Tagesdosis 28.4.2018 – Zunehmender Machtverfall der EZB: Grünes Licht für noch mehr faule Kredite

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Politik und Mainstreammedien geben sich zurzeit alle Mühe, der Öffentlichkeit das Gefühl zu vermitteln, im Finanzsektor sei alles in Ordnung. Tatsächlich aber gibt es immer mehr  Indikatoren dafür, dass der Aufwärtstrend der vergangenen Monate und Jahre zu Ende geht und die Finanzmärkte vor einer Phase größerer Verwerfungen stehen.

So kann man beobachten, dass die Verantwortlichen – trotz aller anderslautenden öffentlichen Beteuerungen – seit einiger Zeit gezielte Maßnahmen ergreifen, um sich auf rauere Zeiten einzustellen. Wie schwierig das ist, zeigt unter anderem das Beispiel der Deutschen Bank, die als einer der größten Derivatehändler der Welt den Risiken am Markt besonders stark ausgesetzt ist. In Erwartung zukünftiger Turbulenzen versucht ihre Führung seit geraumer Zeit, diese Risiken einzugrenzen – mit dem Ergebnis, dass die Deutsche Bank auf leicht zu verdienendes Geld verzichten und hohe Verluste hinnehmen muss.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) trifft Vorbereitungen auf die kommenden Stürme. Eines ihrer größten Probleme sind dabei die faulen Kredite, die sich seit der Krise von 2007/2008 in den Bilanzen der europäischen Großbanken angesammelt haben. Deren Gesamtsumme beläuft sich mittlerweile auf etwa 1 Billion Euro.

Nun könnte man fragen, warum diese Kredite plötzlich zum Problem werden, wo sie doch schon seit Jahren existieren. Der Grund ist folgender: Wir leben zurzeit in einer Phase, in der die Zentralbanken versuchen, aus ihrer „lockeren Geldpolitik“ (der Vergabe von immer mehr Geld zu immer niedrigeren Zinssätzen) auszusteigen, um eine (sich zum Beispiel auf den Rohstoffmärkten abzeichnende) Inflation von mehr als den beabsichtigten zwei Prozent zu verhindern.

Vorreiter hierbei ist die wichtigste Zentralbank der Welt, die Federal Reserve, die den Leitzins seit 2015 in sechs Schritten von 0 bis 0,25 Prozent auf 1,5 % bis 1,75 % angehoben hat. Der Leitzins der EZB liegt zwar gegenwärtig noch bei O Prozent, wird aber mit Sicherheit in absehbarer Zeit auch angehoben werden.

Das dabei entstehende Problem: Schon geringe Zinsanhebungen machen es für Schuldner schwieriger, ihre Kredite zu bedienen. Kontinuierliche schrittweise Anhebungen, wie sie die EZB zur „Normalisierung“ der Finanzmärkte nach dem Vorbild der FED wird durchführen müssen, aber werden todsicher dafür sorgen, dass die Zahl fauler Kredite nicht ab- sondern zunimmt.

Um sich auf derartige Zinserhöhungen vorzubereiten, hatte die EZB im Dezember 2017 folgenden Beschluss gefasst: Die Banken der Eurozone sollten ab Ende März 2018 verpflichtet werden, zumindest alle neuen Darlehen, die als ausfallgefährdet eingestuft werden, stärker als bisher durch Rückstellungen abzusichern.

Dieses Vorhaben aber hat die EZB letzte Woche fallen gelassen und möglicherweise ganz ad acta gelegt – den Aussagen einiger Insider zufolge wegen der Weigerung der italienischen Banken, der Anweisung zu folgen.

Der Hintergrund: Italienische Banken sitzen auf dem größten Berg fauler Kredite innerhalb der Eurozone und befürchten, durch höhere Rückstellungen in Zukunft weniger Darlehen vergeben zu können. Anders ausgedrückt: Es geht den italienischen Banken so schlecht, dass sie sich Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Verschlimmerung ihres Gesundheitszustandes nicht leisten können.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Italien den Forderungen und Anweisungen der EZB widersetzt: Im vergangenen Jahr hatte die italienische Regierung die Anwendung der Bail-in-Regelung auf zwei italienische Banken verhindert und gegen den heftigen Widerstand des deutschen Finanzministers Schäuble auf einen Bail-out bestanden. Grund war die Furcht der Regierung in Rom vor Protesten der Bevölkerung, da ein Bail-in viele Anteilseigner aus der Mittelschicht betroffen und zu einem beträchtlichen Teil ruiniert hätte.

Dass die EZB in beiden Fällen zurückgerudert ist, dabei in einem Fall geltendes EU-Recht (das ein Bail-in vorschreibt) übergangen hat und im anderen Fall eine weitere Erhöhung der Risiken im System zulässt, zeigt vor allem eines: Je größer die Probleme innerhalb der Eurozone werden, umso weniger funktioniert die Lenkung von oben und umso größer werden die Risse zwischen den einzelnen Mitgliedern.

Da es sich bei den faulen Krediten bei Weitem nicht um das einzige Problem in der Eurozone handelt, werden wir in der näheren Zukunft sicherlich nicht nur größere Verwerfungen im Finanzsektor sehen, sondern auch weitere Zerfallserscheinungen innerhalb der Eurozone erleben – begleitet von schleichendem Kontrollverlust und damit zunehmendem Machtverfall der EZB.

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