The Wolff of Wall Street: Deutsche Wirtschaftswunder (Podcast)

Geld regiert die Welt. Nur, wer regiert das Geld?

Wirtschaftsjournalist Ernst Wolff erklärt jeden Freitagmittag, um 12.00 Uhr, Begriffe, Mechanismen und Gesetze aus der Finanzbranche, die uns täglich als alternativlos verkauft werden, aber nur Wenige verstehen. Das soll sich ändern! THE WOLFF OF WALL STREET erklärt uns heute: „Deutsche Wirtschaftswunder“.

Nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg lag Deutschland in Trümmern. Die Hälfte der Wohnfläche war zerbombt, die Infrastruktur weitgehend zerstört. 1947 wurden nur noch 35 Prozent der Industriegüter und 50 Prozent der Nahrungsmittel von 1938 produziert.

1949 wurde das Land zudem in zwei Teile geteilt: Die Sowjetunion ließ in der von ihr besetzten Zone die planwirtschaftlich organisierte DDR gründen, während die Siegermächte USA, Großbritannien und Frankreich in ihren Zonen die auf der Marktwirtschaft basierende BRD errichten ließen.

Der Niedergang ging zunächst in beiden Teilen weiter, vor allem durch die Demontage, also den Abbau deutscher Industrieanlagen zwecks Wiederaufbau in den Ländern der Siegermächte. In der BRD wurden bis 1951 von den westlichen Siegermächten etwas mehr als 650 Anlagen demontiert, in der DDR von der Sowjetunion bis 1952 etwa 3.400, rund 30% der industriellen Kapazität von 1944.

Dann aber kam es in der BRD zu einem unerwarteten Wirtschaftsaufschwung, der etwa ein Vierteljahrhundert anhalten sollte und in den Fünfziger und Sechziger Jahren als „Wirtschaftswunder“ gefeiert wurde.

Dieses Wirtschaftswunder wird häufig mit dem Namen Ludwig Erhard verknüpft – dem damaligen ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, der auch gern als „Vater der sozialen Marktwirtschaft“ bezeichnet wird.

Tatsächlich aber verdankt der Wirtschaftsaufschwung von damals seine Existenz vor allem einem Phänomen: Dem Krieg – oder besser gesagt: den Kriegen. Es waren nämlich zwei Kriege, die entscheidend zum Deutschen Wirtschaftswunder beigetragen haben: der Zweite Weltkrieg von 1939 – 1945 und der Koreakrieg von 1950 – 1953.

Die gewaltigen Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und die Demontage von Industriebetrieben hatten Deutschland ja einerseits schwer geschadet, der Wirtschaft andererseits aber auch eine ganz neue Perspektive eröffnet, nämlich die des Wiederaufbaus. Den allerdings konnte Deutschland nicht allein bewerkstelligen, weil dazu das Geld fehlte.

Das aber hatte ein anderes Land: Die USA, die als größter Gläubiger der Welt aus dem Krieg hervorgegangen waren. Und die hatten nicht nur viel Geld, sondern auch ein eminentes Interesse daran, Deutschland wieder aufzubauen, und zwar als Bollwerk gegen die Sowjetunion, zu der sich das amerikanische Verhältnis nach Kriegsende erheblich verschlechtert hatte.

Grund war die Aufteilung der Welt unter den Großmächten, die zu zwei verschiedenen Wirtschaftsblöcken geführt hatte, deren sichtbarer Ausdruck die Spaltung Deutschlands war, die von den USA ab 1951 geschickt zum eigenen Vorteil ausgenutzt wurde.

Statt weiter zu demontieren, versorgten die USA Deutschland über den Marshallplan mit Krediten und kurbelten so den Wiederaufbau des weitgehend zerstörten Landes an – nicht etwa aus Uneigennützigkeit, sondern mit der Auflage, mit dem Geld vor allem US-Güter zu kaufen. Auf diese Weise förderten sie nicht nur die deutsche Wirtschaft, sondern auch die eigene Industrie und den eigenen Finanzsektor.

Und nicht nur das: 1950 begannen die USA den Koreakrieg, der eine starke Nachfrage nach Rüstungsgütern zur Folge hatte. Da die Bundesrepublik wegen der nationalsozialistischen Kriegspolitik über erhebliche brachliegende Produktionskapazitäten verfügte und die West-Alliierten die nach dem Krieg verhängten Produktionsbeschränkungen für Eisen- und Stahlprodukte aufhoben, stand die BRD im internationalen Wettbewerb sehr schnell an der Spitze.

Die Folge der Kombination von Wiederaufbau und Koreaboom war, dass sich die BRD-Exporte zwischen 1950 und 1952 verdoppelten und es in den Fünfziger Jahren in der Konsumgüter-Industrie zu Wachstumsraten um 9 Prozent und in der Investitionsgüter-Industrie sogar zu Wachstumsraten um 12 Prozent kam.

Diese gewaltigen Zuwächse erzeugten einen so hohen Bedarf an Arbeitsplätzen, dass in der Mitte der 50er Jahre damit begonnen wurde, Gastarbeiter ins Land zu holen – zunächst aus Italien, später auch aus anderen Mittelmeerländern.

Da die Steuereinnahmen durch den wirtschaftlichen Erfolg kräftig anstiegen, konnte der Staat sich damals auch relativ hohe Sozialausgaben leisten, was zum Schlagwort von der „sozialen Marktwirtschaft“ führte.

Mit der Großzügigkeit des Staates war es allerdings in den Siebziger Jahren vorbei, als der Wirtschaftsboom zu Ende ging und es zu immer heftigeren Verteilungskämpfen kam, in denen sich die Beschäftigten und die Arbeitgeberorganisationen immer unversöhnlicher gegenüberstanden.

Dass das deutsche Wirtschaftswunder von vielen Menschen heute noch entweder nostalgisch verklärt oder als eine Art Wunschvorstellung hochgehalten wird, ist zwar verständlich. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass seine Grundlagen nicht durch Ludwig Erhards Wirtschaftspolitik, sondern durch zwei Kriege geschaffen wurden, die riesige Zerstörungen angerichtet und Millionen von Menschen das Leben gekostet haben.

Die Zeit ist reif für ein demokratisches Geldsystem!

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