Tagesdosis 7.7.2018 – Die Flüchtlingsfrage und das globale Finanzsystem

Was Medien und Politik verschweigen.

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Kein anderes Thema beherrscht Medien und Politik seit Wochen so sehr wie die Flüchtlingsfrage. Ob in Deutschland, den übrigen europäischen Ländern oder in den USA – es scheint, als drehe sich zurzeit alles um den „Schutz der Grenzen“ und die „Eindämmung der Zuwanderung“.

Wieso nimmt das Thema ausgerechnet jetzt so viel Raum ein, wo der Ansturm seit längerer Zeit abebbt und die Zahl der Asylsuchenden rückläufig ist? Warum werden gerade jetzt Gesetze erlassen und vorbereitende Maßnahmen getroffen, die ganz offenbar von einem wesentlich höheren Ansturm als dem gegenwärtigen ausgehen?

Die Antwort lautet: Weil ein gewaltiger Ansturm bevorsteht, die Öffentlichkeit aber sowohl von den Medien als auch von der Politik über seine Ursachen im Dunkeln gelassen wird.

Hier der Hintergrund: 2007/2008 stand das globale Finanzsystem kurz vor dem Zusammenbruch und wurde nur durch das Eingreifen zahlreicher Regierungen gerettet. Da diese Rettungsaktion mehr Geld kostete als den jeweiligen Staaten zur Verfügung stand, sprangen die Zentralbanken als Retter in der Not ein. Sie schöpften riesige Geldmengen aus dem Nichts, vergaben sie zu immer niedrigeren Zinsen und begannen, in immer größerem Ausmaß Anleihen von problembelasteten Staaten zu kaufen und die Märkte bei Bedarf durch den Ankauf von Konzern-Anleihen und Aktien zu stabilisieren.

Das aber hatte fatale Konsequenzen, denn das System wurde schnell vom „billigen Geld“ abhängig und gleicht heute einem Süchtigen, der auf immer höhere Dosen seiner Droge angewiesen ist, dessen Gesundheit aber mit jeder Gabe weiter untergraben wird. Und so wie man einem Drogenabhängigen nicht zeitlich unbegrenzt Suchtmittel verabreichen kann, ohne ihn letztendlich umzubringen, so lässt sich auch das Finanzsystem nicht durch permanente Geldinjektion unbegrenzt am Leben erhalten. Irgendwann endet die Geldschöpfung durch die Zentralbanken in einer Hyperinflation, d.h.: das Geld verliert seinen Wert und das System kollabiert.

Auch die Finanzelite ist sich dieser Gefahr bewusst. Da sie das System, von dem sie in den letzten zehn Jahren in nie dagewesener Weise profitiert hat, aber unbedingt vor dem Untergang retten will, versucht sie seit einiger Zeit, das Ruder herumzureißen. Hierzu lässt sie die Zentralbanken nach und nach aus der lockeren Geldpolitik aussteigen: Die US-Zentralbank FED hat ihren Leitzins seit 2015 in sieben kleinen Schritten auf 1,75 bis 2 Prozent erhöht und den Geldfluss vermindert, die Europäische Zentralbank EZB hat ihr Anleihen-Kaufprogramm von anfangs 80 Mrd. Euro pro Monat erst auf 60, dann auf 30 Mrd. Euro reduziert und vor kurzem angekündigt, es bis zum Januar 2019 ganz einzustellen.

Diese Maßnahmen haben allerdings Nebenwirkungen, denn durch die lockere Geldpolitik hat die Welt einen Schuldenberg von historischen Dimensionen angehäuft, der ständig durch Zinszahlungen bedient werden muss. Das bedeutet: Schuldner geraten durch die Zinsanhebungen unter immer stärkeren Druck und werden zu Einsparungen gezwungen. Für Konzerne in Entwicklungs- und Schwellenländern heißt das: Weniger investieren, härter kalkulieren und vor allem: den wichtigsten Kostenfaktor – die Lohnkosten – weiter senken. Für Regierungen heißt das: Noch mehr Austerität, noch weniger Sozialleistungen.

Auch die Währungen von Schwellenländern sind betroffen: Investoren stoßen sie ab und gehen dorthin, wo die Zinsen angehoben werden, also hauptsächlich in den Dollarraum. Die Folge: Die Währungen wirtschaftlich ohnehin schwächerer Länder verlieren an Wert, ihre arbeitende Bevölkerung verliert an Kaufkraft und der Lebensstandard vor allem der unteren Schichten sinkt noch weiter – häufig bis unter das Existenzminimum.

Da nicht zu erwarten ist, dass die Finanzelite freiwillig vom einmal eingeschlagenen Kurs abweicht, liegt die weitere Entwicklung auf der Hand: Die Menschen aus Schwellen- und Entwicklungsländern werden in immer größeren Zahlen versuchen, den zunehmend unerträglicher werdenden Lebensbedingungen in ihrer Heimat zu entfliehen.

Im Klartext heißt das: Es ist die von der Finanzelite zur Erhaltung des Systems angeordnete Umkehr in der Geldpolitik, die der nächsten großen Flüchtlingswelle derzeit den Boden bereitet.

+++

Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

+++

KenFM bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Meinungsartikel und Gastbeiträge müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

+++

Alle weiteren Beiträge aus der Rubrik „Tagesdosis“ findest Du auf unserer Homepage: hier und auf unserer KenFM App.

+++

Dir gefällt unser Programm? Informationen zu Unterstützungsmöglichkeiten hier: https://kenfm.de/support/kenfm-unterstuetzen/


Bankenrettung ezb finanzelite Flüchtlinge Flüchtlingsfrage Flüchtlingsströme Flüchtlingswelle geldpolitik Hyperinflation Zentralbanken 

Auch interessant...

Kommentare (29)

Hinterlassen Sie eine Antwort