Trump & Merkel

Szenen einer alten Ehe

Von Ulrich Gellermann.

Geht da was? Zwischen Angela Merkel und Donald Trump war bisher keine Freundschaft ausgebrochen. Das stereotype „Freunde“, das der Kanzlerin bisher über die Lippen kam, wenn von den USA die Rede war, scheint einer Denk-Pause gewichen seit der designierte US-Präsident die Europäer stärker an den NATO-Kosten beteiligen will. Es wird allerdings kaum um Geld gehen, wenn der Merkel-Schattenmann Christoph Heusgen, Leiter der Abteilung Außen- und Sicherheitspolitik im Kanzleramt, Anfang der Woche zu Gesprächen nach New York fliegt. Heusgen trifft dort auf Trumps künftigen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn. Der alte amerikanische Militär-Geheimdienstmann und der zivile deutsche Politik-Berater scheinen wenig gemein zu haben. Aber wer weiß, dass Heusgen sein Handwerk beim früheren Außenminister Klaus Kinkel gelernt hat, der weiß auch, dass Kinkel, vom Bundesnachrichtendienst (BND) in das Außenamt gewechselt war und dort die neue deutsche Stärke propagierte: „Wir sind aufgrund unserer Mittellage, unserer Größe und unserer traditionellen Beziehungen zu Mittel- und Osteuropa dazu prädestiniert, den Hauptvorteil aus der Rückkehr dieser Staaten (aus dem Einflussbereich der vergangenen Sowjetunion) nach Europa zu ziehen.“ Der deutsche Imperialismus meldete sich zurück.

Wenn Bundeskanzlerin Merkel, kurz vor der Entsendung ihres Heusgen zum Trump-Sicherheitsmann Flynn, glaubt feststellen zu müssen: “Wir haben es mit einem Versagen des Uno-Sicherheitsrats zu tun“, dann meint sie, dass der Sicherheitsrat nicht den Wünschen der deutschen Regierung im Syrienkrieg entsprochen habe. Jenem Krieg, der zwar gern auch von Deutschland mit dem ausdrücklichen Wunsch nach einem Regime-Change befeuert wurde, für dessen Gräuel aber im gelenkten Teil der deutschen Öffentlichkeit ausschließlich Russland verantwortlich gemacht wurde. Da trifft es sich auffällig gut, dass die Merkel ausgerechnet jenen Mann zur künftigen US-Administration sendet, der von ihr zum ständigen Vertreter Deutschlands bei den Vereinten Nationen vorgesehen ist. Das deutsche Interesse an einem ständigen Sitz im Uno-Sicherheitsrat ist immer noch virulent: Der Sicherheitsrat gibt die völkerrechtliche Zustimmung für Militärinterventionen und Sanktionen. Ein Land, dass seit den Luftangriffen auf Jugoslawien nur wenige Auslandseinsätze ausgelassen hat, das säße schon gern an jener Stelle, an der die Militärinterventionen international abgesegnet werden.

Christoph Heusgen trifft mit Michael T. Flynn einen, der Auslandseinsätze aus nächster Nähe kennt. Schließlich war der gelernte Fallschirmspringer Flynn länger bei den International Security Assistance Forces (ISAF) und ihrem „friedenserzwingenden Einsatz“ in Afghanistan. Von Flynn ist bekannt, dass er den Islam als „Krebsgeschwür“ diagnostiziert. Weniger bekannt ist, dass er in seinem Buch “The Field of Fight” Russland als Teil einer weltweiten Allianz gegen die Vereinigten Staaten bezeichnete und Wladimir Putin als „nicht vertrauenswürdig“ einordnete. Aber weil der Mann bei einer Gala des Senders Russia Today (RT) mal neben dem russischen Präsidenten Putin gesessen hat, wird er bis heute in einer hysterisch russophoben deutschen Öffentlichkeit als Freund Putins gehandelt. Obwohl Flynn gestand, dass er für seinen Auftritt bezahlt wurde. Flynn ist der Mann, der angeblich genau genau weiß „wie der globale Krieg gegen den Islam zu gewinnen ist“ und der seine Erfahrungen als Offizier des militärischen Geheimdienstes aus den US-Invasionen von Grenada bis nach Afghanistan für diesen Kampf einbringen wird. So, wie sich diese Haltung mit der blinden Pro-Israel-Haltung Trumps trifft, so begegnet man sich gern mit der von Frau Merkel verkündeten deutschen „Staatsräson“ gegenüber Israel.

Was geht? Wenn Trump tatsächlich mit der Verschiebung der NATO-Kosten zuungunsten der Verbündeten auch die Militärbündnis-Zügel lockert? Wird der feuchte Traum der AfD wahr „den europäischen Teil der atlantischen Allianz deutlich zu stärken . . . um auf diesem Weg mehr Gestaltungsmacht und Einfuss zu entfalten“? Wer das für weit hergeholt hält, der hat sich den Elite-Katholiken Heusgen nur nicht gut genug angeschaut. Er war im Büro von Außenminister Klaus Kinkel in jener Zeit, als der FDP-Mann zu den schärfsten Fürsprechern einer Bundeswehr-Intervention auf dem Balkan zählte und verlangte, die Serben müßten “in die Knie gezwungen” werden. Und Heusgen war dann später Büroleiter von Javier Solana, dem `Hohen Repräsentanten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik´ der EU, als sich die EU unter beider Federführung zu einer Interventionsstreitmacht entwickelte. Heusgen selbst rechnet die EU-Militäreinsätze in Mazedonien (2001), in Kongo/Ituri (2003), die Übernahme der Besatzungsaufgaben von der SFOR durch eine EUFOR in Bosnien (2004) sowie die Einmischung in die Krisen in der Ukraine (2004) und in Moldawien/Transnistrien zu seinen Erfolgen.

Unter Heusgens Augen – da war er schon der Schattenmann der Kanzlerin – formulierte die Stiftung Wissenschaft und Politik, die wesentliche Kanzleramts-Denkfabrik, ein Papier mit dem Titel „Neue Macht – Neue Verantwortung“. Im Papier wabert der Merkel-Heusgen-Geist wie auf Flaschen gezogen: „Europa und Deutschland müssen daher Formate für NATO-Operationen entwickeln, bei denen sie weniger auf US-Hilfe angewiesen sind.“ Der Fall geringer werdender Hilfe könnte jetzt eintreten. Und zu mehr neuer deutscher Verantwortung im Umgang mit „Störern der internationalen Ordnung“ führen. Denn die gute alte Ehe zwischen Merkel-Deutschland und den USA gerät gerade in die schwierigen Szenen einer Lebensgemeinschaft: Die formierte deutsche Öffentlichkeit hat ihre kniende Haltung gegenüber den USA noch nicht so ganz wiedergefunden. Und die Berliner Administration wittert jene militärische Selbstständigkeit, die ihr, nach so vielen tollen Auslandseinsätzen und dem Entfachen des ukrainischen Krieges scheinbar zustehen sollte.

In der taktisch-devoten Türkei-Haltung wird sich der Kanzlerin-Emissär allemal mit Michael Flynn, dem erwählten Nationalen Sicherheitsberater des Herrn Trump treffen. Denn Flynn hatte schon mal gefordert, den türkischen Prediger Fethullah Gülen an die Türkei auszuliefern, während seine Firma dafür bezahlt wurde, Lobbyarbeit für Ankara zu erledigen. Auch ideologisch werden Flynn und Heusgen keine Konflikte haben: “Die Russen und Iraner haben mehr gemeinsam als einen gemeinsamen Feind”, schreibt Flynn in seinem Buch. “Es gibt auch eine gemeinsame Verachtung für die Demokratie und eine Vereinbarung – von allen Mitgliedern der feindlichen Allianz -, dass Diktatur ein überlegener Weg ist, ein Land, ein Reich oder ein Kalifat zu führen.” Auch wenn Heusgen diese These sicher viel eleganter formulieren würde: Zerrüttet kann man die BRD-USA-Ehe kaum nennen. Auch wenn die USA einen neuen Lover haben, die Kanzlerfrau wird dem Land ihrer Träume jeden Seitensprung verzeihen. Schließlich gibt es mit der Europäischen Union genug Spielraum für einen flotten Dreier. Geht doch.

Danke an den Autor für das Recht der Zweitverwertung.

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