Unsere Hoffnung geht an den Krücken des Konjunktivs

Von Dirk C. Fleck.

Jahrzehntelang haben wir uns in unserer Ohnmacht mit immer neuen Parolen rüsten müssen: Rettet die Nordsee, rettet das Nashorn und das Klima, rettet den Regenwald, rettet den, die, das. Das Ergebnis? Die Liste dessen, was wir dringend zu retten haben, wird immer länger. Warum ist das so? Es sind ja nicht die Herausforderungen, die uns ohnmächtig werden lassen, sondern das verbreitete Gefühl, nicht an der praktischen Umsetzung von Lösungsansätzen teilnehmen zu können. Das Problem ist nicht die Krise! Das wirkliche Problem ist das Gefühl der Machtlosigkeit, dieser Eindruck, mit gebundenen Händen dazustehen und nichts anderes tun zu können. Wir sind in einer Spirale des Machtentzugs gefangen, die uns immer machtloser werden lässt.

Allen Ignoranten, die angesichts der globalen Ausrottungsaktion, die unsere Spezies auf diesem Planeten betreibt, nicht einmal ein Gefühl des Verlustes empfinden, sei gesagt: keine Sorge, der Zenit ist überschritten, bald wird sie wieder kürzer werden die Liste, bald gibt es immer weniger bis gar nichts mehr zu retten. Keine Arktis, die Bienen nicht, keinen Spatz in der Hand und uns selbst wohl auch nicht mehr. Wen wundert es da, dass die Stimmen der Mahner und Warner immer lauter, immer radikaler werden?

Es trauen sich jetzt auch diejenigen mit schrillen Tönen aus der Deckung, die sich bisher verzweifelt an die Hoffnung geklammert hatten, dass genügend intensiv betriebene Aufklärung das Blatt schon wenden werde. Die folgenden Zitate mögen verdeutlichen, wie hilflos wir inzwischen in dem Wunsch geworden sind, der verhängnisvollen Entwicklung, deren Ursprung mit dem Begriff Gier treffend beschieben ist, noch erfolgreich zu trotzen. Dabei kommt es zu den merkwürdigsten Statements, die man vor kurzem nicht einmal zu denken, geschweige denn auszusprechen wagte. Es sind allesamt Hilfeschreie. Gedankenspiele im Konjunktiv. Wenn wir das und das täten, würde sich dies und jenes noch verhindern lassen.

Traurig aber wahr: Unsere Situation auf der Erde ist so trostlos geworden, dass wir gedanklich nur noch an den Krücken des Konjunktivs in eine lebenswertere Zukunft zu schreiten vermögen. Dabei wäre es so einfach (Konjunktiv!): Ändern wir unseren Sinn, wie es Hans Paasche in seiner gleichnamigen Schrift bereits vor über hundert Jahren formulierte. Oder um mit Sokrates zu sprechen: “Nicht das Leben ist von Bedeutung, sondern die Lebensführung”. Es beginnt, wenn wir anfangen zu handeln. Jeder für sich und an seiner Stelle. Oder ist, wie Seneca einst vermutete, alles bereits ein Überbleibsel eines schrecklichen Mahls, das sich die Menschheit in ihrer kollektiven Dummheit kurzfristig gönnte? Dann halte ich es lieber mit Nietzsche, der gesagt hat: “Und wollt ihr denn durchaus zugrunde gehen, so tut es denn jetzt und auf einmal, damit von euch jedenfalls erhabene Trümmer übrig bleiben”. Sorry für diesen “Mutmacher”, aber wie sagen die Engländer so schön: Face it, Harry!

„Ist nicht der Kollaps der industrialisierten Welt die einzige Hoffnung für den Planeten? Liegt es nicht in unserer Verantwortung hierfür zu sorgen?“
Maurice Strong, Gründer des UN Environment Programme und Initiator des ersten Klimagipfels in Rio.

„Dass der deutsche Faschismus seine enorme Destruktivität entfalten konnte, hängt auch damit zusammen, dass die Mehrheit eines Volkes die Wirklichkeit, die sich vor der eigenen Haustür ereignete, ins Unbewusste abspaltete. Ähnliches wird vermutlich die kommende Generation über unser Verhältnis zu den natürlichen Ressourcen der Erde sagen“.
Ingo Benjamin Jahrsetz ist Initiator und Ehrenvorsitzender des Spiritual Emergence Network e.V. (SEN) und betreibt eine Psychotherapeutische Praxis in Wittnau unweit von Freiburg im Breisgau

„Die Klimakrise ist kein politisches Thema, sie ist eine moralische und spirituelle Herausforderung für die gesamte Menschheit. Sie ist auch unsere größte Chance das globale Bewusstsein auf eine höhere Ebene anzuheben.“
Lester Russell Brown war 26 Jahre lang Leiter des Worldwatch Institute. Sein jüngstes Buch ist unter dem Titel „Plan B 2.0: Rescuing a Planet Under Stress and a Civilization in Trouble“. Lester Brown wurde von der Washington Post als einer der einflussreichsten Denker der Welt bezeichnet.

„Eine massive Kampagne muss gestartet werden, um die USA zurückzuentwickeln. Zurückentwicklung bedeutet, unser wirtschaftliches System mit den Wirklichkeiten der Ökologie und der Situation der weltweiten Rohstoffressourcen auf Linie zu bringen.“
Paul Ehrlich, Professor of Population Studies

„Wir müssen dies zu einem unsicheren und ungastlichen Ort für Kapitalisten und ihre Projekte machen. Wir müssen die Straßen und das umgepflügte Land zurückfordern, den Dammbau anhalten, existierende Dämme einreißen, eingezwängte Flüsse befreien und zur Verwilderung von Millionen von Hektar gegenwärtig besiedeltem Land zurückkehren“.
David Foreman, Co-founder of Earth First!

„Komplexe Technologie jeglicher Art ist ein Angriff auf die menschliche Würde. Es wäre – wegen dem was wir damit anstellen könnten – fast schon desaströs für uns eine Quelle sauberer, billiger und überreichlicher Energie zu entdecken“.
Amory Lovins, Rocky Mountain Institute

„Die Aussicht billiger Fusionsenergie ist das schlimmste was dem Planeten passieren könnte“.
Jeremy Rifkin, Greenhouse Crisis Foundation

„Die Menschheit ist das gefährlichste, zerstörerischste, egoistischste und unethischste Tier auf der Erde“.
Michael Fox, Vice-president of The Human Society

„Menschen auf der Erde sind in vielen Dingen wie pathogene Mikroorganismen oder wie Zellen eines Tumors“.
Sir James Lovelock, Healing Gaia

„Eine vernünftige Schätzung für eine industrialisierte Weltgesellschaft bei aktuellem materiellen Standard von Nordamerika wäre 1 Milliarde Menschen. Bei dem genügsameren Lebensstandard der Europäer wären 2 bis 3 Milliarden möglich“.
United Nations, Global Biodiversity Assessment

„Eine Gesamtbevölkerung von 250 – 300 Millionen Menschen, ein Rückgang um 95 % der heutigen Zahlen, wäre ideal“.
Ted Turner, Gründer von CNN und einer der größten Spender der Vereinten Nationen

„Es ist schrecklich das zu sagen, aber um die Weltbevölkerung zu stabilisieren, müssen wir 350.000 Menschen pro Tag auslöschen. Es ist schrecklich das zu sagen, aber es ist genauso schlimm dies nicht zu tun“.
Jacques Cousteau, UNESCO Courier

„Alle potentiellen Eltern sollten verpflichtet sein, empfängnisverhütende Mittel zu verwenden. Die Regierung gibt dann Gegenmittel für Bürger aus, die für das Entbinden von Kindern ausgewählt wurden“.
David Brower, first Executive of the Sierra Club

„Es ist egal, ob die Wissenschaft der globalen Erwärmung komplett an den Haaren herbeigezogen ist: gibt uns der Klimawandel doch die größte Möglichkeit Gerechtigkeit und Gleichheit in die Welt zu tragen“.
Christine Stewart, former Canadian Minister of the Environment

„Demokratie ist kein Allheilmittel. Sie ist nicht in der Lage alles zu organisieren und sie ist sich ihrer eigenen Grenzen nicht bewusst. Diesen Fakten müssen wir offen ins Augen schauen. So frevelhaft es sich auch anhören mag, Demokratie ist nicht länger für die vor uns liegenden Aufgaben geeignet. Die Komplexität und die technische Natur vieler unserer heutigen Probleme erlaubt es nicht immer, dass gewählte Vertreter zur rechten Zeit kompetente Entscheidungen treffen“.
Club of Rome, The First Global Revolution

„Das Konzept der nationalen Souveränität ist ein unveränderliches, in der Tat heiliges Prinzip der internationalen Beziehungen gewesen. Es ist ein Prinzip, welches nur langsam und zurückhaltend den neuen Notwendigkeiten einer globalen Umweltkooperation weichen wird“.
UN Commission on Global Governance report

„Meiner Ansicht nach, nach 50 Jahren Dienst im System der Vereinten Nationen, gibt es die dringende und absolute Notwendigkeit einer ordentlichen Weltregierung. Es gibt keinen Hauch eines Zweifels daran, dass das aktuelle politische und wirtschaftliche System nicht mehr angemessen ist und zum Ende der Evolution des Lebens auf diesem Planeten führen wird. Wir müssen daher unbedingt und umgehend nach neuen Wegen Ausschau halten“.
Dr. Robert Muller, UN Assistant Secretary General

„Unser Heil hängt von unserer Fähigkeit der Schaffung einer Naturreligion ab“.
Rene Dubos, Vorstandsmitglied Planetary Citizens

„Es bedarf einer profunden Neuorientierung der gesamten Menschheit, so wie sie die Welt noch nie gesehen hat – eine große Veränderung der Prioritäten bei Regierungen wie auch dem Einzelnen und einer bisher noch nicht dagewesenen Umverteilung von Finanzmitteln. Diese Veränderung wird es abverlangen, dass die Sorge über die Umweltkonsequenzen einer jeden menschlichen Aktion in die individuellen und kollektiven Entscheidungen auf jeder Ebene integriert wird“.
Die von US-Präsident Jimmy Carter 1977 in Auftrag gegebene Studie „Global 2000“.

 

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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