Warum ließ Merkel über eine Millionen Geflüchtete nach Deutschland?

Von Kaveh Ahangar.

Viele haben sich gefragt, wie es sein kann, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel über eine Millionen Geflüchtete ins Land gelassen hat und dafür selbst von Lafontaine, Wagenknecht & Co. von rechts überholt und mit populistischen und flüchtlingsfeindlichen Aussagen kritisiert wurde. Als Ursachen wurden bisher hauptsächlich biographische Motive wie die DDR-Vergangenheit oder ihre Empathie für Geflüchtete herangezogen. Dass Merkel aus humanistischen Erwägungen die Schutzsuchenden hereinließ, ist jedoch wenig überzeugend.

Das belegt ihre neoliberale Agenda, welche die Schere zwischen Arm und Reich verstärkt, der Verkauf deutscher Rüstungsgüter den sie gewissenlos vorantreibt, die deutsche Wirtschafts-und Außenpolitik, welche die Menschen des globalen Südens (z.B. afrikanische Bauern) und Europas (v.a. in Griechenland) in die Armut treibt oder zuletzt der Deal mit der Türkei, dessen Präsident die Kurd*innen im Südosten des Landes tyrannisiert, im Gegenzug für sechs Milliarden Euro von der EU Geflüchtete nicht mehr nach Europa weiterziehen lässt und über ein Dutzend Geflüchtete durch Grenzpolizisten erschießen ließ (darunter mindestens 3 Kinder).

Was hat Merkel also dazu bewegt so viele Menschen hereinzulassen? Zum einen sind Grenzschließungen zu kostspielig und personell kaum durchsetzbar, da Deutschland viele hundert Kilometer “grüne Grenze” besitzt. Hinzu kommt, dass die deutsche Wirtschaft sich aufgrund der ungünstigen demographischen Entwicklung sorgen um ihre Profite macht: Im Jahr 2060 werden nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes noch 68 bis 73 Millionen Menschen in Deutschland leben.

Das hat auch katastrophale Folgen für die Rentenpolitik und Wettbewerbsfähigkeit. Geflüchtete bilden außerdem einen Pool an billigen Arbeitskräften. Besonders illegale Geflüchtete können mit Niedriglöhnen abgespeist werden oder bekommen erst gar keinen Lohn ausgezahlt.

Die Hauptursachen für Merkels Politik liegen aber darin, den Warenverkehr unbeeinträchtigt zu lassen. Auf die Frage warum es für sie ausgeschlossen sei, die deutsche Grenze für eine überschaubare Zeit zu schließen, antworte sie vor kurzem: „Ich will das Schengen-System erhalten, von dem Deutschland wie kein zweites europäisches Land profitiert. Manche unterschätzen, wie wichtig Schengen für uns alle ist, wie sehr unser Wohlstand davon abhängt, dass wir Freizügigkeit im Personen- wie im Warenverkehr haben. Es lohnt sich definitiv, alle Anstrengung auf die Sicherung der EU-Außengrenzen zu lenken.“ (Badische Zeitung, 16.2.16)

Als Lobbyistin deutscher Kapitalinteressen bekommt Merkel dafür Rückenhalt von der Wirtschaft. Denn Obergrenzen und Grenzkontrollen hätten fatale Konsequenzen für die europäische Binnenwirtschaft. Dies würde dem Vize-Exportweltmeister Umsatzeinbrüche in Milliardenhöhe und Arbeitsplatzverluste bescheren und zudem die pünktliche Warenlieferung deutlich erschweren.

Denn etwa 80 Prozent des Handelsvolumens von Deutschland mit anderen EU-Ländern verläuft über die Landwege. Die Flüchtlingspolitik hat also nichts mit Merkels angeblichem „Mutter-Theresa-Komplex“ zutun, auch wenn sie sich selber gerne als fürsorgliche Kanzlerin hochstilisiert. Die Gründe für ihre Entscheidungen sind struktureller Natur und sollen das EU-Projekt retten, dessen Grundpfeiler aus einer Einheitswährung und der nahtlosen Durchsetzung des Kapital- und Warenverkehrs bestehen.

Dieser Artikel erschien bei: Kaveh Ahangar auf Facebook.

 

Danke an den Autor für das Recht der Zweitverwertung.

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