Tagesdosis 4.10.2017 – Fleisch und Blut (Podcast)

Ein Kommentar von Stephan Bartunek.

Ein Mann verschanzt sich schwerbewaffnet in einem Hotelzimmer und als ein Konzert seinen Höhepunkt erreicht beginnt er in die Menschenmenge zu schießen. 59 Menschen sterben, knapp 500 sind verletzt. Passiert ist das in den USA in Las Vegas. Der Schütze heißt Stephen Paddock und niemand, auch nicht die Menschen die ihm am nähsten waren, kann verstehen warum er das getan hat. Bis jetzt gibt es nur Spekulation und erst in den nächsten Tagen wird man sich vielleicht vage ein Bild davon machen können warum er als einzelnes Individuum eine Masse an Menschen  kaputt machen wollte. Als Tat eines Einzelnen wird diese aber immer mystisch und verschwommen bleiben.

Natürlich ist eine Debatte über das herrschende Waffengesetz in den USA  mehr als notwendig. Soll doch jeder sein Gewehr und seine Pistole zuhause haben, ein derartiges Massaker wäre so dann trotzdem nicht möglich. In den USA aber holst Du Dir Deine Maschinengewehre, samt dazu passender hochwertiger Technik – befestigst diese gepimpten Waffen an Stativen vor zwei verschiedenen Fenstern und metzelst innerhalb von fünfzehn Minuten eine Menschenmasse in Grund und Boden. Den Überlebenden ist diese Viertelstunde den vielen Stunden ihres weiteres Leben in die Erinnerung gebrannt. Tausenden das Trauma in den Geist geschossen ohne, dass sie körperlich verletzt sind.

Stephen Paddock hat es sich dann sehr leicht gemacht und sich sämtliche Erinnerungen mit einem Schuss in den Kopf aus seinem Gehirn geblasen.

Wie schon von mir behauptet, bin ich auf jeden Fall der Meinung, dass es eine notwendige Debatte über das herrschende Waffengesetz in den USA braucht. Aber ich vertrete mit größerer Vehemenz den Standpunkt, dass es eine Debatte braucht, die viel tiefer geht, die eindringt in ein kollektives Bewusstsein aus dem auch Stephen Paddock gespeist wurde. Der Geist einer Nation, die sich selbst als Speerspitze der westlichen Zivilisation sieht und eben auch von großen Teilen der westlichen Machteliten und ihren Lakaien als diese verteidigt wird. Der Geist einer Nation, die sich mit der Idee von Freiheit und unbegrenzten Möglichkeiten schmückt und mit diesen wunderbaren Ideen letzten Endes nur überschminkt, was tatsächlich darunter verborgen ist: Zerstörtes Fleisch und Massen an Blut.

Das Beständigste an den vereinigten Staaten von Amerika ist letzten Endes nur, dass diese mit unglaublicher Brutalität, roher Gewalt und unfassbarer Skrupellosigkeit entstehen konnten. Und die Stabilität dieser monströsen Formation ist nur gewährt, wenn weiter und immer weiter diese Gewalt in einem kollektiven Geist erhalten bleibt und auch gefördert wird. Idealerweise wird dazu ein Feind geschaffen und dann zerstört – egal ob fiktiv oder real. Getötet wird verteilt über den gesamten Globus oder eben abstrakt im Kino und Fernsehen, in der Kunst und schafft so diese Kultur. Der brave Bürger des Westens konsumiert, lebt diesen Irrsinn und wird dabei wahnsinnig ohne es jemals zu bemerken. Meistens halt. Denn ab uns zu passiert es eben dann doch, was gerade wieder passiert ist und ein großes Fragezeichen hängt dann in der Luft, die doch ohnehin schon voller triefender Ausrufezeichen ist.

Oh du Land der Freien und Tapferen!

Natürlich ist es wenig gerecht, wenn ich mich hier alleine an den USA abarbeite. Den blutrünstigen Wahnsinn, den ich hier am Beispiel der vereinigten Staaten beschreibe, gibt es schon viel länger als erst seit knapp über 500 Jahren.

Er nennt sich Militarismus und Herrschaft und zog seine Schneise quer durch die Weltgeschichte, knechtete ganze Kontinente, vernichtete Völker, Kulturen und Landschaften und erzog uns Menschen zu dem, was sich heute unter der Gesellschaftspyramide vereint. Gebückte Wesen denen ihr kindlicher, liebender Geist heraus erzogen und heraus befohlen wurde, getrimmt auf systemischen Gehorsam und immer wieder konfrontiert mit drohender Vernichtung und Vergeltung – egal auf welcher Ebene. Die Gewalt ist immer präsent und sucht sich ihre Wege.

Das Entsetzen über die Gewalteskalation von Stephen Paddock ist deshalb so groß, weil es zu einem guten Teil nur schlecht gespielt ist. Es dient letzten Endes nur dazu um sich mit diesen oberflächlichen Fragen davon abzulenken worauf unsere gerühmte und glorifizierte Zivilisation eigentlich steht.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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