Tagesdosis 6.1.2018 – Iran: Im Fadenkreuz einer unheiligen Allianz (Podcast)

Ein Kommentar von Ernst Wolff .

Iran ist in der vergangenen Woche von den größten Unruhen seit 2009 erschüttert worden. Obwohl die Proteste – vor allem auf Grund staatlicher Repression – abgeflaut sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie wieder aufflammen werden. Das birgt riesige Gefahren, denn im Hintergrund lauert eine unheilige Allianz, die nur darauf wartet, die Unruhen als Vorwand für eine Intervention zu nutzen und Iran in einen Krieg zu verwickeln.

Auslöser der Proteste war das jüngste Sparprogramm der Teheraner Regierung. Es trifft vor allem die ärmere Hälfte der Bevölkerung, darunter mehr als drei Millionen Arbeitslose und vierzig Prozent der arbeitsfähigen Jugendlichen, die seit Jahren keine Aussicht auf einen Job haben. Während sie den Gürtel noch enger schnallen sollen, wirtschaften sich nicht nur die Finanzelite des Landes, sondern auch seine religiösen Führer hemmungslos in die eigenen Taschen.

So hat die Führung des Landes tatenlos zugesehen, als jüngst Hunderttausende Iraner ihre Ersparnisse nach dem Zusammenbruch mehrerer dubioser Finanzinstitute verloren. Als Arbeiter in den verschiedensten Industriezweigen wegen des Ausbleibens ihrer Löhne streikten und auf die Straße gingen, wurde ihr Protest zunächst ignoriert und dann mit Polizeigewalt erstickt. Die Kluft zwischen Arm und Reich hat unter der Herrschaft der schiitischen Mullahs stetig zugenommen, inzwischen entfallen etwa fünfzig Prozent des nationalen Einkommens auf die oberen zehn Prozent der Bevölkerung.

Die Bedeutung der Unruhen geht aber weit über die Landesgrenzen des Iran hinaus, denn das Land ist im vergangenen Jahr ins Fadenkreuz einer neu geschaffenen Allianz mächtiger Feinde geraten – der erst vor kurzem entstandenen Interessengemeinschaft aus USA, Saudi-Arabien und Israel.

Die drei Länder lassen seit einiger Zeit nichts unversucht, um die internationale Öffentlichkeit auf einen Krieg gegen den Iran einzustimmen. Kein Wunder also, dass ihre Führungen die Proteste sofort zum Anlass nahmen, die „Einhaltung von Menschenrechten“ zu fordern und die iranische Führung heftig anzugreifen. Was aber eint die drei und lässt sie gemeinsam an einem Pulverfass zündeln, das möglicherweise den Dritten Weltkrieg auslösen könnte?

Neben den geopolitischen Aspekten – vor allem der zunehmenden globalen Bedeutung der Wirtschaftsmacht China – sind es vor allem drei Gründe, die die USA, Saudi-Arabien und Israel zusammengeführt haben: 1. Die Explosion der sozialen Ungleichheit,  2. der Profithunger der Rüstungsindustrie und 3. die wirtschaftliche Notwendigkeit, die seit längerem niedrigen Preise für Erdöl und Erdgas in die Höhe zu treiben.

Zu Punkt 1: Sowohl die USA, als auch Saudi-Arabien und Israel gehören zu den Ländern, in denen die Kluft zwischen einer winzigen ultrareichen Elite und der arbeitenden Bevölkerung in dramatischer Weise zunimmt. Da die Finanzelite zu keinerlei Zugeständnissen bereit ist, müssen die Regierungen sich nach anderen Möglichkeiten umsehen, ihre Bevölkerungen hinter sich zu scharen. Ein seit Jahrhunderten probates Mittel dafür ist – das Entfachen eines Krieges.

Zu Punkt 2:  Die Kriege in Afghanistan, Irak, Syrien und Libyen haben riesige Summen in die Kassen der internationalen Rüstungsindustrie gespült und sie mächtiger als je zuvor gemacht. Da sich die künstlich erzeugten Rekordstände an den internationalen Börsen nicht auf Dauer halten werden, sehen sich Investoren bereits nach Ausweichmöglichkeiten um. Ein Krieg gegen Iran, der einen Boom im internationalen Waffengeschäft auslösen würde, käme da sehr gelegen.

Zu Punkt 3: Alle drei Mächte brauchen dringend einen höheren Preis für Erdöl und Erdgas.

Die  saudi-arabische Führung kämpft wegen des derzeit niedrigen Preises mit schwindenden Devisenreserven und hat es bisher nicht geschafft, den Börsengang des Staatsbetriebes Aramco unter Dach und Fach zu bringen. Die Probleme des fast ausschließlich vom Erdölexport lebenden Landes haben ein solches Ausmaß erreicht, dass innerhalb der Führung ein erbitterter Machtkampf tobt.

In den USA hat die Finanzelite Kredite in dreistelliger Milliardenhöhe in das Fracking investiert, das sich bisher wegen des niedrigen Ölpreises nicht wie erwartet rentiert hat. Das würde sich mit einem Preisanstieg schlagartig ändern und könnte die USA im Energiesektor sogar zur global führenden Exportmacht aufsteigen lassen.

Israel ist 2017 auf Grund seiner erst vor wenigen Jahren entdeckten Offshore-Vorkommen zum Netto-Exporteur von Erdgas geworden. Um die sozialen Spannungen im Land durch Zugeständnisse zu dämpfen, braucht die Regierung Netanjahu dringend höhere Steuereinnahmen, die sich bei einem Anstieg des Preises für Erdgas umgehend einstellen würden.

Wie wichtig Iran als einer der drei größten Produzenten von Erdöl und Erdgas weltweit in dieser Hinsicht ist, zeigte sich letzte Woche deutlich: Kaum waren die Unruhen im Land ausgebrochen, begann der Erdölpreis zu steigen und ließ ahnen, dass ein Krieg und die damit einhergehende Zerstörung von Quellen im Iran ihn dramatisch in die Höhe schnellen und das Kalkül der Kriegstreiber aufgehen lassen würde.

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