Wikileaks und Wikipedia | Von Dirk Pohlmann

Ein Kommentar von Dirk Pohlmann.

Wikipedia feiert Geburtstag – und alle feiern mit. ZDF Heute, Tagesschau, Deutschlandfunk, Süddeutsche Zeitung, Heise Online, WDR, NDR, Rheinische Post, alle jauchzen und jubilieren, finden nur Gutes in und am Online-Lexikon. Es sei die einzige nichtkommerzielle Webseite unter den 20 größten der Welt, ein großartiges offenes Gemeinschaftsprojekt. Wikipedia sammle das Wissen der Welt und stelle es kostenlos zur Verfügung.

Arte, der beste Sender des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, sendete unter dem Titel „Das Wikipedia Versprechen“ eine Dauerwerbesendung für Wikipedia. Der einzige Kritikpunkt in dem lobhudelnden Stück stammt aus der PR-Abteilung von Wikipedia selbst. Die angebliche Enzyklopädie leide unter einem Mangel an Frauen und People of Color. Ansonsten? Alles bestens. Danke der Nachfrage.

Wikileaks hat eine ganz ähnliche Zielrichtung wie angeblich Wikipedia, es will freien Zugang zu Informationen bieten, die öffentliche Angelegenheiten betreffen. Es ist eine Art Babyklappe für Whistleblower, sie können dort Informationen hinterlegen, die sie veröffentlicht sehen wollen, über kriminelle Machenschaften von Regierungen, staatlichen Institutionen und Konzernen. Erinnert sei an das Collateral Murder Video, in dem das sinnlose Abschlachten von irakischen Zivilisten und Journalisten mittels eines US Kampfhubschraubers zu sehen ist. Auch das gehört zum Wissen der Welt. Wikileaks ist 14 Jahre alt. Der Gründer von Wikileaks, Julian Assange kämpft im Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh, auch das britische Guantanamo genannt, um sein Überleben. Der UN Sonderberichterstatter Nils Melzer hat die Haftbedingungen von Julian Assange als lebensbedrohliche Folter bezeichnet. Assange droht die Auslieferung in die USA, wo ihn eine mehr als lebenslange Haftstrafe in einem Hochsicherheitsgefängnis erwartet. Die britische Richterin Baraitser hat die Auslieferung abgelehnt. Aber nur wegen der brutalen Haftbedingungen in den USA, die Anklagepunkte der US Behörden hat sie alle als rechtens bezeichnet. Wenn die USA also ein Zugeständnis beim Gefängnis machen… Das ist die eine Möglichkeit, um Julian Assange für immer verschwinden zu lassen, als statuiertes Exempel für jeden Journalisten. Die andere: Die USA haben gegen die Entscheidung Berufung eingelegt. Falls der vorerkrankte Julian Assange im verseuchten Belmarsh nicht an Covid-19 stirbt, will er sich das Leben nehmen, falls er ausgeliefert wird.

Warum wird Wikipedia gefeiert und warum soll Wikileaks vernichtet werden?

Wikipedia ist ein weltweites Monopolunternehmen. Keine andere Webseite ist in der Wirkung vergleichbar. Die Wikipedia verspricht, wesentliche und objektive Information zu liefern. Sie ist die Nummer 13 der am meisten angeklickten Webseiten der Welt. Sie ist damit ein Machtinstrument mit einzigartiger Wirkung. Wer in der Wikipedia seine Weltsicht durchsetzen kann, beherrscht den Diskurs, egal ob bei politisch relevanten oder bei naturwissenschaftlichen Themen, die eine politische Komponente haben, wie Glyphosat, Covid-19 oder Künstliche Intelligenz. Der Eintrag einer Person in Wikipedia bestimmt wesentlich ihr Ansehen in der Öffentlichkeit. Wer schnell etwas über einen Menschen erfahren will, wird als ersten Suchtreffer in Google dessen Wikipedia-Eintrag finden. Der Wikipedia-Eintrag ist also der erste Eindruck, für den es keine zweite Chance gibt.

Mit anderen Worten: Wer Wikipedia beherrscht, beherrscht auch die öffentliche Meinung und das Framing. Wie wird ein Thema definiert? Wer ist gesellschaftlich anerkannt? Von wem und von welchen Gedanken sollte man sich besser fernhalten? Es ist klar, dass diese einzigartige Machtfülle zur Manipulation einlädt. Es ist klar, dass über die Wikipedia manipuliert wird.

Ab den 50er Jahren kontrollierte die CIA in der Operation Mockingbird in den USA mehr als 3000 Journalisten, die in allen wichtigen Medien, in Presse, Radio und Fernsehen, die die Weltsicht der CIA-USA in den Äther pumpten. Bezahlt, aus Überzeugung, egal, Hauptsache das Ergebnis war, dass die Mediennutzer auf jeden Fall von der CIA beeinflusst werden konnten. Die CIA hatte damit nicht die volle Kontrolle über die Presse, aber sie konnte die Berichterstattung wesentlich beeinflussen, sie konnte Themen setzen und die Bewertung dieser Themen immer auch im Sinne der CIA steuern. Das entsprach nicht den Regeln der Demokratie, in der die Ausdrucksfreiheit ein zentrales Element und Grundrecht ist, ein lebendiger Marktplatz der Meinungen ist die unverzichtbare Grundlage der Demokratie. Eine Demokratie müsste also diesen Kernbereich unbedingt schützen.

Aber warum ließen es die USA und andere westliche Staaten dann zu, dass dieser Kernbereich der Demokratie von einem Geheimdienst manipuliert wurde, statt vom Staat geschützt zu werden? Der Staat hat in der Demokratie nicht nur die Aufgabe, die Ausdrucksfreiheit und den Marktplatz der Meinungen zu schützen, mehr noch, er muss sogar seine reale Funktionsfähigkeit garantieren, sich aber gleichzeitig aus dem Meinungsbildungsprozess heraushalten. Staatsmedien sind in der Demokratie verboten, Medien müssen in Deutschland sogar staatsfern sein, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, sonst sind sie verfassungswidrig.

Aber warum existiert dann in der Wirklichkeit das Gegenteil der Vorschriften und niemand im Staat interessiert sich dafür?

Warum wird ein weltweites, westlich dominiertes Monopol wie die Wikipedia von den demokratischen Staaten zugelassen? Ein Medium, das, wenn es manipuliert wird, eine einzigartige Gefahr für alle Demokratien der Welt darstellt? Warum lassen Demokratien es zu, dass es zu diesem Monopol überhaupt kommen konnte?

In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es keinen einzigen Rundfunksender geben darf, der einer Machtgruppe oder dem Staat ausgeliefert ist. Warum ist dann das Wikipedia-Monopol nicht nur zulässig, sondern wird anlässlich des 20. Geburtstages auch noch gefeiert? Auch von den Medien, denen auffallen müsste, dass hier eine große Gefahr für die Demokratie zu ungeheuren Dimensionen angewachsen ist? Eine Struktur, in der anonym manipuliert werden kann? Oder ist es nur eine Befürchtung, dass in der Wikipedia manipuliert wird?

Gibt es Belege dafür, dass in Wikipedia Machtmissbrauch existiert? Natürlich. Markus Fiedler und ich haben sie für die deutsche Wikipedia in jetzt 47 Folgen von Geschichten aus Wikihausen aufgetürmt. Kollegen wie Helen Buyniski haben das für die englischsprachige Wikipedia en gros und en detail nachgewiesen.

Es gibt mittlerweile drei deutsche Gerichtsurteile, in denen Gerichte in diesem Sinn geurteilt haben, zum Beispiel, dass es kein Recht auf Anonymität in der Wikipedia gibt, wenn man dort an der Meinungsbildung teilnimmt, und das auch noch manipulativ.

Gerade hat ein deutsches Gericht zum ersten mal überhaupt einen Wikipedia-Autor verurteilt – wegen eines manipulierten Eintrages zu insgesamt 8000 Euro Strafe und 6000 Euro weiteren Kosten wegen Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte. Verurteilt wurde Feliks, also Jörg Grünewald, den Markus Fiedler und ich nach mühseliger Recherche enttarnen konnten, wogegen er sich in zwei Gerichtsverfahren gewehrt hat und in beiden Verfahren je in 8 von 9 Punkten verlor. Die beiden Punkte, in denen er recht bekam, waren in den beiden Verfahren unterschiedlich. Um diesen letzten Punkt haben wir ein Gerichtsverfahren begonnen. Hätten wir ihn nicht enttarnt, wäre das Gerichtsverfahren nicht möglich gewesen, Wikipedia hätte ihn nicht preisgegeben.

Feliks hat als Mitglied der Linkspartei und ehemaliger Bundestagskandidat der PDS Mitglieder der Linken je nach Nähe zu seinem antideutschen Flügel anonym hoch oder heruntergeschrieben. Er hat als deutscher Wehrdienstverweigerer und Freiwilliger der israelischen Streitkräfte die militärische Außenpolitik des Staates Israel in Wikipedia schöngeschrieben. Er hat also seine wenig erfolgreiche politische Aktivität unter dem Deckmantel der lexikalischen Objektivität in die Wikipedia verlegt und dort manipuliert.

Er hat nach den beiden verlorenen Gerichtsverfahren zur Strafe mehrere unserer Zeugen denunziert, auch in der Wikipedia verleumdet und wirtschaftlich geschädigt, wofür er jetzt als erster deutscher Wikipedia-Autor überhaupt durch Klage eines der Betroffenen zu Schadenersatz und Schmerzensgeld verurteilt wurde.

All diese Manipulationen geschahen und geschehen unter Schutz und Deckung einer mächtigen Kerngruppe in der Wikipedia, zu der er gehört und die das Online-Lexikon dominiert – worüber anlässlich des 20. Geburtstages der Wikipedia nicht berichtet wurde. Obwohl auch in einer Studie der US Purdue Universität aus dem Jahr 2015 festgestellt wurde, dass 1 Prozent der Autoren 77 Prozent der Inhalte produzieren und sich wie eine religiöse oder politische Machtgruppe verhalten, deren höchster Lohn ihre Definitionsmacht ist.

Eine Machtgruppe in und außerhalb der Wikipedia, die als Rache für die Gerichtsurteile auch meinen Kollegen Markus Fiedler bearbeitet hat. Ein antideutsches Mitglied der deutsch-israelischen Gesellschaft hat einen Brief an die Waldorfschule geschrieben, in der Markus Fiedler als Biologielehrer und Musiklehrer gearbeitet hat.

In dem Brief, der auch an den Bund der Waldorfschulen, an das Kultusministerium, an den NDR und diverse andere Medien ging, wurde Markus Fiedler unter anderem als Antisemit denunziert. Seine Waldorfschule hat ihm daraufhin gekündigt. Die TAZ hat einen üblen Artikel geschrieben, der ihr per einstweiliger Verfügung untersagt wurde. Ob der Bund der Waldorfschulen sich in der Sache gegen Fiedler ausgesprochen hat, ist noch unklar, meine Anfrage wurde noch nicht beantwortet, es ist aber wahrscheinlich. Denn der Bund der Waldorfschulen hatte nach Druck aus derselben Richtung bereits einen Brief an alle Waldorfschulen geschrieben, dass ehemalige Waldorfschüler und “Verschwörungstheoretiker” wie Ken Jebsen und Daniele Ganser nicht mehr an Waldorfschulen eingeladen werden sollten.

Der Bund der Waldorfschulen sucht die Nähe zu anderen politischen Kräften. Sogar zur Amadeu Antonio Stiftung und Psiram, das Waldorfschulen und Anthroposophie als einen Hauptfeind definiert hat und ausdrücklich bekämpft. Der Bund der Waldorfschulen reagiert, wie bereits im 3. Reich auf Druck mit Anpassung an die herrschenden Kräfte.

Bei den Feiern zum hundertjährigen Jubiläum der Waldorfschulen durfte der grüne Bundestagspolitiker, Bundeswehrfan und Verfechter von Auslandseinsätzen der Bundeswehr Cem Özdemir eine Laudatio halten. Auf die Bühne geholt von dem gleichen Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Waldorfschulen, die vor Ken Jebsen und Daniele Ganser warnen. Und möglicherweise auch in die Kündigung von Fiedler involviert sind. Eine Stellungnahme steht wie gesagt noch aus.

Das ist ein großer Erfolg für die Machtstruktur, die Wikipedia beherrscht, nach den Katastrophen vor Gericht. Aber was wirklich zählt, ist die politische Wirksamkeit und die ist bei der Wikipedia größer denn je. Unterstützt vom Jubelchor der Mainstream-Medien. Niemand hat über die Rache der antideutschen Wikipedianer berichtet, sie hören und lesen gerade den ersten Bericht zum Thema. Er ist in den Wind gesprochen, ohne Macht. Herrschen und Entlassen tun andere.

Die Herrscher und ihre Unterstützer sorgen auch dafür, dass Julian Assange zur Vernichtung freigegeben ist, als Abschreckung für alle Journalisten, die als Jagdhunde ihrem Beruf nachgehen, statt als Schoßhunde den Mächtigen zu dienen.

Wenn der Australier Julian Assange seit 10 Jahren als politischer Gefangener verfolgt werden kann, wenn er wie kein Drogenbaron, Diktator oder IS Mörder, mit denen die CIA ja im Gegenteil gerne zusammenarbeitet, verfolgt wird, wenn er als Vergewaltiger denunziert werden kann, wenn er in einem Schauprozess vorgeführt und gedemütigt werden kann, dann dient das dazu, klarzustellen, dass es jedem Journalisten widerfahren kann. Jeder Journalist, egal aus welchem Land des US-Großraumes er stammt, muss mit dem Foltertod im Kerker rechnen, wenn er über Kriegs- und andere Verbrechen der USA berichtet. Es dient dazu, den Medien zu drohen. Und die reagieren wie der Bund der Waldorfschulen auf den Meinungsterror der Antideutschen.

Es dient dazu, die bisher wirksamste Struktur zur Verbesserung der Wirksamkeit der Medien als Kontrollfaktor zu zerstören, die in diesem Jahrhundert entstanden ist, nämlich Wikileaks. Wikileaks war wie eine Nachrichtenagentur, die über Verbrechen aufklärte. Sie katapultierte die Fähigkeit der Medien, ihre vielbeschworene Rolle als Vierte Gewalt auszuüben, in neue Umlaufbahnen. Wikileaks war ein Quantensprung für die Kontrollfunktion der Medien und der Selbstreinigungskräfte der Demokratie.

Deswegen wird Wikileaks bekämpft – weil es der Demokratie nützt. Deswegen wird Wikipedia gefördert – weil es der Demokratie schadet. Beides dient der Kontrolle der Öffentlichkeit. Deswegen dürfen sich Facebook, Twitter, YouTube und die anderen Organe der neuen IT-Finanz-Diktatur des Westens anmaßen, darüber zu entscheiden, wer seine Ansichten kundtun darf. Eventuell darf das nicht mal ein Präsident der USA, der angeblich mächtigste Mann der Welt.

Sogar der kann einfach abgeschaltet werden. Ohne ein rechtsstaatliches Verfahren. Das ist Willkürherrschaft, egal, was man von Trump hält. Es kann jeden treffen. Niemand ist sicher vor diesen neuen Diktatoren und ihren Lakaien in den Medien, die den Jubelhintergrund für die Maßnahmen dieses neuen Tugendausschusses liefern. Wo sind eigentlich die Konservativen, die sonst immer den Rechtsstaat bewahren müssen, bis zum letzten Blutstropfen?

Es hätte den Zerstörern des ehemals kritischen öffentlich-rechtlichen Mediensystems auffallen können, dass das Problem der Filterblasen, der Krebs der Demokratie, nie angegangen wurde. Die neuen sozialen Medien stellen aus kapitalistischen Interessen durch Algorithmen sortenreine Gruppen her, die sich als Werbekundschaft gut an andere Konzerne verkaufen lassen. Der Handel mit den Daten ihrer Kunden ist ihr Geschäftsmodell, die Bereitstellung von Inhalten nur das Lockmittel, um an die Daten zu kommen. Die Megakonzerne der sozialen Medien steigern das Wohlbefinden ihrer Konsumenten, die nur noch von Unterstützern ihrer eigenen Ansichten umgeben sind und die Verteilung der Ansichten nicht mehr entsprechend der Realität wahrnehmen, sondern entsprechend der durch die Algorithmen der sozialen Medien produzierten Scheinwelt. Es geschieht zu dem Zweck, Daten und Erkenntnisse über ihre Persönlichkeit auszubeuten.

Das ist eine der schlimmsten Gefahren für die Demokratie. Es zerstört den Marktplatz der Meinungen – genau wie die Wikipedia oder die Vernichtung von Wikileaks. Es ist ein noch systematischerer Angriff auf die Demokratie. Da im Wertewesten US-amerikanischer Prägung aber nicht die Demokratie das wichtigste Element des Systems ist, sondern der Kapitalismus, kann der im Zweifelsfall die Demokratie dominieren, darf sie beschädigen oder sogar zerstören.

Wären die sogenannten Demokratien echte Demokratien, würde jetzt gegen die Machtübernahme des IT-finanziellen Komplexes vorgegangen, würden die Macht von Google, Microsoft, Twitter, Facebook, Wikipedia, Amazon und anderen gebrochen, sie würden zerschlagen und in kleinere Unternehmen aufgeteilt werden, die sich Konkurrenz machen, statt Monopole zu begründen.

Lebten wir in einer Demokratie, würden die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland und das gesamte Mediensystem aller Demokratien bis zur Funktionsfähigkeit reformiert werden.

Und keine der drei Staatsgewalten und auch die vierte Gewalt, die nicht zu diesen Gewalten gezählt werden darf, weil sie staatsfern zu sein hat – insofern ist der Begriff falsch – keine dieser Gewalten würde tatenlos zusehen, wie sie entmachtet werden, wie ein Zeitlupenputsch durchgeführt wird.

Wenn es um die Demokratie ginge. Oder geht es nur um den Kapitalismus und seinen Great Reset?

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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Bildquelle: Sharaf Maksumov / shutterstock

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