mit ihren Silberbergwerken eine freundliche politische Geste zu erweisen, ermächtigte der Kongress das US-Schatzamt, den Preis für Silber, den es am freien Markt zu zahlen hatte, zu verdoppeln. Unsere Presse begrüßte diesen Antrag aufs wärmste. Für andere Länder aber, wie z. B. China, war das für die Geschäftsleute und Bauern diese Erhöhung ein harter Schlag, denn sie bekamen dadurch in Wirklichkeit für ihre Produkte nur die Hälfte. Diese plötzliche Preissteigerung bedeutete dort und auch in andern Ländern eine große Härte.

Wenn ich an meine Unterredung mit Baruch zurückdenke, so weiß ich jetzt, daß es der beste „Tip" war, den ich je bekommen habe. Als Jahre später in der Presse stand, daß Sir Winston Churchill in den Staaten sei, und daß er zunächst Baruch in New York besucht hatte, bevor er in Staatsangelegenheiten das Weiße Haus aufsuchte, war ich gar nicht überrascht. Die wichtigsten Sachen kommen immer zuerst. Ebenfalls war ich nicht im mindesten überrascht, dass Baruch mit der Zeit das bestbekannte Symbol der Weltfinanzmächte wurde. Selbst wenn er auf einer Bank in einem öffentlichen Park saß und Tauben fütterte und dabei Ratschläge erteilte, waren seine Bemerkungen dazu angetan, die Politik der Regierung bereits lange im voraus zu bestimmen. Seine Worte spiegelten eine große Finanzmacht wider, eine sowohl sichtbare wie unsichtbare. Sie bedeuteten eine Macht von einer derartigen Größe und einem Umfang, dem man selten begegnet und wie sie sich auch wohl kein Amerikaner erträumt hat.“ (20)

Ende der 20er Jahre war Curtis B. Dull, befreundet mit Freddy, dem Sohn von Felix Warburg, ab und zu von Frau Warburg, der Tochter von Jacob Schiff, zu ihren großen Sonntagmittag-Gesellschaften eingeladen. Dull beschreibt sie als eine sehr charmante Gastgeberin. Anlässlich dieser Gesellschaften trafen sich ungefähr ein Dutzend Menschen, einschließlich einiger Vettern und Freddys Onkel Paul Warburg, waren in einem großen Raum zusammen. Onkel Paul war der Schöpfer einer Gesetzesvorlage für das Bankwesen, die 1913 kurz vor Weihnachten von Präsident Wilson unterzeichnet wurde und die als der Federal Reserve Act bekannt geworden ist. Felix Warburg war liebenswürdig und freundlich, ein wirklich netter Gastgeber. Sein Bruder Paul jedoch schien mir sehr viel nüchterner und hielt sich auch mehr zurück.

„Ich habe ihn noch gut in Erinnerung, wie er in seinem großen Stuhl abseits der allgemeinen Unterhaltung saß, bis das Mittagessen serviert wurde“. (21)

Elitäre US-Bankenverbindungen mit dem Dritten Reich

Im Auftrag der Kanzlei begleitete Allen Dulles den Rüstungskontrollexperten Norman Davis im Frühjahr 1933 auf einer Tournee durch die europäischen Hauptstädte zu Treffen mit führenden Persönlichkeiten wie Ramsay MacDonald, Neville Chamberlain, Leon Blum und Paul Boncour. Aufgrund seiner Kontakte sowie der Teilnahme an europäischen Abrüstungsverhandlungen war er für die Rüstungsindustrie interessant. Am 8. April 1933 trafen Davis und Dulles in Berlin mit Adolf Hitler und seinen Beratern zusammen, eine Begegnung, die Dulles zeitlebens geheim hielt.

Der Vater von Prescott Bush war der mit den Rockefellers und Harrimans geschäftlich verbundene Eisenbahn-Tycoon Samuel Prescott Bush. Über Edward Harriman und seine Börsenspekulationen urteilte einst Präsident Roosevelt, dieser sei

»einer jener großen Trustschädlinge, die mit dem Brandmal des Verbrechertums gekennzeichnet sind«. (22)

Samuel Prescott Bush wurde 1917 von der US-Regierung mit der Organisation der Kriegswirtschaft beauftragt. Sein Sohn Prescott Sheldon Bush stieg an der Yale-Universität zum Oberhaupt der elitären Studentenverbindung »Skulls & Bones« auf. Der Legende nach soll der Tausendsassa den Schädel des Indianerhäuptlings Geronimo ausgegraben haben. Prescott diente als Feldartillerie-Hauptmann beim amerikanischen Expeditionskorps und bekam in Verdun eine Geheimdienstausbildung.

1937 wechselte Allen Dulles in die Geschäftsleitung des Bankhauses von J. Henry Schröder, einem der mächtigsten und einflussreichsten Banker im national-sozialistischen Deutschland. Hier traf er wieder mit Reichsbankpräsident und BIZ-Gründungsmitglied Hjalmar Schacht zusammen. Die bereits angeführte Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die älteste und wichtigste internationale Finanzorganisation, ist nur wenigen ein Begriff, obwohl (oder weil?) sie bis heute im Mittelpunkt des globalen Finanzsystems steht. Die »Bank der Zentralbanken« mit Sitz in Basel/Schweiz verwaltet die Währungsreserven der Mitgliedsbanken, koordiniert die Geldpolitik der wichtigsten Wirtschaftsmächte und prägt die globale Finanzarchitektur. Geschützt durch einen internationalen Vertrag muss sie trotz ihrer Aufgaben- und Machtfülle niemandem Rechenschaft ablegen – nicht einmal die schweizerische Rechtsprechung  kann auf sie einwirken, und ihre Einlagen gelten als sicher vor staatlichem Zugriff.

1937 besuchte John Foster Dulles eine Völkerbundkonferenz in Paris. Er fand das Gerede steril und schrieb, der Völkerbund sei eine egoistische Gesellschaft der Siegermächte von 1919 zur Erhaltung des Status quo in Europa. Weil er darin weitgehend mit Hitler übereinstimmte, bekam Dulles in Paris und London den Ruf eines nationalsozialistischen Mitläufers. In seinem Buch »War, Peace and Change« aus dem Jahr 1939 analysiert John Foster Dulles »die Bedingungen, die in unserer Zeit zum Einsatz von Gewalt führen«. Eine Möglichkeit, dies zu verhindern bestehe darin, „den menschlichen Geist zu formen“ (23), also in ethischen Mitteln, die andere, von Dulles präferierte Option greift auf politische Mittel zurück. Er schlug vor, gegenüber den dynamischen Völkern duldsam zu sein. Ihm kann man darin zustimmen, dass die

»Vertragsstruktur der Welt als elastisch und nicht als statisch angesehen werden sollte«.

Das war wirklich visionär, ändern sich doch zum einen die Kenntnisse der Zusammenhänge – neue Einblicke in bisher verschlossene Dokumente –, und zum anderen die Bedingungen.

Dulles vermischte Frömmigkeit mit einer "dynamischen" Theorie säkularer Geschichte, die er Arnold Toynbee entnahm, der, wie Dulles meinte, bewiesen hatte, daß "alle bekannten Kulturen im Rhythmus von Angriff und Reaktion aufsteigen und untergehen". Dulles nahm jede Gelegenheit zum Predigen wahr. „Ich stelle eine Kanzel auf, und wir beginnen über Weltpolitik zu diskutieren“, schrieb er 1938 auf einer Chinareise in sein Tagebuch. „Ich entwickle meine Theorien über dynamischen und friedlichen Wechsel.“ (24)

I.G.-Farben, Vereinigte Stahlwerke und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich

Ein Blick auf die Vernetzung und Durchdringung des Gesamtkomplexes Farben unterstreicht die weltweite Bedeutung: Ford Motor Company (Edsel B. Ford, Carl Bosch), Standard Oil of New Jersey (Walter Teagle), die Rockefeller-Bank of Manhattan (H.A. Metz, Paul M. Warburg) und die Federal Reserve Bank of New York (Charles E. Mitchell, Walter Teagle, Paul M. Warburg). Nachdem 1928 General-Electric Präsident Owen Young als Chef der US-Delegation den Youngplan ausgehandelt hatte, verwundert der Einstieg von General Electric in die deutsche Elektroindustrie kaum. Im Juli 1929 übernahm General Electric für 14 Millionen Mark Aktien von AEG. Dieser Anteil und weitere Einkäufe auf dem offenen Markt bescherten General Electric einen Anteil von 25% an der A.E.G. In diesem Zusammenhang zitiert Sutton die Vossische Zeitung:

„Die amerikanische Elektroindustrie erobert die Welt und nur wenige Bastionen konnten dem Angriff widerstehen “

Nun, die A.E.G. ging nicht leer aus. Ein Abkommen sicherte der AEG den Zugang zu amerikanischen Patenten und amerikanischer Technologie. Noch im gleichen Monat wurde zwischen General Electric und drei deutschen Firmen, AEG, Siemens & Halske und Koppel & Co. – die drei hielten alle Aktien von OSRAM, die Aufteilung für Herstellung und Vertrieb von elektrischen Birnen vorgenommen. Die Führungsgremien von A.E.G. und OSRAM erhielten in den nächsten Monaten amerikanische Direktoren. Ein Aufsichtsratsmitglied der I.G. Farben war kein geringerer als der frühere Geheimdienstchef, der Hamburger Bankier Max M. Warburg. Und vermutlich rein zufällig wurde sein Bruder Paul M. Warburg im Vorstand der American I.G. Farben geführt. 1928 wurden die amerikanischen Ableger der I. G. Farben, die Bayer Company, General Aniline Works, Agfa Ansco und die Winthrop Chemical Company in einer schweizerische Holding-Gesellschaft organisiert: Die Internationale Gesellschaft für Chemische Unternehmungen A. G., die von I. G. Farben Deutschland kontrolliert wurde.

Nationalsozialist Hitler wird Freund des Kapitals

Der internationale Bankier von Schröder stand in enger geschäftlicher und familiärer Beziehung mit den Bankhäusern J. Henry Schroeder (Name anglisiert) in London und der J. Henry Schroeder Corporation in New York und arbeitete mit der Investment-Bank Schroeder/Rockefeller & Comp. und der Dillon-Read-Gruppe (Baruch) zusammen. Die Rechtsangelegenheiten dieser Finanzgruppen betreute die Anwaltsfirma Sullivan & Cromwell. So verwundert es nicht, dass deren Inhaber, John Foster Dulles (25), der spätere Außenminister Amerikas, an diesem Tag ebenfalls in Köln war. Dulles wiederum unterstützte die italienischen Faschisten finanziell als Anwalt der Bank Dillon, Read & Co. und baute in den 20ern die Vereinigten Stahlwerke in Deutschland auf, woraufhin er Generalanwalt der IG Farben wurde.

Am 4. Januar 1933 fand das Treffen zwischen Franz von Papen und Adolf Hitler im Haus des Bankiers Kurt von Schröder in Köln statt. (26) Dieses Treffen gilt als die „Geburtsstunde des Dritten Reiches“.

Neben dem Nationalsozialisten Hitler war noch ein konservativer Politiker geladen. Konrads Adenauers Glaubens- und Parteifreund, der päpstliche Kammerherr und vormalige Reichskanzler Franz von Papen, im ersten Weltkrieg Militärattache in Washington. Diese Herren handelten eine Vereinbarung über eine gemeinsame Regierungsbildung aus. Um Hitler den Geruch der Straße zu nehmen, sollte der adlige Papen dessen Vizekanzler werden. Der generöse Bankier Schröder sollte auch nicht leer ausgehen und wurde als Reichsbank-Repräsentant für die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel nominiert. Aufgrund seiner vielfältigen Beziehungen eine sinnvolle und praktische Wahl. Da störte es auch nicht, dass die Stein-Bank in Köln, eine Bank des Schwiegervaters vom Herrn Baron Schröder, das Sonderkonto „S“ der Freunde Himmlers führte. Im Gegenteil.

Die Times hatte im Januar 1933 von der Unterredung Foster Dulles im Hause Schröders berichtet und am 11. November 1944 noch einmal daran erinnert. Der Pressebericht von 1933 war der Schnittschere zum Opfer gefallen und in der Novemberausgabe war die 40-seitige Ausgabe auf 26 Seiten zusammengeschrumpft.

Was die Finanzierung betrifft, so scheint offiziell und historiografisch die Sache völlig klar. Da war zuerst die vom völkischen Gedankengut inspirierte "Bohème" Berlins und Münchens da waren die Parteigenossen und ein wenig die deutsche Industrie von Hanfstaengl bis Flick, Thyssen und der IG.-Farbenkonzern dazu noch ein paar germanophile Ausländer wie der Automobilkönig Henry Ford (27) oder der Öl-Gewaltige von der Royal Dutch Shell, Sir Henry Detering, den Hitler schon 1921 beeindruckt haben soll. Henry Ford und General-Motor-Boss James Mooney wurden sogar persönliche Freunde des Führers und erhielten von ihm 1937/38 das „Verdienstkreuz vom Deutschen Adler“.

Die deutschen Industriellen, die nun Hitler finanzierten, waren überwiegend Direktoren von Kartellen mit direkten amerikanischen Verbindungen oder von amerikanischen Töchterunternehmen. So hielt vom gesamten Farben-Komplex Rockefeller ungefähr 50%. Als nächstgrößte „stockholder“ folgten ihm die Dulles-Brüder. Wie die I.G. Farben waren auch A.E.G., DAPAG u.s.w. multinationale Unternehmen. Diese Multis waren weitgehend in den zwanziger Jahren mit amerikanischen Darlehen aufgebaut worden.

Während der Hamburger Bankier Max M. Warburg im Aufsichtsrat der I.G. Farben saß, gehörte sein Bruder Paul M. Warburg dem Vorstand der American I.G. Farben an.

Als vorübergehendes Phänomen tat der Hamburger Bankier Max Warburg Hitlers Regierung ab. Er hielt es für völlig ausgeschlossen, daß Hitler jemals zum Alleinherrscher eines der schöpferisch befähigtsten, fleißigsten und mächtigsten Völker werden könnte.

In Berlin entstand die "Palästina Treuhandstelle" (Paltreu) und in Tel Aviv als Gegenstück die Ha’avara-Gesellschaft. Auswanderungswillige deutsche Juden zahlten einen Mindestbetrag als benötigtes "Vorzeigegeld" von 1000 Pfund Sterling auf die deutschen Konten der Ha’avara entweder beim Berliner Bankhaus Wassermann oder in Hamburg beim Bankhaus Warburg ein. Mit diesem Geld konnten jüdische Importeure deutsche Waren für den Export nach Palästina kaufen, während sie den Gegenwert in palästinensischen Pfund auf ein Ha’avara-Konto bei der Anglo-Palestine Bank in Palästina einzahlten. (28)

Im Gegensatz zu James F. Byrnes, der von Natur aus Kompromisse anstrebte, berief sich Dulles auf absolute Prinzipien, auch wenn sie noch so verworren waren. Dulles war in seinem Auftreten gemessen und fromm, er sprach langsam und verhalten, er war ein «Schatten»-Sekretär. Aus einer Familie von Geistlichen, Missionaren und Diplomaten stammend (sein Großvater John W. Foster war Staatssekretär unter Harriman, sein Onkel Robert Lansing unter Wilson), war Dulles bei der Versailler Konferenz 1919 oberster amerikanischer Reparationsberater gewesen. In den Zwischenkriegsjahren spezialisierte er sich als Seniorpartner der Wall Street-Firma Sullivan and Cromwell auf internationales Recht. Manche hielten ihn für den höchstbezahlten Rechtsanwalt des Landes. (29)

Vor Pearl Harbor vertrat Dulles eine Haltung, die ihm später die Möglichkeit einer Beschwichtigungspolitik offen ließ, und kritisierte die «besitzenden» Nationen Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten, weil sie es versäumt hatten, die «nichtbesitzenden» Nationen Deutschland, Japan und Italien gerecht zu beteiligen. Nicht alle schätzten die Dulles-Mischung aus Frömmigkeit und Geopolitik als genial ein. Alexander Cadogan vom British Foreign Office verurteilte Dulles 1942 als den «verschwommendsten Typ eines nutzlosen, sich unfehlbar gebärdenden Amerikaners». Gegen Kriegsende war Dulles eine führende Persönlichkeit der außenpolitischen Elite und wichtigster außenpolitischer Berater des damaligen und künftigen Präsidentschaftskandidaten Thomas Dewey. Während des Zweiten Weltkrieges hoffte Dulles auf künftige Nachkriegsbeziehungen mit der Sowjetunion. Im Januar 1945 vermerkte er, daß «das sowjetische Kredo nun zu einer dynamischen Kraft der Welt geworden sei» und überall die Vorstellung der Massen gefangen hielte. Er warnte die Amerikaner: «Wir könnten leicht nervös werden, und dann würden mögliche Zwischenfälle unsere Beziehungen belasten. So brauchte und sollte es nicht sein.» Er hielt «keine Diktatur für absolut» und meinte, das Sowjetsystem würde sich dem amerikanischen angleichen. Im Februar 1945 kritisierte Eugene Lyons, ein Herausgeber von Reader's Digest, Dulles' Versicherung, sowohl Amerikaner wie Sowjets hatten Grund, einander zu mißtrauen, als «narrisch». Der Schattensekretär erwiderte gelassen:

„Allein die Tatsache, daß Millionen von Amerikanern ihre Ansicht, man solle den Russen mißtrauen, teilen, ist, glaube ich, ein Grund für die Russen, uns zu mißtrauen. Vertrauen gilt nur gegenseitig ... eine künftige Aufgabe wird es sein, solches Mißtrauen zu zerstreuen. Wird sie von beiden Seiten vereitelt, dann ist es um den künftigen Weltfrieden schlecht bestellt.»" (30a)

Dulles hielt Zusammenarbeit im Rahmen einer internationalen Organisation für möglich.

UN-Charta

Am 26. Juni 1945 erfolgte in San Francisco die Unterzeichnung der "Charter of The United Nations Organization" (UNO) durch die Vertreter der 50 Nationen. Durch das Regelwerk der UNO sollen sich die beteiligten Nationen bei „souveräner Gleichberechtigung“ zu einer friedlichen Regelung aller internationalen Streitfragen verpflichten und auf jede Gewaltmaßnahme gegen die „Unversehrtheit und Unabhängigkeit anderer Staaten“ verzichten. Falls einem Staat dieser Verzicht doch zu schwerfallen sollte, kann die Organisation der Vereinten Nationen nach Artikel 2 Vorbeugungs- und Zwangsmaßnahmen durchführen. Damit war das Gewaltmonopol für die UN gesichert. Das erkannte auch der Präsident der Konferenz, Edward R. Stettinius und fügte mit Hilfe des Senators Arthur H. Vandenberg und seines juristischen Beirats, dem agilen Anwalt John Foster Dulles, noch am gleichen Tag die Artikel 51 und 52 in Charta ein. Artikel 51 revidierte Artikel 2, indem es einem angegriffenen Mitglied das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung einräumte. Mit Artikel 52 wurden jetzt örtlich begrenzte Abmachungen (dazu zählt sich auch die NATO) toleriert, die Streitigkeiten ohne Einschaltung des Sicherheitsrates „beilegen“ können. Mit diesen beiden Artikeln, die voller Fußangeln sind und Generationen von Völkerrechtlern Arbeit und Brot bescheren, wurden die restlichen 109 Artikel der Charta mehr oder weniger aufgehoben. Das führte bald zur Isolierung der Sowjetunion und half, die Spaltung zwischen den beiden Machtblöcken zu verschärfen.

Wie der Völkerbund nach dem Ersten Weltkrieg eine Vereinigung von Siegerstaaten war, so blieben auch jetzt die besiegten Staaten zunächst ausgeschlossen. Im Artikel 53 werden noch heute die Staaten, die bei der Unterzeichnung dieser Charta Feind waren, als „Feindstaat“ deklariert. Nur gegen sie können ohne Zustimmung des Sicherheitsrates Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden.

Die meisten Delegierten hatten den Konferenzort und die Einladung des Gastgeberlandes als großzügige Geste aufgefasst. Dankbarkeit wäre jedoch fehl am Platze. Roosevelt hatte hartnäckig für eine amerikanische Stadt als Konferenzort vor allem aus dem Grund gekämpft, damit die Gäste im eigenen Land besser ausgehorcht werden konnten. Der weltweit renommierte Geheimdienstexperte und Journalist der New York Times und der Washingpton Post, James Bamford, weist die vollständige Überwachung der Kommunikation der Konferenzgäste samt deren Regierungen durch die amerikanischen Code-Knacker nach.

Somit waren die Vereinten Nationen „von Anfang an ein Mikrokosmos der Ost-West-Spionage“,

wie Bamford konstatiert; er fährt fort:

Genau wie bei der Gründungskonferenz drängten die USA stark darauf dass die Organisation in ihrem Land angesiedelt würde, vor allem um den Lauschern und Codeknackern der NSA und ihrer Vorgänger die Arbeit zu erleichtern. Die Sowjets waren jedoch keinesfalls traurig darüber, dass sich die UN-Zentrale auf US-amerikanischem Boden befand – sie hatten damit einen Vorwand, Dutzende von neuen Spionen über die Grenzen der USA zu schleusen.“ (30b)

Jean Monnet – wirkmächtiger Gründervater der Europäischen Union

Die Gründerväter der EU laut Wikipedia-Eintrag: Konrad Adenauer, Joseph Bech, Léon Blum, Winston Churchill, René Courtin, Alcide De Gasperi, Alexandre Marc, Jean Monnet, Józef Retinger, Duncan Sandys, Robert Schuman, Paul-Henri Spaak und Altiero Spinelli. Die Namen der honorigen Politiker dienen vor allem einer gewollten Identitätsstiftung, so wie die Pilgrim Fathers in den USA für den Gründungsmythos herhalten mussten. Bei genauerem Hinsehen allerdings erweist sich vieles an der EU-Gründung als pure Legende. So werden entscheidende Akteure nicht genannt – sie bleiben wohl lieber im Dunkeln. Zeit, sie ins rechte Licht zu rücken, allen voran die Dullesbrüder.

Frankreichs wichtigster Kriegsmotor im ersten Weltkrieg, späterer Geschäftsfreund der Dullesbrüder Jean Monnet arbeitete zunächst britisch-französisch, mit Kriegseintritt Italiens trinational und zuletzt auch mit den USA. Mit deren Kriegseintritt entstand ein komplexes kriegswirtschaftliches Nachfragekartell mit katastrophalen Auswirkungen auf den britischen Handel. Durch die Regulierungen kam es zu dramatischen Versorgungsengpässen. Zunächst wurden diese nur durch den gewaltsamen Bruch der Verträge gemildert. Dann wurden die Regulierungen teilweise außer Kraft gesetzt, entweder aufgrund angeblicher Versorgungsnotwendigkeit oder wegen der zunehmenden alliierten Schifffahrtskontrolle: »eine Art Experiment in der internationalen Verwaltung«. (31)

Nach der Pariser Friedenskonferenz beriefen Clemenceau und Balfour Monnet zum stellvertretenden Generalsekretär des Völkerbunds. Von den Friedensverhandlungen rührt Monnets Bekanntschaft mit John Foster Dulles; sie sollten sich nicht mehr aus den Augen verlieren und auch gemeinsame Finanzgeschäfte machen. Ihre Wikipedia-Einträge könnten nicht unterschiedlicher sein:  John Foster Dulles sei »bekannt für seine kompromisslose Haltung gegenüber der Sowjetunion im Kalten Krieg und betrachtete den Kommunismus ›als moralisches Übel‹.« (32)  Jean Monnet wird als »Wegbereiter der europäischen Einigungsbestrebungen« hervorgehoben, »ohne je Politiker im Sinne eines gewählten Mandatsträgers gewesen zu sein – er war nie Regierungschef oder Minister.«

Monnet war in erster Linie ein Mann der Wall Street. Neben John Foster Dulles und dessen Anwaltsfirma Sullivan & Cromwell bestanden Verbindungen zu John Jay McCloy, dem späteren Präsidenten der Weltbank, damals Partner in der Anwaltsfirma Cravath, zu deren Klienten die I.G.-Farben-Tochter General Aniline & Film zählte. Bis zur Kriegserklärung Deutschlands an die USA 1941 gab es enge wirtschaftliche Verknüpfungen zwischen der I.G. Farben und amerikanischen Banken und Chemiekonzernen, auch zu Rockefellers Standard Oil of New Jersey; die ab 1929 bestehenden Geschäftsbeziehungen (und Kartellabsprachen) wurden sogar während des Zweiten Weltkriegs aufrechterhalten.

Monnet und Dulles teilten ein elitäres Weltbild sowie die Lust am Geld verdienen – die Begeisterung für demokratische Rechenschaftspflichten dürfte sich hingegen in Grenzen gehalten haben. In den Zwischenkriegsjahren erwies sich Dulles’ Beziehungsnetz hochrangiger Persönlichkeiten auch für Jean Monnet als überaus nützlich. Er leitete das Geldhaus Blair & Company, die Rechtsvertretung übernahm McCloys Firma Cravath. Paul D. Cravath, Elihu Root sowie John W. Davis saßen im Direktorium des am 29. Juli 1921 gegründeten Council on Foreign Relations (CFR). Alle drei waren Juristen, Davis und Cravath Anwälte für namhafte New Yorker Investmentbanken wie Kuhn, Loeb & Co. Der CFR, auch bekannt als »das Establishment«, »die unsichtbare Regierung« oder »das Rockefeller-Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten« gestaltet mit seinen 4750 Mitgliedern (darunter 250 Unternehmen) die US-Außenpolitik. Kaum verwunderlich, dass im Kongress Abstimmungen zu Krieg und Frieden fast immer einstimmig fallen.

Über den Geheimdienst-Agenten (OSS) Allen Dulles, der Kontakte zum deutschen Widerstand unterhielt, war OSS-Chef William J.Donovan über die Opposition unterrichtet.

Zum bittersten Meinungsaustausch kam es über die sogenannten geheimen Kapitulationsverhandlungen deutscher Truppen in Norditalien. Sie wurden in der Schweiz, insbesondere in Bern, zwischen Allen Dulles vom Service of Strategic Services und dem SS-Obergruppenführer Karl Wolff geführt. (33)

Zu den Männern, welche die Nachkriegspolitik der USA prägen sollten, gehörten Dean Acheson, Robert Lovett, John McCloy, John Foster und Allen Dulles, Nelson Rockefeller, Paul Nitze und General-Motors-President Charles Wilson, der als Vorsitzender des Kriegswirtschaftsausschusses gesagt hatte, die Vereinigten Staaten brauchten eine permanente Kriegsökonomie. Obwohl sie Roosevelt gedient hatten, war ihr Einfluss auf ihn gering gewesen. Es waren die altgedienten Regierungsmitglieder - Kriegsminister Henry Stimson, der Heeresstabschef George C. Marshall und Handelsminister Henry Wallace -, die gegen diese feindselige Haltung gegenüber Moskau waren. Admiral William Leahy verwies erneut auf die Elastizität des Abkommens von Jalta und auf das Problem, wie leicht sich auf dieser Grundlage Böswilligkeit unterstellen ließe. Tatsachlich, meinte Leahy, war er überrascht gewesen, wenn die Sowjets sich nach Jalta anders verhalten hätten. Marshall, der vom Time-Magazin 1943 zum »Mann des Jahres« gekürt worden war, warnte, ein Bruch mit Moskau wurde sich angesichts der Abhängigkeit der USA von sowjetischer Hilfe im Kampf gegen Japan katastrophal auswirken. (34)

John Foster Dulles hatte vormals die Atlantik-Charta kritisiert, weil diese «ein statisches und nicht genügend dynamisches Konzept der Welt» beinhaltete. (35)

Europäisch interessierte Unternehmer unterstützten den Paneuropäer und kruden Eugeniker Coudenhove-Kalergi. (36) Als Erster übermittelte der deutsche Bankier Max M. Warburg eine Spende an die Paneuropa-Union. Im Vorstand saßen der deutsch-jüdische Unternehmer Richard Heilner (1876–1963) von der Germania Linoleum-Werke  AG, ab 1926 Deutsche Linoleumwerke, Wilhelm Ferdinand Kalle (1870–1954), Generaldirektor der Chemischen Fabrik Kalle, später I.G. Farben zugehörig, (37) sowie Reichstags- und preußischer Landtagsabgeordneter (DVP), der deutsche Industrielle August Robert Bosch (1861–1942) und Hermann Bücher, Geschäftsführer des Reichsverbands der Deutschen Industrie und späterer AEG- Vorstand. Diese Herren gehörten nicht zu den Unterstützern von Adolf Hitler. Ihre Fabriken aber wurden im Bombenkrieg – im Gegensatz zu Konzernen wie I.G. Farben und Vereinigte Stahlwerke – vorrangig angegriffen

Am 23. April 1948 in New York ein erstes Treffen mit dem Ziel der Gründung des „American Committe for a United Europe“ in New York statt. Das Komitee von 17 Männern und zwei Frauen war hochkarätig besetzt; ihm gehörten etwa der Diplomat William C. Bullitt, Ex-Präsident Herbert C. Hoover oder der Ex-OSS-Chef William Joseph Donovan, an. Auch Allen Dulles sowie John W. Davis finden sich hier wieder. Die beiden Frauen waren die konservative Abgeordnete Clare Boothe Luce und Alice Roosevelt Longworth, Tochter des ehemaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt.

Gründungsvorstand und erster Geschäftsführer wurde der inzwischen als Zivilanwalt auftretende William Joseph Donovan, Stellvertreter sein ehemaliger Untergebener Allen Dulles. 1946 war Dulles Präsident des einflussreichen CFR, da ist es nicht verwunderlich, dass das "American Committee for a European Unit" (ACUE) wohlwollend von der Ford- sowie der Rockefeller-Stiftung und regierungsnahen Unternehmensgruppen finanziert wurde. Dass viele ehemalige Top-Geheimdienstleute in die Spitze des ACUE berufen wurden, war sicherlich kein Zufall: Es ging um strategische Interessen, um ein Gegengewicht zum roten Osten Europas.

Auf Dulles geht die Initiative für das spendenunterstützte und vom US-Kongress finanzierte »Radio Free Europe« zurück. Es sendete in den gesamten Sowjetblock. Dazu ließ er antikommunistische Medien wie die Zeitung Der Monat finanzieren, welche zu einem Forum links eingestellter Intellektueller gegen den stalinistischen Kommunismus wurde.

John Foster Dulles, Begründer der »Befreiungspolitik« im Kalten Krieg, betonte regelmäßig die christliche Tradition als Fundament der Außenpolitik und die Mission als historische Aufgabe der USA. (38) Ein wesentliches Ziel des »Kreuzzugs« liegt in der »Bestrafung des Bösen«. Davon war Truman ebenfalls überzeugt, der noch stärker als Roosevelt ein klares Schwarz-Weiß-Weltbild besaß. Und bei den Nürnberger Prozessen wurde die Überzeugung der US-Amerikaner, einen »gerechten Krieg« geführt zu haben, deutlich. Die Kräfte, für die die Angeklagten stünden, so Robert H. Jackson in seiner ersten Anklagerede, seien »die finstersten und unheilvollsten Mächte der menschlichen Gesellschaft... Die wahre Klägerin vor den Schranken dieses Gerichts ist die Zivilisation.« (39)  Das »Böse« verkörperten die Deutschen mit ihrer verbrecherischen Kriegführung.

Seit den Verhandlungen in Versailles war Jean Monnet für eine europäische Einigung eingetreten, er war mit John Foster Dulles befreundet, Berater von Bernhard Baruch und Chefrepräsentant der US-Reparationskommission. Nach 1945 planten Dulles und Monnet gemeinsam die Neuordnung Europas im Sinne der USA. Ab 1946 leitete Monnet das französische Planungsamt, das Modernisierungsprogramme für die gesamte inländische Wirtschaft und einen gewaltigen Ausbau der Stahlkapazität anvisierte. Die Idee zum Zusammenschluss der westeuropäischen Montanindustrie war ganz im Sinn des »American Committee for a United Europe«.

Schließlich wurde Monnet Vorsitzender der Pariser Schuman-Plan-Konferenz, die am 18. April 1951 zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS oder Montanunion) führte. Leiter der bundesdeutschen Delegation war der bis dahin kaum bekannte Walter Hallstein, dessen NS-Verflechtungen weitgehend unbekannt blieben. Monnet und Hallstein sollten die EU nachhaltig prägen.

Das Entfachen von Aufständen zum eigenen politischen Vorteil war und ist immer noch Bestandteil der US-Strategie. Diesen Zusammenhang kaschierte John Foster Dulles in seinen Reden, und zitierte anlässlich der Befreiung Ostmitteleuropas immer wieder gern Alfred Thayer Mahan, den führenden US-Seestrategen imperialer Außenpolitik der Jahrhundertwende. »Es war Admiral Mahan«, so Dulles im August 1947 auf der Konferenz der »World Convention of Churches of Christ« (Weltkonvent der Kirchen Christi),

»der sagte, dass physische Gewalt nur nützlich sei, um moralischen Ideen Zeit zu geben, Wurzeln zu schlagen.« (40)

Mahans These vom Krieg als Regulativ der Geschichte setzte Dulles virtuos ein, wenn es um die Bedeutung von Moral in der Politik ging.

1953 mussten die Dulles-Brüder als Aktionär (John) und Präsident (Allen) der bedrängten United Fruit Company hilfreich unter die Arme greifen. Gab es doch Verpflichtungen.

Geführt wurde die Operation unter dem hoffnungsvollen Namen "Success". In Florida bereitete man Oberst Castillo Armas, ein verlässlicher Handlanger, auf seine Rolle als Freiheitskämpfer vor. Die CIA stellte drei Millionen Dollar für die Gründung einer Befreiungsarmee zur Verfügung. Mit dem Geld wurden in Nikaragua und Honduras bewaffnete Banden zur „Befreiung Guatemalas von der kommunistischen Herrschaft“ rekrutiert.

Während der Sender Stimme der Befreiung am 18. Juni 1954 Guatemala mit einem Trommelfeuer von Desinformationen überzog, fiel die Söldnerarmee der CIA und der United Fruit Company in Guatemala ein. Allen W. Dulles leitete die Aktion. Verlassen vom eigenen Militär, gab Präsident Arbenz nach kaum einer Woche auf. Das neue Regime macht die Landreform rückgängig. Wie im Iran konnte das Problem dank CIA entschärft werden. Sicherheitshalber wurde der unglückliche Präsident Arbenz Guzmán drei Jahre später von Oberst C. Armas ermordet. In Guatemala aber herrschte fortan kein Friede: Todesschwadronen terrorisieren bis heute das Land.

1956 meinte US-Außenminister John Foster Dulles, dass die »europäische Integration und die Entwicklung der NATO« einander ergänze sollten. (41) Der polnische Außenminister A. Rapacki aber brachte im Oktober 1957 auf der Vollversammlung der UNO den erfolglosen Vorschlag ein, in Mitteleuropa eine Zone beschränkter und kontrollierter Rüstung zu schaffen, die frei von jeglichen Kernwaffen sein sollte. Druck auf die USA übten auch die nationalen Befreiungsbewegungen aus. Vor allem an der nordafrikanischen sowie der vorderasiatischen Mittelmeerküste wurde das Stützpunktnetz der USA und anderer NATO-Staaten mehr und mehr infrage gestellt.

Die Suez-Krise: Israel, Frankreich und Großbritannien greifen zum Kanal

Während die Welt auf den Aufruhr in Budapest schaute, griffen am 29. Oktober 1956 israelische Verbände überraschend Ägypten an, durchbrachen die Grenzstellungen und stürmten über die Sinaiwüste dem Suezkanal und Kairo entgegen.

Die Aktion war mit England und Frankreich abgestimmt, die am nächsten Tag ein gemeinsames Ultimatum an Ägypten stellten: Alle kriegerischen Aktionen sollten gestoppt und Stellungen zehn Meilen westlich des Suezkanals bezogen werden.

Nur einen Tag später, am 30. Oktober 1956 rief US-Außenminister Dulles den Sicherheitsrat der UN ein, um in einer Resolution Israel zu verurteilen und die Mitglieder der Vereinten Nationen aufzufordern, die Militär-, Wirtschafts- und Finanzunterstützung an Israel einzustellen. Dieser Antrag wurde zwar mit 7 zu 2 Stimmen angenommen, scheiterte aber letztlich doch am Veto Englands und Frankreichs. Das US- Außenministerium, so berichtet Carroll Quigley, sei außer sich gewesen, als es die britische Perfidie einer anglo-israelischen Geheimabsprache für einen Krieg außerhalb der westlichen Allianz erkannte. Bereits am 6. August 1956 hatte der amerikanische Geheimdienst NSA dem Außenminister Dulles über entsprechende Funkmeldungen und einen verdächtig regen Funkverkehr zwischen Paris und Tel Aviv unterrichtet. Die Suezkrise entwickelte sich somit zu einer ernsthaften Bewährungsprobe für die National Security Agency.

Die Phase der Koexistenz bescherte den blockfreien Staaten und den antikolonialistischen Befreiungsbewegungen eine größere Entfaltungsmöglichkeit. Während der Neutralismus dieser Blockfreien beim amerikanischen Außenminister Dulles jedoch auf Ablehnung stieß, arbeitete Chruschtschow hingegen mit diesen Staaten verstärkt zusammen, ohne dabei Rücksicht auf die Ideologie zu nehmen.

Am 15. April 1959 musste Eisenhower den erkrankten Dulles durch Christian Herter ablösen lassen. Der neue Außenminister führte die Politik im Sinne von Dulles weiter. Erfolgreich schlug er sofort nach Amtsantritt einen Aufstand in Panama nieder. Nachdem im März die ersten Jupiter-Raketen auf US-Stützpunkten in Oberitalien installiert waren, sollten Raketenbasen in Griechenland folgen. Am 25. Mai drohte Chruschtschow, dass eine Stationierung in Griechenland sowjetische Raketenstützpunkte in Albanien nach sich ziehen würde. Verschiedene Vorschläge der Sowjetregierung für atomwaffenfreie Zonen auf dem Balkan, dem Adriaraum und dem Pazifik wurden von den USA im Juli abgelehnt.

Der neue Verteidigungsminister McNamara löste die noch aus der Dulles-Ära stammende Strategie der „massiven Vergeltung“ durch die drei Jahre zuvor von Kissinger konzipierte Strategie der „flexiblen Erwiderung“ (flexible Response) ab. Als wirkungsvollere Reaktion und effektivste Form der Kriegsführung wurde nun der begrenzte atomare Konflikt empfohlen. So sollten lokale Kriege zu amerikanischen Bedingungen geführt werden. Den Kurs seines republikanischen Vorgängers fortsetzend, verkündet Kennedy am 30. Januar 1961 in seiner Rede zur Lage der Nation das gesunde Misstrauen gegen den „Apparat“, gekoppelt mit einem selbstbewussten und starken Auftreten befähigte Kennedy im nächsten Jahr, die größte Nachkriegskrise friedlich zu bewältigen. CIA-Chef Allen Dulles durfte noch im gleichen Jahr seinen Hut nehmen. Schlüsselstellungen wurden von Mitarbeiter übernommen, auf die der Regierungschef vertrauen konnte.

Nach 10 Monaten legte Chief Justice Earl Warren den über 800 Seiten starken Warren-Report (offizieller Untersuchungsbericht zur Ermordung J.F. Kennedys) mit dem Ergebnis vor, dass nur Oswald als Alleintäter in Frage komme. Auf dieses Ergebnis schien die Kommission von Anfang an hingearbeitet zu haben. Allein die Auswahl des Gremiums steht gegen eine vorurteilsfreie Untersuchung. Neben dem republikanischen Führer im Repräsentantenhaus und späteren Präsidenten Gerald R. Ford, war der Rockefeller-Vertraute und Vorsitzende der Chase-Manhattan-Bank McCloy vertreten sowie der einstige CIA-Direktor Allen W. Dulles, den Kennedy von Beginn an feuern wollte. Senator Richard B. Russell, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, Senator John Sherman Cooper, der frühere Botschafter von Indien und Hale Boggs, der Meinungsmacher und Einpeitscher des Repräsentantenhauses, ergänzten die illustre Runde.

Politiker und Banker als Untersuchungsermittler? Oder nur Hüter der nationalen Sicherheit?

Für Gerald R. Ford war das Motiv des amtlich bestätigten Alleintäters klar: „On the point about Oswald's motivation, I added Marxism.“ Marxisten als potentielle Mörder. Das passte auch besser in das sich verschlechternde politische Klima. Um die Angst vor der Sowjetunion zu schüren, wurde in der Zeit von 1948 bis 1954 in den USA mehr als vierzig explizit antikommunistische Filme gedreht, Science-Fiction-Parabeln wie "Kampf der Welten" von H. G. Wells, die eine kommunistische Bedrohung implizierten, gar nicht eingerechnet. Das FBI unter seinem auf Öffentlichkeitswirkung bedachten Präsidenten J. Edgar Hoover, dessen große Obsession der Kampf gegen den Kommunismus war, führte den Großteil der Ermittlungen gegen vermeintliche Kommunisten in Amerika. Die Beschuldigten wussten zumeist nicht einmal die Grundlage der Anschuldigungen. In seiner Paranoia misstraute Hoover selbst dem Weißen Haus, dem Pentagon und dem Justizministerium. Er hielt seine - legalen und illegalen - Maßnahmen geheim, zum Beispiel Plane für die Masseninternierung (42)

Die Brüder John Foster Dulles und Allen Welsh Dulles waren zwei der einflussreichsten amerikanischen Machtfiguren des 20. Jahrhunderts. Beide prägten maßgeblich die US-Außenpolitik des Kalten Krieges, ihre Wurzeln und Karrieren allerdings lassen sich bereits bis zum Ersten Weltkrieg zurückverfolgen.

Schnittstellen zwischen den Warburg- und Dulles-Brüdern lassen sich vor allem im Bereich internationaler Finanzkreise, politischer Netzwerke und Geheimdienste erkennen:

Eric Warburg, ein Mitglied der Warburg-Familie, war eng mit Allen Dulles verbunden. Beide wirkten im Kontext des US-Geheimdienstes OSS im Zweiten Weltkrieg zusammen. Eric Warburg und Allen Dulles waren wichtige Figuren bei der Gründung und Führung des OSS, dem Vorläufer der CIA. (43)

Teil 1: Vergangenheit zur Ideologie wird: Britanniens unaufgearbeitete Erblast

Teil 2: Deutschland im Zangengriff der Entente: Vom Industriemotor zum belagerten Staat. Wohlstand, Null-Auswanderung und die große Heimkehr

Teil 3: Die deutsche Ur-Angst vor einem neuen Dreißigjährigen Krieg (1618-48)

Teil 4: Den Siegern gelingt die Verankerung des Narrativs vom imperialen Deutschland

Teil 5: WKI: Debüt für die Warburg- und Dullesbrüder (1900-1919)

Teil 6: WKI: Debüt für die Warburg- und Dullesbrüder (1919-1959)

Anmerkungen und Quellen

Wolfgang Effenberger, Jahrgang 1946, erhielt als Pionierhauptmann bei der Bundeswehr tiefere Einblicke in das von den USA vorbereitete "atomare Gefechtsfeld" in Europa. Nach zwölfjähriger Dienstzeit studierte er in München Politikwissenschaft sowie Höheres Lehramt (Bauwesen/Mathematik) und unterrichtete bis 2000 an der Fachschule für Bautechnik. Seitdem publiziert er zur jüngeren deutschen Geschichte und zur US-Geopolitik. Zuletzt erschienen vom ihm „Schwarzbuch EU & NATO“ (2020) sowie "Die unterschätzte Macht" (2022)

1) WD-1-033-18-pdf.pdf

2) Effenberger/Moskovitz: Deutsche und Juden vor 1939 Stationen einer schwierigen Beziehung, Ingehlheim a. Rh., 2013, S. 296

3) https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/282410/das-moskau-unserer-bewegung/

4) https://verwaltungshandbuch.bavarikon.de/VWH/Levien,_Max

5) Vgl Carroll Quigley: Tragedy and Hope. New York 1966

6) https://spartacus-educational.com/SPYwarburg.htm

7) https://www.munzinger.de/register/portrait/biographien/warburg%20james%20p./00/2360

8) Effenberger Schwarzbuch 2020, S. 77

9) https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-ig-farben-100.html

10) https://filmundgeschichte.com/chronik-der-i-g-farben-von-1925-bis-anfang-der-50er-jahre

11) Effenberger Schwarzbuch 2020, S. 78

12) 1934 kam der größte deutsche Nickelproduzent hinzu: die I.G. Farben, welche dadurch zum Chemiegiganten wurde. Derart vernetzt, erhielt das Dritte Reich Zugang zu den Ressourcen des Nickel-Kartells. Ohne Dulles, so eine Studie von Sullivan & Cromwell, hätte es Deutschland an Verhandlungsstärke mit International Nickel gefehlt, die das weltweite Angebot an Nickel, einem entscheidenden Bestandteil von Edelstahl und Panzerplatten, kontrollierte. In den 1930er-Jahren führte er auch den belgischen Chemieproduzenten Solvay mit I.G. Farben, der US-amerikanische Firma Allied Chemical & Dye und mehreren anderen Unternehmen zu einem ebenso starken Chemiekartell zusammen, wie er es für die Nickelproduzenten organisiert hatte.

13) Während des Zweiten Weltkrieges anvanciert Bruce zum Leiter des US-Geheimdienstes in London. Nach dem Krieg wird er Assistent des US-Handelsministers Averell Harriman.

14) Effenberger Schwarzbuch 2020, S. 84

15) Ebda. S. 79

16) Ebda.

17) Ebda. S. 80

18) Ebda.

19) Ebda.

20) Curtis B. Dall: Amerikas Kriegspolitik. Tübingen 1972, S. 109

21) Ebda., S.44

22) Ebda. S. 80

23) zitiert wie Daniel Yergin: Der zerbrochene Frieden Der Ursprung des Kalten Krieges und die Teilung Europas. Bielefeld 1977; Original Shattered Peace – The Origins oft he Cold War and the National Seecurity State, New York 1977, S. 129.

24) Ebda.

25) Effenberger/Löw: Pax americana Die Geschichte einer angelsächsischen Weltmacht bis heute. München 2004, S. 287

26) https://de.wikipedia.org/wiki/Treffen_Papens_mit_Hitler_im_Haus_des_Bankiers_Schr%C3%B6der

27) Effenberger/Löw: Pax americana Die Geschichte einer angelsächsischen Weltmacht bis heute. München 2004, S. 291

28) Vgl. Effenberger/Moskovitz: Deutsche und Juden vor 1939. Höhr-Grenzhausen 2013, S. 370f.

29) Effenberger/Löw: Pax americana Die Geschichte einer angelsächsischen Weltmacht bis heute. München 2004, S. 128

(30a) Daniel Yergin: Der zerbrochene Frieden Der Ursprung des Kalten Krieges und die Teilung Europas. Bielefeld 1977; Original Shattered Peace – The Origins of the Cold War and the National Security State, New York 1977, S. 129

(30b) James Bamford: Vgl Body of secrets: anatomy of the ultra-secret National Security Agency: from the Cold War through the dawn of a new century / https://doc.lagout.org/network/3_Cryptography/Body%20Of%20Secrets%20-%20Crypto.pdf

(31) Effenberger, Schwarzbuch 2020, S. 73

(32) Ebda.

(33) Daniel Yergin: Der zerbrochene Frieden Der Ursprung des Kalten Krieges und die Teilung Europas. Bielefeld 1977; Original Shattered Peace – The Origins oft he Cold War and the National SAecurity State, New York 1977, S. 71

(34) Oliver Stone/ Peter Kuznick: Amerikas ungeschriebene Geschichte Die Schattenseiten der Weltmacht. München 2016, S. 103

(35) Daniel Yergin Der zerbrochene Frieden Der Ursprung des Kalten Krieges und die Teilung Europas. Bielefeld 1977; Original Shattered Peace – The Origins oft he Cold War and the National SAecurity State, New York 1977, S.71

(36) Vgl. Coudenhove-Kalergi, R.N.: Praktischer Idealismus. Adel – Technik – Pazifismus Wien/Leipzig 1925. Zur gleichen Zeit wie Mein Kampf geschrieben, sollen in der Zukunft die Minderwärtigen durch den Blut- und Geistesadel geführt werden.

(37) Effenberger, Schwarzbuch 2020, S. 88

(38) Ebda., S. 76f.

(39) Ebda. 120

(40) Ebda. 139

(41) Ebda. S. 147

(42) Oliver Stone/ Peter Kuznick: Amerikas ungeschriebene Geschichte Die Schattenseiten der Weltmacht. München 2016, S.149

(43) https://www.transatlanticperspectives.org/entries/eric-m-warburg/

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: imagoDens / shutterstock  


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