Tagesdosis 30.10.2018 – Die schlechteste Vertuschung aller Zeiten

Ein Kommentar von Mathias Bröckers.

Der Tod eines Menschen ist eine Katastrophe, der Tod von Millionen ist Statistik.” Die Josef Stalin zugeschriebene Einsicht in die menschliche Psyche wurde an der medialen Ungleichbehandlung des Khashoggi-Falls und des brutalen Hungerkriegs im Jemen wieder einmal deutlich. Während Donald Trump nur “die schlechteste Vertuschung aller Zeiten” tadelte, hockte sein Finanzminister diese Woche schon wieder bei Mohamed Bin Salman auf dem Sofa. Auch beim “Davos in der Wüste”, der vom Kronzprinzen eröffneten Investmentkonferenz, läuft alles prima. Die westlichen CEOs, die aus “symbolischen Gründen” – so die saudischen Agenturen – abgesagt hätten, hätten einfach niederrangige Stellvertreter geschickt. Die Kopf-Ab-Dynastie der Al Sauds ist einfach zu reich und zu wichtig, um dort einen regime change zu erzwingen, MBS aber, den de facto regierenden Kronprinzen Mohamed bin Salman, könnte der Khashoggi-Mord zwar nicht den Kopf, aber den Job kosten.

Die eilends nach Ankara gereiste CIA-Direktorin Gina Haspel hat das Audio-und Videomaterial der türkischen Dienste, nach dem das Büro von MBS direkt in den Mord involviert war, gesichtet und für autenthisch befunden. Da sie selbst Entführungs-und Folterprogramme der CIA beaufsichtigte, kann Mrs. Haspel als Expertin gelten. Um Präsident Erdogan von einer expliziten Anklage des Knochensäger-Prinzen abzuhalten, hatte sie vorsorglich ein wenig Kompromat über Korruption beim Istanbul Kanal Projekt mitgebracht und eine Veröffentlichung in den Raum gestellt. So hielt sich Sultan Erdogan brav zurück und MBS lobte auf der Business-Konferenz ausdrücklich die Türkei und das mit ihr alliierte Katar, das er vor kurzem noch überfallen wollte. So scheint es, dass man für’s Erste einen Deal gefunden hat. Riad hat mittlerweile offiziell verkündet, dass es sich nicht um ein Versehen, sondern um einen Mord gehandelt hat und die Täter “zur Rechenschaft” gezogen werden. Ein Emissär des Königreichs soll den Türken 5 Milliarden Dollar für das Audio-und Videomaterial aus der Botschaft angeboten haben, was aber abgelehnt wurde. So billig kommt MBS nicht davon.

Seine perverse Blockade von Lebensmittellieferungen in den Jemen, wo laut UN-Angaben 8,4 Millionen Menschen hungern, sollte aber dafür sorgen, dass der sympathische “Modernisierer” und die Feudaldiktatur Saudi-Arabien im “Werte”-Westen weiter in den Schlagzeilen bleiben. Immerhin haben Deutschland und auch die EU-Kommission mittlerweile angekündigt, Waffenexporte nach Saudi-Arabien zu stoppen. Auch Knochensägen sollte man den barbarischen Wüstensöhnen vielleicht nicht mehr liefern. Dass von diesen Embargo-Ankündigungen noch viel übrig bleibt, wenn die Aufregung über den zerstückelten Journalisten verflogen ist, darf bezweifelt werden. England und Frankreich haben sich schon gegen einen Waffenboykott ausgesprochen und die USA werden ebenfalls weiter liefern. Der Krieg im Jemen und die verhungernden Millionen sind für den “Werte”-Westen keine  Katastrophe. Sie bleiben Statistik…

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Mathias Bröckers schrieb zuletzt „König Donald, die unsichtbaren Meister und der Kampf um den Thron“ (Westendverlag) und bloggt auf broeckers.com

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Bildhinweis: London, UK-October 25 2018: Kill Me My Legacy will never fade. Jamal Kashoggi, is remembered and a call for justice made outside London’s Saudi Arabian Embassy.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.

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