Tagesdosis 26.10.2017 – Amazon hat den Schlüssel zur Glückseligkeit

Ein Kommentar von Bernhard Loyen.

Es hat sich in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass für die selbst abwegigsten Neuerungen der gesellschaftlichen Parallelwelten begeisterte Abnehmer zu finden sind.

Die sogenannte „Key Happiness Guarantee” ist der neue Coup aus dem Hause Amazon. Damit versucht der Handels- und Versandgigant die letzten Zweifler auf die dunkle Seite des Dauerkonsums zu ziehen. Worum geht es? Es geht um die Problematik der direkten Zustellung der gewünschten Pakete.

Der Online Handel wächst weiterhin immens. In der Zustellungskette stößt diese Konsumbegeisterung der Bürger jedoch an seine Grenzen, speziell in der Anlieferungslogistik. Der klassische Amazon Kunde wünscht die Zustellung bis vor die Haustür. Er besteht darauf. Nun macht der Zulieferer sehr oft die Erfahrung, dass der Paketkunde aber nicht zu Hause auf ihn dankbar wartet. Es gibt ja den Nachbarn, den gelangweilten Einzelhändler zwei Häuser weiter, den Paketshop. Das nervt den Produktkäufer und immer öfter die Personen der Zwischenlagerung – Konfliktpotential.

Das ein Großteil dieser Gesellschaft keinerlei Probleme mit der Erfassung immenser Datenmengen privatestem und persönlichstem Inhalts hat, ist soweit den Konzernen bewusst und wird auch gnadenlos ausgenutzt. Nun startet der Versuch, noch einen Schritt weiter zu gehen. Den Schritt in die Wohnung. Das bedeutet, die bis dato letzte Bastion des Endverbrauchers wird endlich geknackt.

Amazon USA formuliert diese Idee, dieses neue Projekt natürlich freundlicher: „We want you to have peace of mind when you use Amazon Key to receive in-home deliveries”, ist auf der Internetseite zu erlesen[1]. Das klingt gut und hilfsbereit. „Peace in mind”, aah. Das braucht der Kunde in diesen wirren Zeiten. Wie soll das aber funktionieren?

Natürlich erkauft man sich den Seelenfrieden, für schlappe 250€ in der einfachsten Variante. Momentan auch nur für den Premium Kunden erhältlich. Ein digital vernetztes Schloss erlaubt dann den Zustellern den Zugang in die heimischen vier Wände. Der Lieferant kann alleine die Wohnung – aufgezeichnet durch eine Kamera – betreten. Problem gelöst.

Amazon informiert, der Paketbote wird über das Internet bei Amazon den Zugang zur Wohnung erbitten. Das Authentifizierungssystem des Konzerns öffne dann die Tür. Automatisch zeichne eine Kamera die Lieferung auf – live zu betrachten vom Kunden oder später als Videoclip anzusehen[2]. So easy, sie verstehen?

Könnten etwaig dadurch jedoch Probleme auftreten? Irritationen für den glücksbeseelten Amazon Kunden, bei der Rückkehr am Feierabend? Drei Pakete da, aber dafür die letzte Woche georderte Nespresso Machine weg? Wer garantiert, dass die installierte Kamera nur den Eingangsbereich erfasst, dokumentiert? Eine kleine Kundenanalyse hat noch keinem Unternehmen geschadet. Die individuelle Sedierung mit Top-Angeboten könnte noch zielgerichteter eingesetzt werden.

Sehr dünn informiert Amazon zu dieser Problematik, ggf. dann für die Klage entsprechende Fotos und Videos verwenden zu wollen. Juristisch sehr fraglich, aber auch hier wird ein Großteil der Endabnehmer sein Verstand nicht nutzen wollen. Die so vermeintliche Praktikabilität und Vereinfachung wird erneut obsiegen. Der Wahnsinn kann – immer – noch gesteigert werden.

Quellen

[1] https://www.amazon.com/gp/help/customer/display.html/ref=s9_acss_bw_cg_ODSBRLS_md1_w?nodeId=202187520&ref=ods_bls_hqp_lnch_2017_hpngnte&pf_rd_m=ATVPDKIKX0DER&pf_rd_s=merchandised-search-8&pf_rd_r=EPM6AP1B1J2R83XS7D0G&pf_rd_t=101&pf_rd_p=4b0dd395-617c-4461-9da2-08a80b40a476&pf_rd_i=17285120011

[2] http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/amazon-will-paketboten-zugang-zu-kunden-wohnungen-verschaffen-a-1174778.html

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