Tagesdosis 6.10.2017 – Transparenz statt “Tiefen Staat” (Podcast)

Ein Kommentar von Alexander Knöller.

Mit mehreren tausend Angestellten und einem Jahreshaushalt von über 1,175 Mrd. Euro sollen sie für Schutz und Sicherheit in Deutschland sorgen. BND, BfV und MAD- nur wenigen sagen diese Abkürzungen etwas. Dass sich dahinter die deutschen Geheim- oder Nachrichtendienste verbergen, gehört nicht zur Allgemeinbildung.

Von der Öffentlichkeit weitestgehend verborgen, arbeiten sie unter dem Radar der täglichen Berichterstattung und sind nicht gerade für Ihre Transparenz bekannt. Das soll sich ändern.

Am 5. Oktober fanden sich die drei Präsidenten der deutschen Nachrichtendienste zu einer Anhörung in Berlin zusammen. Vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) antworteten der Präsident des Bundesnachrichtendienst (BND) Bruno Kahl, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Hans Georg Maaßen und der Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) Christoph Gramm, auf Fragen eines 8-köpfigen Gremiums. Neu daran: zum ersten Mal in der Geschichte war diese Anhörung öffentlich. Das aus Mitgliedern von CDS/CSU, SPD, Die Linke sowie Die Grünen bestehende, Parlamentarische Kontrollgremium, stellte hierbei Fragen zu vier großen Themenkomplexen:

  • Reformen im Nachrichtendienstbereich,
  • Terrorismusaufklärung und -prävention,
  • Cyberangriffe und -abwehr
  • Themen der öffentlichen Diskussion

In den Eröffnungserklärungen der einzelnen Präsidenten zeigten sich diese geschlossen.

Sie wurden nicht müde zu bekräftigen wie gut die Nachrichtendienstliche Zusammenarbeit laufe und wie wichtig es sei, sich gegen kommende Krisen und Probleme wie Nord Korea, Russland und dem Islamischen Staat, zu wappnen.

So sprach der BND Chef, Bruno Kahl, von großen Herausforderungen, denen man nur zusammen begegnen könne. Mit über 450 verschiedenen Diensten in über 140 Ländern arbeite man zusammen, um Terroranschläge und den Schutz von Soldaten und Soldatinnen im Ausland zu gewährleisten.

BfV Chef Hans-Georg Maßen betonte indes, wie wichtig Deutschland mit der Gewinnung von Informationen und Erkenntnissen innerhalb der Europäischen Sicherheitsarchitektur geworden ist. Außerdem brauche man die Rückendeckung und das Verständnis der Bürger, um den wachsenden Bedrohungen zu begegnen. Transparenz sei in diesem Fall von äußerster Bedeutung. Ob rechts- oder linksextrem, ob islamistischer Terrorismus: es boomt in allen Geschäftsfeldern.

Der wohl am wenigsten bekannte Chef des MAD, Christof Gramm, brach am Anfang seiner Kundgabe eine Lanze für eine Harmonisierung der Rechtsrahmen als Notwendigkeit gegen Extremismus. „Unsere Gesellschaft ist substanziell auf Sicherheit angewiesen, um zu funktionieren.“ Und um diesen Schutz zu gewährleisten ist es notwendig, dass es keine Rechtsunterschiede im Bereich Sicherheit zwischen den einzelnen Bundesländer geben darf.

Nach den Eröffnungserklärungen begann die erste von drei Fragerunden. In diesen durften alle Abgeordnete, in alphabetische Reihenfolge, eine oder mehrere Fragen zu den vorher bekannt gegebenen Themenkomplexen stellen. Voraussetzung war, dass Frage UND Antwort nicht länger als fünf Minuten dauern durfte.

Schleppend begann die erste Runde. Es wurde über die Instrumente der Zusammenarbeit der einzelnen Nachrichtendienste gesprochen, über Datenbänke von V-Leuten aus dem Verfassungsschutz, über Personalaufstockung der einzelnen Dienste (MAD und BND etwa 10%) den angeblichen Rechtsruck der Bundeswehr oder über die verschiedenen Zuständigkeitsbereiche der Behörden.

Grundsätzlich kann man diese öffentliche Anhörung nur gutheißen. Es ist richtig und wichtig zu erfahren, was die Nachrichtendienste im Schutz der Geheimhaltung alles treiben.

Nicht, dass man wirklich davon ausgehen kann relevante Informationen oder Eingeständnisse zu hören, ist es doch ein Schritt in die richtige Richtung.

Leider wies die Konstruktion der Anhörung einige Mängel auf. So war von vornherein ein zeitlicher Rahmen gesteckt, welcher auf keinen Fall überschritten werden durfte. Nach drei Stunden mussten die Räumlichkeiten verlassen werden, da die für eine Folgeveranstaltung der FDP benötigt wurden. Auch die Tatsache, dass jede Frage UND jede Antwort zusammen nicht länger als fünf Minuten dauern durfte, verhinderte ein wirkliches Bohren. So benötigte Armin Schuster  CDU/CSU für eine seiner Fragen über vier Minuten und auch Hans-Christian Ströbele (Die Grünen) ließ für die Beantwortung seines Kataloges noch etwa 30 Sekunden Zeit. Nicht genug, um etwa über Ungereimtheiten von Anis Amri, dem Verfassungsschutz und der Polizei zu sprechen.

Struktur ja – doch zeitliche Vorgaben können eine wirkliche Tiefenanalyse der Antworten verhindern.

So sprach beispielsweise Herr Maaßen beim Thema V-Männer, von einem Prämiensystem, nach dem diese für Informationen bezahlt werden. Abhängig von Brisanz und Wichtigkeit konnte es sich bei der Prämie um einen bis zu vierstelligen Betrag handeln.

„Vierstellig. Das sei die Regel“. Nun wurde aber beispielsweise im Zuge des NSU-Verfahrens bekannt, dass einige V-Männer deutlich mehr Geld als Prämie bekamen. Medienberichten zufolge kassierten manchen zwischen 100.000 und 180.000 Euro. Hätte man diese Ungereimtheiten bei mehr Zeit und mehr Druck lösen können? Die Antwort steht in den Sternen.

Und genau dahin möchte der BND. Mit einem Diensteigenen Satelliten. Der soll sich über ein Strukturprogramm finanzieren und kostet auch nur läppische 400 Millionen Euro. Denn wie bereits erwähnt, ist man zwar im Kontakt mit anderen Diensten, auch mit solchen aus Ländern, die man selbst auf der Spionageliste führt, doch sei es von enormer Wichtigkeit eigene Erkenntnisse zu gewinnen. Nicht zuletzt auch um Handel oder Austausch mit diesen zu treiben.

Beim Sammeln von Daten machte sich auch Verfassungsschützer Maßen stark. Er wolle gerne die rechtlichen Befugnisse, Nachrichten von Watts App und Instagram zu speichern und auszuwerten. Er sprach vom richtigen Werkzeug, welches man brauche zum Schutz der Bevölkerung und forderte die Regierung auf dieses bereitzustellen.

Was Datenspeicherung anbelangte fing Maßen auch schon gerne mal an zu träumen: Er würde sich wünschen ohne Schwierigkeiten sämtliche IP-Adressen von Computern zu bekommen, von denen aus sich Enthauptungsvideos angeschaut werden.

Er könnte sich auch vorstellen, dass alle Anrufe, die aus Deutschland in eine Hochburg des IS gehen, beispielsweise Rakka, gespeichert und mit Gefährderlisten verglichen werden.

Wenn man die Begründung dahinter hört ist einem natürlich klar, was damit bezweckt werden soll. Laut Maaßen leben etwa 10.000 Islamisten in Europa von denen etwa 1.800 in Verbindung mit Dschihadisten gebracht werden können. Doch birgt ein Generalverdacht nun mal auch immer unkalkulierbare Risiken.

Es kann eben auch die Falschen treffen. Und wer überwacht am Ende die Wächter?

Zur Erinnerung: zwischen 2008-2010 wurde ein gigantischer Datensatz von Millionen Deutscher gesammelt – darunter Kontaktdaten von Handybesitzern, IP Adressen und andere Informationen. Offiziell hieß es, dass diese nach spätestens sechs Monaten gelöscht würden- doch ist das zu glauben?

In einer Welt, in der Menschen wie Alexander Nist mit Cambridge Analytics davon spricht, dass Big-Data kein unzähmbares Biest mehr ist?

Und heute? Nach mehrjähriger Pause geht die Vorratsdatenspeicherung 2017 in eine neue Runde.

Abschließend ist zu sagen, dass eine Anhörung der Spitzen der Nachrichtendienste ein richtiger und wichtiger Schritt ist, im Ringen um die Aufrechterhaltung der Demokratie. “Alle sind gleich und manche sind gleicher”, darf es nicht geben. Aber Missbrauch findet immer da statt, wo keine rechtliche Gewalt herrscht. Und wenn auch nichts Neues zu Tage getreten ist, kann es doch als ein Signal gedeutet werden. Ein Signal, ein Versuch einen Schritt auf die Bürger zu zumachen.

Ein Schritt hin zur Transparenz und weg vom Tiefenstaat.

Wie glaubwürdig das Ganze war – muss jeder für sich entscheiden. Es sind dann doch am Ende noch immer – Geheimdienste.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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