Trump zündelt in Nordkorea

In den 50er Jahren haben die USA Nordkorea in Grund und Boden gebombt. Heute bedrohen sie es erneut. Deshalb rüstet sich Pjöngjang gegen die Supermacht. Nordkorea geht es um sein Überleben, nicht um Angriff. Wirklich unberechenbar sind in dem Konflikt einzig die USA, schreibt Paul Atwood, Professor für American Studies von der University of Massachusetts.

Hinweis zum Rubikon-Beitrag: Der nachfolgende Text erschien zuerst im „Rubikon – Magazin für die kritische Masse“, in dessen Beirat unter anderem Daniele Ganser und Rainer Mausfeld aktiv sind. Da die Veröffentlichung unter freier Lizenz (Creative Commons) erfolgte, übernimmt KenFM diesen Text in der Zweitverwertung und weist explizit darauf hin, dass auch der Rubikon auf Spenden angewiesen ist und Unterstützung braucht. Wir brauchen viele alternative Medien!

von Rubikons Weltredaktion: Paul Atwood.

Stoppt den Wahnsinn und handelt einen Frieden mit Korea aus, bevor es zu spät ist!

Ich bezweifele, dass es unter denen, die mir heute zuhören, viele gibt, die sich nicht der fortwährenden Krise in Nordkorea bewusst sind. Trotzdem scheinen nur wenige zu sehen, dass diese seit der Kubakrise 1962 das größte Risiko darstellt, das einen Weltkrieg auslösen kann. Damals wurde die komplette Zerstörung dadurch abgewendet, dass ein sowjetischer Admiral und Präsident Kennedy sich weigerten, den Kriegstreibern nachzugeben, die den Dritten Weltkrieg wollten. Sind Sie sich sicher, dass Präsident Trump und sein innerer Machtzirkel sich heute ebenso vernünftig verhalten werden?

Eine aktuelle Umfrage deutet darauf hin, dass 58 Prozent der Amerikaner glauben, eine kompromisslose Reaktion wäre gerechtfertigt, wenn Nordkorea einen Erstschlag gegen die USA verübte.

Das ist Wahnsinn und Unvernunft allerersten Ranges. Erstens ist sich das Regime in Pjöngjang voll des Umstands bewusst, dass es, sollte es angreifen, ausradiert würde. Deswegen wird es nicht als erstes angreifen, es sei denn, es glaubt, dass ein amerikanischer Angriff unmittelbar bevorstehe.
Jedoch wird sich Nordkorea nicht wie im Koreakrieg vor über 50 Jahren verwüsten lassen. Wenn ein Krieg in Korea ausbricht, dann wird es mit Sicherheit ein Atomkrieg sein. Da Korea an Russland und China grenzt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese neutral bleiben, gleich Null. Ein totaler atomarer Weltkrieg wäre eine äußerst wahrscheinliche Konsequenz, sollten die USA Nordkorea angreifen. Ignorieren Sie Trumps Geschwätz, dass die schrecklichen Folgen nur „dort vor Ort” spürbar sein werden. Wenn man bedenkt, dass im Atomzeitalter immer gleich die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel steht, sollten wir unsere Stimme erheben, um diesen Wahnsinn zu stoppen, ehe es zu spät ist.

Der grundsätzliche Fehler liegt in der unlogischen und schlicht falschen Annahme, dass der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un wie ein Dschihadist nur den richtigen Zeitpunkt plant, um einen Schlag gegen die USA zu führen. Die Medien gehen ständig mit dieser arglistigen Täuschung hausieren, um in der Öffentlichkeit Hysterie zu verbreiten, obwohl sogar die CIA berichtet, dass Kim Jong Un ein rationaler Herrscher ist, dem es vorrangig um die Verteidigung seines Regimes geht. Nordkorea weiß, dass ein Angriff auf Südkorea oder die USA seine totale Zerstörung zur Folge hätte und das winzige Land von der Landkarte verschwinden ließe. Warum also rüsten sich die Koreaner mit Nuklearwaffen und erklären, dass sie diese verwenden würden, falls die USA sie angriffen?

Die Antwort ist recht einfach. Es waren die Vereinigten Staaten, die als erste Nordkorea mit atomarer Zerstörung drohten und das schon zu Zeiten des Koreakrieges von 1950-1953, und die US-Regierung hat seitdem indirekt immer wieder damit gedroht. Nachdem Pjöngjang in jüngster Zeit beobachten konnte, wie die USA viel schwächere Staaten wie Irak, Afghanistan, Syrien, Libyen, Somalia und Jemen zerstörten, glaubt Pjöngjang, dass Atomwaffen die einzige Abschreckung sind, um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden. Unsere Medien konditionieren uns darauf zu glauben, Nordkorea sei nur mit Mühe von einem Angriff abzuhalten, aber das ist absurd.

Nordkorea ist kein Arbeiterparadies und Kim Jong Un ist sicherlich ein Diktator, und die amerikanische Propaganda betont immer wieder, das Regime begehe Menschenrechtsverletzungen an seiner eigenen Bevölkerung. Trotzdem muss gesagt werden, dass die USA sich noch schlimmer verhalten und Millionen einfacher koreanischer Zivilisten ungerechtfertigt getötet haben und ständig damit drohen, es wieder zu tun. Nordkorea hat 25 Millionen Einwohner, die USA fast 350 Millionen. Seit 1958, als Nordkorea durch den vorausgegangenen Krieg zerstört und zutiefst geschwächt war, haben die USA die winzige Nation mit Atomwaffen eingekreist, indem sie diese entweder im Süden stationiert haben oder auf U-Booten und Flugzeugträgern einsatzbereit halten oder indem sie das Land mit B-52- oder B-1-Kampfbombern überfliegen. Wären die USA von einer feindlichen Macht mit einem derartigen Waffenarsenal umzingelt, welche Maßnahme würden wir wohl ergreifen?

Ein guter Teil dieser Krise beruht auf der allgemeinen Unkenntnis des wirklichen Hintergrundes der US-amerikanisch-nordkoreanischen Beziehungen. Die Massenmedien wiederholen immer wieder die gleichen abgedroschenen Phrasen, dass nämlich die USA den Koreakrieg geführt hätten, um die Freiheit der Südkoreaner zu gewährleisten und eine Demokratie zu etablieren. Die hässliche Wahrheit ist allerdings, dass Washington nach dem Zweiten Weltkrieg Südkorea eine bösartige und mörderische Diktatur aufgezwungen hat, die im Blutvergießen an der eigenen Zivilbevölkerung das totalitäre nordkoreanische Regime bei Weitem übertroffen hat.

Wir wissen alle, dass die USA im Zweiten Weltkrieg gegen Japan gekämpft haben, so wie auch die Sowjetunion. Die USA kämpfte im Pazifik und die Rote Armee in China und Korea. Die Sowjetunion besiegte die Japaner in Korea und hätte letzteres komplett besetzen können, um die USA fernzuhalten. Auf der Jalta Konferenz 1945 kamen Franklin D. Roosevelt und Stalin überein, dass Korea komplett befreit werden sollte, die Sowjetunion stimmte jedoch einer temporären Teilung zu. Die USA zogen daraufhin willkürlich neue Grenzen. Die überwältigende Mehrheit der Koreaner war strikt gegen diese Teilung.

Mehr als tausend Jahren war Korea eine geeinte Nation mit einer eigenständigen Kultur, bis die Japaner das Land 1910 besetzten und praktisch in einen Sklavenstaat verwandelten. Die Koreaner leisteten erbitterten bewaffneten Widerstand gegen die Japaner unter der Führung von Kim Il Sung, dem Großvater des heutigen nordkoreanischen Herrschers. Dieser akzeptierte Hilfe seitens der Sowjetunion, war aber nicht deren Marionette. Tatsächlich zogen die Sowjets ihre Truppen 1948 ab, die Amerikaner dagegen taten dies nicht. Die meisten Koreaner schätzten Kims bewaffneten Kampf gegen die Japaner und wollten aus einer in weiten Teilen nationalistischen Haltung eine Unabhängigkeit nach koreanischer Fasson. Mit anderen Worten – und das ist ein entscheidender Punkt: Beim Ausbruch des Krieges zog eine überwältigende Mehrheit der Koreaner Kim Il Sung dem von den USA eingesetzten Führer Syngman Rhee genau deswegen vor, weil Kim gegen die Japaner gekämpft hatte. Das manifeste Verhalten Amerikas sogar schon vor dem Ausbruch des Krieges im Jahr 1950 gleicht kaum einem überzeugten Eintreten für Demokratie und Wahlfreiheit. Washington ignorierte die Wünsche der Mehrzahl der Koreaner schlicht, genauso wie es sich später gegen die Mehrheit in Vietnam stellte, und das Ergebnis war eine humanitäre Katastrophe.

Wir sollten die tieferen Zusammenhänge verstehen, weshalb die USA Krieg gegen Japan geführt haben. Es ging darum, welche Nation die Rohstoffe, die Märkte und die billige Arbeitskraft in Ostasien ausbeuten und davon profitieren konnte. Japan hatte das Territorium gegen einen amerikanischen Zugriff abgeschottet. Die USA gewannen den Krieg gegen Japan, verloren dann aber China an die Chinesen. Selbstverständlich waren dies aus Washingtons Sicht die falschen Chinesen, und die USA waren keinesfalls bereit, auch noch den restlichen Teil Ostasiens zu verlieren. Deshalb baute Washington seinen Hauptstützpunkt auf dem asiatischen Festland in Korea auf, und das ist auch der Hauptgrund, warum die USA später den Krieg in Indochina führten. Ganz abgesehen von der Gefahr, der sich Nordkorea ausgesetzt fühlt, empfindet China die amerikanischen Atomwaffen, so nah an der eigenen Grenze, als zutiefst bedrohlich, was sie ja auch sein sollen.

Die Regierung, die die USA in Südkorea in 1945 einsetzten, war mit den Worten des befehlsführenden amerikanischen Generals John Hodge ein „dem Wesen nach faschistisches” und „mörderisches Regime”. Ich wiederhole: Es war der befehlsführende amerikanische General, der Südkoreas Regierung als eine Art Nazi-Regime bezeichnete, und trotzdem war er dort, um genau dieses Regime zu unterstützen.

Von 1945 an bis zum Kriegsbeginn richtete die südkoreanische Regierung, mit Zustimmung und Hilfe der Amerikaner, hunderttausende Südkoreaner, die gegen das waren, was sie als ein amerikanisches Marionettenregime sahen, hin, metzelte sie nieder oder ermordete sie. Auf der Insel Jeju wurden mehr als 33000 Zivilisten, unter ihnen Frauen und Kinder, von der Rhee-Regierung umgebracht. Möglich wurde ihr dies mithilfe amerikanischer Waffen in den Händen südkoreanischer Soldaten, die vorher schon im Dienste der Japaner geholfen hatten, ihre koreanischen Mitbürger zu beherrschen, und dann dasselbe für die USA taten. So schufen die USA Zustände, die sich kaum von denen unter den Japanern unterschieden.

Nordkorea verlegte seine Truppen in den Süden, um Korea wiederzuvereinigen und um die ausländische Besatzung und die mit ihr einhergehenden Gräueltaten endgültig von der Halbinsel zu verbannen. Die Medien verbreiteten und wiederholen bis heute, dass sie (die Nordkoreaner) in den Süden „einmarschierten“. Fragen Sie sich bitte selbst: Wie konnten die Koreaner in ihr eigenes Land einmarschieren? Die Vereinigten Staaten heizten den Bürgerkrieg in Korea mit an, wie sie es später auch in Vietnam tun würden und griffen direkt ein – mit verheerenden, grauenhaften Folgen.

Als der Krieg begonnen hatte und die amerikanischen Truppen einmarschierten, befahl der Oberbefehlshaber General Douglas MacArthur eine Politik der verbrannten Erde. Obwohl sein Auftrag darauf beschränkt war, die Grenze, die die USA 1945 gezogen hatten, wieder herzustellen, marschierte er mit der befehlswidrigen Absicht in Nordkorea ein, ganz Korea unter amerikanischer Oberhoheit zu vereinen. China sprach eine deutliche Warnung aus, dass es keine amerikanischen Truppen so nahe an seiner eigenen Grenze dulden werde, aber MacArthur verspottete die Chinesen und erklärte, dass sie es nicht wagen würden einzugreifen. Trotz hunderttausender amerikanischer Soldaten an seiner Grenze griff China im Dezember 1950 in den Krieg ein und hätte um ein Haar die Amerikaner von der koreanischen Halbinsel vertrieben. Der US-Außenminister Dean Acheson klagte bitter, dass den amerikanischen Streitkräften die „schwerste Niederlage seit Bull Run” zugefügt worden sei. Der eigentliche Grund, warum die USA nicht komplett besiegt wurden, war die Drohung Washingtons, Atombomben einzusetzen.

MacArthur war der Erste, der damit drohte, aber er wurde vom Präsident Truman aus Angst, womöglich den Dritten Weltkrieg auszulösen, zurückgepfiffen und seines Postens enthoben, doch dann drohte Truman selbst ihren Einsatz an. MacArthurs Worte waren beängstigend:

„Ich hätte zwischen dreißig und fünfzig Atombomben über der Mandschurei verteilt abgeworfen … und hätte hinter uns – vom Japanischen bis zum Gelben Meer einen Gürtel radioaktiven Kobalts gezogen, das zwischen 60 und 120 Jahre aktiv bleibt.“

So schrecklich ein Atomwaffeneinsatz 1951 auch gewesen wäre, ihre Verwendung wäre heute um ein Vielfaches schlimmer.

Die USA verwüsteten unterdessen systematisch Korea und vor allem seinen Norden mit „konventionellen” Waffen, insbesondere mit Napalm und hochenergetischem Sprengstoff. MacArthur verlangte auch nach chemischen Waffen. Der Befehlshaber der Air Force, General Curtis Lemay, der später über Vietnam sagte, „wir sollten es in die Steinzeit zurück bomben”, gab damit an, er habe „jeden Ort in Nordkorea und auch in Südkorea in Schutt und Asche gelegt”. Piloten, die zu ihren Standorten zurückkehrten, berichteten, dass es keine Ziele mehr zu bombardieren gab, so vollständig zerstört war ganz Korea. Amerikanische Bomberpiloten zerstörten auch systematisch alle Dämme entlang des Yalu, des Grenzflusses zwischen China und Korea, und töteten so Zehntausende in den resultierenden Fluten und zerstörten so auch die Ernte, die für noch viel mehr Zivilisten lebensnotwendig war. Als die Nazis genau das Gleiche 1944 in den Niederlanden taten, wurden die Befehlshaber vor Gericht gestellt und als Kriegsverbrecher, die sie ja auch waren, zum Tode verurteilt.

Bis zum Kriegsende waren mindestens drei Millionen Koreaner tot, obwohl viele Analytiker glauben, dass diese Zahl eine vorsichtige Schätzung ist.

Das Einzige, was einen Atomwaffeneinsatz verhinderte, war die Angst vor dem Dritten Weltkrieg. So wurde 1953 ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet. Aber das war kein Friedensvertrag, es war nur eine Feuerpause. Im Prinzip existiert der Kriegszustand bis heute. Eine der wichtigsten Auflagen dieses Waffenstillstandes, der von den USA, China und Nordkorea, aber nicht von Südkorea unterzeichnet wurde, war Artikel 13(D), der den USA ausdrücklich verbot, neue Waffen im Süden zu stationieren. Wie schon erwähnt, war Nordkorea durch den Krieg vollkommen zerstört und daran ändert sich für viele Jahre auch nichts, weswegen es weder eine Bedrohung für den Süden noch für die amerikanischen Truppen, die weiterhin dort blieben, war. Trotzdem stationierten die USA 1958 unter Verletzung des Waffenstillstandsvertrags Atomwaffen auf südkoreanischem Boden. Da Nordkorea zu dieser Zeit für niemanden mehr eine Gefahr darstellte, ist die einzige logische Schlussfolgerung, dass die Stationierung der Atomwaffen in Südkorea als Maßnahme gegen und implizite Drohung an China zu verstehen waren, sowie als Ansage an alle, dass die amerikanischen Militärstützpunkte in Ostasien für immer dort bleiben würden.

Seit den fünfziger Jahren investierte Washington Milliarden an Steuergeldern in das südkoreanischen Militär und finanzierte so das Wachstum der großen südkoreanischen Industriekonzerne wie Hyundai, Samsung und Daewoo mit, deren Organisation sich ursprünglich an Militärzwecken orientierte. Die südkoreanische Regierung hielt an Diktatur und polizeistaatlichen Methoden fest und diese militärische Organisation des Staates bewirkte eine strikte, den Ansprüchen dieser Industrien dienende Disziplinierung der südkoreanischen Arbeiter. Als die amerikanischen Investoren in den siebziger Jahren merkten, dass die amerikanische Stahl- und Autoindustrie veraltet und überholt war, gaben sie die amerikanischen Firmen auf und investierten ihre Dollars in Südkorea, in der Hoffnung, dort aufgrund der billigen koreanischen Arbeitskraft größere Profite zu erwirtschaften. Das war einer der Hauptgründe für die De-Industrialisierung der USA, die massive Arbeitslosigkeit von Millionen von Amerikanern, die Entstehung des sogenannten “Rostgürtels” und den Verrat an Amerikas Arbeiterklasse.

Jimmy Carter verkündete 1978 Pläne, alle amerikanischen Bodentruppen aus Korea abzuziehen. Der Kriegskomplex (gewöhnlich als militärisch-industrieller Komplex bezeichnet) und allen voran Carters eigener nationaler Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski brach in Protestgeschrei aus und Carter ließ die Pläne im darauffolgenden Jahr wieder fallen. Nach Carters anschließender Wahlniederlage im Jahr 1980 erhöhte die Reagan-Regierung die Truppenstärke und begann mit jenen Militärmanövern, die bis zum heutigen Tag Nordkorea beunruhigen und verärgern. In den achtziger Jahren veranstalteten über 200.000 amerikanische und koreanische Soldaten alljährlich Kriegsspielchen an der nordkoreanischen Grenze. Heute finden sie zwei oder dreimal im Jahr statt, obwohl Washington genau weiß, dass Nordkorea nicht die Absicht hat, anzugreifen. Die Nordkoreaner halten diese Kriegsspiele indes für das Vorspiel eines amerikanischen Angriffs gegen sie.

Nordkorea nahm 1987 seinen ersten Atomreaktor in Betrieb. Darauf begann in den Medien ein wahres Trommelfeuer von in kurzen Abständen aufeinander folgenden Nachrichten, die allesamt Nordkorea ohne jeden Beweis beschuldigten, es baue die Bombe. Tatsächlich hatte das Regime des Nordens den Atomwaffensperrvertrag (NPT) unterzeichnet und erlaubte der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) seine Einrichtungen zu kontrollieren, damit diese sich von seinen friedlichen Absichten überzeugen konnte. Der Zweck des Reaktors war, Strom zu erzeugen und so Erdöl und Kohle zu ersetzen, von denen das Land abhängig war. Um Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren, nahm Pjönjang sogar den Reaktor vom Netz. Dennoch nahmen die Feindseligkeiten gegen Nordkorea zu und tausende amerikanische Soldaten nahmen zusätzlich an den verschärften Manövern teil, die auch B-1B und B-52 Kampfbomber sowie atomwaffenfähige Kriegsschiffe einschlossen. Daraufhin erklärte Nordkorea 1993, dass es aus dem Atomwaffensperrvertrag auszutreten beabsichtige. Als die Spannungen zunahmen, trat der frühere Präsident Carter in Verhandlungen mit Kim Il Sung und konnte ihn dazu bewegen, im Atomwaffensperrvertrag zu verbleiben, weiterhin die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde zuzulassen und amerikanische Atomreaktoren zur Stromproduktion einzusetzen. Im letzten Jahr der Clinton-Regierung existierten in Grundzügen Pläne für eine eventuelle Wiedervereinigung der beiden Koreas. Die neue Regierung unter George W. Bush machte diese Pläne zunichte, indem sie Nordkorea als Teil der „Achse des Bösen” bezeichnete.
Im letzten Jahr dechiffrierte die Regierung Kim Jong Uns eine geheime Nachricht des südkoreanischen Militärs, welches Befehle des amerikanischen Militärs entgegennimmt, und deckte geheime Anschlagspläne gegen ihn auf. Das hat Nordkorea nur in seinen atomaren Ambitionen bestärkt. Pjöngjang erklärte, es werde von seinem Atomprogramm nicht Abstand nehmen, ehe sich die USA aus dem Süden zurückziehe.

Am 26. Oktober dieses Jahres erklärte der Verteidigungsminister und ehemalige General James Mattis, dass er ein „atomwaffenfreies” Korea wolle, aber offensichtlich meinte er, die Atomwaffen seien nur aus dem Norden zu entfernen. Am 29. Oktober erklärte er, dass die USA ein nuklear bewaffnetes Korea “nicht hinnehmen” würden. Mit welchen Mitteln beabsichtigt er wohl dieses Problem zu lösen?

Ich sage jedem, der es hören will, dass die alleinige Existenz von Atomwaffen das Gleiche ist, wie ein geladenes Gewehr in einem Kindergarten. Früher oder später wird es zu einer Tragödie kommen. Meine Studenten entgegnen manchmal, dass ein verantwortlicher Erwachsener die Gefahr aus dem Kindergarten entfernen würde. Werden wir von verantwortlichen Erwachsenen regiert? Die einzige vernünftige Lösung ist, die Welt zu entnuklearisieren, bevor diese teuflischen Waffen uns auslöschen. Die Vereinten Nationen haben kürzlich mit überwältigender Mehrheit dafür gestimmt, Atomwaffen abzuschaffen. Die Einzigen, die sich dem widersetzen, sind die Nationen, die Atomwaffen besitzen. Das bedeutet, dass die einzige Möglichkeit, dem dringenden Wunsch der meisten Menschen auf dieser Erde nachzukommen, darin besteht, mit gemeinsamen Aktionen die Abschaffung der Atomwaffen zu fordern und die Regierungen dazu zu zwingen. Der beste Ort, um damit anfangen, wäre die koreanische Halbinsel. Die USA sollten alle ihre Streitkräfte aus dem Land abziehen, alle ökonomischen Sanktionen beenden und es damit Nord- und Südkorea ermöglichen, sich wiederzuvereinigen, wie es von den Menschen auf beiden Seiten gewünscht wird. China wäre am Besten in der Lage, in einer solchen Wiedervereinigung zu vermitteln, und die USA sollte so vernünftig sein, Chinas zunehmende Wichtigkeit in Ostasien anzuerkennen. Solange die USA sich einmischen und den Süden militärisch besetzt halten, gibt es keine Chance auf eine Entnuklearisierung, und die apokalyptische Gefahr, ausgelöst durch die Hand eines Geistesgestörten oder durch einen Unfall, wird von Tag zu Tag größer.

Diese Rede wurde als Gegenveranstaltung zu der Kriegsverherrlichung, die traditionell den Armistice/Veterans’ Day kennzeichnet, auf dem Faneuil Hall Marketplace bei einer Versammlung der Veterans For Peace im November 2017 in Boston gehalten.

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Dieser Beitrag erschien am 21.2.2018 bei Rubikon – Magazin für die kritische Masse.

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