Tagesdosis 7.12.2017 – Wer sammelt denn noch Briefmarken? (Podcast)

Ein Kommentar von Bernhard Loyen.

Heute mal nicht die große Politik. Jeden Tag beherrschen unschöne, tragische, zerstörerische, aufwühlende Nachrichten unser Dasein. Die Zeit verläuft schneller. Man sehnt sich nach Schönem und dem wohlig Ablenkendem. Nach einem Moment der Ruhe.

Schallplatten & CDs contra Mp3. Bücher contra Ebooks. Fotoalben & Dias contra Instagram. Kataloge & Broschüren contra World Wide Web.  Zeitungen & Magazine contra Blogs. Münzen & Scheine contra Kreditkarten. Postkarten & Briefmarken contra Twitter.

Warum solch eine Aufzählung, solch ein Vergleich? In der Berliner Zeitung las ich folgende Mitteilung: Fachgeschäft muss schließen. Wer sammelt denn noch Briefmarken?[1] Der Artikel informierte darüber, das eine weitere Institution Berlins seine Pforten zum Ende des Jahres schließen wird. Ein Fachgeschäft für Briefmarken, ein aussterbendes Sammlerfeld, das der Philatelie. Es hätte in Berlin mal 100 Fachgeschäfte gegeben, nun noch fünf. Also nächsten Jahr dann vier.

Sammlerfeld, was ist das denn werden etwaig jüngere Leser fragen. Nun ja, es gab Zeiten wo Menschen jung wie alt einer Sammlerleidenschaft nachgingen. Hatte man wenig Geld bat man Freunde oder Verwandte um Hilfe bei der Sammlungsvergrößerung. Später mit eigenem Geld, ging man bevorzugt auf Flohmärkte, oder Sammlerbörsen. Die seriösen solventeren Sammler gingen zum Händler ihres Vertrauens.

In schwachen, oder betrübten Minuten und Phasen des Lebens konnte man sich beim Anblick der Objekte unkompliziert ablenken und vorallem erfreuen. Eine schlichte Freude, aber eine schöne und hilfreiche Versüßung des tristen Alltags. Es gab vielfältige Sammlergebiete, wie Kugelschreiber, Bierdeckel, Münzen, Comics, oder auch Würfelzucker. Den sammelte man zu Zeiten, als die Angestellte eines Cafes, oder einer Konditorei die schöne Frage formulierte: Möchte sie eine Tasse oder ein Kännchen Kaffee und dann lag auf der Untertasse ein Stück Würfelzucker mit dem Emblem des Etablissements. Die haben manch Mensch dann halt eingesteckt und gesammelt. Klingt verrückt, war aber so.Ist dann auch schon leider letztes Jahrhundert aus der Mode gekommen.

Nun habe ich die Tage mit Bekannten die Frage erläutert, wie wohl Flohmärkte in dreißig Jahren aussehen werden. Es wird immer mehr weggeschmissen. Eine Generation entsorgt die Geschichte ihrer Vorfahren, sorgt aber gleichzeitig nicht für Nachschub für die eigenen Enkel. Was soll dann eigentlich zukünftig auf den Tischen liegen. Ebooks? Speichersticks? Festplatten ? Sim Karten?

Es wird heute auch eifrig gesammelt. Likes, Bewertungen und Bonus Miles. Was jedoch fehlt ist jegliche Haptik. Wobei können sie denn so abschalten, wenn sie dann abschalten wollen? Also Abschalten im ursprünglichen Sinne. Sich schlicht erfreuen an einem Foto, oder einer alten Postkarte, dem Rascheln beim Durchblättern eines alten Magazins, dem Ton einer Schallplatte, oder CD. All das kann ungemein entschleunigen und tiefe Zufriedenheit erzeugen. Gönnen sie sich diese Erfahrung.

Quelle

1 – https://www.berliner-zeitung.de/berlin/fachgeschaeft-muss-schliessen-wer-sammelt-denn-noch-briefmarken–29024748

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Artikels.

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