Unsere Republik wird aus den Angeln gehoben – mit Sicherheit

von Dirk C. Fleck.

Fünf Monate hatte ich meine Ruhe vor der Welt da draußen. Klingt nicht schlecht, aber die reine Freude war es dennoch nicht, da ich mich nach einer Hüft-Operation plötzlich mehrerer lang anhaltender Attacken auf mein Immunsystem zu erwehren hatte. Immerhin hat der schlechte Dauerzustand dazu geführt, dass mir die unverschämten Machenschaften, mit denen uns eine durchgeknallte Politkaste am Gängelband der Wirtschaft fortwährend verarscht, für eine gewisse Zeit verborgen geblieben sind. Den wechselnden Entzündungen der Niere, Blase und Harnwege sei Dank.

Heute nun wage ich endlich den ersten Schritt nach draußen. An Krücken zwar (die man in Gegenwart des Krankenhauspersonals nicht mehr Krücken nennen darf, sondern Unterarmstützen), aber immerhin. Und so steuere ich frohgemut meinem Sehnsuchtsziel zu: dem plüschigen Café an der Ecke meiner Straße. Dort liegen jede Menge aktuelle und alte Zeitungen aus. Was kann es in meiner Situation Schöneres geben, als einen gepflegten Cappuccino bei gleichzeitiger Lektüre diverser Printerzeugnisse, die ja alle über einen ausführlichen Sportteil verfügen, was für mich seit langem der einzige Grund ist, die Blätter überhaupt noch in die Hand zu nehmen. Also blättere ich durch diverse Ausgaben der Süddeutschen, des Hamburger Abendblatts und der Mopo an den Rubriken Politik, Lokales, Wirtschaft und Kultur vorbei bis hin zu Fußball und Tennis. Dabei bleibt mir natürlich nicht verborgen, dass das von unserer „Qualitätspresse“ über Jahre hinweg im Gleichklang praktizierte Russlandbashing an Schärfe und Dummheit noch einmal erheblich zugenommen hat.

Ich muss an meine Ex-Frau Svetlana denken und daran, wie sie sich jetzt wohl fühlt in unserem verhetzten Land. Ich hatte sie bei einem Russlandbesuch kennen und lieben gelernt. Ich erinnere mich gerne an die Zeit, die ich bei ihrer Familie in Kursk verbringen durfte. Vor allem erinnere ich mich daran, wie freundlich, ja herzlich mir ihre Landsleute begegnet sind. Das hatte ich so nicht erwartet. Schon gar nicht in Kursk, der Stadt, die im Würgegriff der Wehrmacht extrem gelitten hatte. Im Sommer 1943 startete die Heeresgruppe Süd unter Generalfeldmarschall Manstein im Kursker Bogen eine letzte Großoffensive, die allerdings scheiterte. In Kursk war der Krieg für Hitler endgültig verloren. Dass ich Svetlana schließlich aus Kursk nach Hamburg holte, und zwar ausgerechnet in die Mansteinstraße, in der ich wohne, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie…

DIE GNADE DER AHNUNGSLOSEN

Aber zurück zu meiner Zeitungslektüre. Sie verläuft nicht annähernd so entspannt wie erhofft. Da schließt man fünf Monate mal die Augen und schon gibt es ein böses Erwachen. Und daran sind ausnahmsweise nicht die Medienarbeiter mit ihrer fahrlässigen Hetze schuld. Es sind eine Reihe schlichter Meldungen, die mich in eine Art Schockstarre versetzen, sodass ich mein Heil zwischendurch immer wieder in der Betrachtung der jungen Mütter suche, die vor dem Café in einer Art Kinderwagenburg im lockeren Gespräch ihren schläfrigen oder schreienden Nachwuchs in den Armen schaukeln. Welche Gnade es doch ist, keinerlei Ahnung von den rasenden Veränderungen zu haben, die von den Politverbrechern gerade in Szene gesetzt werden. Wie würden die arglos plappernden Mütter wohl reagieren, wenn ihnen bewusst wäre, dass unsere Gesellschaft sich in einem radikalen Umbruch befindet, dass wir alle, noch bevor ihre Blagen das Vorschulalter erreicht haben, einer staatlichen Willkür von orwellschen Dimensionen ausgesetzt sein werden?

Wer das jetzt für arg übertrieben hält- und das werden die meisten sein, die den manipulierten Sauerteig in unserer Gesellschaft bilden- versteht einfach nicht, dass es ihr Desinteresse braucht, um diktatorische Verhältnisse ungeahnten Ausmaßes unter dem Deckmantel der Demokratie zu installieren. Die Billigung einer ängstlichen, auf Sicherheit bedachten Mehrheit ist natürlich die Voraussetzung dafür. Der Verlust an persönlicher Freiheit wird von den meisten Menschen entweder nicht bemerkt oder zumindest akzeptiert, weil sie mit dieser Freiheit nie kreativ umzugehen gelernt haben. Sie bedeutet ihnen nichts.

Auf diesem mentalen Bodensatz- und jetzt komme ich zu der Meldung, die mich bis ins Mark erschüttert- baut der neue Bundesinnenminister Horst Seehofer fast unwidersprochen ein neues Sicherheitsgesetz, das die freiheitliche Grundordnung unserer Republik aus den Angeln hebeln wird, da machen wir uns besser nichts vor. Was der Mann uns jedoch als seine ureigene Idee verkauft, ist in Wirklichkeit eins zu eins abgekupfert, und zwar von den USA, wo Seehofers Träume seit Jahren Realität sind.

SICHERHEIT MADE IN USA

Am 21. Mai 2009 hielt Barack Obama im Nationalarchiv von Washington D.C., wo das Original der amerikanischen Verfassung ausliegt, mit der im Jahre 1787 die politische und rechtliche Grundordnung der Vereinigten Staaten von Amerika festgelegt wurde, eine bemerkenswerte Rede. Eigentlich waren es zwei Reden in einer. In dem ersten Teil seiner Rede fällte Obama ein vernichtendes Urteil über die Amtsführung seines Vorgängers. Er nannte die Politik George W. Bushs eine Katastrophe. Wörtlich sagte er: „Die Bushregierung baute auf die Ängste der Menschen, anstatt eine weitsichtige Perspektive ins Auge zu fassen. Sie erfand das Schreckgespenst des Terrorismus, um auf diese Weise die Bürgerrechte unterhöhlen zu können. Diese Politik war juristisch nicht abgesichert und weder effektiv noch nachhaltig“. Autsch! Aber nur wenige Augenblicke später formulierte er seine eigenen unrechtmäßigen Vorstellungen, wie dem Terrorismus zu begegnen sei. Er segnete ein Verfahren ab, das er „Prolonged Detention“ nannte – anhaltende Inhaftierung.

Viele von uns werden sich noch an den Hollywood-Blockbuster Minority-Report von 2002 mit Tom Cruise erinnern, in dem Steven Spielberg Regie führte. Cruise war ein Cop der Washingtoner Polizei und arbeitete für das Departement of Precrime, in der Menschen beschäftigt waren, die über telepathische Fähigkeiten verfügten und Verbrechen voraussehen konnten. Präkognition heißt das. Sobald die Precogs genannten Hellseher eine Vision hatten, in der ein Verbrechen vorkam, wurden Cruise und seine Greifertruppe losgeschickt, um die Menschen zu verhaften, die in Verdacht standen, kriminell zu werden. Der Film spielt im Jahr 2054. Ich erinnere mich an eine Szene, in der Tom Cruise einen Mann in dessen Wohnung zu Boden drückt, während er ihm den Grund des Überfalls erklärt: `Heute ist der 7. Januar. Ich verhafte Sie wegen Mordes am 27. Januar um 21 Uhr, 12 Minuten und 7 Sekunden`.`Das können Sie nicht tun,` schrie sein Opfer, ´ich habe nichts getan!`

Er hat nichts getan, aber sie haben ihn. Ein Mörder aus der Zukunft. Unheimlich, oder? Man steckt jemand ins Gefängnis, nicht für das, was er getan hat, sondern für das, was er eventuell noch tun wird.

In der besagten Rede äußerte sich Obama unter anderem wie folgt zur Prolonged Detention. „Es gibt eine Reihe von Leuten, die man zwar nicht wegen bereits begangener krimineller Taten verhaften kann, aber von denen man vermuten darf, dass sie die noch ausführen werden. Für die Sicherheit der Vereinigten Staaten ist eine solch vorbeugende Maßnahme von großer Bedeutung. Indem wir die Verdächtigen festnehmen, hindern wir sie daran, uns anzugreifen.“

Willkürliche Festnahmen aus Gründen der Nationalen Sicherheit. Unbefristete Gefängnisstrafen ohne Gerichtsurteil. Das ist so ganz nach dem Geschmack unseres neuen Heimatministers, denn was für die USA gut ist, kann für ihren Vasallenstaat im Herzen Europas nicht schlecht sein. Fehlt nur noch, dass sich Seehofer demnächst im Bundestag aus Obamas Rede bedient, wenn er das neue Gesetz mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung versieht. Das würde dann so klingen: “Was die neuen Polizeigesetze betrifft, so hat die Bundesregierung das juristische Umfeld neu justiert, damit wir sicher sein können, dass die Maßnahmen sich mit dem geltenden Recht vereinbaren lassen“.

Obama ist ein auf das US-Verfassungsrecht spezialisierter Rechtsanwalt von Beruf. Das hinderte ihn nicht daran, die Gesetze aufs Gröbste zu missachten. Er bastelte  sich einfach ein neues Recht, das seine Schweinereien legalisierte. Oder ist es etwa keine Schweinerei, wenn es dem Staat erlaubt ist, jeden x-beliebigen Bürger auf Verdacht ohne Gerichtsurteil unbegrenzt festzusetzen? Finden die Amerikaner nicht. „Für all diejenigen,“ so Obama 2009 im Nationalarchiv von Washington, „die amerikanisches Leben vernichten oder zu vernichten beabsichtigen, haben wir Unterkünfte abseits unserer Städte geschaffen, Trainings Camps, in denen die kriminellen Subjekte zur Besinnung kommen sollen“. 

Diese Konzentrationslager existieren, sie befinden sich in den Wüsten Nevadas, im Ödland Oklahomas und anderer Bundesstaaten. Die  sogenannten FEMA-Camps sind für 15 Millionen Menschen ausgelegt. Offiziell wurden sie als Auffanglager für die Opfer von Naturkatastrophen errichtet. Das folgende Video hilft, die wahre Bedeutung der Camps zu verstehen. Aber Vorsicht: wer diese Fakten zitiert läuft sofort Gefahr, als Verschwörungstheoretiker diffamiert zu werden. Ich befürchte jedoch, dass der Bau solcher Lager auch in Deutschland nicht lange auf sich warten lässt.

MIT TOLERANZ ELIMINIEREN

Auf der offiziellen Internetseite des Europaparlaments findet sich ein Dokument, welches für die Zukunft der Europäer nichts Gutes verheißt. Erarbeitet hat es der »EU-Ausschuss für Toleranz« (European Council on Tolerance and Reconciliation). Hinter der nichtssagenden Überschrift des »Toleranzpapiers« verbirgt sich die Forderung, dass das Europaparlament »konkrete Maßnahmen« ergreift, um Rassismus, Vorurteile nach Hautfarbe, ethnische Diskriminierung, religiöse Intoleranz, totalitäre Ideologien, Xenophobie, Antisemitismus, Homophobie und »Antifeminismus« zu »eliminieren«. Lesen Sie mal rein, da sträuben sich einem die Nackenhaare.

Die jungen Mütter vor der Tür haben die Kinderwagen in die Sonne geschoben. Der HSV geht in die zweite Liga, war ja abzusehen. Ich lege den Stapel Zeitungen beiseite, der sich anfühlt wie ein vergiftetes Zeitdokument, das man mir untergejubelt hat. Neben Seehofers Sicherheitspaket durfte ich nämlich noch die Äußerung unseres neuen Gesundheitsministers Jens Spahn zu Hartz IV zur Kenntnis nehmen. Wörtlich sagte der Mann mit dem Charme eines Laternenpfahls:  “Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut. Diese Grundsicherung ist aktive Armutsbekämpfung! Damit hat jeder das, was er zum Leben braucht.“ 

Was gab es noch zu bestaunen? Ach ja, in Nordrhein-Westfalen hat die schwarz-gelbe Regierung die Abteilung gegen Umweltkriminalität zerschlagen und in Baden-Württemberg ließ Agrarminister Peter Hauk (CDU) folgenden bemerkenswerten Satz vom Stapel: „Welche Mengen Herbizide, Fungizide oder Insektizide die Landwirte, Obstbauern oder Winzer ausbringen, geht die Bevölkerung im Grunde nichts an“. Dies hier ist auch nicht schlecht: Verteidigungsministerin von der Leyen benannte eine Kaserne erstmals nach einem gefallenen Bundeswehrsoldaten und rief bei dieser Gelegenheit die Bundeswehr mit einem Traditionserlass zum Stolz auf die eigene Opferbereitschaft auf. Und irgendwo las ich von einem Aktionsplan der EU, mit dem der Schengen-Raum auf militärische Bedürfnisse zugeschnitten werden soll, sodass sich Truppen, schweres Gerät und Munition schneller bewegen lassen. Dazu sollen zunächst Tunnel, Straßen, Brücken und Schienen bis 2019 auf ihre Belastbarkeit geprüft und nötigenfalls nachgebessert werden. Dafür will die EU-Kommission im künftigen Etat ab 2020 zusätzliches Geld lockermachen.

Zum Glück habe ich die Zeitungen nur überflogen, andernfalls wäre ich wohl auf die Straße gestürmt und schreiend Amok gelaufen. Ich bestelle mir noch eine Fritz-Orange und weide mich am entzückenden Lächeln der Bedienung. Vergessen wir das dämliche Spiel, das unsere Politiker Tag für Tag so unverfroren aufführen. Bleiben wir bei uns selbst, das lohnt sich. Es ist nämlich das Einzige, was sich noch lohnt. Vor allem dann, wenn wir füreinander in Liebe da sind. Davon haben die seelenlosen Killer und Psychopathen nämlich nicht die geringste Ahnung.

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