Trump geht, Erdogan kommt – Mit Russen-Waffen Frieden schaffen?

Von Ulrich Gellermann.

Die atlantischen Medien-Redaktionen in Deutschland schnappen nach Luft, dem wenig begabten deutschen Außenminister fallen nur Floskeln ein, die NATO stammelt nicht mal: Donald Trump will die US-Truppen aus Syrien abziehen und die restliche westliche Welt, seit Jahr und Tag militärisch von diversen US-Regierungen in die Scheiße geritten, sucht eine Exit-Strategie.

Seit Längerem versuchen sich allerlei westlich orientierte Staaten – von den USA über die Franzosen bis hin zu den Deutschen und den Israelis – an einem Regime-Change in Syrien. Zu selbstbewußt war ihnen die Assad-Regierung, zu beharrlich hielt sie am Vertrag über den russischen Militärstützpunkt in Syrien fest. Da war die Gelegenheit eines innersyrischen Konfliktes viel zu günstig, als dass man sich nicht zugunsten der Opposition einmischen wollte, selbst wenn die sich auf finstere Islamisten aller Art stützte. Also sandte man Geld, Waffen, „Spezialkräfte“ und Söldner aller Art in das geschundene Land und maskierte diese mörderische Intervention auch noch als „Hilfe für die syrischen Demokraten“.

Seit die Israelis – die zu gern ihre widerrechtliche Besetzung der syrischen Golan-Höhen zum international geduldeten Gewohnheitsrecht betonieren wollen und deshalb wiederholt mal diese oder jene Ecke des syrischen Staates bombardierten – im September durch einen miesen Trick eine russische Ilyushin-20 vom syrischen Himmel holten, begann der Anfang vom Ende des blutigen Spiels. Die israelische Zeitung „Israel Heute“ hatte davon eine Ahnung und schrieb im September diesen Jahres: „Es wird erwartet, dass die Krise (der Abschuss) Auswirkungen auf Israels Fähigkeit haben wird, Luftangriffe gegen iranische Ziele in Syrien durchzuführen. Bis jetzt haben die Russen die IAF-Angriffe gegen diese Ziele ignoriert und sie nur verurteilt.“

Unmittelbar nach diesem Coup des Netanyahu-Regimes stationierten die Russen in Syrien das Flugabwehr-Raketensystem des Komplexes S-300W. Das neue System kann ein 2.500 Quadratkilometer großes Gebiet vor Luftangriffen schützen. Seit dieser Zeit haben die Russen die Lufthoheit über Syrien. Und Bodentruppen ohne Luftunterstützung haben ziemlich schlechte Karten. Selbst in den aggressivsten US-Militär-Kreisen begriff man langsam, dass der Krieg in Syrien nicht mehr zu gewinnen war. Und was Trump zur Zeit als generöse Geste verkauft, ist nichts anders als ein eingezogener Schwanz.

Der türkische Diktator Erdogan, der zu gern noch ein paar Kurden in Syrien umbringen möchte, kann das nicht einsehen. Er droht mit einer Offensive auf syrischem Gebiet. Seine Gewinnaussichten sind, spätestens nach der neuen russisch-syrischen Lufthoheit, sehr gering. Aber es sind ja nicht seine Söhne, die in Syrien für seine osmanischen Träume verheizt werden sollen. Ähnlich ignorant ist der angeblich demokratische Präsident der Franzosen. Denn gleich in den Tagen nach Trumps Schwanz-Einzugs-Bekanntmachung haben die französischen Truppen demonstrativ Präsenz gezeigt: Sie patrouillierten am Ufer des Sadschur. Der Nebenfluss des Euphrat markiert die Grenzlinie zwischen dem von türkischen Truppen und ihren lokalen Verbündeten kontrollierten Gebiet und dem Territorium, das von den kurdisch geprägten „Syrian Democratic Forces“ beherrscht wird. Welch eine große postkoloniale Geste. Ebenso leer wie bekotzt. Die Schreibtisch-Kriegsverbrecher vom SPIEGEL nennen das „Frankreichs Truppen zeigen Flagge“. Aber auch Macron hat offenkundig keine Verwandten oder gute Bekannte, die in den 200 französischen Spezialkräften auf syrischem Boden Dienst tun und dem Tod oder der schnellen Flucht entgegen sehen.

Von der sonst so großsprecherischen NATO kein Ton. Obwohl mit den türkischen und französischen Truppen jederzeit NATO-Verbündeten aufeinandertreffen könnten. Auch den deutschen NATO-Verbündeten fällt nichts ein. Der Nachwuchs-Außenminister Maas kritisiert zwar den Abzug der US-Truppen aus Syrien, hält deren Flucht sogar für falsch. Aber ob Maas’ heiße Luft den deutschen Blätterwald bewegt oder ob er damit Ballons für Kinder aufbläst, ist ziemlich gleichgültig. Auch nicht besonders relevant, aber interessanter wäre eine Stellungnahme der deutschen Verteidigungsministerin. Denn das Mandat für den Einsatz deutscher Soldaten gegen die IS-Terrormiliz in Syrien war erst im Oktober um ein Jahr verlängert worden. Die Bereitstellung von “Tornado”-Kampf-Flugzeugen zur Aufklärung sowie die Luftbetankung von Maschinen der internationalen Anti-IS-Koalition sollen erst zum 31. Oktober 2019 beendet werden. Welchem NATO-Verbündeten sollen die Tornados künftig helfen? Dem türkischen oder dem französischen? Dass sie sich selbst am besten durch einen Kurs zurück zur Heimat helfen würden, werden ihnen wohl die Russen beibringen müssen.

Schon im November begann, von den deutschen Medien kaum notiert, das US-Schwanz-Einzugsprogamm auf Raten. Da fand in Doha, der Hauptstadt des Golf-Emirats Katar, das dritte direkte Treffen von Vertretern der US-Regierung mit den Taliban seit Anfang des Sommers statt. Zwar hatte US-Präsident Donald Trump vor etwas mehr als einem Jahr seine neue, aggressivere Afghanistan-Strategie mit mehr Truppen und viel mehr Luftschlägen vorgelegt. Aber die Schläge gingen, wie die vielen anderen zuvor, ins militärstrategisch Leere. Natürlich gab es jede Menge kollaterale Siege: Afghanische Kinder, Frauen und Ziegenhirten können davon erzählen, wenn sie die Luftangriffe der US-Army überlebt haben. Nun also will der Immobilien-Dealer an der Spitze der USA 7.000 Soldaten abziehen. Es ist noch nicht raus, ob die Rüstungsindustrie der USA, die auch Trumps Wahlkampf mitfinanziert hatte, das wirklich zulässt. Auf dem üblichen AA-Niveau kommentierte der Staatsminister im Auswärtigen Amt Nils Annen die Trump-Äußerung: “Ziehen die USA Truppen aus Afghanistan ab, hätte das Folgen”. Wer hätte das gedacht.

Wie in Syrien entscheiden auch in Afghanistan die Waffen ob und wie es Frieden in den Ländern geben wird. Ob einem die Taliban sympathisch sind oder nicht: Ihr beharrlicher, bewaffneter Kampf gegen die westlichen Okkupanten, immer auf die heimische Bevölkerung gestützt, kann einen islamisch geprägten Frieden in Afghanistan diktieren. Und wer in all den vielen Jahren des widerrechtlichen, von den USA geführten Krieges gegen die Afghanen bei Verstand war, der hat das gewusst. Die deutschen Medien und die deutschen Regierungen besaßen diesen Verstand nie.

Der Vorteil eines russisch-syrischen Sieges gegen die internationalen Interventen in Syrien ist, dass die Russen keiner politischen Religion verpflichtet sind und sich, im Gegensatz zu den USA, an internationale Vereinbarungen halten. Auch diese Niederlage des radikalen Pazifismus kann ein neues Denken einleiten. Ganz sicher darüber, dass sich in der unipolaren Welt ein zweiter Macht-Pol zeigt. Denn in vielen Teilen der Erde ist mit Russland, nach dem faktischen Verschwinden der Sowjetunion, wieder zu rechnen. Das kann auch Platz für eine eigenständige deutsche Außen- und Militärpolitik schaffen. Bis das allerdings von den Maas & Co bemerkt werden wird, kann es dauern.

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