Tagesdosis 28.2.2019 – EU-Urheberrechtsreform: Artikel 11, 13 und der Upload-Filter (Podcast)

Ein heißes Eisen, oder warme Luft?

Ein Kommentar von Bernhard Loyen.

Warum gehen aktuell Menschen in diesem Land auf die Straße? Zur Zeit sammelt sich im Internet eine Protestbewegung, die seit Februar auch langsam ihren Weg auf Demonstrationen findet. Der kaum wahrgenommene Ursprung im Juni 2018 wurde nur in entsprechenden Kreisen gesucht und unterstützt (1). Es geht um Kritik an der geplanten Rechtssprechung auf EU Ebene zum Thema Umgang mit Urheberrechten und entsprechenden zukünftigen Regelungen. Die Anfänge der Pläne einer Reform zu diesem Thema finden sich im Jahre 2016 (2). Am 18.02. wurden durch Aktivisten Justizministerin Barley von der SPD fast 5 Millionen Unterschriften besorgter Internet Nutzer übergeben (3).

Zunehmend kontrovers diskutiert werden die Artikel 11 und 13 der zukünftigen EU-Urheberrechtsreform. Die Argumente der ausführenden Politiker und ihrer Unterstützer: Kommende Zeiten in Verbindung dominierender Internetnutzung benötigen neue Reglungen. Es geht jedoch um wesentlich mehr.

Die Initiatoren und Förderer: Politiker, als Erfüllungsgehilfen entsprechender Interessenverbände, sowie rein profitorientierter Großunternehmen. Die Gegner: Kritische Bürger und Internet Nutzer, inklusive einer nun besorgten Gesellschaftsgruppe aus dem Bereich der gegenwärtigen „Sharing“-Generation. Der Kampf um gesellschaftliche Errungenschaften hat hierbei die Universitäten verlassen und ist endgültig in der digitalen Welt angekommen. Man fürchtet um den Lebensmittelpunkt Internet. Es droht, so die Meinung der Demonstrierenden, die Abschaffung des klassischen, ihres, Internets. Stichwort Upload-Filter. Dazu später mehr.

Zuerst ein paar Erläuterungen zu den Eigentumsverhältnissen digitaler Multiplikatoren. Instagram und Whatsapp gehören der Facebook Inc. (4). Das stetig wachsende Pinterest, eine Instagram Konkurrenz, gehört dem US Unternehmen Cold Brew Labs (5). YouTube wurde im Jahre 2006 vom Suchmaschinenbetreiber Google für umgerechnet 1,31 Milliarden Euro gekauft. Die Marke YouTube blieb bestehen (6) Das US Unternehmen Google wiederum stellt pure Macht dar, in Bezug milliardenfacher Internetnutzung, Zitat: Die Suchmaschine des Unternehmens erhält weltweit etwa 73,4 % aller Desktop-Suchanfragen des Internets (Stand: Juni 2018). Die Marke Google gehört seit Jahren zu den wertvollsten Marken der Welt (7). Alle genannten Internet Giganten bilden für Milliarden Bürger inzwischen den Lebensmittelpunkt, privat wie beruflich.

Was treibt nun aktuell eine wachsende Zahl, meist jüngerer Bürger, zu diesem Thema auf die Straße? Stichwort: #savetheinternet Demonstrationen. Diskutiert und opponiert wird vordergründig aufgrund zweier Artikel der zukünftigen Endfassung des Richtlinientextes. Einzulesen sind bis dato die aktuellen Richtlinien aus dem Jahre 2016 (8). Den Textentwurf zur Abstimmung in Brüssel Ende März gibt es seit knapp einer Woche nur auf Englisch (9). Beide Texte sind verlinkt. Beteiligt an der schlussendlichen Version waren der Rat der Europäischen Union, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament. Die Eckpfeiler des Reformpapiers basieren auf der EU-Verordnung 2001/29/EC aus dem Jahre 2001 (10).

Die sich nun abzeichnenden Gräben der öffentlichen Wahrnehmung zeigen sich in der subjektiven Betrachtung, der individuellen Befindlichkeit und persönlichen Betroffenheit gegenüber diesem Thema. Die klassischen Medien halten sich auffällig bedeckt, da die anstehenden Veränderungen, die rein das Internetphänomen betreffen, für sie anscheinend nicht die Relevanz besitzen. In etwa: Alternative Medien haben ihre Probleme. Wir haben die unseren.

Betrachten wir den Richtlinientext, Zitat Begründung Seite 2: Im digitalen Umfeld hat auch die grenzübergreifende Nutzung zugenommen und für Verbraucher sind neue Möglichkeiten des Zugangs zu urheberrechtlich geschützten Inhalten entstanden. Für die Befürworter und Betroffenen heißt das – ja, ihr habt euch jetzt lange genug auf Kosten der Künstler, der Verlage, der Rechteinhaber größtenteils unrechtmäßig Besitz angeeignet und kostenfrei zur Verfügung gestellt. Für die Gegner heißt das: Ich will doch nur ins Netz stellen um zu teilen = sharen, will zudem aber weiterhin umsonst konsumieren und downloaden = umsonst partizipieren. So, what the fuck? Die Datendiktatur droht.

Zitat Nr.2 Artikel 1 der Richtlinie: Mit dieser Richtlinie werden Vorschriften für die weitere Harmonisierung des Unionsrechts auf dem Gebiet der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte im Rahmen des Binnenmarkts unter besonderer Berücksichtigung der digitalen und grenzübergreifenden Nutzungen geschützter Inhalte festgelegt. Mit Ausnahme der in Artikel 6 genannten Fälle lässt diese Richtlinie die bereits bestehenden Vorschriften unberührt.

Bereits bestehende Vorschriften bezieht sich auf die aktuelle Urheberrechtserklärung aus dem Jahre 2001. Bestehend aus 61 Gründen der Notwendigkeit, rechtlich reglementiert durch 15 Artikel.

Der aktuell kritisierte Artikel 11 beinhaltet das Leistungsschutzrecht, Zitat:Schutz von Presseveröffentlichungen im Hinblick auf digitale Nutzungen. Dieser Artikel soll die Nutzung von Link Hinweisen regeln, d.h. ob zukünftig weiterhin private Accounts ohne Zahlung eines Beitrags, einen Artikel über einen entsprechenden Link teilen dürfen. Kritiker sehen im Gesetzestext die Gefahr, dass Urheber, wie Verlage oder die Urquellen zukünftig Lizenzgebühren von News-Aggregatoren und Suchmaschinen zur entsprechenden Nutzung verlangen, eine sog. Linksteuer. Verweigern die großen Suchmaschine diese Zahlungen, verschwinden kleinere Anbieter aus dem Suchfeld, dem Ergebnis, das wiederum dann von den finanzstarken Monopolisten beherrscht werden könnte. Das zusätzliche Problem liegt darin, dass keinerlei Textlänge definiert ist, d.h. theoretisch auch schon ein Satz, z.B eine Überschrift als Zitat bei entsprechender Nutzung gelten könnte.

Kommen wir zum Hauptstreitpunkt, dem gefürchteten Artikel 13. Er heißt: Nutzung geschützter Inhalte durch Anbieter von Online Content Sharing Diensten. Aufgrund aktueller Verschärfungen des Inhaltstextes der Richtlinien sehen nun viele Menschen die kommende Abschaffung der freien Meinungsäußerung und Darstellung im Internet. Die Problematik stellt sich wie folgt dar:

Die zukünftige Reglung erklärt das Hochladen eines urheberrechtlich geschützten Werkes, auch in Teilnutzung oder Verarbeitung durch den User als unmittelbares Beweismittel nach Freigabe und Darstellung und übergibt damit neuerdings der anbietenden Plattform die Rechtfertigungspflicht gegenüber dem ursprünglichen Rechteinhaber. Stichworte: öffentliche Zugänglichkeitmachung. Die Regelung bis dato stellte sich so dar, dass der Plattformanbieter die juristische Verantwortung bei Beanstandung an den User, an die Ursprungsquelle zurückgab.

Absatz 1, Artikel 13 verpflichtet die Anbieter daher demnächst eine Genehmigung bei den Nutzern, den Inhabern des entsprechenden Werkes einzuholen. Es sollen zukünftig entsprechende Lizenzvereinbarungen mit den jeweiligen Quellen, den Besitzern abgeschlossen werden. Dies betrifft jedoch nicht nur die Big Player, sondern alle, Zitat: „Dienste der Informationsgesellschaft, deren Hauptziel oder eines der Hauptziele darin besteht, eine große Menge urheberrechtlich geschützter Werke (…), die von seinen Nutzern hochgeladen werden, zu speichern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wenn der Dienst diese zu Profitzwecken organisiert und fördert.“

Ein schwieriges Unterfangen. Um dieser Problematik Herr zu werden, werden die Anbieter von urheberrechtlich geschützten Produkten nun in die Verpflichtung genommen, sogenannte Upload-Filter auf ihren Plattformen zu installieren.

Die Seite Foren Gegen Upload Filter (10), vertreten durch aktuell 144 Foren mit über 9 Millionen Mitgliedern, erläutert die Problematik, Zitat: Die neuen Regelungen sehen als Alternative „Lizenzvereinbarungen“ oder „angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen“ vor. Für einen Forumsbetreiber ist es schlicht unmöglich, mit allen Rechteinhabern eine Vereinbarung zu schließen. Sollte dies über Verwertungsgesellschaften wie GEMA, VG Wort und VG Bild organisiert werden, bedeutet dies mit Sicherheit zusätzliche Lizenzkosten. Ohne diese Lizenzvereinbarung müssten Foren jeden Upload , jedes Bild und jeden Beitrag, vor Veröffentlichung überprüfen, ob es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt. Den technischen, personellen, organisatorischen und finanziellen Aufwand können sich vielleicht Konzerne wie Google und Facebook leisten, für kleine Unternehmen kann diese Pflicht den Ruin bedeuten.

Gemeint ist die Finanzierung eines entsprechenden Upload-Filters. Nun kam am Dienstag überraschend Hilfestellung und Kritik am Reformpapier von Bundesseite. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, nahm Stellung zu der aktuell in Brüssel diskutierten Reform des Urheberrechts (11) : Zitat: Gerade beim Einsatz von sogenannten Upload-Filtern bestehe die Gefahr, „dass wenige große Anbieter, die eine entsprechende Technik zur Verfügung stellen, verstärkt Daten über Nutzer vieler Plattformen und Dienste im Internet gewinnen“.

Sehr aufschlussreich folgender Hinweis des Datenschutzbeauftragten zum Thema: Nachteile für kleinere Plattform- und Diensteanbieter, Zitat: „Ebenso wenig würden sie den immensen Programmieraufwand betreiben können, eigene Upload-Filter zu erstellen. Stattdessen werden sie auf Angebote großer IT-Unternehmen zurückgreifen, so wie das heute schon unter anderem bei Analyse Tools passiert, bei denen die entsprechenden Bausteine von Facebook, Amazon und Google von vielen Apps, Websites und Services verwendet werden.“ Letztendlich entstünde so ein Oligopol weniger Anbieter von Filtertechniken, über die dann mehr oder weniger „der gesamte Internetverkehr relevanter Plattformen und Dienste läuft“. Welche weitreichenden Informationen diese dann dabei über alle Nutzer erhielten, verdeutliche unter anderem die aktuelle Berichterstattung zur Datenübermittlung von Gesundheits-Apps an Facebook. Dies bedeutet, wenige Anbieter definieren, bestimmen die Filtergröße und Durchlässigkeit von Inhalten.

Wir kommen der eigentliche Sache näher. Ja, es geht auch um die berechtigte Entlohnung von Komponisten, Filmemachern und Künstlern. Vordergründig geht es aber wiedermal um Daten. Regelmäßige Leser und Hörer wissen: Daten sind das neue Öl. Wer Öl an so ein heißes Eisen führt kann schnell ein flächendeckendes Feuer entfachen.

Die finale Abstimmung im EU-Parlament über die Richtlinie erfolgt vom 25. bis 28. März 2019 in Brüssel. Danach wird die neue Richtlinie, davon ist auszugehen, an die jeweiligen EU Länder weitergegeben, die wiederum zwei Jahre Zeit haben, ein Nationales Gesetz ins Leben zu rufen.

Bei den nächsten #safetheinternet Demos im Monat März (die Termine sind verlinkt) geht es eben nicht nur um das Recht auf lustige Filmchen und Musik Videos. Den Erhalt von Youtuber Flachwitzwahnsinn und warmer Luft von Influencern. Erster Lernprozess: Für die Unterstützung politischer Veränderungen durch den Bürger, genügt eben nicht ein Häkchen bei einer Online-Petition.

Dies alles sollte die Generation Display bei ihrem momentanen Anflug von Politisierung, dem vielleicht ersten Weg auf die Straße, bitte nicht außer acht lassen. Nicht unterschätzen und bei der Betrachtung – wegklicken.
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Quellen:

  1. https://www.peira.org/demo-auftakt-in-berlin-gegen-upload-filter-und-linksteuer/
  2. https://www.heise.de/newsticker/meldung/Neuer-Leak-EU-Kommission-plant-20-jaehriges-Leistungsschutzrecht-3310916.html
  3. https://netzpolitik.org/2019/fast-5-millionen-unterschriften-gegen-uploadfilter-an-justizministerin-barley-uebergeben/
  4. https://www.swr.de/swraktuell/die-grossen-social-media-konzerne-wem-gehoert-welches-netzwerk/-/id=396/did=15106836/nid=396/1v9tpbk/index.html
  5. https://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/soziale-netzwerke-pinterest-tritt-aus-dem-schatten-von-instagram-und-co/20327932.html?ticket=ST-690054-FEJXunNTNyxgxaPdNeke-ap6
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/YouTube
  7. https://de.wikipedia.org/wiki/Google_LLC
  8. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016PC0593&from=DE
  9. https://juliareda.eu/wp-content/uploads/2019/02/Copyright_Final_compromise.pdf
  10. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32001L0029&from=DE
  11. https://foren-gegen-uploadfilter.eu/
  12. https://www.datensicherheit.de/aktuelles/urheberrecht-warnung-datenschutz-risiken-30287

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