Tagesdosis 6.4.2019 – Die Kriegsmaschine in Action

Ein Kommentar von Susan Bonath.

Rüstungsexporte sind das profitabelste Geschäft dieser Zeit. Einer Zeit, in der eine globale Profitmaschine auf exzessiv-expansivem Wachstumskurs die finale planetare Zerstörung eingeläutet hat. Halbherzige Einwände aus dem scheindemokratisch-parlamentarischen Überbau ihrer Machtinstrumente jucken die Profiteure des Räderwerks in den hohen Etagen der Mega-Kartelle schon lange nicht mehr. Es ist eine Binsenweisheit: Bei 300 Prozent Rendite geht das Kapital über Leichen. Daran hält sich auch der europäische Flugzeugbauer und Rüstungsgigant Airbus.

Vor einigen Tagen warnte dessen Vorstandschef Thomas Enders, der am 10. April in seinen satt finanzierten Ruhestand scheiden wird, die Bundesregierung vor »den Folgen des verlängerten Exportstopps für Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien«. Damit verliere Deutschland einen Teil seiner wichtigsten Industrie, ätzte er und drohte: »Wir überlegen, ob wir unsere Produkte möglichst german free machen können.«

Für den multinationalen Kriegskonzern ist es kein Problem, das Zeug woanders bauen zu lassen. Die seit der Übernahme von Airbus Frankreich durch EADS in den Niederlanden hauptansässige Airbus Group verfügt über zahlreiche Produktionsstandorte, neben Deutschland auch in Frankreich, China und den USA. Schon jetzt entwickelt das Unternehmen die meisten Rüstungsgüter über Ländergrenzen hinweg.

Ja, richtig, ein Konzernchef geht die Bundesregierung öffentlich an. Damit breche Deutschland sein Versprechen, keine Waffenexporte der europäischen Partner zu blockieren, so Enders. Der Regierung und dem Parlament warf er »moralischen Rigorismus« vor und maulte: Sie gängelten die Rüstungsindustrie mit einem »Beschluss, den keiner richtig versteht«. Damit stehe Deutschland isoliert in Europa da.

Dabei ist die mühsame Einigung der Koalition in Berlin auf die Verlängerung des Rüstungsexportstopps eigentlich eine Schimäre. Zwar gab die Union auf Druck der SPD nach, bis Ende September keine neuen Anträge auf Rüstungslieferungen nach Saudi-Arabien genehmigen zu wollen. Allerdings darf Kriegsgerät im Rahmen europäischer Rüstungsprojekte an andere Konzerne oder Ableger geliefert werden, die es dann nach Saudi-Arabien ausführen.

Auch in die Arabischen Emirate können die Firmen weiter liefern, also quasi über einen Umweg. Seit dem offiziellen Exportstopp im letzten Herbst hat sich Zahl und Wert der Ausfuhrgenehmigungen dorthin vervielfacht. Darüber hinaus gibt es eine ganze Liste von weiteren Ausnahmeregelungen für die Zusammenarbeit mit französischen Waffenproduzenten.

Geradezu absurd und zynisch klingen die eingeflochtenen moralischen Appelle der Bundesregierung an die Großkonzerne: So sollen diese bei ihren europäischen Abnehmern darauf dringen, dass die aus Deutschland gelieferten Teile nicht im Jemen-Krieg zum Einsatz kommen.

Seit März 2015 führt Saudi-Arabien die Kriegskoalition gegen den Jemen an. An dieser beteiligen sich neben den Arabischen Emiraten auch westliche Länder, darunter Großbritannien, die USA, Deutschland und Frankreich. Der Krieg richtet sich gegen schiitische Huthi-Rebellen, die den Saudi-Arabien und den USA nahestehenden sunnitischen Präsidenten Abdo Rabbo Mansour Hadi zuvor aus dem Amt gejagt hatten.

Der Angriff stürzte das schon zuvor ärmste Land der arabischen Halbinsel mit rund 30 Millionen Einwohnern in ein barbarisches Chaos. Ständige Luftangriffe und Seeblockaden sorgen für unbeschreibliches Elend. Die Menschen hungern. Vor allem Kinder sterben an den Folgen von Mangelernährung und Epidemien. Es fehlt sauberes Wasser, die Cholera und andere Krankheiten raffen immer mehr Menschen dahin.

Gemordet wird auch mit deutschen Waffen. Wie aus einer Regierungsantwort an die Grünen-Fraktion jüngst hervorging, nutzen die Konzerne ausgiebig eingebaute Hintertüren. Seit ihrem Amtsantritt genehmigte die Bundesregierung trotz allem Rüstungsexporte an die Jemen-Kriegsallianz im Wert von 400 Millionen Euro.

Der profitträchtige wie mörderische Ehrgeiz der umweltzerstörenden Waffenschmieden ist ungebrochen. Die Bundesregierung spielt mit. Das kann man beklagen. Doch man sollte bedenken: Kein kapitalistischer Staat würde die profitabelsten Geschäfte seiner Finanziers tatsächlich stoppen. Es geht um Profitmaximierung, um sonst nichts. Denn das ist der irrationale Selbstzweck der kapitalistischen Produktionsweise. Und die Aufgabe von Staaten ist es, den Wahnsinn in diesem Sinne zu managen. Nicht mehr, nicht weniger.

Das kriegerische Erobern von Märkten und Ressourcen gehört genauso dazu, wie gewaltsame Regimechanges in und Wirtschaftsblockaden gegen Staaten, die sich dem globalen Markt, diktiert von den Imperien, nicht vollständig unterwerfen. Der Krieg gehört dazu, wie die Hartz-IV-Sanktionen und die Obdachlosen unter Berliner und Hamburger Brücken. Beides nützt dem Kapital. Vor allem dient dazu, Noch-Arbeitsplatz-Besitzer gefügig zu halten. »Wenn ihr nicht gehorcht, landet ihr auch dort!«, so die Botschaft. Das sind Formen des Krieges im Inneren. Die meisten erkennen es nur nicht. Sie haben sich daran gewöhnt.

Die Angst der Noch-Arbeitsplatz-Besitzer um Lohn und Brot ist Teil des ideologischen Programms, um die mörderische Kapital-Akkumulations-Maschine am Laufen zu halten. Solange das Gros der Lohnarbeiter seinen Lebenssinn darin sieht, für die Profite seiner Herren zu schuften, solange die Masse nicht lernt, zwischen Arbeit und Lohnarbeit zu unterscheiden, wird diese Maschine mit Hilfe Millionen freiwilliger Untertanen weiter rotieren. Solange werden auch Soldaten für ihre Herren in Uniformen steigen und morden.

Krieg, ob mit oder ohne Waffengewalt, ist logische Folge und zugleich profitable Triebfeder dieses planetaren Wahnsinns. Je stärker das Kapital in die Profitkrise rutscht – selbiges erleben wir gerade – desto härter werden die Methoden. Die gravierenden sozialen Folgen erzeugen Verteilungskämpfe. Diese wiederum nutzen die Herrschenden, um bewaffnete Konflikte um elementare Güter zu schüren, gern unter dem Deckmantel von Ideologie oder Religion.

Nichts ist einfacher als das in diesem Irrenhaus voller zwanghafter Statusakrobaten, rotierend zwischen Größenwahn und gekränkter Eitelkeit, totaler Realitätsverleugnung und primitiver Futterkonkurrenz. Appelle an die Menschenrechte verhallen darin. Alle Abkommen sind das Papier nicht wert, auf dem sie verewigt wurden. Verträge und Verpflichtungen der Machthaber bedeuten so viel, wie das Versprechen eines Massenmörders, ein guter Mensch zu werden, während er die nächsten Opfer schon auf dem Schirm hat.

Ob Massenmord oder ökonomische Plünderung der Postkolonien, ob Umweltzerstörung oder wachsende Verarmung, ob Hunger oder Vertreibung: Innerhalb der gegenwärtigen Wirtschaftsweise kann es keine Lösungen für diese drängendsten Probleme der Menschheit geben. Sie sind Begleiterscheinungen des Kapitalismus. Seit Hunderten von Jahren schreiben Menschen darüber Bücher.

Solange die Wirtschaft nicht dem Bedarf aller Menschen, sondern ausschließlich dem Profit derer dient, die sie besitzen, wird sich all das immer weiter verschärfen. Kurzum: Stellt der Mensch die Produktion nicht von profitgetrieben auf bedarfsorientiert um, wird er sich in absehbarer Zeit selbst vernichten.

Was der Menschheit droht, wenn sie die Profitmaschine nicht stoppt, darauf deuten bereits die Zeichen der Zeit hin: Unternehmen verschmelzen zu gigantischen Monopolen und Kartellen, die alle wichtigen Branchen, wie Energie, Nahrung, Chemie, Stahl, Rüstung und IT, in sich vereinen. Diese Kartelle werden bald keine Staaten mehr benötigen, um ihre Untertanen zu bändigen. Mit global verteilten Tochterfirmen können sie das gut selbst besorgen. Es ist eine Frage der Zeit, bis sie auch vollständig das Militär und die Polizei dirigieren.

Derweil sorgt die technologische Entwicklung für immer mehr freigesetzte Lohnabhängige, im Herrschaftsjargon »Sozialschmarotzer« genannt. Man lässt sie verarmen, und mit ihnen schwindet die Kaufkraft. Kapital wird zusehends unrentabler. Dazu gehören nicht nur Maschinen und Ressourcen, sondern auch Menschen. Humankapital. Nach kapitalistischer Logik ist unrentables Kapital überflüssig. Es muss vernichtet werden – um Kosten zu sparen.

Blicken wir auf die Zustände in der Welt, wird klar: All das ist in vollem Gange. Die Herrschenden und ihre Presseabteilungen geben sich nicht einmal mehr Mühe, das zu kaschieren. In den Postkolonien zerfallen die Staatsapparate. Internationale Großkonzerne, Banken und lokale Oligarchen teilen die Gebiete unter sich auf. Auch in den Imperien schreiben diese die Gesetze längst selbst. In den Parlamenten gehen sie ein und aus und besetzen höchste Posten.

Und die Zahl der Opfer, ob irgendwo verhungert oder erfroren, von Bomben zerfetzt, im Mittelmeer auf der Flucht ertrunken oder in libyschen KZ´s massakriert, ob mit Hartz IV oder internationalen Wirtschaftsblockaden zu Tode sanktioniert, steigt unaufhaltsam unter dem wohlwollenden Blick der Marktprofiteure und Umweltzerstörer, der Militärdirigenten und vieler williger Untertanen.

Die kapitalistische Agenda nimmt ihren Lauf. Jedenfalls solange sie nicht von unten aufgehalten wird. Blöderweise geben die Eigentümer der Konzerne und Banken keinen Cent, keinen Heller und kein Stück Macht freiwillig ab. Auch in der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise werden sie das nicht tun. Im Gegenteil: Da geht das Kapital schon für weit weniger als 300 Prozent Rendite über Leichenberge.

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