Tagesdosis 4.12.2017 – Imperial einfrieden (Podcast)

Ein Kommentar von Susan Bonath.

Die Welt wackelt, wo man hinschaut. Die eine Seite wird immer reicher und rasselt mit den Säbeln. Die andere Seite wird nicht nur ärmer. Sie steht zusehends mit dem Rücken an der Wand. Mach mit, oder wir machen dich platt, lautet die Botschaft der Minderheit der Profiteure an den großen Rest. Immer rabiater feuern die Herrschenden gegen jene, die das Mitspielen verweigern.

Ganz oben auf der Tonleiter spielt die stärkste Militärmacht. Wer sich mit ihr verbündet, hofft auf Verschonung. Verschont bleiben jedoch, wie immer im kapitalistischen Alltag, nur die Besitzenden. Auch in Südkorea ist das so. Im Verbund mit 12.000 US-Soldaten provozieren südkoreanische Streitkräfte seit heute ihre ehemaligen Landsleute im Norden.

Es ist das bisher größte Luftwaffenmanöver auf der koreanischen Halbinsel. Dabei geht es nicht um einen Diktator der Kim-Dynastie. Es geht nicht um ein gutes Leben für 24 Millionen Nordkoreaner auf einem Gebiet, das so klein ist, wie einst die DDR und 83 mal in die USA hineinpassen würde. Nordkoreas Test einer Interkontinentalrakete vor einer Woche ist nur ein willkommener Vorwand. Es geht ums Einfrieden eines der letzten sich verweigernden Länder unter die Diktatur des globalen Marktes.

Im Gegensatz zu Nordkorea verfügt Honduras über einen eigenen Stab imperialismusfreundlicher Kräfte. Seit langem beutet in dem südamerikanischen Land, das ebenfalls nicht größer als die frühere DDR ist, eine kleine korrupte Elite die Mehrheit aus. Zwei Drittel der Bevölkerung sind arm, die meisten davon sogar extrem arm. Der derzeitige Präsident, Juan Orlando Hernández, hat erfolgreich dafür gesorgt, dass es so bleibt. Kein Wunder, dass er es nicht duldet, wenn ein linker Präsident die Wahlen gewinnt.

Doch genau das ist passiert und soll nun verhindert werden. Dafür kippte Hernández mithilfe des obersten Gerichts die Verfassung und trat erneut zur Wahl an. Dafür lässt er das endgültige Wahlergebnis zurückhalten und seine Milizen auf Demonstranten schießen. Sieben Tote soll es bisher gegeben haben; vielleicht sind es heute schon mehr. Das Land, für das einst der Begriff »Bananenrepublik« erfunden wurde, soll in der Hand der am Elend profitierenden Machtelite bleiben.

Doch läuft es in Europa anders? Mitnichten. In Griechenland kann sich Alexis Tsipras nur halten, weil er sich dem Diktat der Troika widerstandslos unterwirft. Die antikapitalistischen Reden des linken Präsidenten sind längst verhallt. Um neue Kredite zu erhalten, verscherbelt er die gesamte öffentliche Daseinsfürsorge an Privatiers. Aktuell sind die vier größten Kraftwerke der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft DEI dran.

In dem dem Land, auf das sich die Demokratie beruft, sollen die einfachen Menschen immer neue Opfer bringen. Hunger und extreme Armut sind für viele Alltag geworden. Der Plünderungsfeldzug der westlichen Oligarchie geht immer weiter. Auch mit dem sogenannten »Dritten Hilfspaket« an Griechenland bezahlen sich die Geldgeber vor allem selbst – inklusive Zinsen.

Die deutsche Machtelite ist daran nicht unschuldig. Um Exportweltmeister zu bleiben, nimmt sie die wachsende Armut im Süden und Osten der EU in Kauf. Gnadenlos blutet sie den »Pöbel« aus, um die milliardenschweren Großaktionäre immer reicher zu machen. Das ist der Klassenkampf von oben, der auch immer mehr jene trifft, die in imperialistischen Zentren wie Deutschland auf der unteren Klaviatur spielen.

Was wir erleben, sind die Warnzeichen der fortgeschrittenen Kapitalakkumulation. Wo wenigen immer mehr gehört, streiten sich unten immer mehr Menschen um immer weniger. Der Kapitalismus selbst kann und wird den Prozess, auf dem er gerade basiert, nicht aufhalten. Das ginge nur mit antikapitalistischen Gegenbewegungen von unten, national organisiert, europäisch und global vernetzt.

Doch die kommen nicht zustande. Wie Tsipras hat sich die deutsche Linke vom systemischen Konsens einfrieden lassen. Statt die ökonomischen Bedingungen und die Notwendigkeit des Klassenkampfes zu thematisieren, predigt sie nicht nur sozialdemokratische Floskeln, sondern verliert sich selbst in einem moralinsauren Kulturkampf. Kaum noch interessiert an den Opfern, spielt sie sich großteils als Vorkämpferin des gutsituierten, liberalen Bürgertums auf, um den maroden bürgerlichen Staat zu verteidigen.

Die deutsche Linkspartei hat sich in Nebenschauplätzen eingerichtet. Ein Stachel im Fleisch der Verursacher will sie nicht mehr sein. Auch die alberne Zensur des Berliner Kultursenators Klaus Lederer gegen das Kino Babylon ist ein Symptom dieser Wirklichkeit. Dem hat sich jetzt sogar der Bundesverstand seiner Partei mehrheitlich angeschlossen. Der Blick auf den eigenen Platz am Fleischtopf ist eben näher als jener auf den realen Wahnsinn. Da kommt es dann vor, dass sich eine Truppe verwirrter Aufstiegswilliger lieber von einem »umstrittenen Journalisten wie Ken Jebsen« distanziert, als in die Hände, die sie füttern, zu beißen.

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