Tagesdosis 24.3.2018 – Der Ankauf von Staatsanleihen in Krisenzeiten

Risikofreies Geschäft für die Banken.

Ein Kommentar von Ernst Wolff.

Zweimal stand das globale Finanzsystem bereits am Abgrund und wurde in letzter Minute gerettet. Als 1998 der New Yorker Hedgefonds Long Term Capital Management zahlungsunfähig wurde, kaufte ihn eine Gruppe von Wall-Street-Banken auf und verhinderte damit den eigenen Zusammenbruch sowie einen Domino-Effekt, der möglicherweise das ganze System mit sich gerissen hätte.

Zehn Jahre später waren die Probleme erheblich größer: aufgrund der Subprime-Hypothekenkrise in den USA standen zahlreiche Finanzinstitutionen in aller Welt vor dem Ruin. Diesmal mussten die Staaten eingreifen, um die Geldhäuser und damit das System selbst am Leben zu erhalten.

Dieser zweite Eingriff und die weiteren Stützungsmaßnahmen erforderten allerdings mehr Geld als vorhanden war. Also wurde es künstlich geschaffen – und zwar mit Hilfe der Zentralbanken. Damit wurde eine neue Phase in der Geschichte des globalen Finanzwesens eröffnet, denn ohne die Zentralbanken würde es heute nicht mehr existieren.  

Wie funktioniert eigentlich die Geldschöpfung?

Wie aber geht dieser Prozess im Einzelnen vonstatten? Wie kommt das von den Zentralbanken geschaffene Geld in Umlauf? Um diese Fragen zu beantworten, muss man zunächst einmal klarstellen, wie in unserem Finanzsystem Geld erzeugt wird.  

Die Geldschöpfung erfolgt nämlich nicht durch die Zentralbanken, sondern durch die Geschäftsbanken, und zwar über die Kreditvergabe. Nimmt jemand zum Beispiel in der Eurozone einen Kredit über 1.000 Euro auf, so schafft die Bank diesen Betrag per Knopfdruck aus dem Nichts. Als „Sicherheit“ muss sie bei der EZB lediglich 1% dieses Betrages, also 10 Euro, als „Mindestreserve“ hinterlegen.

Der Kredit hat eine bestimmte Laufzeit, innerhalb derer der Kunde ihn zurückzahlen muss. Tut er das, verschwindet das Geld ebenso wie es in die Welt gekommen ist – im Nichts. Was aber bleibt, ist die Zinszahlung, die der Kunde an die Bank leisten musste und durch die die Bank nun ein Stück reicher und der Abstand zwischen ihr und dem Kunden ein Stück größer geworden ist.

Wie aber verhält es sich mit den 14 bis 16 Billionen Dollar, die die Zentralbanken seit 2008 künstlich geschaffen und unter dem schönfärberischen Begriff “Quantitative Easing“ („Mengenmäßige Erleichterung“) in die Märkte gepumpt haben?

Quantitative Easing und Staatsanleihen-Ankauf

Nehmen wir ein Beispiel: Ein großer Teil dieses Geldes ist in den Kauf von Staatsanleihen geflossen. Staatsanleihen sind nichts anderes als Papiere, die die Regierungen ausgeben, um sich Geld für den eigenen Haushalt zu besorgen. Sie werden von Geschäftsbanken gekauft, die sie anschließend auf dem sogenannten „Sekundärmarkt“ an die Zentralbanken weitergeben.

Um zu verstehen, wer hier wie profitiert, muss man diesen Prozess einmal sehr genau betrachten. Also: Bank A möchte Staatsanleihen kaufen und leiht sich zu diesem Zweck von Bank B das nötige Geld. Nachdem Bank A das Geschäft getätigt hat, wendet sie sich an die Zentralbank, die ihr die Staatsanleihen wieder abkauft. Mit dem erhaltenen Geld zahlt Bank A den von Bank B erhaltenen Kredit zurück.

Sowohl Bank A als auch Bank B halten am Schluss also weder Staatsanleihen, noch haben sie Schulden. Dafür aber hat Bank B von Bank A Zinsen erhalten. Bank A holt sich diese Zinsen zuzüglich einer (erheblichen) Maklergebühr von der Zentralbank zurück. Beide Banken haben also von dem Deal profitiert. Das Wichtigste aber: Beide tragen keinerlei Risiko, denn der Risikofaktor – die Staatsanleihen – liegen ja jetzt bei der Zentralbank.

Die EZB wirkt wie ein schwarzes Loch

Dieses Risiko kann extrem sein. Die Staatsanleihen zum Beispiel, die den südeuropäischen Staaten abgenommen werden, sind im Grunde sogenannte „Schrottpapiere“ und werden nur mit dem Ziel, diese Staaten am Leben zu erhalten, zu völlig überhöhten Preisen gekauft. Sie sind zu diesen Bedingungen am normalen Markt unverkäuflich.

Die EZB wirkt also wie ein Schwarzes Loch, das sowohl die Schulden als auch die Risiken des Deals zwischen Geschäftsbanken und Staat schluckt. All das wäre ja noch nicht einmal verwerflich, wenn nicht am Schluss jemand für die Risiken geradestehen müsste, der mit dem Geschäft gar nichts zu tun hat – die arbeitende Bevölkerung, die über eine weitere Bank, nämlich den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), mit ihren Steuergeldern für mögliche Ausfälle bürgen muss.

Im Grunde handelt es sich um nichts anderes als ein für Laien undurchsichtiges Manöver, mit dem es die Geschäftsbanken schaffen, sich in Krisenzeiten unter Mithilfe der Zentralbanken an einem eigentlich unprofitablen Geschäft zu bereichern und dabei gleichzeitig bankrotte Staaten am Leben zu erhalten. Da der Steuerzahler sich bis heute nicht dagegen wehrt, lautet die entscheidende Frage: Kann dieser Betrug möglicherweise endlos weitergehen?

Nein, denn dieser Prozess führt langfristig zu einem Vertrauens- und Wertverlust in das Geld und damit entweder in einen Crash oder eine Hyperinflation. Dass die Zentralbanken sich darüber im Klaren sind, beweist ihre gegenwärtige Politik: Sie versuchen weltweit, die Zinsen zu erhöhen sowie den Kauf von Staatsanleihen einzuschränken und langfristig zu beenden.

Ein Erfolg dieser Maßnahmen aber setzt voraus, dass es am freien Markt einen Käufer für die Staatsanleihen gibt. Den gäbe es aber nur unter der Voraussetzung, dass ihr Wert steigt. Dazu wiederum müssten sich die Wirtschaften der betroffenen Länder erholen, was unter dem gegenwärtigen Casino-Kapitalismus ausgeschlossen ist.

Das heißt: Die Zentralbanken sitzen in der Falle und werden – trotz aller anderslautenden Beteuerungen – den einmal eingeschlagenen Weg weitergehen müssen, von dem wir heute bereits wissen: An seinem Ende stehen, wenn es nicht vorher zu einem Krieg kommt, ein Crash oder eine Hyperinflation.

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