Wir beenden das Kontinuum der Machtlosigkeit! | Von Bastian Barucker

Die aktuellen Geschehnisse laden ein zu einer Spurensuche: Wie kann es sein, dass sich so viele Menschen Verordnungen und Entscheidungen unterwerfen, ohne diese selbstbewusst zu hinterfragen? Es offenbart sich ein viel tieferliegendes Problem, nämlich die starke Tendenz sich ohnmächtig oder unwirksam zu fühlen und die Angst vor negativen Konsequenzen, wenn die eigene Meinung von der Mehrheit abweicht.

Ein Standpunkt von Bastian Barucker.

Wie schön wäre es zu denken, dass wenn die Evidenzlosigkeit der Corona-Maßnahmen aufgedeckt und neue Regierende gewählt sind, wir das Problem gelöst haben. Ich glaube eher, dass wir uns einer tieferen Spurensuche widmen sollten, die radikal an die Ursachen dieser Missstände geht, anstatt Symptome zu bekämpfen.

Wo kommen wir her?

Unsere Geschichte als Homo Sapiens beginnt in heutzutage nicht mehr vorstellbaren Verhältnissen. 97 % unserer Existenz als Homo Sapiens lebten wir als Jäger und Sammler umherziehend in Gemeinschaft. Wir hatten die Kompetenz und Fähigkeit unsere wichtigsten Bedürfnisse zu erfüllen. Dabei waren wir einerseits davon abhängig, dass die uns umgebende Gemeinschaft gut funktionierte und und auf der anderen Seite perfektionierten wir unsere Fähigkeiten mit dem Fluss der Natur mitzugehen, um uns und die ganze Gemeinschaft zu ernähren, zu kleiden und ihr ein zu Hause zu schaffen. Viele Menschen sind zurzeit so naturentfremdet, dass ihnen diese ursprüngliche Lebensweise sehr weit weg vorkommt. Diese alte Zeit wird vom amerikanischen Anthropologen Marshall Sahlin in seinem Buch Stoneage Economics die ursprüngliche Wohlstandsgesellschaft genannt:

Der veröffentlichte 1972 sein Buch »Stoneage Economics«, in dem er anhand verschiedener ethnographischer Quellen nachweist, dass Jäger-und-Sammlerinnen-Gesellschaften selbst unter den Bedingungen von Wüste oder Eiswüste in einer spezifischen Form des »Wohlstands« zu leben verstanden. Unser Bild vom kärglich-harten Steinzeitleben müsse vollständig revidiert werden. Ja, es sei vielmehr die heutige Gesellschaft, in der die Knappheit ein institutionalisiertes Wirtschaftsprinzip darstellt! Im Gegensatz zur zivilisierten Welt, wo ein riesiger Teil der Bevölkerung jeden Abend hungrig ins Bett geht, kennen traditionell lebende Jäger und Sammlerinnen wie die Kalahari-Buschleute oder die australischen Aborigines Hunger höchstens als eine außergewöhnliche, bald vorübergehende Erscheinung, die so gut wie niemals lebensgefährliche Ausmaße annimmt.(1)

Geschichtlich gesehen ist jedoch der derzeitige Versuch Kontrolle über die Natur auszuüben ein sehr neues und höchstwahrscheinlich fatales Experiment. Durch meine mehrmonatigen Aufenthalte in der Wildnis hatte ich glücklicherweise die Möglichkeit dieses erdverbundene uns sehr schöne Leben praktisch zu erleben. Meine Erkenntnisse stützen sich also nicht nur auf Theorie sondern auch auf die Praxis.

Ein besonderer Aspekt unserer Geschichte ist dabei, dass wir die Machthatten unseren Lebensunterhalt zu verdienen, ohne in Lohnabhängigkeit zu sein und die Belange der Gemeinschaft regional und partizipativ regeln mussten und konnten. So war es möglich das eigene Leben sehr direkt mitzugestalten und Selbstwirksamkeit zu erleben. Die einzigen Abhängigkeiten, die bestanden, waren unsere Beziehung zum Land, zu unserem “Clan” und zu einem selbst. Dieser Zustand bescherte uns eine sehr gute Ausgangslage, da wir wussten: Wir sind von der Erde und unserer Gemeinschaft versorgt.Diesen Zustand haben wir als Menschen erst vor kurzem verlassen und begonnen mehr Kontrolle über die Natur auszuüben. Um es kurz zu machen: Mit Einführung der Landwirtschaft änderte sich dieser Zustand und heute leben wir in einer Gesellschaft, in der viele Menschen eine kontinuierliche Machtlosigkeit erleben.

Der rote Faden der Ohnmacht

Aufgrund meiner jahrelangen Erfahrungen in der Gefühls- und Körperarbeit hatte ich das Glück am eigenen Leib zu erfahren, wie stark frühkindliche Erfahrungen uns prägen. Von der Zeugung an, sind wir voll fühlende Wesen und im Laufe der Schwangerschaft, Geburt und der ersten Jahre formt sich unser Hormonhaushalt, unser Gehirn, unsere Weltanschauung und unser Gefühlsleben. Für viele ist diese Zeit wie ein unentdeckter Teil ihres Leben, der unbewusst enorme Wirkkraft ausübt. Menschen, die in dieser Zeit wiederholt Machtlosigkeit erlebt haben, leiden unter diesen Erfahrungen ihr ganzes Leben lang. Kinder, die durch Schreien lassen, Weggelegt werden, emotionale oder physische Übergriffigkeit erlebt haben, entwickeln Strategien, um damit umzugehen. Eventuell entwickeln sie schon sehr früh im Leben die Einstellung: Ich kann eh nichts bewirken. oder Es lohnt sich nicht, sich zu bemühen.” oder Es macht keinen Sinn, zu sagen, was ich will. Diese Erfahrungen haben mehr oder weniger alle Menschen in ihrer frühen Kindheit gemacht und für die meisten ist es ein nicht integrierter Teil ihres Leben, der aber ihr Leben teilweise mitbestimmt. Natürlich gibt es auch Menschen, die aus diesen Erfahrungen heraus eine starke Gegenbewegung entwickeln, um zu vermeiden, diese alten Gefühle wieder zu erleben.

Bildung zur Konformität oder die erlernte Hilflosigkeit

“Erlernte Hilflosigkeit ist die aufgrund negativer Erfahrung entwickelte Überzeugung, die Fähigkeit zur Veränderung der eigenen Lebenssituation verloren zu haben und für diesen Zustand selbst verantwortlich zu sein.” (2).

Angekommen in einer Bildungs- oder Betreuungseinrichtung erleben wir evtl. wieder, dass wir alleine sind und dass wir nicht in der Lage sind die Situation aus eigener Kraft zu ändern. Eventuell wird von außen bestimmt, was wir wann tun und auch darauf haben wir wenig Einfluss. Lerninhalten und -Zeiten sind wir auch relativ machtlos ausgesetzt und möglichen Bewertungen durch Lehrer*innen auch. So zementiert sich Stück für Stück eine Einstellung, die zu einem Lebensmotiv werden kann. Es es entsteht ein innerlicher Vertrag der Ohnmacht.

Im Job angekommen ist es gut möglich, dass durch ein Lohnarbeitsverhältnis eine Abhängigkeit geschaffen wird, in der wieder auch Machtlosigkeit erlebt werden kann. Ich befinde mich als Arbeitnehmer ja trotz Arbeitsschutz in einer Position, in der ich von der Gunst des oder der Vorgesetzten abhängig bin. Da ich ohne Einkommen, im Gegensatz zu den Jäger und Sammlern, nicht in der Lage bin meinen Lebensunterhalt zu verdienen, lebe ich also in Angst, dieses Einkommen zu verlieren. Wieder entsteht eine Situation der Machtlosigkeit bzw. starken Abhängigkeit vom Wohlwollen einer Autorität.

Die eigene politische Mitbestimmung ist durch Wahlen auf ein Minimum reduziert und ich persönlich kenne eigentlich ausschließlich Menschen, die eine starke Politikverdrossenheit spüren. Die Illusion, dass die Abgabe einer Stimme alle 4 Jahre wirkliche Mitgestaltung ermöglicht ist für viele Menschen glücklicherweise erloschen. Die meisten jedoch erleben dadurch wieder Machtlosigkeit und Selbstunwirksamkeit. So verstärkt sich das oben beschriebene Lebensgefühl der Ohnmacht, wenn es um wichtige Belange des Lebens geht. Genau wie bei der Geburt ist auch der Umgang mit dem Altern und dem Tod in unserer Gesellschaft krank. Alte Menschen werden in Heime gesteckt, aus ihren sozialen, lebenswichtigen Netzwerken gerissen, damit sie effizient betreut werden können. Zunehmend werden auch sie entmündigt, und wieder bestimmen andere über Tagesablauf, Aktivitäten oder sogar über den Zeitpunkt und die Art des Todes.

Es verwundert daher überhaupt nicht, wenn es seit Jahrzehnten und Jahrhunderten möglich ist Politik gegen die Menschen zu betreiben, ohne dass diese eine starke Gegenbewegung erschaffen. Die meisten leiden ja unter der erlernten Hilflosigkeit.

Wir haben Besseres verdient!

Ein Kontinuum beginnend bei einer selbstbestimmten Geburt und endend bei einem selbstbestimmten Tod wäre ein Anzeichen für eine Gesellschaft, die es Menschen ermöglicht Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen und damit Selbstwirksamkeit zu erleben. Das bedeutet also, dass wir uns als Gesellschaft darum bemühen müssen, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene anstelle eines Kontinuums der Machtlosigkeit ein Kontinuum der Mitgestaltung, Verbundenheit und Selbstwirksamkeit in Gemeinschaft erleben. Das fängt bei der Zeugung an und hört beim Tod auf. Erschwerend kommt natürlich hinzu, dass jeder seine persönlich erlernte Hilflosigkeit in sich trägt, und um wirklich gestalterisch wirksam zu werden, ist es sinnvoll, dieser eigenen Geschichte Zeit und Aufmerksamkeit zu widmen. Denn ein nachhaltiger Wandel im Außen ist nur durch eigene innere Bewusstseinsarbeit möglich.

Sei Du der Wandel, den Du in der Welt sehen willst.(Mahatma Ghandi)

Dieser notwendige Wandel braucht Zeit und viele Veränderungen und vor allem ein Selbstbewusstsein der Menschen, dass ihnen Mitbestimmung, Meinungsfreiheit und Menschenrechte zustehen. Natürlich, und damit meine ich das im wörtlichen Sinne und beziehe mich auf den Anfang dieses Beitrags, haben wir das Recht über unser Leben zu bestimmen, insofern das niemanden und/oder der Erde schadet. Es steht mir auch zu, dass Dinge, die mich betreffen, von mir mitentschieden werden und ich transparent und ohne Meinungsmache darüber informiert werde. Es reicht mir nicht aus, alle 4 Jahre ein Kreuz zu machen und damit Menschen Macht zu verleihen, die überwiegend krankhaft narzistisches Verhalten aufweisen und an eigener Machterhaltung oder -Erweiterung mehr interessiert sind als am Gemeinwohl. Viele dieser Leute sind nicht in der Lage bei Bundestagsdebatten einander zu zuhören. Sie rufen in die Redebeiträge der Anderen hinein und das Ganze ist soweit entfernt von weisen Entscheidungsträger*innen wie die Erde vom Mond.

Es reicht mir auch nicht aus, von oben herab mit Verordnungen belegt zu werden, die ohne Evidenz sind und meine Grundrechte einschränken. Ich komme mir manchmal vor, als würden mir die Eltern wegen eines nahenden Sturms Stubenarrest erteilen und obwohl ich in der Lage bin das Wetter einzuschätzen und es keine Anzeichen für einen Sturm gibt, soll ich drinnen bleiben und Angst vor einem Sturm haben. Und das bei wochenlangem Sonnenschein. Nein, Danke!

Ich bin dafür, dass wir diese, über Jahrhunderte fest zementierten und in jeder Zelle wohnenden Hierarchien in ein solidarisches, respektvolles, verbundenes und die Natur (und damit sind auch alle Menschen gemeint) achtendes Miteinander verwandeln und jeder von uns sich aktiv, kreativ und seiner Persönlichkeit entsprechend in die Gestaltung unseres gemeinsamen Lebens einbringt. Ich glaube wir sind in der Lage eine Welt zu erschaffen, die erfüllender und schöner ist, als wir uns zurzeit vorstellen können. Und ich ende hier mit dem Verweis auf unsere erdverbundenen Vorfahren. Die Irokesen des nordamerikanischen Kontinents verfolgten das sogenannte 7. Generationen Prinzip:

Das von den Ureinwohnern Amerikas gelehrte Prinzip der “7. Generation” besagt, “dass wir bei jeder persönlichen, staatlichen oder unternehmerischen Entscheidung berücksichtigen müssen, wie sie sich auf unsere Nachkommen sieben Generationen in der Zukunft auswirken wird. Damit der unberührte Himmel, das Feld und die Berge auf diesem Foto immer noch da sind, damit sie sich daran erfreuen können“ (3).

Lasst uns zu so einem radikalen Verständnis von Nachhaltigkeit zurückkehren und unsere wichtigen Entscheidungen mit Bedacht auf die kommenden 7 Generationen und deren Wohlbefinden treffen. Sie haben es verdient.

Quellen:

  1. Aufsatz “die ursprüngliche Wohlstandsgesellschaft” von Marshall Sahlins (deutsch) und Jochen Schilk, https://oya-online.de/article/read/195.html?highlight=schilk

  2. (https://de.wikipedia.org/wiki/Erlernte_Hilflosigkeit)

  3. https://mollylarkin.com/what-is-the-7th-generation-principle-and-why-do-you-need-to-know-about-it-3/

Das Buch „Strategien der Natur“ von Erwin Thoma wird in diesem Zusammenhang empfohlen.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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Dieser Artikel erschien zuerst am 17.11.2020 bei blog.bastian-barucker.de

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Bildquelle: TORWAISTUDIO / shutterstock

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