Tagesdosis 7.4.2018 – China und die USA auf Kollisionskurs (Podcast)

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Die US-Regierung hat den amerikanisch-chinesischen Handelskonflikt in dieser Woche mit der Androhung zusätzlicher Strafzölle verschärft. Die Auseinandersetzung hatte vor zwei Wochen mit der Verhängung von Strafzöllen auf chinesische Stahl- und Aluminiumimporte durch Washington begonnen. Eine Woche später hatte die Regierung in Peking reagiert, indem sie ihrerseits die Erhebung von Sonderabgaben auf diverse US-Importe ankündigte.

Auf den ersten Blick erscheinen die Vorgänge wie die Folge einer weiteren unüberlegten Provokation durch US-Präsident Trump. Sieht man jedoch näher hin, so fallen einem zwei von den Mainstreammedien kaum beachtete Ereignisse auf, die die harte Gangart der US-Regierung in einem anderen Licht erscheinen lassen.

So hat die Börse in Shanghai in der vergangenen Woche damit begonnen, Rohöl-Termingeschäfte (Futures) in der chinesischen Währung, dem Yuan, anzubieten. Zeitgleich hat China eine zweite Testphase des grenzübergreifenden Interbanken-Zahlungssystems CIPS eingeläutet, das dem Yuan helfen soll, über Chinas Grenzen hinaus als Zahlungsmittel akzeptiert zu werden.

Eine neue Stufe des Konfliktes zwischen den Großmächten

Damit hat China den bisher größten Angriff auf den US-Petrodollar gestartet, der das weltweite Finanzsystem seit Jahrzehnten beherrscht und neben dem US-Militär als wichtigste Stütze der US-Herrschaft gelten muss. Die seit längerem schwelende Auseinandersetzung zwischen den beiden Supermächten hat somit eine neue Eskalationsstufe erreicht. Um den Ernst der Lage zu erkennen, muss man sich nur an den Preis erinnern, den Irak und Libyen dafür bezahlt haben, dass ihre Führer Saddam Hussein und Muammar Gaddafi es wagten, den Petro-Dollar ernsthaft herauszufordern.

Im Unterschied zu Libyen und Irak spielt China allerdings in einer anderen Liga. Das Land ist in den vergangenen dreißig Jahren zur wirtschaftlichen Weltmacht aufgestiegen und hat die USA als wichtigster Handelspartner von 120 Ländern (die USA sind nur noch Handelspartner Nr. 1 von 70 Ländern) bereits überholt. Zudem verfügt China nicht nur über Atomwaffen, sondern hat militärisch in allen Bereichen (insbesondere zur See) gewaltige Fortschritte gemacht.

Im Gegenzug haben die USA mit mehreren Staaten im pazifischen Raum Militärverträge abgeschlossen, um sie auf diese Weise als Verbündete gegen das erstarkende China in Stellung zu bringen. China wiederum hat mit der „neuen Seidenstraße“ das bislang größte Wirtschaftsprojekt seiner Geschichte in die Wege geleitet, das Asien, Afrika und Europa wirtschaftlich miteinander verbinden und die chinesische Vormacht in diesem Raum etablieren soll.

Beide Länder kämpfen mit großen internen Problemen 

Beide Länder befinden sich damit in einem vor allem hinter den Kulissen ausgetragenen Wettstreit, bei dem allerdings auch interne Probleme eine immer größere Rolle spielen. So ist die „neue Seidenstraße“ für China nicht nur ein Prestigeobjekt, sondern lebensnotwendig: Das Land braucht dringend Absatzmärkte für seine Überproduktion und Investitionsmöglichkeiten für seinen von einer riesigen Schattenwirtschaft geprägten Finanzsektor. Außerdem muss es seine ausufernde Staatsbürokratie finanzieren, die einen großen Teil der öffentlichen Einnahmen in dunklen Kanälen verschwinden lässt.

Die USA wiederum leiden unter den Folgen der Explosion des Finanzsektors, dem Zerfall der Infrastruktur und einer stockenden Realwirtschaft. Die rasante Zunahme der sozialen Ungleichheit und die Verschärfung der Verteilungskämpfe sowie das drohende Platzen der riesigen Blasen an den Aktien-, Anleihen- und Immobilienmärkten hängen wie ein Damoklesschwert über der Trump-Administration.

Beide Länder sind aber auch voneinander abhängig: Die USA haben Millionen von Arbeitsplätzen nach China ausgelagert, um ihre Waren dort zu Niedriglöhnen produzieren zu lassen. China hat über Jahrzehnte mehr US-Staatsanleihen gekauft als jedes andere Land und damit einen entscheidenden Beitrag zur Finanzierung der US-Kriege in Afghanistan, Irak und Libyen geleistet.

Ein Stellvertreterkrieg rückt immer näher

Diese gegenseitige Abhängigkeit macht eine direkte kriegerische Konfrontation eher unwahrscheinlich, eröffnet aber eine andere – ebenso gefährliche – Perspektive, nämlich die eines Stellvertreterkrieges.

Im Fadenkreuz dürfte dabei Iran stehen und zwar aus folgenden Gründen: Für die „neue Seidenstraße“ ist Iran das wichtigste Brückenglied zwischen Asien und dem Nahen Osten, außerdem ist Iran Chinas größter Erdölimporteur. Die USA wiederum sind durch das Fracking selbst zur Öl-Großmacht geworden, bräuchten aber, um konkurrenzfähig zu sein, dringend einen höheren Ölpreis.

Ein Krieg in Iran würde China also erheblichen Schaden zufügen, während er der US-Finanzbranche und den von ihr beherrschten Energie- und Rüstungssektoren hohe Gewinne einbrächte. Zudem gäbe er der US-Politik die Möglichkeit, einem äußeren Feind die Schuld an dem bevorstehenden Zusammenbruch der Finanzmärkte in die Schuhe zu schieben.

Nicht nur das Säbelrasseln der USA, die Aufstockung ihres Militärhaushalts und die Waffenlieferungen in den Nahen Osten deuten in diese Richtung. Auch die weltweiten ideologischen Kampagnen, mit denen die internationale Öffentlichkeit zugunsten Saudi-Arabiens und Israels und gegen Iran und seine Verbündeten China und Russland beeinflusst werden sollen, verheißen nichts Gutes. Und nicht zuletzt hat sich US-Präsident Trump mit John Bolton als neuem Sicherheitsberater und Mike Pompeo als neuem Außenminister zwei Männer an die Seite geholt, die vor allem dafür bekannt sind, seit Jahren einen härteren Kurs gegen Iran zu fordern.

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