Tagesdosis 6.7.2019 – Geburtshelferin eines militarisierten Europas (Podcast)

Ein Kommentar von Hermann Ploppa.

Die Europäische Union bleibt ihrem in Jahrzehnten mühsam erarbeiteten Ruf treu. Als kafkaeske Superbehörde steht sie über den Niederungen nationaler Auseinandersetzungen und setzt selbstherrlich ihre Beschlüsse durch. So auch wieder geschehen mit der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Was hat man nicht alles versprochen: die EU soll demokratischer werden. Transparenter. Näher am Bürger. Der neue Kommissionspräsident der Europäischen Union soll aus den Reihen des Europäischen Parlaments in Straßburg kommen. Die Sozialdemokraten schäumen. Das gildet nicht! Und: diese Querschuss-Kandidatin von der Leyen werden wir nicht wählen! Das Europa-Parlament hat zwar gar nichts zu sagen, muss aber die Vorschläge der EU-Kommission in Brüssel durch Wahl ihrer Wunschkandidaten abnicken. Und da wollen die Sozialdemokraten die Uschi mit Pauken und Trompeten durchfallen lassen. Naja, keine Angst: die Sozis werden auch von der Leyen durchwinken. Neben den Mitgliedern der konservativen Fraktion haben auch die Grünen in Straßburg schon ihr entschiedene „Jein“  zur von der Leyen-Wahl signalisiert. Und es sind gerade die viel geschmähten „Rechtspopulisten“ aus den osteuropäischen Ländern, die den niederländischen sozialdemokratischen EU-Präsidentschaftskandidaten Frans Timmermans ums Verrecken nicht haben wollten, und die nun von der Leyen jauchzend wählen wollen. 

Um Klarheiten zu schaffen und der deutschen Verteidigungsministerin logistische Schützenhilfe zu geben, haben ihr die Eurokraten den Status einer „EU-Sonderberaterin“ aus dem Hut gezaubert. Sie hat ab sofort ein eigenes Büro in Brüssel, mit eigenen Mitarbeitern und Sicherheitsleuten, um ihre Wahl quasi vom Feldherrenhügel aus durchdrücken zu können.

Also, wie gehabt: Regieren auf Gutsherrenart. Der französische Präsident Macron begründete seine Unterstützung damit, von der Leyen könne fließend Französisch. Und EU-Ratspräsident Donald Tusk fand für seine Zustimmung zu der Deutschen die dämliche Ausrede: „Schließlich ist Europa eine Frau.“ 

Warum dieser Schnellschuss? Die EU-Bürokratie ist als Recyclinghof für auf nationaler Ebene gescheiterte Politiker immer wieder beliebt. Genannt seien hier deutscherseits nur Edmund Stoiber und Günther Oettinger. In der Tat ist Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin schon lange reif für die Entlassung. Dass sie noch im Amt ist, verdankt sie der konzertierten Ruhe in den deutschen Mainstream-Medien. Aber das ist nicht der springende Punkt.

Zunächst einmal: Von der Leyen ist die personifizierte Amerikanisierung in der deutschen Politik. Sie steht für eine neue Oligarchie, die sich besonders nach der deutschen Wieder“vereinigung“ geradezu einen dynastischen Anspruch auf Generationen übergreifende Machterhaltung gesichert hat. Ihr Vater Ernst Albrecht begann seine Karriere in der Eurokratie, bevor er unter dubiosen Umständen Ministerpräsident von Niedersachsen wurde. Tochter Ursula macht da weiter, wo der Vater aufgehört hat. Ein ähnlicher Fall wie Birgit Breuel, die als Tochter der Bankierdynastie Münchmeyer in ihrer Eigenschaft als Chefin der Treuhand die Bereicherung ihres Standes vorangetrieben hat. Ein Typus von Politikern, die den Staat und das mühsam erarbeitete Vermögen der deutschen Mitbürger nur noch als Instrumente zur Selbstbereicherung ansehen.

Folglich begann von der Leyen ihre politische Karriere, indem sie als niedersächsische Sozialministerin das Landesblindengeld strich. Das heißt: die Blinden können jetzt aus ihrer kargen Rente alle Kosten selber bezahlen, die ihnen aus der Behinderung zusätzlich entstehen. Als Bundesministerin für Arbeit und Soziales boxte sie die Rente mit 67 durch. In einem Interview mit der Bild-Zeitung erklärte sie ganz human, dass ein Dachdecker nicht mehr unbedingt mit 67 auf Dächern herumkriechen müsse. Er könne ja beim Discounter Regale befüllen.

Im Verteidigungsministerin ist von der Leyen nicht gerade durch Kreativität aufgefallen. Aber sie hat de facto das Verteidigungsministerium privatisiert. Gleich als erste Amtshandlung setzte die Ministerin die Unternehmensberaterin Katrin Suder von der bekannten Firma McKinsey als Staatssekretärin ein. Dann wurden „freihändig“, also ohne die gesetzlich geforderte Ausschreibung, 400 Einzelverträge im Gesamtvolumen von 150 Millionen Euro pro Jahr mit externen Unternehmensberatern abgeschlossen. Diese „Armada“ (so der Spiegel) wurde mit offiziellen amtlichen Kompetenzen ausgestattet und hatte freien Zugang zu Staatsgeheimnissen. Die privaten Wegelagerer genehmigten sich einen Tagessatz von 1.700 Euro. Was den rechtmäßigen Mitarbeitern des Ministeriums sauer aufstieß: das Ministerium macht sich von den externen Beratern abhängig wie der Fixer vom Dealer. Die Externen produzieren Lösungsansätze, die zwangsläufig den Bedarf nach weiteren externen Beratungsleistungen erzeugen. Diese kriminelle Selbstbereicherung ist eigentlich Grund genug, Frau von der Leyen sofort zu entlassen und den von ihr angerichteten Augiasstall im Verteidigungsministerium gründlich auszumisten. Dieser Fall wurde jedoch in der gewohnten Manier von den Medien auf mittlerer Hitze abgekocht und sodann unter allgemeinem resigniertem Achselzucken einfach so hingenommen.

So skurril das womöglich erstmal klingt: Frau von der Leyen ist für den neuen Job als EU-Kommissionspräsidentin die allererste Wahl! Denn sie bringt alle Voraussetzungen mit für die jetzt gerade einsetzende massive Militarisierung der Europäischen Union. Als Ministerin hatte sie zusammen mit dem damaligen Außenminister Sigmar Gabriel das für alle EU-Länder verbindliche PESCO-Abkommen unterzeichnet. PESCO steht für: Permanent Structured Cooperation, also: die permanente strukturierte Zusammenarbeit. Es geht kurz gesagt darum, dass nicht mehr länger jedes EU-Land seine eigene Rüstung betreibt. Von jetzt ab werden Forschung und Entwicklung von Rüstung, ihre Vermarktung und ihre Normierung in enger Zusammenarbeit mit allen EU-Staaten vorgenommen. Wir sind gerade Zeugen des massiven Aufbaus eines europaweiten Militärisch-Industriellen Komplexes nach dem Vorbild der USA. Und es unterliegt keinem Zweifel, dass die Rüstungskonzerne aus Frankreich und Deutschland dabei die Führungsrolle einnehmen werden. Die anderen EU-„Partner“ werden sich fügen müssen, friss‘ Vogel oder stirb. Das liest sich im Spiegel  so: 

„An der nötigen Mehrheit für den Start der Pesco-Zusammenarbeit gibt es kaum einen Zweifel. In insgesamt sechs Workshops in Paris, Berlin und Brüssel haben Deutsche und Franzosen das Projekt in den vergangenen Monaten allen anderen EU-Mitgliedern vorgestellt, daher kann sich eigentlich niemand überrumpelt fühlen. Obwohl sie nicht mitmachen wollen, sollen sich nicht mal Briten und Dänen der Notifizierung verweigern, so ist zu hören.“ 

Während die Euro-Einführung eine Lizenz zum Töten für die mächtigen Banken Deutschlands und Frankreichs ist, so wird PESCO den deutschen und französischen Rüstungskonzernen den Weg ebnen und kleinere Konkurrenten platt machen. Übrigens verpflichten sich die PESCO-Unterzeichner, ihre Rüstungsausgaben kontinuierlich zu steigern. Zudem ist die Installierung einer internationalen Eingreiftruppe geplant, die auch außerhalb der EU tätig werden soll. „Missionen“ mit Kampfelementen gibt es schon in Mali, Bosnien-Herzegowina, Zentralafrika und Somalia. Zunächst zivilistisch gibt man sich jetzt noch im Irak, in Palästina, Libyen, Ukraine und Georgien. Personal und Finanzen (5.5 Milliarden pro Jahr) nehmen sich im Vergleich mit den USA bis jetzt noch bescheiden aus. Das wird sich aber ändern. Im Augenblick wird an einer engen Verzahnung von zivilen und militärischen Einrichtungen gearbeitet. Ein „Schengen-Abkommen des Militärs“ ist eine erste Etappe, also eine die nationalen Grenzen überschreitende Beweglichkeit der neuen europäischen Militärs.

Gewiss wird Ursula von der Leyen in ihrer neuen Funktion als EU-Kommissionspräsidentin genauso wenig kreativ und bestimmend sein wie sie es als Verteidigungsministerin ist. Sie dient auch in Brüssel nur als zivile Galionsfigur, um von den wirklich bestimmenden Kräften der EU-Militarisierung abzulenken. Genau wie auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Wirklichkeit nichts zu melden hat und nur von den tonangebenden Generälen ablenken soll. Auch ist die neue Militärmacht der Europäischen Union kein Versuch, sich nach dem Frust mit US-Präsident Donald Trump von den USA zu emanzipieren. Vielmehr ist die EU-Aufrüstung so konzipiert, dass sie den USA den Rücken freihält für den großen Kampf gegen den gefährlichsten Herausforderer, nämlich die Volksrepublik China. Von der Leyen hat bei ihren Auftritten bei der Münchner Sicherheitskonferenz oder den Bilderbergern oder der Atlantikblücke keinen Zweifel gelassen, dass ihre Loyalität zu den USA eindeutig feststeht.

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