Tagesdosis 28.1.2019 – Der nächste Putsch made in USA

Ein Kommentar von Susan Bonath.

Wirtschaftsblockaden, Umsturzversuche, Agententum, paramilitärische Infiltration und nun ein von den USA und ihren imperialen „Verbündeten“ der EU mitgetragener Putsch: Das von USA-hörigen Kapitaldiktaturen umzingelte Venezuela steht möglicherweise vor dem Rückfall in die postkoloniale Zeit.

Was ist aktuell passiert? Nach Unruhen, vorgezogenen Wahlen und einem Attentat auf Staatschef Nicolás Maduro im vergangenen Jahr ernennt sich Oppositionsführer Juan Guaidó am Mittwoch selbst zum neuen Präsidenten Venezuelas. Wenig später erkennt ihn US-Präsident Donald Trump an. Die EU zieht nach, stellt ein irrwitziges „Ultimatum“: Sollte es bis kommende Woche keine Neuwahlen geben, gelte der Selbstermächtigte auch für sie als neues Staatsoberhaupt.

Die USA drohen schließlich ganz offen den ultimativen Raubzug gegen das Land an, das dreimal größer als Deutschland ist, aber nur über gut ein Drittel  der Einwohner verfügt. Man werde Venezuelas Einnahmen aus dem Öl beschlagnahmen und an Putschführer Guaidó umleiten, verkündete Trump. Es geht vor allem um Citgo, eine in den USA aktive Tochtergesellschaft des venezolanischen Staatsunternehmens PDVSA. Da gibt es nur eine Krux: 2016 hatte Venezuela den russischen Staatskonzern Rosneft im Zuge einer Schuldentilgung für Importe zu knapp 50 Prozent an Citgo beteiligt.

Venezuela ist vom Kapital begehrt. Nicht nur, dass das Land seit der Wahl von Maduros Vorgänger im Jahr 1999, dem Sozialisten Hugo Chavez, um Unabhängigkeit vom imperialistischen Block kämpft. Es verfügt auch über die wohl weltweit größten Ölvorkommen. Ein Schelm, wer geglaubt hatte, die USA ließen sich ein derartiges Riesengeschäft entgehen. Dazu brauchen sie geeignete Marionetten.

Vor allem aber benötigen die Vereinigten Staaten Geld, um ihre Kriege zu finanzieren. Mit mehr als 20 Billionen Dollar sind sie verschuldet. Ihre Vormachtstellung beruht zunehmend auf Plünderungskriegen mit ihren NATO-Verbündeten der EU. Mehr als 700 Milliarden US-Dollar fließen jährlich in ihren Rüstungsetat. Derweil breiten sich in ihrem Inneren die Slums aus. 50 Millionen Menschen – das ist etwa jeder siebte US-Bürger – sind auf Lebensmittelkarten angewiesen. Hunderttausende Familien mit Kindern sind obdachlos.

Die Gegner des venezolanischen Staatschefs, inklusive der westlichen Medien, gründen ihr „Bekenntnis“ zu Maduros Widersacher Guaidó auf folgendes: Misswirtschaft, wachsende Armut, angeblich illegitime Wahlen, Massenflucht und Korruption. Außerdem seien „sozialistische Experimente“ ohnehin zum Scheitern verurteilt.

Erstens: Wenn die Sozialisten angeblich alle unfähig sind und ihre Systeme ohnehin zum Scheitern verurteilt seien: Warum warten die Westmächte dann nicht in aller Ruhe ab, bis es sich mit ihnen von allein „erledigt“ hat? Warum jagen sie die Sozialisten und Kommunisten dann seit hundert Jahren so unerbittlich? Warum stecken sie Billionen in ihre Militärapparate, richten ihre ganzen Waffenarsenale auf diese Länder, drangsalieren sie wirtschaftlich und finanzieren rechte, konter-revolutionäre Kräfte? Ja, warum lassen sie diese angeblich zum Scheitern verurteilten Länder nicht einfach ganz ohne ihr Zutun scheitern?

Zweitens handelt es sich bei den Flüchtlingen aus Venezuela vor allem um einstige Bürgerkriegsflüchtlinge aus Kolumbien, die bis 2016 nach Venezuela kamen und dort bereitwillig aufgenommen wurden.

Drittens verschweigen westliche Medien, dass Venezuela seit dem Amtsantritt von Hugo Chavez 1999 und seiner Einleitung der sogenannten bolivarischen Revolution mit strengen Wirtschaftssanktionen des westlichen Blocks und ihrer Lakaien zu kämpfen hat. Auch venezolanische Konten im Ausland wurden gesperrt. Die Kommunistische Partei Venezuelas PCV spricht ferner von massenhafter Infiltration durch paramilitärische Einheiten und Agenten aus USA-hörigen Nachbarstaaten, wie Kolumbien und Brasilien. Maduro gehört der Vereinigten Sozialistischen Partei PSUV an.

Viertens fällt im Mainstream kaum ein Wort zur Geschichte. Denn dazu gehört auch, dass Chavez vor 20 Jahren ein Land übernahm, in dem jeder zehnte Venezolaner weder lesen noch schreiben konnte, weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter teils extremer Armut litt und viele sich medizinische Versorgung nicht leisten konnten. Das Venezuela von 1998 war regiert von kriminellen Oligarchen-Clans, die unter anderem den USA billiges Öl zuschanzten.

Chavez startete landesweit Alphabetisierungs- und Ernährungsprogramme. Er ließ die Venezolaner über eine Verfassung abstimmen, Schulen, Krankenhäuser und Wohnungen bauen, um die Menschen aus den Elendsvierteln, den Favelas, herauszuholen und eine kostenlose medizinische Versorgung sowie Bildung zu gewährleisten. Darüber hinaus verstaatlichte er zahlreiche Großkonzerne, darunter den größten Teil der Ölindustrie. Natürlich passte es den USA nicht, von da an mehr für das „schwarze Gold“ zu löhnen.

Auch Chavez versuchten die USA durch Mittelsmänner der rechten Opposition zu stürzen. 2002 etwa vertrieb ihn der damalige Oppositionsführer Pedro Carmona für zwei Tage aus dem Amt. Seine Anhänger hatten zuvor den damals einzigen Staatssender „Kanal 8“ unter ihre Herrschaft gebracht. Massenproteste vor allem der ärmeren Bevölkerung konnten Chavez´ Sturz verhindern. Mehr als 1,5 Millionen Menschen stürmten das Regierungsgebäude und vertrieben Carmona. Der fand in Kolumbien Unterschlupf. Längst ist bekannt: Den Putsch 2002 hatte die CIA mit unterstützt und finanziert.

Seither gab es immer wieder Umsturzversuche und Attentate, zuletzt Mitte 2018 einen Sprengstoffanschlag auf Maduro. Nach Chavez´ Krebstod 2013 hatte dieser die Führung des immer stärker von Dauerembargos gebeutelte Landes übernommen. Armut und Inflation wuchsen rasant, Korruption breitete sich immer stärker aus. Letztes Jahr versuchte Maduro, mit der ölgedeckten Kryptowährung Petro der Lage Herr zu werden.

Da waren bereits massive Unruhen ausgebrochen. Maduro lenkte ein, ließ die Wahlen auf den Mai 2018 vorziehen. Weil er die Teilnahme einiger ultrarechter Kandidaten verboten hatte und die Wahlbeteiligung mit weniger als 50 Prozent gering war, bezeichnen westliche Regierungspropagandisten seine Wiederwahl als „illegitim“. Diese aber hatte er mit 67 Prozent der Stimmen gewonnen. Dazu ist anzumerken: In Venezuela fanden seit 1999 etwa 25 Wahlprozesse statt. Nur zwei davon erkannten die Westmächte überhaupt an. Und das waren ausgerechnet jene, bei denen die rechte Opposition gewonnen hatte.

Erst Anfang Januar, kurz vor Maduros Antritt seiner zweiten Amtsperiode, tauchte sein Widersacher Juan Guaidó auf der politischen Bühne auf. Er wurde zum Präsidenten des von rechts beherrschten Parlaments  ernannt. Mittels radikaler Propaganda setzte er das bereits angeheizte Kleinbürgertum gegen Maduro in Bewegung. Schließlich ernannte er sich selbst zum Staatschef. Man stelle sich vor, die Gelbwesten in Frankreich würden einen neuen Präsidenten benennen und China und Russland diesen anerkennen.

Russland, China, Kuba, Bolivien, Mexiko, der Iran, die Türkei und einige südamerikanische Kleinstaaten sicherten Maduro Unterstützung zu. Der russische Außenminister Sergei Lawrow erklärte, Trumps Gebaren spreche für eine „orchestrierte Beteiligung der USA an dem Putsch“. Guaidó und seine Unterstützer machten sich zu „Bauern in einem kriminellen Spiel“, so Lawrow.

Umzingelt von Brasilien und Kolumbien mit US-hörigen Regimen, hatte Venezuelas Führung von vornherein schlechte Karten in diesem Scheißspiel. Doch es gibt berechtigte Kritik an Maduros Politik von links.

Die Kommunisten werfen ihm vor, die Industrialisierung des Landes zugunsten der Importe nicht vorangetrieben zu haben. Venezuelas Importfähigkeit hing dabei am seidenen Faden der Ölpreise. Den letzten Stoß in den wirtschaftlichen Ruin habe der Preisverfall 2014 bewirkt. Außerdem habe es massenhaft Betrug bei den Importen gegeben. Maduro habe auch die kapitalistischen Strukturen im Land weitgehend erhalten. Mehr noch: Er habe selbst Privatfirmen, denen er Korruption vorwarf, noch Fördermittel hinterher geworfen. Kleinbauern dagegen habe er kaum bei der Lebensmittelproduktion unterstützt. Den Staatsapparat habe er zusehends bürokratisiert, führenden Bediensteten viele Privilegien verschafft und die Arbeiterklasse, anders als dies in Kuba geschah, nicht mitgenommen.

Es geht also beides: Man kann Venezuelas Präsidenten und seine Führungsriege kritisieren – ja muss es sogar – und zugleich gegen den mutmaßlich vom US-Regime finanzierten Putsch zur Einfriedung Venezuelas in den imperialistischen Markt sein.

Was den Unterdrückten Lateinamerikas eine rechtsextreme Regierung bringt, zeigt aktuell Brasilien. Kaum an der Macht, hat Präsident Jair Bolsonaro den Ausverkauf der Wirtschaft und der ohnehin minimalen öffentlichen Daseinsvorsorge verkündet. Industriellen verspricht er lukrative Großprojekte im Regenwald. Damit bedroht er auch die Existenz der indigenen Bevölkerung. Grüßen lassen auch diktatorische Massenmörder, die nach gesteuerten Putschen an die Macht kamen, wie etwa Augusto Pinochet in Chile.

Fakt ist: Glückt der Regimechange in Venezuela mit Hilfe der Großmacht USA und ihrer NATO-Verbündeten in Europa, wird es für die Massen der Armen ganz sicher nicht besser werden. Verdienen werden daran wieder nur die üblichen Profiteure unter der Rückendeckung des größten und aggressivsten imperialistischen Blocks der Welt und ihrer mordenden Militärmacht.

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