Vom Staat konfisziert

Geflohen und enteignet: Flüchtlinge müssen an der deutschen Grenze ihre geretteten Habseligkeiten abgeben. Nur ein winziger Selbstbehalt wird ihnen gelassen.

Von Susan Bonath.

Ob wirtschaftlicher Niedergang oder Krieg, inklusive schwindender (Über)Lebensperspektiven: Wer flüchtet, nimmt mit, was er tragen kann und versucht, was er hat, irgendwie zu Geld zu machen. Die Angst, alles zu verlieren und komplett von anderen abhängig zu sein, wer kennt sie nicht? Flüchtlinge trifft es bei der Ankunft nicht nur in Dänemark oder Schweiz besonders hart. Auch in Deutschland gilt: Des Flüchtlings Hab und Gut wird bis auf das Allernötigste vom Staat konfisziert, egal, ob er bleibt oder nicht.

Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bayern-und-baden-wuerttemberg-polizei-nimmt-fluechtlingen-bargeld-ab-a-1073089.html

Der Freistaat Bayern beziffert den kärglichen »Selbstbehalt« mit 750 Euro. Alles darüber hinaus kann ihm die Polizei bei der Einreise und vor der Unterbringung abnehmen. Das räumte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) auf Presseanfragen am Donnerstag ein. In Baden-Württemberg lassen die Behörden Neuankömmlingen noch weniger übrig. Das Bundesland hat die Obergrenze für »Vermögen« auf 350 Euro festgelegt. Im Dezember hätten Beamte Betroffenen bis zu vierstellige Beträge oder Gegenstände in diesem Wert abgeknöpft.

Dies geschehe im Sinne des Bundesrechts, erklärte die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (SPD) der »Bild«. Folglich ist es jedem Bundesland erlaubt, die Menschen vor der Erstaufnahme quasi zu enteignen. Eine Anfrage, wie es im Einzelnen in der Bundesrepublik aussieht, wollte das Innenministerium nicht beantworten. Das Arbeitsministerium sei zuständig, hieß es. Von dort steht eine Antwort noch aus.

Özoguz: »Wer bei uns einen Antrag auf Asyl stellt, muss vor der Hilfegewährung grundsätzlich Einkommen und Vermögen aufbrauchen.« Auch Wertsachen, etwa der Familienschmuck, gehörten dazu. Beim Flüchtling spielt es dabei keine Rolle, ob er überhaupt die Chance auf Aufnahme hat. Zurück bekommt er nichts. Özoguz stellte darum ein häufig zum Zweck der Entrüstung verbreitetes Vorurteil klar: Keinem Asylbewerber gehe besser als einem Hartz-IV-Bezieher.

Tatsächlich ist es sogar eher umgekehrt. Immerhin wird jenen, die Hartz IV beantragen müssen, ein Grundfreibetrag von 150 Euro pro Lebensjahr an Erspartem zugestanden. Ebenso dürfen Betroffene eine »angemessene« Eigentumswohnung oder ein Haus mit weniger als 80 Quadratmeter Wohnfläche (noch) behalten. Das soll keineswegs die Repressalien, die mit dem einen und dem anderen verbunden sind, verharmlosen. So können letztere mit Androhungen von Sanktionen zu fast jedem Job und jeder Maßnahme gezwungen werden, bezahlt oder unbezahlt, spielt keine Rolle. Flüchtlinge hingegen dürfen nicht arbeiten, bekommen aber größtenteils Sachleistungen: Ein Bett, Essen, Waschmöglichkeiten und, je nach Alter und Familienstand, 84 bis 143 Euro »Taschengeld« im Monat.

Ebenso zeigt sich die deutsche Wut in Foren und Kommentarspalten, wenn die Presse berichtet, »der Staat« habe mal wieder eine Sammelabschiebung finanziert. Dass Flüchtlinge ihre Ausreise gar nicht selbst bezahlen können, weil sie entweder nichts hatten oder ihnen alles abgenommen wurde, fällt in der Regel unten durch. Zudem können deutsche Behörden nachträglich die Erstattung von »Rückführungskosten« von Betroffenen verlangen. Dies tun sie auch nach Möglichkeit, wenngleich entsprechende Berichte selten an die Öffentlichkeit gelangen. 2012 etwa forderten Sie von einem Iraner 5.157,50 Euro zurück. http://www.taz.de/!5101429/

Die Süddeutsche listete 2014 weitere Fälle auf: http://www.sueddeutsche.de/politik/deutsche-buerokratie-zahlen-fuer-die-eigene-abschiebung-1.2144733

 

Danke an die Autorin für das Recht der Übernahme.

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