Tagesdosis 27.3.2018 – Kriegspläne gegen Iran und das deutsche Schweigen

Ein Kommentar von Dirk Pohlmann.

US Präsident Trump hat John Bolton zum Nationalen Sicherheitsberater ernannt. Prinz Muhammad Bin Salman ist auf PR Reise in England und den USA. Er sondiert die Bereitschaft der Angelsachsen und Israelis, Saudi Arabien Atomkraftwerke und Atomwaffen zu gestatten. Die Regierungen von Amerika, Israel und Saudi-Arabien bilden als Alliierte gegen Syrien, den Iran und Russland eine gemeinsame Front. Bolton will seit 2003 den Krieg mit dem Iran.

Für den Nahen Osten und die Welt stehen damit die Zeichen auf Sturm. Neue Kriege kündigen sich an.

Die Berichterstattung der deutschen McMedien aber plätschert dahin. Sie ist irrelevant, irreführend und erfüllt angesichts der Gefahr den journalistischen Straftatbestand der Lückenpresse.

Die Tagesschau z.B. berichtet  nichts über die genannten Entwicklungen, aber über den Antrittsbesuch des deutschen Außenministers Heiko Maas in Israel: „Er will zeigen, wie wichtig ihm das deutsch-israelische Verhältnis ist, die deutsche Verantwortung für und nach dem Holocaust.“ Maas wolle vor allem Antisemitismus und Rassismus bekämpfen. Deswegen träfe er auf mehr Sympathie als der ehemalige Außenminister Gabriel. O-Ton Heiko Maas: “Ich bin wegen Auschwitz in die Politik gegangen.” Und: “Die Verantwortung für und die Solidarität mit dem jüdischen und demokratischen Staat Israel, einzutreten für seine Sicherheit und gegen Antisemitismus – das steht im Zentrum unseres außenpolitischen Koordinatensystems.”

Diese Art der ritualisierten Kommunikation und ihre ebenso ritualisierte mediale Aufbereitung ist angesichts der angekündigten Kriege im Nahen Osten bestenfalls irrelevant, wahrscheinlich aber ein Symptom der Realitätsverweigerung der deutschen Außenpolitik, die nur als verantwortungslos bezeichnet werden kann.

Denn Verantwortung bedeutet, die Folgen von Entscheidungen und Taten zu bedenken und für sie einzustehen. Heiko Maas hingegen reist nach Israel, um die richtige Gesinnung zu demonstrieren.

Das Land, das Heiko Maas bereist, ist nicht in Gefahr, von übermächtigen Feinden vernichtet zu werden. Maas spricht zu der Regierung einer militärisch absolut überlegenen Atommacht, als ob wir uns im Jahre 1950 befänden, es sich um misshandelte Menschen handelt, die gerade knapp einem Massenmord entflohen sind und Schutz und Hilfe brauchen.

Das heutige Israel weiß sich sehr gut durchzusetzen, es hat die einzige Supermacht der Welt fast bedingungslos an seiner Seite, mit Trump und Bolton wird diese Tendenz noch stärker werden, falls das überhaupt möglich ist. Die USA unterstützen Israel mit mehr Geld als jedes andere Land der Welt, sie decken seine undeklarierte Atom-, Giftgas- und Biowaffenrüstung. Sie gestatten Israel, wofür sie dem Iran sofort den Krieg erklären würden.

Die moralisch höchst aufgeladenen Erklärungen des Heiko Maas wären in den 50er und 60er Jahren mutig und richtig gewesen, jetzt klingen sie wohlfeil.

Sie passen zum Verhalten Deutschlands in der NATO.

Die gemeinsame Front von 17 EU und NATO Mitgliedern gegen Russland wegen eines bizarren und völlig unklaren Kriminalfalles, des Anschlags auf Sergej Skripal und seine Tochter, ist Besorgnis erregend. Die Ermittlungslage ändert sich täglich und steht im direkten Gegensatz zur Vehemenz der Anschuldigungen gegen Russland. Aber wie so oft in den letzten Jahren ist die  Anklage bereits die Verurteilung. Die Leichtfertigkeit, mir der diplomatisch immer weiter eskaliert wird und die Sorglosigkeit, mit der ohne Not Beziehungen beschädigt werden, riechen nach dem Willen zu einem neuen 1914.

Dass deutsche Politiker hier als willige Helfer agieren und deutsche Medien flächendeckend und unisono mitziehen, erinnert ebenfalls an finstere Vorkriegszeiten von 1914 bis 2003, als Politiker und Journalisten gemeinsam, besoffen von ihrem Patriotismus, die Gewalt herbei sehnten, weil sie hofften, der Krieg würde ihnen mehr Macht und große ökonomische Vorteile bescheren.

Der Verweis auf Auschwitz und Hitler, darunter tut es kaum noch ein kriegswilliger Politiker, ist falsch und führte schon beim Jugoslawienkrieg direkt ins Verbrechen.

Diesmal ist es der saudische Prinz und designierte König Mohammad bin Salman, der den kriegsvorbereitenden Vergleich mit Hitler ausspricht. Für ihn ist der Präsident des Iran, Hassan Rohani der neue Hitler, der vernichtet werden muss.

Aber wer ist Mohammad bin Salman? Vor allem ein Mann, der sich gerade als Erneuerer inszeniert. Mit großem PR Aufwand. Für Mohammad bin Salman haben die ausgebufftesten PR Agenturen, die für Geld zur Verfügung stehen, ein neues Image entwickelt. Ein ehemaliger Mitarbeiter des britischen Außenministeriums, Jolyon Welsh, für den Nahen Osten zuständig, ließ sich beurlauben, leckte Blut, im Wortsinn, und blieb bei der PR Firma „Consilium“, die von Mitarbeitern des berüchtigten Unternehmens Bell Pottinger gegründet wurde. Er hat die Strategie entwickelt. In den USA hat Mohammad bin Salman APCO Worldwide verpflichtet.

Und das funktioniert. Der Deutschlandfunk flötet in einem Beitrag, der es direkt aus der PR Maschinerie in den Sender schaffte: „In Saudi-Arabien ist der Islam Staatsreligion – und zwar eine konservative Auslegung. Noch. Denn Kronprinz Mohammed bin Salman will Reformen, die auch die Religion betreffen und vor allem die Situation der Frauen verbessern sollen. Im US-Fernsehen sagte er jetzt “Extremisten” den Kampf an.“

Bin Salman braucht diese PR Unterstützung. Er hat als saudischer Verteidigungsminister den Krieg im Jemen begonnen, angeblich um Al Kaida zu bekämpfen. Ein Krieg, der beweisen sollte, dass Saudi Arabien seine dubiosen Verbindungen zu Al Kaida unter Bin Salman neu regeln würde. Bis dahin hatte sich Bin Salman nicht als Feind des Terrorismus hervorgetan. Sein Vater, der jetzige König Salman hatte die Mujaheddin in Afghanistan unterstützt, zu denen auch Osama bin Laden gehörte. Saudi Arabien unterhielt auch im Bosnienkrieg direkte und höchst problematische Beziehungen zu Al Kaida. Von den privaten Konten von König Salman sollen laut „Foreign Policy“ 120 Millionen USD benutzt worden sein, um bosnische muslimische Kämpfer zu bewaffnen.

Das alles passt nicht zum Image vom Innovator Bin Salman, es zeigt aber, dass er zuverlässig die Nähe zur realen US Politik sucht, sein Karrierekalkül ist die Rolle als schärfster Bullterrier der USA.

Er braucht beste PR- Betreuung, auch wegen des Krieges in Jemen. Immer wieder wird dort die Zivilbevölkerung von der saudischen Luftwaffe bombardiert, aber das sind Ereignisse, die es nicht in die westlichen Medien schaffen, weil das Thema „Massaker an der Zivilbevölkerung“ fest an Assads Syrien vergeben ist. Im Jemen brauchen 22 Millionen Menschen humanitäre Hilfe, 8 Millionen sind vom Hungertod bedroht. Aber wir hören nur vom „Schlächter Assad“ und liefern Waffen an Saudi-Arabien, damit dessen Prinzen effektiver abschlachten können.

Der Wahnsinn ist noch steigerungsfähig. Mohammad bin Salman will Nuklearwaffen für Saudi Arabien. Die Gelegenheit ist günstig. Die jetzige Allianz mit den USA und Israel gegen Syrien und Russland könnten dem Kronprinzen den Weg ebnen. Sein Plan ähnelt den Ereignissen, die es Israel möglich machten, Atommacht zu werden. Die USA waren unter Präsident Johnson bereit, die israelischen Atomwaffen zu akzeptieren, weil sie damit einen strategischen Verbündeten gegen die Sowjetunion im Nahen Osten erhielten. Erst seit dem Sechstagekrieg 1967, den Israel einen Tag, nachdem es die ersten zwei einsatzfähigen Nuklearwaffen besaß, mit einem Angriff begann, existiert die enge Allianz der USA mit Israel.

Donald Trump hat Saudi Arabien bereits in Aussicht gestellt, den Bau von Atomkraftwerken zu unterstützen. Angeblich, um die energetische Abhängigkeit der Saudis vom Erdöl zu verringern, in Wahrheit wird dieser Schachzug Bin Salman aber genau wie den Israelis Plutonium für seine  Atomwaffen liefern.

Israel wiederum könnte aktiver Teil dieses Kuhhandels werden. In israelischen Zeitungen wird bereits diskutiert, ob eine saudische Atombombe erträglich sei, welchen Preis das Land fordern solle, damit es die saudischen Pläne „durch seinen Einfluss im US Kongress“ unterstützte und nicht verhinderte. Als Gegenleistung sind im Gespräch: Saudische Zustimmung zu „Jerusalem als Hauptstadt, Überflugrechte für die Israelis, direkte militärische und geheimdienstliche Zusammenarbeit, lukrative Geschäfte für Israel in Saudi Arabien usw.“

Wenn die Israelis auch nicht begeistert sind, so ist ein nukleares Saudi Arabien doch denkbar, weil Saudi Arabien ja bereits ein enger Verbündeter des Verbündeten USA ist, ein Verbündeter  der Israelis im Kampf gegen Syrien und die Hisbollah, vor allem aber, weil man so den gemeinsamen Feind Iran besiegen will und kann, ohne alle Araber gegen sich zu haben.

Und genau dieser Krieg gegen den Iran ist auch seit 2003 der Plan John Boltons. Damals schrieb die israelische Zeitung Haaretz: „Bolton sagte bei Treffen mit israelischen Offiziellen, er zweifle nicht daran, dass Amerika Irak angreifen werde, und danach wäre es notwendig, sich mit der Bedrohung aus Syrien, Iran und Nord-Korea zu beschäftigen.“ Jetzt – 15 Jahre später – kann er endlich seinen Plan Wirklichkeit werden lassen.

Offenbar meint Donald Trump, dass er mit Bolton den richtigen Mann gefunden hat, um das Problem Iran zu beseitigen. Einen Mann, für den angesichts des 700 Milliarden USD Militärhaushaltes jedes politische Problem ein Nagel ist. Ein Mann der einen Hammer in der Hand hält: die Militärmacht der USA.

Der Grund für den Krieg ist gegeben: das strategische Interesse, den Iran als potentielle Vormacht im Nahen Osten ein für alle mal zu zerstören, und mit ihm Syrien, um Russland weiter zu schwächen, um Ressourcen für den wichtigsten strategischen Konflikt, den mit China frei zu haben.

Zweifellos wird sich ein Anlass finden lassen. Ein Tonking Zwischenfall, ein Giftgasangriff, ein Nervenkampfstoff-Mord, Ein Programm zur Herstellung von Massenvernichtungsmitteln, ein Atomwaffenprogramm.

Deutschland wird als nützlicher Idiot Beihilfe zum Angriffskrieg leisten, „Verantwortung übernehmen“.

Dafür wird die deutsche Politik in Gestalt von Heiko Maas und Ursula von der Leyen mit der Unterstützung der Atlantikbrücke, der Süddeutschen Zeitung, des Spiegel, der FAZ und der öffentlich-rechtlichen Medien sorgen.

Vielleicht wird dann, eine Generation später, in einer Gesellschaft, die den Krieg abgeschafft hat, eines der Kinder von Maas oder von der Leyen Friedens-Politiker, um das wiederkehrende intellektuelle und ethische Versagen ihrer Familien endlich zu heilen und ad acta legen zu können.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch im Atomkrieg.

Quellen

Über Israel und die saudische Bombe
https://www.haaretz.com/opinion/.premium-the-radioactive-reason-israel-s-hyping-its-courtship-with-the-saudis-1.5810389

Über Bin Salman
http://foreignpolicy.com/2018/03/14/mohammad-bin-salman-isnt-wonky-enough/

Saudi-PR im DLF
http://www.ardmediathek.de/radio/Tag-f%C3%BCr-Tag-Beitr%C3%A4ge/Reformen-in-Saudi-Arabien-Der-Kronprin/Deutschlandfunk/Audio-Podcast?bcastId=21601786&documentId=51007356

John Bolton und seine Kriegspläne 2003
https://www.haaretz.com/1.4904696

John Bolton und seine Kriegspläne heute
http://www.spiegel.de/politik/ausland/us-praesident-trump-und-john-bolton-wie-maechtig-ist-der-sicherheitsberater-a-1199618.html

MbS, die Mujaheddin und Bosnien
http://foreignpolicy.com/2015/01/27/king-salmans-shady-history-saudi-arabia-jihadi-ties/

Finanzelle Verbindungen zwischen Saudi Arabien und Al Kaida
https://www.nytimes.com/interactive/projects/documents/evidence-of-financial-links-between-saudi-royal-family-and-al-qaeda

Über die britische PR Firma, die für MbS arbeitet
https://www.thebureauinvestigates.com/stories/2018-03-06/foreign-office-lends-diplomat-to-pr-firm-working-for-saudi-crown-prince

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Bildhinweis: NATIONAL HARBOR, MD – MARCH 6, 2014: Former United Nations Ambassador John Bolton speaks at the Conservative Political Action Conference (CPAC).

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