Wer die Wahrheit verschweigt…

Weiter so im politischen Kabarett: Nach der Landtagswahl im Saarland wundert sich die Linke und sucht die Schuldigen für ihre Schlappe woanders. Ihre eigene Unehrlichkeit blendet sie aus.

Debattenbeitrag von Susan Bonath.

Die Grünen sind raus, die AfD drin. Die Linkspartei unter Oskar Lafontaine wird im Wahlkampf postulierte Fantasien von einem Regierungsbündnis mit der SPD begraben müssen. Letztere dürfte sich erneut der CDU an den Hals werfen, die als Wahlsieger jubelt. Zusammen ergatterte die in den Startlöchern stehende kapitalistische Einheitskoalition gut 70 Prozent der Stimmen. Das politische Kabarett an der Saar geht weiter. Die Futtertröge für die nächsten fünf Jahre sind gesichert. »Wir wollen dafür sorgen, dass es eine Handlungsfähigkeit der Regierung sehr schnell wieder gibt«, sagte SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger kurz nach der Wahl gegenüber »Zeit online«. Denn dies sei »ohne Wenn und Aber« der Wunsch der CDU.

Die Linke ist derweil auf der Suche nach Schuldigen. Sie sucht überall, nur nicht bei sich selbst. Zuvorderst knöpft sie sich die SPD vor. Die habe keine klaren Ansagen zu Rot-Rot gemacht, kritisierte Linke-Chefin Katja Kipping am Montag im ZDF-Morgenmagazin. »Das hat gereicht, um Angstmache dagegen zu befeuern, aber nicht, um Begeisterung dafür zu entfachen, wie eine mögliche Gerechtigkeitswende, ein Politikwechsel aussieht«, schimpfte sie sehr unkonkret. Für den Linke-Co-Chef Bernd Riexinger war es gar der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz persönlich, der den Linken das Wasser für eine Mitregierungsoption abgegraben habe. Ein »Schulz-Hype« ersetze eben keine klaren Ansagen, so Riexinger.

Ganz so einfach ist es nicht. Selbstverständlich ahnt die potentielle Wählerklientel der Linken – vor allem die materiell Abgehängten -, längst, dass parlamentarisches Geplänkel nichts Grundlegendes für sie verändern kann, ob eine Linke nun mitregiert oder nicht. Berlin, Brandenburg und Thüringen haben es zur Genüge unter Beweis gestellt. 30 Prozent der Wahlberechtigten waren gar nicht wählen. Ein Zehntel der Gesamtbevölkerung im Saarland ist auf Hartz IV angewiesen. Wer wählt, dem geht es um seine ganz persönlichen Interessen. Die der Armen wurden von einem »demokratischen Parlament« in diesem System noch nie vertreten. Den meisten, die nicht arm sind, ist das auch nicht so wichtig.

So buhlt die abstiegsängstliche Mittelschicht um Parteien, von denen sie glauben, dass sie die Marktwirtschaft jeweils individuell ihrer Situation gemäß im Griff haben.  Andere wählen seit 50 Jahren dieselben, ohne nachzudenken. Es läuft ja irgendwie noch alles – für sie. Veränderung ist das nicht, nur ein seichtes Hin- und Herschieben des Ruders beim Weiter so. Vielleicht beglückt ein anderer Politiker mal andere Bonzen mit Fördermitteln. Oder er sorgt ganz außer der Reihe für eine weitere verkehrsberuhigte Zone in einer Nobelsiedlung. Das alles ändert für die Armen nichts. Die werden mehr, auch im Saarland.

An dieser Stelle wird die Linkspartei unehrlich. Sie tut, als könne sie am Ruder einfach ein paar Schrauben drehen, und alles würde besser. Auf Bundesebene fordert sie mehr Unterstützung für Erwerbslose und Armutsrentner. Was sie verschweigt und fast jeder weiß – nur jeder anders interpretiert – ist: Die kommunalen Kassen sind leer. Die Landeskassen sind leer. Immer dreister greift der Staat in den Beutel der »kleinen Leute«. Am fehlenden Geld liegt es nicht, aber daran, dass es systembedingt nach oben versickert. Höhere Steuern für Vermögende und Unternehmenserben, die das aufhalten sollen? Das wäre Bundes- und nicht Landessache. Doch die Linke verschweigt auch: Die Kapitalbesitzer würden das eben so wenig dulden, wie sich ihre langjährigen Pressesprecher in der Politik so mir nichts, dir nichts vertreiben ließen.

Und so verkommt das von allen Parteien gepredigte »Wir verändern was im Parlament« zur reinen Floskel eines diffusen kapitalistischen Einheitsbreis. Die einen wollen den Markt noch rabiater machen, die anderen dazu noch Flüchtlinge vertreiben und Kirchenkreuze aufhängen, als würde dadurch irgendetwas besser und nicht immer schlimmer. Die SPD lügt seit 100 Jahren, sie täte etwas für die Arbeiter und macht doch stets das Gegenteil. Und eine Linke? Wäre sie wirklich links, würde sie dazu aufrufen, den seit langem tobenden Klassenkampf von Oben gegen Unten umzukehren. Dazu ist sie aber viel zu feige. Da ist das eigene Geschäft im System dann doch wichtiger. Da lohnt es sich, die Wahrheit zu verschweigen.

Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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