The Wolff of Wall Street: Mindestreserve (Podcast)

Geld regiert die Welt. Nur, wer regiert das Geld?

Wirtschaftsjournalist Ernst Wolff erklärt jeden Freitagmittag, um 12.00 Uhr, Begriffe, Mechanismen und Gesetze aus der Finanzbranche, die uns täglich als alternativlos verkauft werden, aber nur Wenige verstehen. Das soll sich ändern! THE WOLFF OF WALL STREET erklärt uns heute: „Mindestreserve“.

Es gibt eine Erklärung des Mindestreserve-Prinzips, die in etwa folgendermaßen lautet: Banken nehmen das Geld von Einlegern und Sparern entgegen und vergeben es in der Form von Krediten an andere Kunden. Da man im Laufe der Zeit festgestellt hat, dass nicht alle Einleger und Sparer ihr Geld auf einmal zurückfordern, hat man den Banken erlaubt, mehr Geld zu verleihen als in Form von Einlagen und Sparguthaben vorhanden ist und nur eine Mindestreserve zurückzubehalten.

Eine solche Erklärung wird heute noch an vielen Schulen verbreitet, findet sich in zahlreichen Fachbüchern und sogar in den Publikationen diverser Zentralbanken. Sie hat allerdings ein Problem: Sie hat mit der Wirklichkeit des heutigen Bankwesens nichts zu tun.

Diese Wirklichkeit sieht so aus: Wenn eine Bank einen Kredit vergibt, dann muss sie dazu nicht auf vorhandenes Geld zurückgreifen. Sie kann das für den Kredit notwendige Geld ganz einfach aus dem Nichts heraus schaffen. Gilt wie zum Beispiel in der Eurozone ein Mindestreservesatz von 1 Prozent, dann muss die Bank der Zentralbank nach der Ausstellung des Kredits innerhalb eines festgesetzten Zeitraumes einen entsprechenden Betrag überweisen. Dieser Betrag aber entspringt nicht dem Kredit, die Bank muss ihn noch nicht einmal besitzen, sie kann ihn sich zum Beispiel von einer anderen Bank leihen.

Warum, fragt man sich dann, wird die falsche Darstellung des Mindestreserve-Prinzips noch immer verbreitet? Ein Grund dafür könnte historisches Unverständnis oder besser gesagt: historisches Halbwissen sein, denn die Erklärung ist ja vor langer Zeit einmal – zumindest in Ansätzen – zutreffend gewesen.

Werfen wir dazu einen Blick zurück in die Geschichte: Geld und Banken hat es nicht immer gegeben, sie haben einen langen Entwicklungsprozess durchgemacht. Auf einer bestimmten Stufe dieses Prozesses wurde das Papiergeld eingeführt, aus dem später die Banknoten hervorgegangen sind. Der Wert einer solchen Banknote entsprach anfänglich einer bestimmten Menge eines Edelmetalls oder dem Wert einer oder mehrerer Münzen.

Tatsächlich hat man mit der Zeit festgestellt, dass man mehr Papiergeld vergeben konnte als durch Edelmetalle oder Münzen gedeckt war, weil deren Besitzer sie oft lange Zeit bei der Bank beließen. Diese Erkenntnis hat vor allem den damaligen Herrschern gefallen, denn die führten ständig Kriege und mussten diese ja finanzieren.

Also führten sie – zusammen mit den Banken – das Prinzip der Mindestreserve ein – aber zu einer Zeit, in der Geld ausschließlich in der Form von Münzen und Noten – also als Bargeld – existierte.

Seitdem aber hat sich das Bankensystem extrem verändert. Zum Papiergeld ist das Buchgeld hinzugekommen, das heute hauptsächlich in Form von elektronischem Geld existiert. Zudem leben wir seit etwa einem halben Jahrhundert in einer Welt, in der Geld an keinen physischen Wert mehr gebunden ist.

Der Versuch, die heutige Funktion der Mindestreserve mit Begriffen aus der damaligen Zeit heraus zu erklären, ist ungefähr dasselbe, als wenn man das Touchscreen eines Handys mit der Technik eines Tastentelefons erklären wollte. Außerdem gibt es sogar handfeste Belege dafür, dass diese Theorie gar nicht mehr stimmen kann, denn es gibt Länder wie Großbritannien, in denen die Mindestreserve vollkommen abgeschafft wurde.

Warum aber wird trotzdem so hartnäckig an der falschen Version festgehalten? Sehen wir uns dazu einmal die Rolle an, die der Bank darin zugewiesen wird: Sie erscheint als ein Vermittler zwischen denen, die ihr ihr Geld anvertrauen und denen, denen sie das Geld leiht, also als Dienstleister.

Da wir ja alle gewohnt sind, dass man in unserer Gesellschaft für Dienstleistungen bezahlt wird, gehen wir doch automatisch davon aus, dass das Geld, was die Banken durch die Kreditvergabe erwirtschaften, aus genau dieser Dienstleistung hervorgeht.

Rückt es die Banken nicht in ein vollkommen anderes Licht, wenn wir erfahren, dass sie bei der Vergabe eines Kredites Geld aus dem Nichts schaffen? Dass sie dafür keine Arbeit leisten müssen, anschließend auch noch Zinsen nehmen dürfen und – falls der Kreditnehmer das Geld nicht zurückzahlen kann – ihm sogar noch die Sicherheiten, die er für den Kredit bieten musste, wegnehmen dürfen…?

Könnte es sein, dass uns dann auffallen würde, dass das ausschließlich den Banken gewährte Privileg der Geldschöpfung ihnen eine Macht verleiht, die sie über uns alle erhebt und die mit dem allgemeinen Demokratieverständnis grundsätzlich unvereinbar ist…?

Die Zeit ist reif für ein demokratisches Geldsystem!

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