Tagesdosis 5.3.2018 – Ruhe in Unfrieden, SPD (Podcast)

Ein Kommentar von Susan Bonath.

Es kam, wie erwartet: Das schwarze Krokodil hat den rosa Kasper gefressen. Der Vorhang ist gefallen, die nächste GroKo im Anmarsch. SPD-Funktionäre jubeln, wohl vor allem über den Erhalt ihrer lukrativen Posten für weitere vier Jahre. Nur noch für vier Jahre. Denn 2021 wird die SPD im Nirvana versunken sein.

Kurz zu den Fakten: Von rund 460.000 SPD-Mitgliedern haben gut 360.000 ihr Votum abgegeben. Knapp 240.000 davon stimmten fürs Weiterregieren mit den Unionsparteien CDU und CSU. Die werden die SPD erneut nach ihrer Pfeife tanzen lassen: Alles für´s Großkapital, nichts gegen die wachsende Armut. Alles für die Banken, nichts gegen das Abkassieren der »kleinen Leute«. Willkommen im Trott. Es klingelt schon in den Ohren: 2021 wird ein Reste-Verein namens SPD  jammern: »Die Union hat uns doch nicht gelassen!«

Verkünden wird es »Ätschibätschi«-Andrea Nahles als künftige Parteichefin. Noch kurz nach der Wahl im September 2017 wollte die Hartz-IV-Verschärferin und Rentendiebin ihren antisozialen Kollegen von Union, FDP und AfD »ab morgen auf die Fresse« geben. Doch Lügen haben kurze Beine.

SPD – was ist nur aus dir geworden? Deine Gründerväter August Bebel und Wilhelm Liebknecht rotieren wahrscheinlich seit Jahrzehnten vor Zorn und Frust im Grab. Als sie vor 149 Jahren die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) als deine Vorgängerin gründeten, beriefen sie sich auf die politisch-ökonomischen Theorien von Karl Marx. Sie sagten den Kapitalisten den Klassenkampf von unten an.

Bebel und Liebknecht hatten noch Ziele.1875 vereinigten sie ihre Partei mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein von Ferdinand Lassalle. Ihre daraus erwachsene Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) durchlitt im Kaiserreich ein zwölfjähriges Verbot. Kaum ausgestanden, wurdest du im Jahr 1890 geboren, verehrte SPD. Die Wahlen kurz darauf machten dich damals ruckzuck zur stärksten Partei.

Doch dein erster Verrat an der Arbeiterschaft folgte bald. 1914 stimmtest du mit den anderen Parteien für die Kriegskredite. Viele Sozialisten spalteten sich in zahlreichen oppositionellen Gruppen von dir ab. Die bekannteste davon ist wohl die Gruppe Internationale, die später zum Spartakus-Bund wurde.

Nach dem 1. Weltkrieges hinterließest du Zersplitterung. Die Kriegsgegner aus deinen Reihen firmierten ab 1917 als USPD. Zwei Jahre später wurde der Spartakus-Bund zur KPD. Deine Führer, die man in der Weimarer Republik ans Ruder ließ, waren sich nicht zu schade, unabhängige Sozialdemokraten und Kommunisten von den Freikorps als Vorläufer der faschistischen NSDAP massakrieren zu lassen.

Erinnerst du dich an die Novemberrevolution in Deutschland, in deren Zuge du Tausende Arbeiter ermorden ließest, weil sie Räterepubliken gründeten? Erinnerst du dich an deine unzähligen Opfer, darunter auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht? Denkst du noch an deine auf offener Straße ausgelebten Differenzen mit KPD-Mitgliedern, während die Faschisten mit Judenhass, Deutschtümelei und pseudo-sozialistischem Gegröle langsam aber sicher die Macht eroberten?

Du, verehrte SPD, bist seit über 100 Jahren eine Verräterin.

Ja, nach dem 2. Weltkrieg konntest du nochmal gewinnen. Das war nicht schwer für dich. Die Wirtschaft boomte. Klar, es musste alles wieder aufgebaut werden. Man buk den Arbeitern Gewerkschaften vor die Nase, räumte ihnen Rechte ein. Das musste die Politik tun, denn sonst hättet ihr und die anderen dieses Land nicht zur stärksten Wirtschaftsmacht Europas ausbauen können. Ihr brauchtet die Arbeiter.

Die Wirtschaft brauchte so viele Arbeiter, dass nicht ihr, sondern ein schwarz-gelbes Kabinett unter Ludwig Erhard die sogenannte »soziale Marktwirtschaft« aufleben ließ. Es war völlig egal, mit wem ihr später regiertet, ob von 1966 bis 69 mit der CDU/CSU oder die gesamten 13 Jahre danach mit der FDP unter Willy Brandt und Helmut Schmidt – ihr konntet den Lohnabhängigen ein wenig soziale Sicherheit bieten, weil der Markt auf eure Wählerklientel angewiesen war. Ihr holtet sogar türkische Gastarbeiter heran für mies entlohnte Jobs, damit die deutschen Arbeiter sich besser fühlen konnten.

Euer heimtückischer Verrat war damals kaum zu spüren. Doch schlummerte er bereits in scheinheiligen Sozialpartnerschaften mit dem Großkapital: Kungelei statt Klassenkampf, schönes Gerede statt Analyse, kleine Warn- statt Generalstreiks. Das, verehrte SPD, musste schief gehen. Eure Gründerväter wussten das.

Sie wussten, dass die Wirtschaft nicht ewig weiterwachsen kann. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es zur Verwertungskrise im Binnenmarkt kommt, bis die Wirtschaft auf Export ausweicht und die Industrien anderer Länder plättet, bis die Löhne gedrückt werden, die Arbeitslosigkeit steigt, das Finanzkapital wieder Kriege anvisiert, um die Profite wachsen zu lassen. Auch du musst das gewusst haben. Aber du hast gelogen.

Und ganz sicher weißt du auch, verehrte SPD, was uns heute blüht. Seit vielen Jahren liefert sich das Kapital knallharte Konkurrenzkämpfe. Die Überproduktion steigt, doch mit der wachsenden Armut schrumpfen die Absatzmärkte. Nur aus einem Grund hält sich das deutsche Wirtschaftsimperium noch halbwegs schadlos: Kapital- und Warenexport ohne Ende. Das kann nur gelingen, wenn die Konkurrenten klein gehalten werden.  Und damit sind alle gemeint: Unternehmen und Arbeiter. Nein, es muss nicht einmal Krieg mit Waffen geführt werden, um Perspektivlosigkeit und Flüchtlinge zu produzieren.

Doch letztlich kommen deine reichen Freunde nicht ohne Krieg aus. Er ist nur noch nicht in Deutschland angekommen. NOCH nicht. Doch erinnere dich an die 1930er Jahre. Großunternehmer, die noch größere Konkurrenz fürchten, schließen sich zusammen, bauen Parteien auf, die sie kräftig finanzieren – und sie finden einen Ausweg. Damals trug dieser Ausweg Namen wie Hitler, Goebbels und Himmler. Welche er heute tragen wird, ist noch nicht ganz klar. Du weißt das. Doch dann wirst du nicht mehr da sein.

Wer, verehrte SPD, soll die kleinen Lohnabhängigen schützen, wenn der totale Markt immer wuchtiger über uns hereinbricht und es ihnen richtig an den Kragen gehen wird? Die Rechten schützen keine Arbeiter. Das taten sie noch nie. Die Linkspartei? Das Bildungsbürgertum aus ihren reformistischen Reihen wird wohl ebenfalls die Füße stillhalten. Vielleicht auch allein darum, weil es das bald müssen wird.

Ja, ein letztes Mal legst du dich mit dem Kapital ins Bett, um noch einmal eine Runde mitzuprofitieren. Deine Funktionäre in Berlin haben längst ausgesorgt. Wir wissen doch: Für Profite gehen Kapital und Opportunisten über Leichen. Ein paar deiner Funktionäre stammeln zwar noch mühsam dagegen an. Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert ist betrübt und will dich erneuern, trotz dutzendfachen Verrats. Dein Bundestagsabgeordneter Marco Bülow ist nun dabei, eine »soziale Plattform« zu gründen. Am Mittwoch gibt es dazu in Berlin eine Pressekonferenz. Auch er will dich erneuern, verehrte sterbende SPD.

Wenn es ihnen wirklich ernst ist, sollten die erneuern Wollenden die Arbeiter schnappen und neu organisieren. Denn das Dilemma ist: Noch immer vereinst du mehr einfache Arbeiter in deinen Reihen, als die Linkspartei Mitglieder hat. Es waren schon immer die Unterdrückten selbst, die sich alleine befreien mussten – gemeinsam, solidarisch, ohne Unterschied, international. Kein Bonze hat ihnen jemals dabei geholfen. Das wird auch so bleiben. Darum bringt es vermutlich gar nichts, auf diese wenigen deiner Möchtegern-Erneuerer zu hoffen. Selbst ist der Mann und die Frau.

Adieu SPD. Ruhe in Unfrieden.

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Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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