Tagesdosis 28.10.2019 – Der IWF in Ecuador: die Armen zahlen für die Reichen

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Nach wochenlang zunehmenden Protesten hat Ecuadors Präsident Lenin Moreno am 3. Oktober für sechzig Tage den Ausnahmezustand verhängt. 

Auslöser der Proteste war zum einen die Lockerung des Kündigungsschutzes und zum anderen die Streichung der seit vierzig Jahren bestehenden Subventionen für Kraftstoff, die zu einer drastischen Erhöhung der Benzin- und Dieselpreise sowie der öffentlichen Transportkosten geführt haben. 

Beide Maßnahmen waren von Morenos Regierung angeordnet worden, um die Bedingungen für einen 4,2 Milliarden-Dollar-Kredit zu erfüllen, den der Internationale Währungsfonds IWF Ecuador im April dieses Jahres gewährt hat.

Die Umstände, unter denen dies geschah, und die Timeline der Ereignisse werfen einmal mehr ein bezeichnendes Licht auf die Art und Weise, wie der IWF in Zusammenarbeit mit korrupten Regierungen Wohlhabende begünstigt, arbeitende Menschen zur Kasse bittet und die Armen in noch größeres Elend stürzt.

Lenin Moreno wurde im April 2017 als Nachfolger Rafael Correas zum Präsidenten Ecuadors, des viertärmsten Landes in Südamerika, ernannt. Kurz nach der Amtsübernahme begann er eine politische Annäherung an die USA und beantragte beim IWF und der Weltbank Kredite – nicht etwa, um das Geld in die Wirtschaft des Landes zu investieren, sondern um dessen Auslandsschulden bei internationalen Banken auch weiterhin bedienen zu können. 

In Zeiten, in denen das Zinsniveau weltweit nahe Null liegt, wurden Ecuador diese Kredite zu einem Zinssatz von knapp 5 Prozent in Aussicht gestellt – mit der Auflage, den Staatshaushalt durch Massenentlassungen zu entlasten, die Benzinpreise zu erhöhen, die Reallöhne zu senken, die Privatisierung von Pensionsfonds voranzutreiben und große Bereiche des Gesundheits- und Ausbildungswesens ebenfalls zu privatisieren. 

Moreno, der selbst im Mittelpunkt eines Korruptionsskandals steht und gegen den wegen  Geldwäsche und Meineid ermittelt wird, erklärte sich mit dem Austeritätsprogramm einverstanden und begann im Februar mit der Erfüllung der Bedingungen, indem er als erstes Tausende von Staatsangestellten entließ. 

Zugleich verschärfte er die mit seiner Amtsübernahme begonnene Hetzkampagne gegen den 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London geflüchteten Julian Assange, ließ ihm die von seinem Vorgänger erteilte ecuadorianische Staatsbürgerschaft aberkennen und sorgte am 11. April dafür, dass die britischen Behörden Assange festnehmen konnten.

Nur vier Tage später erhöhte die Weltbank einen bereits zugesagten Kredit an Morenos Regierung um knapp $ 500 Millionen.

Dass die Unruhe in der Bevölkerung zunahm und sich über den Sommer in ersten Protesten gegen die wachsende soziale Ungleichheit entlud, hinderte die Regierung Moreno nicht daran, an ihrem im August 2018 verabschiedeten „Gesetz zur Förderung der Produktivität und zur Schaffung von Investitionsanreizen sowie Arbeitsplätzen, Stabilität und einem ausgeglichenen Haushalt“ festzuhalten.

Dieses Gesetz hat mit seinem Namen wenig zu tun, denn es gewährt mehreren Großkonzernen der Öl- und Nahrungsmittelindustrie und diversen Privatbanken bei umgehender Steuernachzahlung den Erlass von mehr als zwei Dritteln ihrer Steuerschulden, die sich 2018 auf über $ 4,3 Milliarden beliefen. 

Während sie den Lebensstandard der Armen drastisch senkt, verzichtet die Regierung Moreno damit auf etwa $ 3 Milliarden an Steuereinnahmen aus den Händen der  Großindustrie und des Finanzsektors – alles in Übereinstimmung mit dem IWF und der Weltbank, die der Welt erst in der vergangenen Woche auf ihrer gemeinsamen Jahrestagung unter dem Beifall der internationalen Mainstream-Medien verkündet haben, dass sie auch in Zukunft mit ganzer Kraft daran arbeiten werden, „die Armut in der Welt zu bekämpfen und die verletzlichsten Teile der globalen Gesellschaft zu schützen“.

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Danke an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung.

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Bildhinweis: TommoT  / Shutterstock

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