Tagesdosis 6.10.2018 – Die Schuldenlawine rollt und die EZB ist machtlos

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Zwei Entwicklungen werden unser Leben in der nahen Zukunft maßgeblich prägen: Das ungebremste Wachstum des weltweiten Schuldenberges und die Verschärfung der „Austeritätspolitik“.

Der Grund: Das globale Finanzsystem wird seit zehn Jahren nur durch die künstliche Erzeugung riesiger Geldsummen am Leben erhalten. Da diese aber nicht verschenkt, sondern als Kredite vergeben werden, müssen zu ihrer Bedienung immer neue Schulden aufgenommen werden.

Um diesen Kreislauf aufrecht zu erhalten, muss an anderer Stelle immer härter gespart werden. Für Unternehmen bedeutet das die Senkung von Lohnstückkosten, also Rationalisierungen, Lohnsenkungen und Entlassungen. Für Staaten bedeutet es in erster Linie die Kürzung von Sozialleistungen.

Dieser Prozess wird sich in der vor uns liegenden Periode weiter verstärken und zwar aus zwei Gründen: Die Geldpolitik der Zentralbanken hat zu immensen Blasen an den Aktien-, Anleihen- und Immobilienmärkten geführt, die jederzeit platzen können. Außerdem droht nach der mittlerweile fast zehn Jahre andauernden, künstlich erzeugten Rallye an den Finanzmärkten eine Rezession.

Beides muss um jeden Preis verhindert werden, da wegen der Niedrigzinsen der vergangenen Jahre extrem viel geliehenes Geld zur Spekulation eingesetzt wurde und es zu einem „Margin Call“ kommen könnte: Das heißt, dass Kreditgeber ihr Geld wegen fallender Kurse zurück verlangen, die Kreditnehmer aber nur zahlen können, wenn sie weitere Anlagen verkaufen und so eine Spirale nach unten in Gang setzen. Außerdem würden konservative Anleger wie Pensionskassen und Rentenfonds, die wegen der Niedrigzinsen ins Risiko gehen mussten, riesige Verluste erleiden und im Bereich der Derivate würden Zahlungen in unbekannter, vermutlich aber systemgefährdender Höhe fällig werden.

Die einzige Macht, die eine solche Entwicklung verhindern könnte, sind die Zentralbanken. Sie aber stehen vor einem riesigen Problem: Sie haben ihre Möglichkeiten der Steuerung des Systems – Geldschöpfung und Zinssenkung – in den vergangenen zehn Jahren weitgehend ausgeschöpft. Um wieder handlungsfähig zu werden, müssen sie ihre bisher „lockere“ Geldpolitik daher nun unter enormem Zeitdruck „straffen“.

Die US-Zentralbank FED hat das bereits zu einem kleinen Teil geschafft und die Zinsen auf 2 – 2,25 Prozent angehoben, allerdings mit erheblichen Nebenwirkungen. Investoren wechseln scharenweise zurück in den US-Dollar, so dass die Währungen von Schwellenländern rapide an Wert verlieren. Um gegenzusteuern, heben die Zentralbanken dieser Länder die Zinsen an, was dazu führt, dass die Bedienung von Schulden in der Landeswährung erschwert wird und es zu immer mehr Unternehmenszusammenbrüchen kommt und den Staaten wegen geringerer Steuereinnahmen und höheren Zinszahlungen immer weniger Geld zur Verfügung steht.

Doch nicht nur die Schwellenländer rutschen momentan immer tiefer in die Krise: Wie die jüngsten Entwicklungen in Italien und Griechenland zeigen, nehmen die Probleme auch in Europa lawinenartig zu. Dennoch hat die EZB die Zinsen bis heute nicht angehoben, sondern bei Null belassen. Warum? Weil ihr die Hände gebunden sind – unter anderem deshalb, weil eine Zinserhöhung die Zahlungsfähigkeit von Ländern wie Griechenland und Italien, die ohnehin am Abgrund stehen, weiter einschränken, deren Finanzsituation noch schwieriger machen und die Eurozone damit noch tiefer in die Krise reißen würde.

Während die US-Zentralbank FED also im Notfall über ein Manövrierpotenzial von 2 – 2,25 Prozent verfügt, steht die EZB den vor uns liegenden Problemen weitgehend machtlos gegenüber.

Was also wird passieren…?

Möglichkeit 1: Die EZB könnte ihre Geldpolitik allen Widrigkeiten zum Trotz „straffen“ und die Zinsen erhöhen. Das aber würde zum einen die Wirtschaft ausbremsen, zum anderen aber müsste die EZB Ländern wie Griechenland, Italien, Portugal und Spanien in noch größerem Ausmaß als bisher unter die Arme greifen, was ihre Bilanz zusätzlich belasten würde und politisch schwer durchsetzbar wäre.

Möglichkeit 2: Die EZB könnte die Zinsen bei Null belassen. Dann aber würden die Spekulationsblasen so lange weiter wachsen, bis sie platzen.

Möglichkeit 3: Die EZB könnte die Zinsen in den Negativbereich senken und die Anleihenkäufe wieder erhöhen. Das aber würde zu noch höherer Verschuldung führen und den Weg in eine Hyperinflation ebnen.

Egal, für welche Variante sich die EZB in Zukunft entscheidet: Die vor uns liegende Entwicklung wird zeigen, dass ein Finanzsystem, ebenso wie ein kranker Patient zwar lange, aber wegen der Nebenwirkungen der Medikation nicht ewig künstlich am Leben erhalten werden kann.

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