Geld regiert die Welt. Nur, wer regiert das Geld?
Wirtschaftsjournalist Ernst Wolff erklärt jeden Freitagmittag, um 12.00 Uhr, Begriffe, Mechanismen und Gesetze aus der Finanzbranche, die uns täglich als alternativlos verkauft werden, aber nur Wenige verstehen. Das soll sich ändern! THE WOLFF OF WALL STREET erklärt uns heute: „Wirtschaftssanktionen“.
Unter Wirtschaftssanktionen versteht man Strafmaßnahmen, die ein Land gegen ein anderes verhängt. Sie können sich gegen einzelne Personen, einzelne Unternehmen oder aber auch gegen ganze Wirtschaftszweige oder sogar die gesamte Wirtschaft eines Landes richten. In den beiden letzten Fällen würde man von einem Wirtschaftsembargo sprechen.
Wirtschaftssanktionen können verschiedene Formen annehmen. Das sanktionierende Land kann zum Beispiel Einfuhrzölle auf Waren aus dem betroffenen Land erheben und sie so für die eigenen Bürger teurer machen. Es kann aber auch Ausfuhrzölle erheben und so eigene Waren für die andere Seite verteuern. Möglich sind auch Ein- und Ausfuhrbeschränkungen oder ein komplettes Verbot der Ein- und Ausfuhr bestimmter Waren.
Weitere Sanktionsformen wären ein Einfrieren von Vermögenswerten eines Landes oder einzelner seiner Bürger oder auch das Abschneiden eines Landes von internationalen Zahlungsströmen durch seinen Ausschluss aus dem weltweit wichtigsten Zahlungssystem SWIFT.
Derartige Sanktionen sind in den vergangenen Jahrzehnten von zahlreichen Ländern, aber auch von internationalen Organisationen wie zum Beispiel den Vereinten Nationen verhängt worden. Zu den von Sanktionen betroffenen Ländern zählen u.a. China, Russland, Iran, Nordkorea, Weißrussland, die Ukraine, Aserbaidschan, Syrien, Irak und zahlreiche afrikanische Staaten. Die umfassendsten Sanktionen richten sich derzeit gegen Nordkorea, Iran und Syrien. Gegen alle drei Staaten gelten sowohl ein Waffenembargo als auch ein Lieferverbot für alle Güter, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können.
Alle Arten von Wirtschaftssanktionen haben eines gemeinsam: Sie werden grundsätzlich von stärkeren gegen schwächere Länder verhängt und treffen immer die sozial schwächeren Schichten des sanktionierten Landes am härtesten.
Zölle, Tarife und auch die Verknappung von Waren – wie zum Beispiel die Verknappung von Öl bei einem Ölembargo – führen dazu, dass die Preise – im Fall des Öls die Energiepreise – ansteigen, was natürlich die unteren Einkommen am stärksten belastet.
Sanktionierte Länder sind oft gezwungen, die eigene Währung abzuwerten. Während internationale Spekulanten von dieser Maßnahme profitieren, trifft der Kaufkraftverlust die arbeitende Bevölkerung und die Armen – insbesondere im Bereich importierter Nahrungsmittel. Besonders schlimm wird es, wenn die Sanktionen medizinische Güter betreffen.
Das ist zwar nach geltendem Völkerrecht verboten, das Verbot kann aber leicht umgangen werden, indem nicht die Medikamente selber, sondern die Rohstoffe, die zu ihrer Herstellung notwendig sind, sanktioniert werden – mit der Folge, dass es bei der Versorgung von Patienten zu lebensgefährlichen Engpässen, kommt.
Nur ein Beispiel: Das Center for Economic and Policy Research in Washington hat festgestellt, dass die Sanktionen gegen Venezuela 2017 und 2018 80.000 HIV-positive Menschen, 16.000 Dialyse-Patienten, ebenso viel Krebspatienten und 4 Millionen an Diabetes und Bluthochdruck leidende Menschen betroffen haben, von denen 40.000 in diesem Zeitraum wegen mangelnder Medikation gestorben sind.
Niemand sollte glauben, dass es sich bei diesen Folgen um einen unbeabsichtigten und tragischen Nebeneffekt der Sanktionen handelt. Ganz im Gegenteil: Dies ist ihre wirksamste Form. Je größer die Verzweiflung der Bevölkerung, umso stärker der Keil, der zwischen Regierung und Bürger des sanktionierten Landes getrieben wird und umso größer die Chancen, die Verhältnisse im Land zu destabilisieren, die Regierung gefügig zu machen und möglicherweise sogar einen Regimewechsel herbeizuführen.
Sanktionen haben aber auch in den Ländern, die sie verhängen oder mittragen, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen. Während weltweit operierende Großkonzerne den Verlust einzelner Märkte im Ausland fast immer gut verkraften können, sieht das für mittelständische Unternehmen anders aus.
Man muss sich zum Beispiel einen Maschinenbauer vorstellen, der seine Produkte zum großen Teil in den Iran verkauft und eines Tages erfährt, dass er nicht mehr dorthin exportieren darf. Sein Schicksal wird besiegelt sein, und sein Betrieb mit großer Wahrscheinlichkeit – wie in der Vergangenheit immer wieder geschehen – von einem Großkonzern übernommen werden.
Sanktionen fördern also im Ursprungsland die Konzentration und die Monopolisierung, während sie im Zielland vor allem die schwächsten Bevölkerungsschichten mit großer Härte treffen. Sie tragen also auf beiden Seiten dazu bei, das derzeit weltweit größte Problem zu verschärfen – die Explosion der sozialen Ungleichheit.
Die Zeit ist reif für ein demokratisches Geldsystem!
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