Teile und herrsche

Strategische Kommunikation gegen Menschen, die bei der großen Manipulation nicht mitspielen.

von Bernhard Trautvetter.

Die Herrschenden haben gerade in Zeiten der Destabilisierung durch schnelle und teils unvorhersehbare Entwicklungen der Produktionsverfahren, Wissenschaften und Handelsbeziehungen das Interesse der Stabilisierung ihrer Macht mit allen Mitteln. Eine Stelle, an der man das direkt auf die gegenwärtige Epoche anwenden kann, ist der vom Strategen und Präsidentenberater Brzezinski vor über drei Jahrzehnten eingebrachte Begriff “Tittytainment“.

Brzezinski hat in der Zeit des Vietnamkriegs den US-Präsidenten Lyndon B. Johnson, später Jimmy Carter und auch einige einflussreiche US-Konzerne beraten und als Sicherheitsexperte am “Zentrum für Strategische und Internationale Studien” sowie an der “School of Advanced International Studies” gewirkt.

Tittytainmant

Was Tittytainmant bedeutet, und womit es zusammenhängt, das hat diesen Hintergrund: „David Packard, Mitbegründer des High-Tech-Riesen Hewlett-Packard… stellt … die zentrale Frage [an John Cage, Topmanager bei der US-Computerfirma Sun Microsystems, B.T.]: ‚Wie viele Angestellte brauchst du wirklich, John?‘ ‚Sechs, vielleicht acht‘ antwortet Cage trocken. ‚Ohne sie wären wir aufgeschmissen. Dabei ist es völlig gleichgültig, wo auf der Erde sie wohnen.‘ Jetzt hakt der Diskussionsleiter, Professor Rustum Roy von der Pennsylvania State University, nach: ‚Und wie viele Leute arbeiten derzeit für Sun Systems ?‘ Cage: ‚16.000. Sie sind bis auf eine kleine Minderheit Rationalisierungsreserve.‘

Kein Raunen geht da durch den Raum, den Anwesenden ist der Ausblick auf bislang ungeahnte Arbeitslosenheere eine Selbstverständlichkeit. Keiner der hochbezahlten Karrieremanager aus den Zukunftsbranchen und Zukunftsländern glaubt noch an ausreichend neue ordentlich bezahlte Jobs auf technologisch aufwendigen Wachstumsmärkten in den bisherigen Wohlstandsländern – egal, in welchem Bereich. Die Zukunft verkürzen die Pragmatiker (…) auf ein Zahlenpaar und einen Begriff: „20 zu 80″ und ,,tittytainment”. 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung würden im kommenden Jahrhundert ausreichen, um die Weltwirtschaft in Schwung zu halten….die unteren 80 Prozent werden gewaltige Probleme bekommen“. (Quelle: Die Globalisierungsfalle, Hans-Peter Martin und Harald Schumann: Der Angriff auf Demokratie und Wohlstand)

Damit die, die aus der Gesellschaft fallen oder Angst davor haben, dass ein solches Schicksal sie ereilt, nicht wie im Paris des Sturms auf die Bastille oder im roten Mai 1968 auf die Barrikaden gehen, hat man Tittytainment erfunden: Die Menschen werden an ihren Geräten unterhalten, mit Sex and Crime, Sport und Spielen und Chatrooms so abgelenkt, dass ihr Widerstandswille und ihre Kraft zerbröselt werden, ehe sie sich besinnen. Das wird durch die unkalkulierbaren Risiken durch den Klimawandelfür die Herrschenden noch dringlicher:

Strategische Kommunikation im Angesicht der Destabilisierung 

Durch die globalen Bedrohungen infolge eines sich immer deutlicher abzeichnenden Klima-Chaos forcieren sich die Destabilisierungsgefahren für die Gesellschaft und damit für die Macht der Mächtigen. Das US-Pentagon hat schon vor Jahren über die Gefahren diskutiert, die sich in diesem Zusammenhang ergeben können. Sie sprachen von ökonomischer Unzufriedenheit, globalen Konflikten und schlussfolgerten, dass sie die Grenzen in der Folge von Flut-, Energie- und Klimakrisen besser sichern werden.

In die Phase hinein diskutieren die Militärs Fragen der „Strategischen Kommunikation“, auch um die Macht abzusichern und bestenfalls sogar noch nach Möglichkeit ihre Einfluss-Sphäre weiter auszudehnen.

Ein Beispiel, wie intensiv das geschieht, war die Essener Jahreskonferenz der Nato-Strategieschmiede >Joint Air Power Competence Centre<, die genau zum Thema der Strategischen  Kommunikation durchgeführt wurde. In der Einladung hieß es, es gäbe Einheiten,  die der Nato gegenüber feindlich eingestellt seien [„Entities hostile to Nato“]. Gegen solche Kräfte, wie es wohl in erster Linie die Friedensbewegung sein wird (man sprach nicht von Staaten!) die Erfolge bei der Verbreitung einer militärkritischen Meinung in der Öffentlichkeit zu verzeichnen haben, wolle man vorgehen, sodass Vorbehalte gegen Handlungen der Militärs in der Bevölkerung zurückgehen. Mehr noch: Es geht dabei dann darum, Unterstützung für militärische Gewalt zu generieren.

Zu den Nato-Lügen gehört seit Anbeginn, dass man gegen die Gefahr eines Angriffs aus dem Osten aufrüsten und Manöver exerzieren muss. Die Militärausgaben der Nato im Vergleich zu östlichen Gegenkräften lagen demgegenüber immer weit über denen der zum Gegner auserkorenen Staaten und Bündnisse. Die Völkerrechtsbrüche im Balkan, am Golf und in Nordafrika sind ebenfalls mit einseitiger Legitimations-Propaganda wie dem Besitz von Massenvernichtungswaffen und einer nicht hinnehmbaren Überlegenheit grausamer Unterdrücker flankiert worden. Die Ereignisse an der Krim werden ständig für Propagandazwecke instrumentalisiert, wobei Prozesse wie etwa die Besetzung großer Teiler Zyperns durch den Nato-Staat Türkei in Vergessenheit gebracht werden.

Was international erfolgt, findet seine Entsprechung national: Diese von den Militärs als ‚feindlich‘ eingestellte Kräfte sind in den Augen der Macht zu zerbröseln, nicht nur mit den hier skizzierten Lügen-Narrativs, sondern auch noch direkt, etwa durch das Prinzip ‚Teile und herrsche‘, wie es schon Bert Brecht im Solidaritätsliedtext formulierte: „Unsre Herrn wer sie auch seien sehen unsre Zwietracht gern, denn solang sie und entzweien, bleiben sie doch unsere Herrn“.

Antikommunismus

Eins der Instrumente der Spaltung der Kräfte, die sich für eine Alternative zum Terror des Profits einsetzen, ist der von Thomas Mann als Grundtorheit des 20. Jahrhunderts bezeichnete Antikommunismus. Hintergrund dieses Zitats ist unter anderem der McCarthyismus in den USA, in dessen Verlauf der vor den Nazis geflohene Exilant Bertold Brecht geriet.

Andere Opfer warem der Nulearphysiker und Mitkonstrukteur der gegen Hitler entwickelten Atombombe J.R. Oppenheimer, die Rosenbergs fielen ihm per Todesstrafe zum Opfer. In der Zeit vor dem Faschismus hatte diese Repression und Manipulation der Öffentlichkeit im Fall der unschuldig per Todesstrafe ermordeten Anarchisten Sacco und Vanzetti schon eine entsprechende Vorgeschichte, die mit Unterstützung von Joan Baez filmisch und musikalisch aufgearbeitet wurden. Selbst Thomas Mann geriet in die Fänge der Kommunistenjäger. In den 70er Jahren des 20 Jahrhunderts erging es der Kommunistin Angela Davis besser: sie wurde nach einer weltweiten Solidaritätskampagne mit Unterstützung der Rolling Stones, John Lennons und Franz Josef Degenhardts in einem Prozess vor einem US-Gericht nach einer langen Hetzkampagne nicht zum Tod verurteilt. Pablo Picasso war Kommunist, auch der Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda, ebenso Mikis Theodorakis… Es geht hier nicht darum, eine Weltanschauung von den Verbrechen der Stalin-Ära freizusprechen; es geht hier darum, aufzuzeigen, dass die Herrschenden immer schon geschickt und rigoros Mittel der Repression und Manipulation eingesetzt haben, um ihre Gegner in Schach zu halten. Die Berufsverbote gegen sogenannte Verfassungsfeinde in den 1970er Jahren sind ein bis heute berühmtes Beispiel dafür, da sie dazu geführt haben, dass DemokratInnen sich aus Angst nicht an Protestaktionen beteiligt haben, um ihre Karriere nicht zu gefährden.

Die Wahrheit verliert im Angesicht von Kriegspropaganda

Das Prinzip der Einschüchterung und der Propaganda nach dem Prinzip “Teile und herrsche“ wird bis heute ständig verfeinert. Das schleichende Gift der strategischen Kommunikation der Nato bewirkt, dass es nicht wie in Zeiten des Vietnamkriegs zu massiven und adäquaten Protesten gegen die Politik des Völkerrechtsbruchs und der Verletzung der Menschenrechte des Westens kommt, trotz der Zypern-Politik der Türkei (sie besetzte Nordzypern noch in der Zeit des Vietnamkrieges), der seit dem Ende des kalten Krieges häufigsten und massivsten Völkerrechtsverbrechen durch Nato-Militärs, die alle von ihnen beklagten Gewaltakte bei weitem in den Schatten stellen, siehe Balkan, Golf, Afrika, … . Trotzdem wirkt in vielen Köpfen von Bürgern im Einzugsbereich der Medien des Westens das Bild vor, die Nato sei eine Wertegemeinschaft der Verteidigung der Demokratie und des Friedens.

Antisemitismusvorwurf gegen Menschenrechtler

Genauso verrückt ist es, linker Kritik an den Menschen- und Völkerrechtsverstößen Israels das Etikett „Antisemitismus“ anzuheften. Antisemitismus ist eine rassistische Ideologie, die Menschen jüdischer Abstammung und jüdischen Glaubens bestimmte negative Eigenschaften aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Judentum andichten. Das gibt es auch als sekundären Antisemitismus, wenn sich jemand einseitig an den Menschenrechtsverletzungen der israelischen Regierung stößt und aber andere, vielleicht weite schlimmere Verletzungen von Menschenrechten durch Staaten und Bewegungen in anderen Teilen der Welt und mit anderen Weltanschauungen übergehen oder weit milder beurteilen.

Juden, die Israels Regierung wegen ihrer unverhältnismäßigen Reaktion auf Attentate und wegen ihrer Siedlungspolitik, die ja für viele Konflikte ein auslösendes Element des Prozesses der Aufschaukelung darstellt, sind genauso wenig Israel-Hasser, wie ich kein Deutschland-Hasser bin, der ich die Politik der Regierung meines Landes nur schon alleine im Kontext der völkerrechtswidrigen nuklearen Teilhabe im Rahmen der Nato kritisiere.

Das Wort ‚Israel-Hasser‘ ist hier  so unangemessen, wie der Vorwurf des Antisemitismus falsch ist. Er wird benutzt, damit Menschen, die von den bürgerlichen Medien tagtäglich das Gift der Manipulation ins Gehirn eingeträufelt bekommen, nicht kritisch werden, wenn alternativen Spektren voreilig und undifferenziert das Etikett des Antisemitismus oder ähnliches angehängt wird. Teile und herrsche ist verfeinert worden, auch dadurch, dass es nicht mehr wie in der Weimarer Zeit ein Milieu der Arbeiterbewegung gibt, in dem der Einzelne schon durch alltägliche direkt-sinnliche Erfahrung erleben konnte, dass dämonisierte Menschen und Bewegungen nicht so sind, wie es ihnen vorgeworfen wird.

Die herrschenden Gedanken

Der Satz aus  der Deutschen Ideologie von Karl Marx und Friedrich Engels „Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche herrschende Gedanken“ drückt aus, was man bis heute beobachten kann. Das Zitat von Paul Sethe aus dem Spiegel vom 5. Mai 1965 verdeutlicht davon einiges: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten“. Hinzu kommt die Vereinzelung der Medienkonsumenten am Display des digitalen Zeitalters von Tittytainment.  Immer mehr Menschen entfremden sich gegenüber der Gesellschaft und sich selbst, wenn sie sich vernetzt erleben, aber real alleine sind, während sie vielleicht zugleich mit ungezählten ‚Freunden‘ im Netz in Kontakt zu stehen scheinen.

Das Netz ist wie man an den alternativen Plattformen sieht auch für alternative Bewegungen nutzbar, aber auch für Diskreditierungskampagnen, wie sie zu, Beispiel gegen Kommunisten, Entspannungspolitiker wie den Sozialdemokraten M. Platzeck und auch gegen Einzelpersonen wie Ken Jebsen vorkommen. Zum Fall Ken Jebsen ist ein erhellender Text mit einer Antwort des ‚Angeklagten‘ im Rubikon zu lesen, nachdem eine Preisverleihung für ihn auf Intervention des Kultursenators Lederer abgesagt wurde.

Verschwörung gegen die Verschwörung

Ein weiteres modernes Narrativ gegen Teile der alternativen Kräfte ist die Ablehnung von Verschwörungstheoretikern. Der Vorwurf gegen Bürger, die in bestimmten Vorgängen Verschwörungen sehen, sie seien dadurch rechts, bezieht sich auf die NS-Propaganda gegen die von den Nazis erfundene „jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung“, wie zum Beispiel hier: „Jüdischer Bolschewismus oder Judäo-Bolschewismus ist ein zu antikommunistischer und antisemitischer Hetze gebrauchtes Schlagwort, das … nach dem Ersten Weltkrieg … Verbreitung fand. Große Bekanntheit erlangte dieser Begriff vor allem durch Reden und Schriften … – insbesondere von Adolf Hitler und Heinrich Himmler – sowie durch Befehle der Generalität der Wehrmacht zum ‚Unternehmen Barbarossa‘.“

Wenn jetzt jemand von Verschwörung redet, sei es beim Kennedy-Mord, bei den NSU-Morden oder dem Putsch 1973 in Chile, ist er in Teilen der Öffentlichkeit schnell in der Schublade einer Nachbarschaft zu Neonazis. Dem stellt sich unter anderem der Schriftsteller Wolfgang Schorlau entgegen, der den Kriminalroman ‚Die schützende Hand‘ geschrieben hat; er handelt von der NSU-Mordserie von Rechtsextremisten mit teils besten Beziehungen zu Vertretern der sogenannten Sicherheitsorgane unseres Landes. Wolfgang Schorlau antwortet auf diese Frage des mdr: „Wir kennen in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Verschwörungstheorien. Fühlen Sie sich frei davon, dass Sie ja möglicherweise ungewollt denen Argumente geben, die diesen Verschwörungstheorien nahe sind?“

Seine Antwort zeigt, dass er es sich bewahrt hat, sich seiner Vernunft zu bedienen und der Teile- und herrsche-strategischen Kommunikation der Herrschenden nicht auf den Leim zu gehen: Ich habe ein bisschen ein Problem mit dem Begriff Verschwörungstheorie.

Weil dieser Begriff transportiert gewissermaßen die Behauptung, es gebe keine Verschwörung. Und da bin ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher.  Ich lass’ das auch eine Figur mal sagen: Wenn eine Theorie alle Widersprüche stimmig erklärt, dann ist sie valide. Tut sie das nicht, ist sie falsch. So würde ich die Sache sehen.“ Dies ist ein Plädoyer für kritische Informationsverarbeitung

Brecht schrieb im Solidaritätslied „Wer im Stich läßt seinesgleichen – Läßt ja nur sich selbst im Stich.“ Die Bewegung gegen den Terror des Profits, gegen die Manipulateure der Macht, gen den Militarismus und für den Frieden, den es nur in einer Gesellschaft, die Gerechtigkeit  anstrebt, kann nur eine Bewegung solidarischer Kräfte sein, so, wie es Brecht und Hans Eisler mit ihrem Solidaritätslied anstrebten. Der Weg ist der Weg.

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