Tagesdosis 28.7.2018 – Die Iran-Agenda der USA

Regime-Change oder Stellvertreter-Krieg.

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

US-Präsident Trump hat den iranischen Präsidenten Rouhani Anfang der Woche in nie dagewesener Weise angegriffen. „Bedrohen Sie niemals wieder die USA“, twitterte er, „oder Sie werden Konsequenzen zu spüren bekommen, wie sie nur wenige zuvor in der Geschichte erfahren mussten.“

Zwei Tage später legte US-Außenminister Mike Pompeo bei einer öffentlichen Veranstaltung in Kalifornien nach. Er beschuldigte Iran des „Revolutions-Exports“ und warb um internationale Unterstützung für einen Konfrontationskurs gegen das Land. Trumps Sicherheitsberater John Bolton meldete sich ebenfalls zu Wort. Wenn der Iran „etwas Negatives“ unternehme, sagte er, werde das Land „einen Preis bezahlen, den wenige Länder je bezahlt hätten.“

Erst im Mai dieses Jahres hatten die USA das im Juli 2015 abgeschlossene Atomabkommen unter dem unbewiesenen Vorwand, Iran halte sich nicht an die Abmachungen, einseitig aufgekündigt und bekanntgegeben, dass sie die Anfang 2016 aufgehobenen Sanktionen im August und im November 2018 wieder in Kraft treten lassen würden.

Aus diesem Grund werden ab dem 6. August zunächst das iranische Finanzsystem, der Autosektor des Landes und der Metall- und Edelmetallhandel von Handelseinschränkungen betroffen sein. Ab dem 4. November folgen dann Sanktionen gegen die iranische Schifffahrt und den Energiesektor des Landes. Außerdem wird es Strafmaßnahmen gegen ausländische Firmen geben, die iranisches Öl und iranische Ölprodukte kaufen, sowie gegen internationale Finanzinstitutionen, die Transaktionen mit der iranischen Zentralbank oder iranischen Banken vornehmen. Schlussendlich wird auch gegen ausländische Versicherungen vorgegangen, die sich nicht aus dem Geschäft mit Iran zurückziehen (eine überaus wichtige Maßnahme, da kein Öltanker der Welt ohne Versicherung fährt).

Begleitet werden die Maßnahmen durch die Unterstützung oppositioneller Kräfte und die Anfachung von Protesten innerhalb Irans. Wie Außenminister Pompeo ankündigte, wird es demnächst auch einen von den USA finanzierten regimekritischen Radio- und TV-Sender geben.

Die US-Sanktionen werden die iranischen Ölexporte, die den Großteil des Staatshaushaltes ausmachen, fast auf Null reduzieren, das Land international isolieren und seine Regierung destabilisieren. Ob sie allerdings zu dem ganz offensichtlich von den USA beabsichtigten Regime-Change und der Einsetzung einer US-Marionettenregierung führen werden, ist mehr als fraglich.

Während die USA nämlich mit Israel und Saudi-Arabien über mächtige Verbündete in der Region verfügen, wird die iranische Führung nicht nur von der Großmacht Russland, sondern auch vom Wirtschaftsgiganten China unterstützt. Ein Drittel der iranischen Erdölexporte gehen zurzeit nach China – mit steigender Tendenz. Vor allem aber spielt Iran in dem von China geplanten größten Wirtschaftsprojekt aller Zeiten, der „Neuen Seidenstraße“,  eine Schlüsselrolle: Das Land ist als „Energiezentrum“ bei der Lieferung von Öl (Iran ist der viertgrößte Ölproduzent der Erde) und Erdgas (Iran besitzt die zweitgrößten Reserven der Welt) fest eingeplant. Man kann also davon ausgehen, dass sowohl Russland als auch China alles unternehmen werden, um das gegenwärtig herrschende Mullah-Regime in Teheran an der Macht zu halten und die Sanktionen zu unterlaufen.

Sollte der Konflikt entflammen, würde Iran aber nicht nur zum Schauplatz eines weiteren Stellvertreterkriegs werden, sondern zu einem Pulverfass, dessen Sprengkraft weit über die Region hinausginge. Die Macht der USA hängt nämlich wesentlich vom US-Dollar ab, der als Petro-Dollar zur wichtigsten Reservewährung der Welt geworden ist. Diesen Status aber gefährdet China seit einiger Zeit, indem es Ölverträge in Yuan abschließt. Außerdem zählen sowohl China als auch Russland zu den größten Einkäufern von Gold – ein mögliches Anzeichen dafür, dass sie sich auf das Ende des US-Dollars als Weltreservewährung Nr. 1 vorbereiten. Um den finalen Absturz des Dollars zu verhindern, bliebe den USA möglicherweise nur der direkte Konflikt mit China und Russland, für den ein Krieg auf iranischem Boden dann zum Versuchsgelände werden und der sich sehr schnell zu einem dritten Weltkrieg ausweiten könnte.

Egal, wie sich die Dinge entwickeln – der größte Verlierer des bevorstehenden Prozesses steht bereits fest: Es ist die iranische Zivilbevölkerung, auf die das korrupte Mullah-Regime die Last der Sanktionen abwälzen wird und die, selbst wenn es in der nahen Zukunft noch nicht zu Kampfhandlungen kommt, bereits wegen der Sanktionen mit harten und zum Teil lebensbedrohlichen Folgen rechnen muss.

Wer angesichts dieses Schreckensszenarios darauf hofft, dass die US-Politik aus Gewissensgründen in letzter Minute von der Verhängung von Sanktionen absehen könnte, der sei an eine Aussage der damaligen US-Außenministerin Madeleine Albright erinnert: In einem TV-Interview, das heute noch auf Youtube abrufbar ist, sagte sie ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, dass der Tod einer halben Million Kinder im Gefolge der US-Sanktionen gegen den Irak „den Preis wert war.“

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