Tagesdosis 4.2.2019 – Wer die Wahrheit sagt…(Podcast)

Ein Kommentar von Susan Bonath.

Geltungssüchtig, psychisch krank, wahlweise von den Eltern, einem „PR-Manager“ oder „den Eliten“ für nicht näher benannte „geheime Vorhaben“ benutzt: Der Onlinemob speit Hass und Galle. Abgesehen hat er es auf eine 16jährige schwedische Umweltaktivistin.

Greta Thunberg ruft seit letztem Sommer jeden Freitag zum Schülerstreik gegen die fortschreitende Umweltzerstörung zulasten des Weltklimas auf. Das erregt Aufmerksamkeit. Die Presse berichtet. Politiker und Klimaaktivisten, darunter der schwedische Unternehmer Ingmar Rentzhog, lassen sich mit Thunberg fotografieren. Die Bilder landen in sozialen Netzwerken. Andere Schüler, auch in Deutschland, tun es ihr gleich. Die damals 15jährige wird über Schweden hinaus bekannt.

Ihre Rede beim UN-Klimagipfel in Kattowitz Mitte Dezember steigert ihre Berühmtheit. „Ihr sprecht von ewigem grünen Wirtschaftswachstum, weil ihr Angst habt, euch durch die Wahrheit unbeliebt zu machen“, sagt sie in Richtung der Reichen und Mächtigen. Tatsächlich gehe es denen jedoch darum, den Wahnsinn, der in die Krise geführt habe, weiter zu treiben. „Ihr opfert die Menschheit, um immer mehr Geld zu horten“, so Thunberg. Und: „Wenn Lösungen im System nicht funktionieren, müssen wir wohl das System ändern.“

Vor anderthalb Wochen reist sie schließlich zum Weltwirtschaftsforum nach Davos. Die Fahrt haben ihr, wie sie sagt, die Eltern bezahlt. Sie redet über Müllberge und Mikroplastik in Meeren, von Feinstaub, der die Luft zum Atmen raubt, von einer immer schnelleren Ausplünderung der Ressourcen. „Unser Haus brennt“, sagt sie. „Ich bin hier, um zu sagen, dass unser Haus brennt.“ Und: „Ich will, dass ihr in Panik geratet!“

Nun wird Greta Thunberg massiv beschimpft und verhöhnt. Als „gedrillte Göre“ beispielsweise, die „verhaltensgestört“ sei und „Untergangs-Fantasien“ verfolge. Mit dem Prädikat „geisteskrank“ fixiert man sie auf ihr Asperger-Syndrom, eine leichte Form von Autismus, welche die soziale Interaktion beeinträchtigt, und aus der sie kein Geheimnis macht. Noch bösartigere Hetzer vergleichen ihren Auftritt in Davos sogar mit der sogenannten „Brutkastenlüge“, welche in den Irak-Krieg führte. Und ohnehin, so kotzen sich diverse Hater aus, sei Thunberg eine von PR-Leuten, den Eltern oder schlicht „den Eliten“ gesteuerte „Systemhure“.

Nun ja, abgesehen davon, dass es eher geisteskrank ist, Warnungen einer 16jährigen vor den Folgen des dramatischen Raubbaus an der menschlichen Lebensgrundlage mit einer Kriegslüge zu vergleichen und das Mädchen aufs Übelste anzufeinden, ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass man sie nur deshalb in Davos reden ließ, um das Demokratie-Theater fortzuführen. Allerdings sollte auch jeder, der Kinder hat, wissen, dass es schier unmöglich ist, einen Teenager gegen seinen Willen auf eine Bühne dieses Formats zu zerren.

Und dass sie dafür möglicherweise Geld von irgendwo ganz oben bekommen hat, glauben auch nur Ahnungslose. Nun, auch mir wurde witzigerweise schon unterstellt, George Soros würde mich finanzieren. Ich lache darüber und grüße an dieser Stelle aus meiner Plattenbauwohnung in einem Arbeiterviertel.

Mal ehrlich: Wenn man so die Hater-Kolonnen im Netz beobachtet, ist fast sicher, dass selbst Jeanne d´Arc als „Systemhure“ beschimpft würde. Es scheint also andersherum: Man will Thunberg unglaubwürdig machen. Dabei ist es Fakt, dass es stimmt, was sie sagt. Und jeder, der seine Kleinhirnrinde halbwegs im Griff hat, kann das überprüfen.

Denn die Strände voller angespültem Plastikmüll gibt es. Die Ausbreitung der Wüsten und die Verödung von Ackerland ist Realität. Die Straßen sind verstopft mit Autos, die ihren Dreck in die Luft blasen. Die Kohle-Kraftwerke dampfen, Atommüll-Fässer rosten im Atlantik und in Salz-Stollen vor sich hin. Wir wissen von der wachsenden Überproduktion in fast jeder Branche, die in immer größeren Massen ungenutzt in der Müllpresse landet. Wir wissen vom Abholzen des Regenwaldes bei gleichzeitig immer höherem Ausstoß von Verbrennungsgasen. Wir wissen von Nahrungsmitteln, die tonnenweise vernichtet werden, während eine Milliarde Menschen hungert und alle fünf Minuten ein Kind an Unterernährung stirbt. Das alles ist gut dokumentiert. Da gibt es nichts zu streiten.

Nein, man muss kein Wissenschaftler sein, um zu erkennen, dass unbegrenztes Wirtschaftswachstum mit wachsendem Rohstoff- und Energieverbrauch auf einem begrenzten Planeten unmöglich ist. Dies muss zwangsläufig früher oder später die Natur und das Klima zerstören.

Und jene, die die Mär von der sogenannten „Klima-Lüge“ nachplappern, sollten folgendes bedenken: Erstens ist die reale Abwälzung der Kosten industrieller Umstellungen auf die lohnabhängige Klasse noch lange kein Indiz dafür, dass Warnungen vor dem Kippen des Klimas frei erfunden seien. Seit es Klassengesellschaften gibt, müssen immer die Unterdrückten alle Folgen tragen, während die Herrschenden sich am Luxus laben.

Zweitens haben scheinbar immer noch viele nicht begriffen, dass Klima nicht gleichzusetzen ist mit dem montäglichen Wetter in Dresden oder Düsseldorf. Drittens erinnere ich nur einmal an die Photosynthese, die schlechterdings immer weniger stattfinden kann, wenn die Abgasmenge steigt und die Waldfläche auf dem Erdball schwindet. Die Abholzung des Regenwaldes ist ja nicht erst seit gestern ein Thema. Zur Erinnerung: Mit der Photosynthese wandeln Pflanzen Kohlendioxid in Kohlenstoff und Sauerstoff um, um den grünen Farbstoff Chlorophyll zu bilden. Sauerstoff benötigt Mensch für die Atmung.

Kurzum: Es geht darum, wer die Wahrheit sagt. Wahrheiten sind überprüfbar. Was Greta Thunberg sagt, mag nicht bis ins letzte wissenschaftliche Detail ausgeführt sein. Aber es hält jeder Überprüfung stand. Es ist schlicht wahr. Selbst wenn sie „gesteuert“ wäre, wäre es wahr.

Ist schon mal jemand der Dauerempörten auf die Idee gekommen, dass genau diese Kampagne gegen das Mädchen und ihre Wahrheiten gewollt war? Dass die sogenannten Eliten und ihre Politmarionetten genau andersherum gepokert haben? Weil sie inzwischen wissen, wie Dauerempörte mit Faktenignoranz ticken? Weil sie gelernt haben, deren Emotionen zum Kochen zu bringen? Man muss sich nur mal im Netz umsehen und auf der Straße zuhören: Dort ist ziemlich leicht herauszufinden, wie es funktioniert.

Und wem dient es wohl, wenn ein Mob mit allen möglichen unbewiesenen Behauptungen wider der sichtbaren Realität suggerieren will, dass es angeblich gar keine Umweltzerstörung gebe und ein expansives Wirtschaftssystem überhaupt kein Problem sei? Es sind doch die sogenannten „Eliten“, die auf Kosten der Lohnabhängigen die Natur bis aufs letzte Barrel Öl und den letzten Baum ausplündern – für ihren Profit.

Ja, der Propaganda-Apparat der Herrschenden sitzt durchaus auch außerhalb der Bundesregierung. Und er hat ganz sicher gelernt, die Emotionen der Volksseele zielgerichtet überkochen zu lassen. Wie es geht, hat schon Edward Bernays 1928 in seinem Buch „Propaganda“ beschrieben.

Dummerweise funktioniert Kapitalismus nicht emotional, sondern knallhart kalkuliert. Wir alle haben unser Brot nur aus einem Grund auf dem Teller: Weil irgendwer von der darin enthaltenden Arbeitskraft den Profit abgeschöpft hat. Wer glaubt, dass irgendwer im Kapitalismus Getreide anbauen und Brot backen lässt, damit wir was zu essen haben, ist mehr als naiv. Nein, der Gebrauchswert ist nur Nebeneffekt. Es zählt Profit, völlig egal, ob Panzer, Kugelschreiber oder Brötchen vom Band kommen.

Doch zurück zu Greta, zurück zum Klimagipfel im noblen schweizerischen Davos. Man weiß nicht mal, ob das Gros der 3.000 geladenen Gäste mit dicken Bankkonten Gretas Botschaft überhaupt ansatzweise gerafft hat. Dies lässt zum Beispiel der Bericht vermuten, den die Stiftung World Economic Forum – kurz: WEF – wie jedes Jahr vor der Konferenz herausgegeben hatte.

Richtigerweise erkennen die Autoren zunächst sehr wohl die ökologischen Probleme als aktuell größte Katastrophe der Menschheit an. Als Katastrophe, die viele weitere Millionen Menschen zur Flucht zwingen wird, da es in einer Wüste nun mal kein Wasser gibt – zum Beispiel.

Nur Lösungen haben sie nicht. Im Gegenteil: Wenig später bekennen sie ihre Angst davor, dass die „wachsende Spaltung der Gesellschaften in arm und reich“ zu „Spannungen“ führe. Sie fürchten soziale Unruhen. Darum müsse man dagegen vorgehen. Und wie? Wie zu erwarten: Die Wirtschaft müsse noch schneller wachsen, schwafeln sie. Damit vielleicht ein paar Krümel mehr für die Armen abfallen könnten.

Das ist die altbekannte Mär vom Kapitalismus, der angeblich „Wohlstand für alle“ schafft. Dass dies gelogen ist, beweist allein ein Blick unter eine beliebige Berliner Brücke.

Man kann den Unfug auch anders ausdrücken: Die sogenannten Ökonomen plädieren allen Ernstes dafür, dass sie die Lebensgrundlage für die Menschheit noch schneller vernichten müssen, um Unruhen gegen die Interessen der Reichtum hortenden Bourgeoisie zu vermeiden.

Sie reden von genau zwei Alternativen: Entweder man riskiert Aufstände der Elenden gegen ihre Vernichtung und vernichtet derweil trotzdem unsere Lebensgrundlage. Oder man lässt das Kapital die Natur noch schneller vernichten, um so Unruhen zu vermeiden. Kurzum: Vernichten oder schneller vernichten. Da lässt sich tatsächlich nur eins konstatieren: Sie sind wahnsinnig. Und Greta sagt die Wahrheit. Völlig egal, wer ihr hilft, wer sie vielleicht sogar für was auch immer benutzt. Sie sagt schlicht und ergreifend die Wahrheit.

Dazu passt ein altes chinesisches Sprichwort: Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd. Und nein, es sind nicht nur die sogenannten Eliten, vor denen derjenige wird flüchten müssen. Es waren immer nur die Handlanger der Superreichen, welche die Gewehrläufe an Schläfen hielten – und abdrückten.

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Danke an die Autorin für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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